OGH 5Ob131/04g

OGH5Ob131/04g15.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Jerzy O*****, vertreten durch Mag. Susanna Schiel, Sekretärin des Österreichischen Mieter- und Wohnungseigentümerbundes, Biberstraße 7, 1010 Wien, gegen die Antragsgegnerin Maria A*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Überprüfung des Hauptmietzinses (§ 37 Abs l Z 8 MRG), über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Dezember 2003, GZ 41 R 220/03m-23, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. Juni 2003, GZ 20 Msch 10045/02m-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Hauptmieter der Wohnung top 17 im Haus *****, das mehrheitlich der Antragsgegnerin gehört. Diese hat an dem ihr nicht gehörigen Miteigentumsanteil ein Fruchtgenussrecht, ist also alleinige Vermieterin der Wohnung.

Mit Sachbeschluss vom 5. 6. 2003 stellte das Erstgericht eine Überschreitung des zulässigen Hauptmietzinses fest und trug der Antragsgegnerin die Rückzahlung der von August 1999 bis August 2002 zuviel eingehobenen Beträge auf. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Strittig war im Rekursverfahren vor allem die Frage, ob die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung im Hinblick auf die Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 MRG überhaupt noch geltend gemacht werden konnte. In diesem Zusammenhang sind folgende aktenkundigen Tatsachen von Interesse:

Der Mietvertrag wurde am 12. 12. 1983 abgeschlossen und sah für den Antragsteller die Rechtsstellung eines Untermieters vor. Als Vermieter schien Christian A***** auf, mit dem am selben Tag mündlich ein Hauptmietvertrag abgeschlossen worden war, um die Wohnung für den Sohn der Antragsgegnerin zu "reservieren". Der Antragsteller kannte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den Unterschied zischen Haupt- und Untermiete nicht. Er hatte bis April 2001 keine Ausfertigung des mit ihm abgeschlossenen Untermietvertrages.

Vereinbart war ein Pauschalmietzins, der die Bewirtschaftungskosten inkludierte.

Im Oktober 2000 machte die Antragsgegnerin ("in Vertretung") erstmals von der im Untermietvertrag enthaltenen Wertsicherungsklausel Gebrauch und schrieb dem Antragsteller ab 1. 11. 2000 einen um 50,95 % erhöhten Mietzins vor. Daraufhin wandte sich der Antragsteller an den Mieterbund.

Im Jänner 2001 (mit Schriftsatz vom 3. 1. 2001) begehrte der Antragsteller bei der zuständigen Schlichtungsstelle seine Anerkennung als Hauptmieter gemäß § 2 Abs 3 MRG. Im Zuge dieses Verfahrens wurde dem Antragsteller von der Hausverwalterin am 29. 3. 2001 schriftlich bestätigt, Hauptmieter zu sein. Im selben Schreiben teilte ihm die Hausverwalterin mit, dass er ab April 2001 Zahlscheine erhalten werde, aus denen seine Hauptmieterstellung ersichtlich sei.

Eine erster Antrag auf Mietzinsüberprüfung wurde vom Antragsteller am 18. 7. 2001 gestellt; im gegenständlichen Verfahren langte der Mietzinsüberprüfungsantrag am 14. 8. 2002 bei der zuständigen Schlichtungsstelle ein.

Der Feststellung der Mietzinsüberschreitung durch das Erstgericht ging die Aufspaltung des Pauschalmietzinses im Rahmen einer Vorfragen-Entscheidung voraus.

Beide Vorinstanzen waren der Ansicht, dass die in § 16 Abs 8 MRG normierte Präklusionsfrist für die Überprüfung der Mietzinsvereinbarung nicht vor der Anerkennung des Antragstellers als Hauptmieter (vor rechtskräftiger Klärung seiner Rechtsstellung) zu laufen begonnen habe. Erörtert wurde in diesem Zusammenhang auch die Rechtsansicht von Vonkilch (in der Glosse zu WoBl 2000/104 = 5 Ob 303/99s), der Lauf der 3-jährigen Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG werde in analoger Anwendung des § 1489 ABGB mit der Kenntnis des Scheinuntermieters von ausreichenden Indizien für ein Erfolg versprechendes Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG in Gang gesetzt. Die hiefür maßgebliche Feststellung im erstinstanzlichen Sachbeschluss lautet wie folgt:

Ab wann der Antragsteller ausreichende Indizien für das Vorliegen eines "Scheinhauptmietverhältnisses" bzw eines "Scheinuntermietverhältnisses" hatte und ab wann der Antragsteller selbst vom Vorliegen eines Scheinuntermietverhältnisses ausging, kann nicht festgestellt werden.

In ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat die Antragsgegnerin statt dessen die Feststellung begehrt, "der Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter hätte bereits bis zum 30. Juni 2000 eingebracht und mit einem Antrag auf Überprüfung des Hauptmietzinses verbunden werden können". Sie bezog sich damit auf ihr Vorbringen, der Antragsteller habe Kenntnis von den maßgeblichen Umständen für seinen Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter (schon) "im Zeitraum 30. 6. 2000 und 30. 1. 2001 (gemeint war offenbar der 3. 1. 2001) gehabt" (AS 37); das Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG hätte sohin bis 30. 6. 2000 und damit so rechtzeitig anhängig gemacht werden können, "dass keine Präklusion der Überprüfungsmöglichkeit des Hauptmietzinses eintritt" (AS 75).

Diese Beweis- und Tatsachenrüge hielt das Rekursgericht nicht für stichhältig (ON 23, 4). Es ließ jedoch letztlich offen, ob der Antragsteller bereits vor dem 30. 6. 2000 Kenntnis von deutlichen Indizien für eine die Rechte des Hauptmieters umgehende Vertragskonstruktion hatte. Wegen der besonderen rechtlichen Ausnahmesituation eines Scheinuntermieters sei es nämlich gerechtfertigt, den Beginn der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG erst ab dem Zeitpunkt der rechtsverbindlichen Anerkennung als Hauptmieter anzusetzen; das sei im vorliegenden Fall der Zugang des Schreibens vom 29. 3. 2001.

In diesem Zusammenhang sprach das Rekursgericht aus, dass der Revisionsrekurs (bei einem Wert des Entscheidungsgegenstandes von mehr als EUR 10.000,- -) zulässig sei. Es liege nämlich noch keine Rechtsprechung des OGH zur Frage vor, ob analog § 1489 ABGB der Scheinuntermieter noch vor rechtsverbindlicher Klärung seiner Mieterstellung bereits bei Vorliegen von Indizien für eine Umgehungskonstruktion iSd § 2 Abs 3 MRG einen Mietzinsüberprüfungsantrag stellen muss, um die Präklusion iSd § 16 Abs 8 MRG oder des § 26 Abs 4 MRG zu verhindern.

Gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichtes hat die Antragsgegnerin Revisionsrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Sie vertritt der Lehrmeinung von Vonkilch folgend den Standpunkt, dass die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG mit der Kenntnis des Antragstellers von ausreichenden Indizien für einen nur zur Umgehung der einen Hauptmieter zustehenden Rechte abgeschlossenen Untermietvertrag zu laufen begonnen habe. Demnach hätte "bereits bis zum 30. 6. 2000 ein entsprechender Überprüfungsantrag eingebracht werden müssen; da dies nicht geschah, sei der gegenständliche Antrag präkludiert". Außerdem stelle es einen Wertungswiderspruch dar, einerseits von einer ex tunc-Wirkung der Anerkennung des Antragstellers als Hauptmieter auszugehen, die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG aber erst ab seiner Anerkennung als Hauptmieter zu berechnen. Beantragt wurde, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen so abzuändern, dass das Begehren des Antragstellers wegen Präklusion zurück-, in eventu abgewiesen wird.

Der Antragsteller hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

Die Rechtsfrage, ob die ex tunc-Wirkung einer Entscheidung nach § 2 Abs 3 MRG iVm 37 Abs 1 Z 1 MRG (siehe dazu Fenyves in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, Rz 49 zu § 2 MRG mwN) auch zwangsläufig die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG ab Abschluss der Mietzinsvereinbarung beginnen lässt, hat offenbar schon das Rekursgericht als nicht bedeutsam iSd § 528 Abs 1 ZPO angesehen. Tatsächlich rechtfertigt die Feststellung, der Scheinuntermieter sei in Wahrheit schon immer Hauptmieter gewesen, eine solche Konsequenz nicht. Die rückwirkende Verbesserung der Rechtsstellung des Scheinuntermieters bliebe unvollständig, wäre er 3 Jahre nach Abschluss der Mietzinsvereinbarung von jeglicher Überprüfung des Hauptmietzinses ausgeschlossen, weshalb diese Meinung nicht ernsthaft vertreten werden kann (vgl Vonkilch aaO). Einer Richtung weisenden Entscheidung des OGH bedarf es dazu nicht.

Etwas anders verhält es sich mit der Frage, ob Versäumnisse des Scheinuntermieters bei der Betreibung seiner Anerkennung als Hauptmieter den Lauf der Präklusionsfrist für eine Überprüfung des Hauptmietzinses (die Sanierung der Mietzinsvereinbarung) beeinflussen, ob also die von Vonkilch vorgeschlagene analoge Anwendung des § 1489 ABGB zu überlegen ist. Sie wird aus Anlass eines passenden Falls zu klären sein, ist jedoch für die gegenständliche Entscheidung nicht relevant:

Um sich auf eine Präklusion des Mietzinsüberprüfungsanspruchs nach Maßgabe einer analogen Anwendung des § 1489 ABGB auf die Frist des § 16 Abs 8 MRG berufen zu können, hätte die Antragsgegnerin behaupten und auch nachweisen müssen, dass der Antragsteller schon vor dem 14. 8. 1999 (dem Datum der Einbringung des gegenständlichen Sachantrags bei der Schlichtungsstelle) in Kenntnis von Umständen war, die ihm die Anerkennung als Hauptmieter ermöglicht hätten. Die analoge Anwendung von Verjährungsbestimmungen (insbesondere des § 1489 ABGB) auf die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG hätte nämlich konsequenter Weise dazu zu führen, dass die Behauptungs- und Beweislast für den Eintritt der Verjährung bzw Präklusion denjenigen trifft, der sich darauf beruft (vgl 5 Ob 265/02k, tw veröffentlicht in ecolex 2003/131; 3 Ob 70/03w; siehe im Übrigen RIS-Justiz RS0034456). Dieser Darlegungspflicht ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.

Die negative (also ihrem Verfahrensstandpukt nachteilige) Feststellung des Erstgerichtes, dem Antragsteller sei die Kenntnis von Verdachtsmomenten in Bezug auf eine bloße Scheinuntermiete vor seinem Antrag vom 3. 1. 2001 nicht nachweisbar, wollte die Antragsgegnerin durch die Feststellung ersetzt haben, der Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter hätte bereits bis zum 30. 6. 2000 eingebracht werden können. Was der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt wusste (obwohl er damals noch gar keine Ausfertigung des schriftlichen Mietvertrags hatte) und wie weit sein Kenntnisstand zeitlich zurückreichte, blieb offen. Ähnlich unpräzise war schon das (oben wiedergegebene) Vorbringen der Antragsgegnerin. Es lässt jedenfalls keinen sicheren Schluss darauf zu, dass der Antragsteller schon vor dem 14. 8. 1999 über ausreichende Tatsachen- und Beweisgrundlagen für einen Erfolg versprechenden Antrag nach § 2 Abs 3 MRG hatte. Der Präklusionseinwand der Antragsgegnerin war daher nicht zielführend.

Unabhängig davon wäre eine Verfristung des Mietzinsüberprüfungsantrags im Hinblick darauf zu verneinen, dass es erst einer Aufspaltung des vereinbarten Pauschalmietzinses bedurfte, um sodann den zulässigen Hauptmietzins festzustellen (vgl 5 Ob 175/02z = WoBl 2003/138 [Vonkilch]).

Damit könnte dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin selbst bei einem anderen Begründungsansatz kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung hängt von der aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG im Fall einer Scheinuntermiete erst ab rechtsverbindlicher Anerkennung des Mieters als Hauptmieter zu laufen beginnt, gar nicht ab, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

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