European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00125.16T.0711.000
Spruch:
Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Eine mündliche Verhandlung ist – namentlich im Rechtsmittelverfahren (9 Ob 76/10g; 6 Ob 193/12v; 10 ObS 88/15m) – zur Wahrung des Art 6 EMRK nicht erforderlich. Dies gilt umso mehr im Grundbuchverfahren als einem reinen Urkundenverfahren, in dem keine Tatfragen, sondern ausschließlich Rechtsfragen zu klären sind (vgl RIS‑Justiz RS0074950; 1 Ob 61/10t). Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung war daher abzuweisen.
II. Das Rekursgericht hat den das Grundbuchgesuch abweisenden Beschluss des Erstgerichts bestätigt, weil der Antragsteller als Eintragungsgrundlage nur eine Teilausfertigung eines Scheidungsfolgenvergleichs vorgelegt hat. Der Antragsteller vermag in seinem dagegen erhobenen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen:
1.1. Der Antragsteller meint, dass nach 5 Ob 40/06b und 5 Ob 269/08g eine Teilausfertigung einer Urkunde nur dann als Eintragungsgrundlage untauglich sei, wenn es sich dabei lediglich um die „Ergänzung“ eines anderen (nicht vorgelegten) Vertrags handle. Überdies ergebe sich aus 5 Ob 197/05i, dass es ausreiche, wenn „beide Parteien eines Vertrages einvernehmlich und in beglaubigter Form den Inhalt des früher abgeschlossenen Vertrages bekräftigen und bestätigen“.
1.2. Keine der vom Antragsteller angesprochenen Entscheidungen spricht für die Tauglichkeit des vorgelegten Auszugs aus dem Scheidungsfolgenvergleich als Eintragungsgrundlage:
Zu 5 Ob 40/06b hatten die Antragsteller lediglich einen Ergänzungsvertrag vorgelegt, in dem ausdrücklich auf Bestimmungen der der ursprünglichen Eintragung zugrunde liegenden Urkunde Bezug genommen wurde. Der Senat sprach aus, dass entweder die Vorlage auch dieser Grundbuchsurkunde im Original oder der ausdrückliche Hinweis auf das Erliegen der Originalurkunde beim Grundbuchgericht Voraussetzung der Bewilligung gewesen wäre. Eine Aussage über die Tauglichkeit einer Teilausfertigung einer Urkunde als Eintragungsgrundlage enthält diese Entscheidung genauso wenig wie jene zu 5 Ob 269/08g.
Die Entscheidung 5 Ob 197/05i betraf den hier nicht vorliegenden Fall der „Bekräftigung“ eines Kaufvertrags, der nicht mehr im Original verfügbar war. In dieser Entscheidung wird allerdings – gerade entgegen dem Standpunkt des Antragstellers – darauf hingewiesen, dass dem Grundbuchgericht „ein vollständiges Bild über den Inhalt des zu verbüchernden Vertrages“ zu vermitteln ist.
2.1. Der vorliegende Fall entspricht im Wesentlichen jenem, den der Senat jüngst zu 5 Ob 250/15y (Zak 2016/219) entschieden und dort die Eigentumseinverleibung aufgrund einer Teilausfertigung eines Scheidungsfolgenvergleichs abgelehnt hat. An den in dieser Entscheidung dargelegten Gründen, aus denen in formeller Hinsicht eine dort „Teilausfertigung“ und hier ein „Auszug“ eines Scheidungsfolgenvergleichs nicht dem § 87 Abs 1 GBG entspricht, ist auch hier festzuhalten.
2.2. Der auf dem hier vorgelegten Auszug enthaltene Hinweis des Familiengerichts, wonach dieser „sämtliche im Scheidungsvergleich in Bezug auf die Liegenschaft … getroffenen Vereinbarungen (umfasst)“ führt – entgegen der Ansicht des Antragstellers – zu keiner abweichenden Beurteilung. Nach § 94 Abs 1 GBG ist es nämlich das Grundbuchgericht das das Gesuch und die Beilagen genau zu prüfen hat und eine bücherliche Eintragung (ua) nur dann bewilligen darf, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet ist (Z 3) und die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung der betreffenden Einverleibung, erforderlich ist (Z 4). Das dafür funktionell nicht zuständige Familiengericht kann daher nicht für das Grundbuchgericht bindend aussprechen, ob der Auszug des Scheidungsfolgenvergleichs tatsächlich sämtliche in Bezug auf die Liegenschaft getroffenen Vereinbarungen enthält.
3. Auch die vom Antragsteller behaupteten aus Art 8 Abs 2 EMRK, Art 52 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union abgeleiteten datenschutzrechtlichen Bedenken sind nicht zu teilen. Die Prüfung der gesamten Urkunde, auf deren Grundlage die Eigentumseinverleibung erfolgen soll, ist zufolge §§ 87 Abs 1, 94 Abs 1 GBG gesetzlich zwingend vorgeschrieben und dient (ua) dem Schutz des verfassungsrechtlich gewährleisteten (verbücherten) Eigentums (§§ 1 Abs 2, 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000). Die Einstellung von Urkunden in das Urkundenarchiv ist nicht Gegenstand und Vorfrage dieser Entscheidung. Es besteht daher kein Anlass für die vom Antragsteller angeregte Einleitung eines Vorabentscheidungs- oder eines Gesetzesprüfungsverfahrens.
4. Im Ergebnis erweist sich der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG als unzulässig und ist daher zurückzuweisen.
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