OGH 5Ob108/13p

OGH5Ob108/13p28.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen 239.722,22 EUR sA und Abgabe einer Willenserklärung (Gesamtstreitwert 240.722,22 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 13. März 2013, GZ 1 R 46/13i‑14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Gleisdorf vom 30. November 2012, GZ 5 C 18/12f‑10, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00108.13P.0828.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.510,82 EUR bestimmen Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 418,47 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

In einem von der Klägerin gegen den Beklagten beim Erstgericht eingeleiteten Ehescheidungsverfahren gemäß § 49 EheG einigten sich die Streitteile in der Tagsatzung am 21. 10. 2010 umfassend über die Scheidung und die Aufteilung. Vorgesehen war, dass der Beklagte eine auf § 55 Abs 1 EheG gestützte Klage einbringen werde; die Scheidung sollte nach dieser Gesetzesstelle unter Ausspruch des Verschuldens des Beklagten gemäß § 61 Abs 3 EheG erfolgen.

Der Beklagte erachtete sich in der Folge an die getroffene Vereinbarung nicht gebunden. Die Ehe wurde schließlich aufgrund der von der Klägerin bereits eingebrachten Ehescheidungsklage mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts vom 21. 3. 2012 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Gestützt auf die geschlossene Vereinbarung erhob die Klägerin ein Haupt‑ und mehrere Eventualbegehren.

Nach ‑ rechtskräftiger ‑ Abweisung des Haupt‑ und eines ersten Eventualbegehrens verpflichtete das Berufungsgericht den Beklagten, der Klägerin Zug um Zug gegen Übergabe einer Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung einer der Klägerin gehörigen Liegenschaft sowie gegen Erteilung der ausdrücklichen und unwiderruflichen Einwilligung und Zustimmung der Klägerin dazu, dass der Beklagte in Ansehung dieser Liegenschaft Alleineigentümer wird, zur Zahlung von 239.722,22 EUR sA. Ferner bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts, wonach der Beklagte schuldig ist, seine Einwilligung zu einer Antragstellung der Klägerin gemäß § 98 Abs 1 EheG in Ansehung einer näher bezeichneten Kreditverbindlichkeit zu erteilen.

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht mit der Begründung für zulässig, dass die Frage der „Weitergeltung“ einer Vereinbarung nach § 97 Abs 5 EheG im Hinblick auf eine geplante „einvernehmliche“ Scheidung nach § 55 Abs 1 EheG für den Fall, dass es in der Folge tatsächlich zu einer Scheidung nach § 49 EheG ‑ wenn auch mit gleichlautendem Verschuldensausspruch ‑ komme, bislang vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden sei.

Der Beklagte strebt mit seiner gegen das Berufungsurteil erhobenen Revision eine Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Neben einer behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht der Beklagte in seiner Revision geltend, dass eine bindende Vereinbarung zwischen den Streitteilen über die Aufteilung nicht zustande gekommen sei. Im Übrigen widerspreche die Entscheidung des Berufungsgerichts der Rechtsprechung, wonach im Regelfall bei Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Scheidung die für diesen Fall getroffene Vereinbarung mangels Bedingungseintritts keine Rechtsfolgen nach sich ziehe. Im gesamten Verfahren sei der Klagebetrag niemals aufgeschlüsselt und dem Beklagten niemals detailliert gesagt worden, wofür bzw aus welchem Titel er den Klagebetrag zu leisten habe. Es liege ein (gemeinsamer) Irrtum vor, der den Beklagten zur Anfechtung der Vereinbarung berechtige.

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Mit ihrer Behauptung, eine bindende Vereinbarung sei zwischen den Streitteilen nicht geschlossen worden, setzt sich die Revision über die vom Berufungsgericht übernommenen und damit für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts hinweg: Danach kam es zu einer umfassenden Einigung der Parteien über alle Punkte. Die Behauptung, die Bindungswirkung sei von der Unterfertigung einer schriftlichen Vereinbarung abhängig gemacht worden, ist sachverhaltsfremd.

3. Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sind gemäß § 97 Abs 5 EheG vor Scheidung auch formlos (10 Ob 63/07y mwN) möglich, wenn die Vereinbarung im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren geschlossen wurde.

3.1 Maßgeblich ist, dass bereits bei Abschluss der Vereinbarung eine beiderseitige Scheidungsabsicht bestand. Eine einseitige Scheidungsabsicht reicht aus, wenn diese Absicht vom Scheidungswilligen auch verwirklicht werden kann (RIS‑Justiz RS0057710; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 97 EheG Rz 23 mwN).

3.2 Haben die Parteien aber ausdrücklich oder nach dem erkennbaren Parteiwillen eine Vereinbarung nur für den Fall der einvernehmlichen Scheidung getroffen, ist der Scheidungsfolgenvergleich bei Nichtzustandekommen der einvernehmlichen Scheidung mangels Bedingungseintritts nicht wirksam geworden (1 Ob 178/07v).

3.3 Hier scheiterte die ursprünglich ‑ offenbar aus verfahrensökonomischen Gründen ‑ vorgesehene Scheidung nach § 55 EheG in Verbindung mit einem Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG zu Lasten des Beklagten ausschließlich daran, dass sich der Beklagte an die Vereinbarung nicht mehr gebunden erachtete und daher keine Klage nach § 55 EheG erhob.

3.4 Sämtliche der in der Entscheidung 1 Ob 178/07v angeführten Argumente für den dort vertretenen Standpunkt treffen auf den vorliegenden Fall nicht zu: Es steht vielmehr eine gemeinsame Scheidungsabsicht fest, wobei die Scheidung nach dem übereinstimmenden Willen beider Parteien mit einem Verschuldensausspruch zu Lasten des Beklagten erfolgen sollte.

Die auf den Umständen des Einzelfalls beruhende Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Vereinbarung nach dem übereinstimmenden Parteiwillen (auch) für die in der Folge tatsächlich erfolgte Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG aus dem Alleinverschulden des Beklagten Gültigkeit haben sollte, hält sich an die Grundsätze oberstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0057619) und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dabei ist hervorzuheben, dass der Beklagte im Anlassfall durch den Umstand, dass die Ehe aus seinem Alleinverschulden gemäß § 49 EheG ‑ statt wie vorgesehen nach § 55 EheG in Verbindung mit dem Ausspruch seines Alleinverschuldens ‑ geschieden wurde, im Hinblick auf unterhaltsrechtliche Folgen sogar begünstigt ist.

4. Der Vorwurf der fehlenden „Aufschlüsselung“ der begehrten Ausgleichszahlung ist unbegründet: Die Klägerin begehrt die Ausgleichszahlung aufgrund der getroffenen Vereinbarung. Das Berufungsgericht verwies in diesem Zusammenhang zutreffend darauf, dass eine „Aufschlüsselung“ nicht Gegenstand der Vereinbarung zwischen den Streitteilen war.

5. Ob der Beklagte in erster Instanz überhaupt einen tauglichen Irrtumseinwand erhob, ist schon deshalb nicht von Relevanz, weil aus den Feststellungen weder die Veranlassung eines Irrtums durch die Klägerin bzw deren Vertreter noch der behauptete „gemeinsame“ Irrtum abzuleiten ist.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen.

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