OGH 504Präs32/21x

OGH504Präs32/21x27.8.2021

Beschluss:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:504PRA00032.21X.0827.000

 

Spruch:

Der zu 8 Ns 17/21a des Oberlandesgerichts ***** gestellte Ablehnungsantrag des ***** gegen den Präsidenten des Oberlandesgerichts ***** vom 20. Juli 2021 wird abgewiesen.

 

 

Begründung:

Mit Beschluss vom 11. März 2021 (AZ 16 Hv 105/20b) wies das Landesgericht ***** den Antrag des im Verfahren 28 Hv 178/13i des Landesgerichts ***** rechtskräftig Verurteilten ***** auf Wiederaufnahme dieses Strafverfahrens ab. Über die dagegen erhobene Beschwerde hat ein Senat zu entscheiden, dem der nun abgelehnte Präsident des OLG ***** angehört.

Seinen ua gegen den Präsidenten erhobenen Ablehnungsantrag vom 20. Juli 2021, der inhaltlich die in einem weiteren, allerdings nicht den Präsidenten betreffenden Ablehnungsantrag enthaltenen Gründe wiederholt, macht der Verurteilte zusammengefasst geltend: Die Privatbeteiligte des Strafverfahrens arbeite im selben Gerichtsgebäude wie der Präsident als Staatsanwältin. Das OLG ***** sei „Geschäftspartner“ des weiteren Privatbeteiligten gewesen, der den Universitätslehrgang „Wirtschaftskriminalität, Korruption und Recht“ in enger Kooperation mit dem Bundesministerium für Justiz und dem OLG ***** organisiert habe. Der Lehrgang sei 2015 mit dem Hinweis beworben worden, dass sich das OLG ***** stark für die Einrichtung dieses Lehrgangs eingesetzt habe. Im Rahmen dieses Lehrgangs, der bis Herbst 2019 abgehalten worden sei, habe eine enge Kooperation beider Privatbeteiligten mit der StA ***** und dem OLG ***** bestanden. Der abgelehnte Präsident sei Co-Veranstalter des Lehrgangs gewesen. Der Präsident habe überdies die „Gruppenrevision *****“ veranstaltet. Der psychologische Gutachter im Strafverfahren habe dort vorgetragen. Auch daraus ergebe sich eine enge Verbindung zwischen dem Präsidenten, der Privatbeteiligten und dem Gutachter. Schließlich sei der Privatbeteiligte Mitglied einer im OLG ***** eingerichteten Kommission zur Beurteilung der Gleichwertigkeit von nichtösterreichischen Studien und zur Beurteilung der wechselseitigen Anrechnung der Berufsprüfungen. Der Privatbeteiligte sei somit Mitarbeiter des OLG *****, der abgelehnte Präsident sei sein Vorgesetzter.

Der abgelehnte Präsident erklärte sich für nicht befangen. An dem erwähnten, von der Fortbildungsabteilung des OLG ***** in Zusammenarbeit mit dem BMJ organisierten Universitätslehrgang sei er nur formell beteiligt gewesen. Der Vortrag des psychologischen Gutachters bei einer Fortbildungsveranstaltung begründe kein Naheverhältnis zum Präsidenten; diesem sei der Gutachter persönlich nicht bekannt. Der Präsident sei auch nicht Vorgesetzter des Privatbeteiligten in der der im OLG ***** eingerichteten Kommission. In dieser Kommission werde als Behörde über Anträge auf wechselseitige Anrechnung von Berufsprüfungen entschieden. Die zuständige Fachabteilung des OLG ***** übermittle derartige Anträge zur gutachterlichen Stellungnahme an den Privatbeteiligten. Persönliche Kontakte des Präsidenten mit dem Privatbeteiligten bestünden nicht. Warum der Umstand, dass der Präsident und die Privatbeteiligte im selben Haus – und zwar einerseits im zweiten Stock des Altbaus und andererseits im 11. Stock des Neubaus – tätig seien, eine Befangenheit begründen solle, sei nicht nachvollziehbar.

Der Ablehnungsantrag ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung liegt Befangenheit nicht nur vor, wenn ein Richter an eine ihm zukommende Tätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten kann, sondern es genügt der äußere Anschein einer Hemmung vor unparteiischer Bearbeitung durch sachfremde psychologische Momente (20 Ns 3/14t mwN). Befangenheit ist somit entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen können (RS0114514 [T1]).

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor: Der abgelehnte Präsident fühlt sich nach seinen eigenen Angaben subjektiv nicht befangen; Anhaltspunkte für eine persönliche Nahebeziehung zu den Privatbeteiligten und/oder dem im Strafverfahren tätig gewesenen psychologischen Gutachter bestehen nicht.

Aber auch eine Anscheinsbefangenheit ist nicht erkennbar: Ein solcher Anschein setzt nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus der Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen; auf eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann ein Ablehnungsantrag nicht mit Erfolg gestützt werden (RS0056962). Rein dienstliche oder kollegiale Kontakte zwischen Mitgliedern des zuständigen Senats und einer Partei begründen keinen Anschein der Befangenheit (1 Ob 13/90); das gilt auch für die räumliche Unterbringung eines Staatsanwalts und eines Richters im selben Gerichtsgebäude. Selbst bestehende freundschaftlichen Kontakte aufgrund gemeinsamer Aus- und Fortbildung zwischen Richtern und Angehörigen anderer Berufsgruppen, wie etwa Universitätsprofessoren, bilden keinen Befangenheitsgrund, wenn sich der Richter nicht selbst für befangen erklärt (Ballon in Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, I³ § 19 JN Rz 10 mwN). Hier bestanden und bestehen nach den Angaben des abgelehnten Präsidenten keine Kontakte zu dem im Strafverfahren des Verurteilten bestellten Sachverständigen; an dem Universitätslehrgang war der Abgelehnte nur formell in seiner Eigenschaft als Präsident eingebunden; der Präsident ist auch nicht „Vorgesetzter“ des Privatbeteiligten im Rahmen der behördlichen Tätigkeit jener Kommission, die über die Anrechnung von Berufsprüfungen zu entscheiden hat. Persönliche Kontakte des Präsidenten zum Privatbeteiligten, der dieser Kommission nicht selbst angehört, sondern nur für gutachterliche Stellungnahmen herangezogen wird, bestehen nicht.

Der Ablehnungsantrag ist daher abzuweisen.

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