European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00087.23G.0627.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist eine Gesellschaft öffentlichen Rechts gemäß § 1 Spanische Hofreitschule‑Gesetz mit dem Zweck der dauerhaften Erhaltung und traditionsgemäßen Zucht der Pferderasse „Lipizzaner“, zur Erhaltung der Tradition und der Hohen Schule der klassischen Reitkunst, zur traditionsgemäßen Nutzung der betreffenden Teile der Hofburg und des Bundesgestütes Piber und damit zur Wahrung des öffentlichen Interesses am dadurch repräsentierten österreichischen und internationalen Kulturgut.
[2] Der (nationale wie internationale) Ruf und die Wertschätzung der Lipizzaner-Pferde wird von der Klägerin seit jeher kommerziell genützt, und zwar auch durch den Verkauf von „Lipizzaner“-Souvenirartikeln, ua aus Schokolade. Weiters betreibt sie etwa in der Hofreitschule in Wien das „Lipizzaner-Café“.
[3] Sie ist seit 1987 Inhaberin folgender Wortbildmarke, die einen Lipizzaner samt Bereiter in der typischen Dressurposition Levade zeigt:
[4] Den Begriff „Lipizzaner“ hat sie dagegen weder als Wortmarke noch als Teil einer Wortbildmarke registriert.
[5] Die erst- und zweitbeklagten Gesellschaften wurden Mitte der 1990er gegründet, der Drittbeklagte ist ihr Geschäftsführer und (Mit‑)Gesellschafter.
[6] Die Zweitbeklagte ließ 1999 und 2000 den Begriff „Lipizzaner“ als Wortmarke und als Bestandteil einer Wortbildmarke registrieren.
[7] Nach den in diesem Verfahren getroffenen Feststellungen produziert und vertreibt die Erstbeklagte seit 2000 unter den von der Zweitbeklagten lizenzierten Marken Lebensmittel, insbesondere die mit weißer Schokolade überzogenen „Lipizzaner-Kugeln“ und die „Lipizzaner‑Torte“ mit weißer Glasur. Mittlerweile sind auch „Lipizzaner‑Kosmetikprodukte“ im Sortiment der Beklagten, wie etwa Hautcremes und Flüssigseifen.
[8] Die Erstbeklagte verkauft ihre Produkte in drei eigenen „Lipizzaner‑Shops“ in Wien, die sie mit den Marken kennzeichnet. Die Zweitbeklagte betreibt einen Onlineshop, der über zahlreiche Domains zugänglich ist, die ihre Wortmarke „Lipizzaner“ enthalten.
[9] Zwischen den Streitteilen gab es im Laufe der Jahre immer wieder Kontakte wegen eines allfälligen Vertriebs von Produkten oder eines Markenerwerbs.
[10] Seit ihrer Ausgliederung ist die Klägerin zusehends auf Merchandising-Einnahmen angewiesen, wofür sie vermehrt den Begriff „Lipizzaner“ verwendete. Als die Klägerin im Dezember 2019 schließlich ihre „neue Lipizzaner-Torte“ präsentierte, begannen gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Beklagten.
[11] Die Klägerin begehrte – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – den Beklagten 1. die Verwendung des Zeichens Lipizzaner für a) Geschäftslokale sowie b) Lebensmittel und Kosmetika zu untersagen; 2. a) die entsprechenden Geschäftsschilder zu entfernen; b) die entsprechenden Produkte zu vernichten und d) die entsprechenden Domains zu löschen; 3. Rechnungslegung; 4. Zahlung des erzielten Gewinns oder eines fiktiven Lizenzentgelts; 5. und 6. Urteilsveröffentlichung. Die Beklagten haben die Marken für zahllose Waren und Dienstleistungen in 28 bzw 34 Klassen angemeldet und 22 Domains registriert, um Dritte, insbesondere auch die Klägerin, bei der Benützung des Begriffs „Lipizzaner“ für ihre (unternehmerischen) Zwecke zu behindern. Der Begriff Lipizzaner werde mit der Klägerin assoziiert und als ihr „Produkt“ bzw „Markenzeichen“ wahrgenommen. Die Beklagten würden diesen Ruf schmarotzerisch ausbeuten, und deshalb gegen § 1 UWG verstoßen. Die Beklagten nähmen bei der Vermarktung ihrer Produkte nicht nur allgemein auf die Pferderasse Bezug, sondern verwendeten gezielt Elemente aus dem Symbolrepertoire der Klägerin, wie etwa die Dressurposition Levade oder den von Bereitern getragenen Zweispitz. Das zeige sich insbesondere daran, dass sie insbesondere typische Merchandising-Artikel wie Bekleidung, Papier- und Schreibwaren, Spielwaren etc angemeldet hätten, diese aber auch 20 Jahre nach der Registrierung nicht vertreiben würden. Außerdem erweckten die Beklagten den unzutreffenden Eindruck einer wirtschaftlichen oder rechtlichen oder organisatorischen Verbindung zur Klägerin, indem sie sich am Symbolschatz der Klägerin bedienen und eine k&k‑Optik verwenden. Dieses Imitationsmarketing sei irreführend iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG und verstoße auch gegen § 9 UWG.
[12] Die Beklagten argumentieren, dass sie ihre prioritätsälteren Marken gutgläubig angemeldet hätten. Die Familie des Drittbeklagten stelle bereits seit Jahrzehnten Torten mit weißer Schokoladenglasur her, die von den Wienern wegen der Farbe als „Lipizzaner‑Torte“ bezeichnet worden seien. Die Beklagten hätten ihre Torten 2005 sogar ans Café der Klägerin geliefert, ohne dass diese Einwände gegen die Bezeichnung gehabt hätte. Die Klägerin habe vor 2019 keine Backwaren vertrieben. Bezugnahmen auf Wien, die Monarchie, den (auch von Bereitern der Klägerin getragenen) Zweispitz und die Pferderasse Lipizzaner seien üblich und nicht der Klägerin vorbehalten. Selbst Österreich müsse sich das „UNESCO Weltkulturerbe Lipizzaner“ mit mehreren anderen Ländern teilen. Die Klägerin werde daher gedanklich zwar mit der Pferderasse verbunden, der Begriff „Lipizzaner“ verweise aber umgekehrt nicht automatisch und ausschließlich auf die Klägerin.
[13] Die Vorinstanzen wiesen die im Revisionsverfahren noch strittigen Begehren ab. Die Klägerin könne ohne gesetzliche Grundlage (zB MSchG, UrhG, § 43 ABGB und § 9 Abs 1 UWG) keine Ausschließungsrechte am Begriff „Lipizzaner“ beanspruchen. Eine Gattungsbezeichnung (hier: für eine Pferderasse) könnte zwar zu einem Unternehmenskennzeichen der Klägerin iSd § 9 Abs 1 UWG werden. Dafür müssten aber nahezu 100 % der angesprochenen Verkehrskreise sämtliche Lipizzanerpferde (und nicht nur die von der Klägerin in der Dressur eingesetzten weißen Lipizzaner-Hengste) als „Produkt“ bzw „Kennzeichen“ der Klägerin verstehen. Dies behaupte aber nicht einmal die Klägerin und liege im Hinblick auf die weltweite Zucht, ua im namensgebenden Lipica, sowie den vielfältigen Einsatz der Pferde in Sport und Freizeit auch nicht nahe. Eine Teilstattgebung oder Modifikation der Begehren komme hier nicht in Frage, weil sowohl die Begehren als auch das Vorbringen eindeutig und ausschließlich auf eine generelle Untersagung der Nutzung des Begriffs „Lipizzaner“ abstellen würden.
[14] Die außerordentliche Revision der Klägerin will eine Stattgebung für die Unterlassungsbegehren 1. a) und b), die Beseitigungsbegehren 2. a), b) und d) sowie die Rechnungslegungs- und Zahlungsbegehren 3. und 4., sowie insoweit auch der Veröffentlichungsbegehren 5. und 6. erreichen. Hilfsweise beantragt sie die Aufhebung und Zurückverweisung.
Rechtliche Beurteilung
[15] Das Rechtsmittel zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher nicht zulässig.
[16] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Nach gesicherter Rechtsprechung ist ein (behaupteter) erstinstanzlicher Verfahrensmangel grundsätzlich kein Revisionsgrund, wenn die zweite Instanz die Mangelhaftigkeit mit einer durch die Aktenlage gedeckten Begründung verneint hat (RS0042963).
[17] Hier hat sich das Berufungsgericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob zum Beweisantrag auf Einholung eines demographischen Gutachtens ein relevantes Beweisthema genannt wurde, und dies mit zumindest vertretbaren Argumenten verneint.
[18] Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass „Lipizzaner“ erst dadurch zu einem Unternehmenskennzeichen werden könnte, dass die Allgemeinheit sämtliche Lipizzanerpferde als „Produkt“ bzw „Kennzeichen“ der Klägerin verstehe, versucht die Klägerin in ihrer Revision gar nicht zu widerlegen. Ein nach dieser rechtlichen Beurteilung relevantes Tatsachenvorbringen, das durch das beantragte Gutachten unter Beweis gestellt werden könnte, zeigt das Rechtsmittel nicht auf.
[19] 2. Außerdem rügt die Klägerin, dass die Vorinstanzen den Klagebegehren nicht zumindest in eingeschränkter Form stattgaben. Die Klägerin habe sehr wohl auch Interesse an einem Titel (nur) gegen ausbeutende und/oder irreführende Zeichennutzung.
[20] 2.1. Der Klägerin ist zwar beizupflichten, dass Gerichte zu allgemein gefasste Unterlassungsbegehren auf die tatsächlich erwiesenen Wettbewerbsverstöße als Minus zusprechen können (vgl RS0037645 [T12]). Diese Rechtsprechung ist aber für den vorliegenden Fall nicht einschlägig:
[21] 2.2. Auch mit der Revision will die Klägerin nämlich weiterhin die Verwendung des Zeichens Lipizzaner untersagen lassen, wenn auch (nur) zu Zwecken der Rufausbeutung, insbesondere indem die Benützung dieses Zeichens unter Bezugnahme auf die Spanische Hofreitschule, die Hohe Schule der Pferdedressur und deren Symbolik (wie der Zweispitz, die Levade) sowie der Habsburger-Monarchie erfolge; und/oder (nur) in irreführender Art und Weise, indem durch Bezugnahme auf die Spanische Hofreitschule, die Hohe Schule der Pferdedressur und deren Symbolik (wie der Zweispitz, die Levade) sowie der Habsburger-Monarchie der Eindruck einer wirtschaftlichen, rechtlichen oder organisatorischen Beziehung zur Klägerin erweckt werde.
[22] Wie jedoch die Beklagten und die Vorinstanzen richtig aufgezeigt haben, ist der Begriff „Lipizzaner“ weder für die Klägerin geschützt noch kann sie die Gattungsbezeichnung einer Pferderasse „monopolisieren“. Dies gilt auch dann, wenn diese berühmte Pferderasse (auch) mit der Klägerin in Verbindung gebracht wird. Die Verwendung des Begriffs „Lipizzaner“ ist daher nicht der Kern allenfalls von den Beklagten begangener Rechtsverletzungen (vgl RS0037733).
[23] 2.3. Das Gericht ist zwar auch berechtigt, dem Urteilsspruch eine klarere und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung zu geben, wenn sich letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RS0039357). Dabei ist zwar grundsätzlich nicht nur der Wortlaut des gestellten Begehrens, sondern auch das Klagsvorbringen, auf das sich das Begehren stützt, zu beachten (RS0039357 [T2]).
[24] Im vorliegenden Fall ist aber selbst aus der Revision nicht ersichtlich, dass und wenn ja welches konkrete Verhalten die Klägerin den Beklagten untersagt sehen will, das nicht primär auf die Verwendung des Begriffs „Lipizzaner“ abstellt. Die Klägerin verweist dazu nur allgemein auf umfangreiche Passagen ihres Klagevorbringens. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, aus mehrseitigem Vorbringen, in dem praktisch der gesamte Marktauftritt der Beklagten geschildert wird, jene Elemente zu isolieren, die in Kombination ein unlauteres Wettbewerbsverhalten bilden könnten und daraus ein die präsumtiven Interessen der Klägerin bestmöglich wahrendes Unterlassungsbegehren zu formulieren.
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