OGH 4Ob70/15w

OGH4Ob70/15w19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N***** N*****, vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.900 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 26. November 2014, GZ 1 R 176/14d‑11, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 27. August 2014, GZ 2 Cg 46/14d‑7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00070.15W.0519.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wiederhergestellt wird, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig wäre.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.642,64 EUR (darin 326,94 EUR USt und 681 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin verfügt in Oberösterreich über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mittels Automaten.

Der Beklagte betreibt in Oberösterreich ein Gasthaus. Er hat keine Bewilligung für den Betrieb von Glücksspielautomaten. Dennoch sind in seinem Gastlokal zwei Automaten aufgestellt, von denen einer bespielbar und der zweite durch die Finanzpolizei versiegelt ist. Beim bespielbaren Automaten hängen Gewinn oder Verlust vom Zufall ab, wobei der Spieler den Einsatz pro Spiel mit mindestens 0,20 EUR und höchstens 10,50 EUR festlegen kann.

Die Klägerin beantragte, dem Beklagten zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in seinem Gasthaus, solange er oder der Dritte, dem er die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglicht, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügt. Der Beklagte betreibe bzw ermögliche ein illegales Glücksspiel, weil er über keine behördliche Bewilligung verfüge, wodurch er gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstoße. Die Klägerin stellte auch einen entsprechenden Sicherungsantrag.

Der Beklagte wendete ein, das österreichische Glücksspielgesetz sei wegen des Vorrangs des Unionsrechts unanwendbar, weil das Glücksspielmonopol gegen das Recht der Europäischen Union verstoße. Daher dürften Angehörige anderer Mitgliedstaaten in Österreich Glücksspiele veranstalten. Wegen der verfassungsrechtlich verbotenen Inländerdiskriminierung (Art 7 B‑VG) könne auch er sich auf die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes berufen. Er beantragte die Abweisung der Klage und des Sicherungsantrags, hilfsweise möge die einstweilige Verfügung nur gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 50.000 EUR bewilligt werden.

Das Erstgericht gab der Klage statt und erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung. Die Dienstleistungsfreiheit erfasse nur Sachverhalte mit einem transnationalen Element, das hier nicht gegeben sei. Auch eine Inländerdiskriminierung liege nicht vor. Der Beklagte verstoße gegen gesetzliche Bestimmungen, sodass sein Verhalten unlauter im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 UWG sei.

Das Berufungs- und Rekursgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und bestätigte die erstgerichtliche einstweilige Verfügung, machte jedoch deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR abhängig; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die einstweilige Verfügung greife trotz Bescheinigung des Anspruchs gravierend in die Geschäftstätigkeit des Beklagten ein. Dabei stützte sich das Rekursgericht auf die Entscheidung 4 Ob 145/14y.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Abänderung der einstweiligen Verfügung dahin anstrebt, dass der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung entfällt, ist zulässig und berechtigt.

1. Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht dann die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen (§ 390 Abs 2 EO). Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS‑Justiz RS0005711; vgl auch RS0005595). Wurden aber ‑ wie hier ‑ Umstände, aus denen sich ein schwerwiegender Eingriff, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt, erschließen ließe, vom Gegner der gefährdeten Partei nicht bescheinigt und sind sie auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen, dann ist die Sicherheitsleistung nicht aufzutragen (vgl Kodek in Angst , EO² § 390 Rz 6; 4 Ob 396/77 = ÖBl 1978, 98 mwN; 4 Ob 28/15v; vgl RIS‑Justiz RS0005595 [T15]).

2. Anders als in der Entscheidung 4 Ob 145/14y ergibt sich aus dem hier festgestellten Sachverhalt kein schwerwiegender Eingriff in Interessen des Beklagten, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt: Der Beklagte betreibt ein Gasthaus. In seinem Lokal stehen zwei Glücksspielautomaten (von denen nur einer bespielbar ist), sodass davon auszugehen ist, dass das Glücksspiel nicht die Haupteinnahmequelle des Beklagten ist und daher hier keine Vernichtung eines Geschäftsmodells ‑ wie in der zitierten Entscheidung ‑ vorliegt.

3. Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wiederherzustellen, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist.

4. Der Streit über den Auftrag zum Erlag der Sicherheit ist ein Zwischenstreit. Der im Zwischenstreit unterlegene Beklagte hat der Klägerin die Kosten des erfolgreichen Revisionsrekurses zu ersetzen (vgl RIS‑Justiz RS0036016).

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