Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die im Übrigen bestätigt werden, werden in ihrem Ausspruch über die Führung der Berufsbezeichnung "Heilpraktikerin" dahin abgeändert, dass der Beklagten untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Berufsbezeichnung "Heilpraktikerin" zu führen; das Mehrbegehren, die Führung der Berufsbezeichnung "Heilpraktikerin" darüber hinaus auch sonst zu untersagen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.764,54 EUR (darin 294,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist deutsche Staatsangehörige. Ihr wurde nach Absolvierung der entsprechenden Ausbildung mit Bescheid des Ordnungsamtes der deutschen Stadt Landshut auf Antrag die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestrahlung und zur Führung der Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" erteilt. Die Beklagte, die nunmehr ihren Wohnsitz in Österreich genommen hat, ist seit 20. 10. 1997 Inhaberin eines von der Bezirkshauptmannschaft L***** ausgestellten Gewerbescheins für das Gewerbe "Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw energetischen Ausgewogenheit mittels Interpretation der Aura". In ihrer anlässlich der Neueröffnung ihrer "Naturpraxis" in A***** in Reformhäusern aufgelegten Werbeaussendung hat sich die Beklagte selbst als "Heilpraktikerin" bezeichnet und unter anderem Therapien und Behandlungen auf dem Gebiet der Akupunktur und der Homöopathie angeboten. In ihrer Werbebroschüre "Die Regenbogenbrücke" kündigt die Beklagte auf der Titelseite "ganzheitliche Heil- und Lebensweisen" sowie auf der drittvorletzten Seite unter dem Titel "Naturpraxis" Einzelsitzungen in den Bereichen Homöopathie, Akupunktur und energetisches Heilen, an. Im Ort befinden sich Hinweisschilder mit der Aufschrift "Naturpraxis Gisela H*****". An der Eingangstür zu den Praxisräumen ist die Beschriftung "Naturheilpraktikerin Gisela H*****" angebracht.
Am 19. 11. 1999 besuchte Angelika K*****, eine Studentin, die stundenweise in der Kanzlei der Klagevertreter arbeitet, die Praxis der Beklagten, um dort im Auftrag der Klägerin als Testperson Erhebungen durchzuführen. Nach Aufnahme ihrer Daten, darunter auch der Geburtszeit, in eine Karteikarte fragte die Beklagte, welche Beschwerden die Besucherin zu ihr führten. In der Folge gab die Testperson wahrheitsgemäß an, dass sie an einem schwachen Immunsystem und einer chronischen Bronchitis leide, was aller Wahrscheinlichkeit nach auf ihre zahlreichen Allergien zurückzuführen sei. Die Beklagte machte sich Notizen, insbesondere darüber, an welchen Allergien die Besucherin seit wann leidet. Dass sie an Allergien leide, hatte die Testperson der Beklagten schon am Telefon anlässlich der Terminvereinbarung gesagt. Die Beklagte hatte deshalb bereits Vorbereitungen getroffen und kündigte ihrer Besucherin an, dass sie ihr nunmehr Blut abnehmen werde. Dieses werde dann über eine Wiener Apotheke nach Deutschland geschickt, wo man aus ihrem eigenen Blut ein Medikament für die Testperson machen könne. Es handle sich dabei um eine Art "Eigenbluttherapie". Die Besucherin könne dieses Medikament dann einnehmen oder spritzen. Auf deren Bedenken hin, dass sie unsicher sei, ob sie sich dieses Mittel selbst spritzen könne, sagte die Beklagte, sie könne ihr dies zeigen. In der Folge nahm die Beklagte der Testperson mittels einer Einwegspritze Blut ab, steckte es in ein vorbereitetes adressiertes Kuvert und füllte ein Begleitformular aus. In der Folge befragte sie die Besucherin über ihr Verhältnis zu deren Eltern sowie über ihre Essensgewohnheiten. Aus diesen Angaben zog die Beklagte den Schluss, dass Natrium-Muriatikum das richtige Konstitutionsmittel für die Testperson sei. Sie gab ihrer Besucherin ein Fläschchen davon in die Hand und wies sie an, einige Kügelchen zu nehmen. Sie erklärte auch, dass es sich dabei um eine 10.000er Potenz handle. Auf die Frage, ob Kugeln dieser Potenz in Österreich überhaupt erhältlich seien, erklärte die Beklagte, sie müsse sie aus Deutschland beziehen. Auf die weitere Frage der Testperson, welche Erklärung sie für die Allergien habe, sagte die Beklagte, es handle sich dabei meist um Autoaggressionskrankheiten. Zum abgenommenen Blut erklärte die Beklagte, dieses werde homöopathisiert, also potenziert, und die Testperson bekomme dann Potenzen von D 2 bis D 12 verabreicht. Dann bereitete die Beklagte ein kleines Plastikdöschen und eine Spritze vor und stellte - offenbar mittels Holzpendels - fest, ob dieses Mittel zur Testperson "passe". Dazu erklärte sie, dass es sich um eine Arznei aus der "Enderlein Therapie" handle. Die Beklagte verabreichte sodann der Besucherin eine Injektion mit diesem Mittel. Über ihre Ausbildung gab die Beklagte an, dass sie neben Geistheilung auch Akupunktur gelernt habe, die sie der Besucherin bei akuten Beschwerden anbieten könne. Auf die Frage, ob die Beklagte auch etwas gegen die Symptome (durch Allergien verursachte akute Beschwerden) tun könne, erklärte sie, dass es gute Mittel aus der Alchemie und Spagyrik (= Methode der Heilmittelherstellung) gebe, die Erleichterung verschaffen könnten. In der Folge füllte sie ein halbes Fläschchen mit einer braunen Flüssigkeit ab und erklärte der Testperson, dass sie die Tropfen dreimal pro Tag einnehmen solle. Zusätzlich füllte sie noch ein Öl aus der Alchemie ab, das ihren Angaben zufolge durch mehrfache Destillation sehr hochwertig sei. Die Sitzung der Testperson bei der Beklagten dauerte etwa eine Stunde. Die Beklagte packte zum Schluss die Tropfen, das Öl und das Kuvert mit der Blutprobe ein, das die Testperson beim nächsten Postamt abgeben sollte. Darüber hinaus gab sie ihr noch verschiedene Prospekte über Seminare mit, die sie zusammen mit anderen abhalte. Schließlich entließ sie die Testperson mit dem Hinweis, dass sie sich in etwa einer Woche wieder bei ihr melden solle, weil dann das Medikament aus Deutschland bei ihr eingetroffen sein werde. Für die erfolgte Behandlung und die überreichten Medikamente verlangte die Beklagte 750 S und bestätigte deren Erhalt. Unmittelbar nach diesem Besuch bei der Beklagten bekam die Testperson starke Kopfschmerzen und hohes Fieber (39,5 Grad Celsius). Die Studentin war vor diesem Termin bei der Beklagten schon öfter in ähnlichen Fällen als Testperson für die Klägerin unterwegs. Den konkreten Auftrag hat sie von ihrem Dienstgeber erhalten, der sie auch eingehend darüber belehrt hatte, keine Leiden vorzutäuschen, sondern nur tatsächliche, konkrete Beschwerden anzugeben. Die Beklagte hat Kunden aus V*****, G***** W***** und S*****. Es steht nicht fest, dass die Beklagte Personen auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen körperlicher Krankheiten hin untersucht oder ihnen Diagnosen gestellt hätte; auch steht nicht fest, dass sie niemals die von ihr beworbene Akupunktur- oder Homöopathiebehandlung durchgeführt hätte. Die Beklagte wusste vor Beginn ihrer Tätigkeit in Österreich, dass nach der österreichischen Rechtslage die Ausübung des Berufs eines Heilpraktikers verboten ist.
Die klagende Ärztekammer begehrt, der Beklagten zu verbieten,
1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) Untersuchungen auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen Krankheiten oder Störungen, insbesondere Diagnosen betreffend das Immunsystem, Bronchitis und Allergien, anzukündigen und/oder durchzuführen,
b) Heilbehandlungen der vorgenannten Zustände anzukündigen und/oder durchzuführen, insbesondere die Verordnung und/oder Verabreichung und/oder Injektion homöopathischer Substanzen und/oder die Akupunkturtherapie,
c) operative Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut vorzunehmen,
d) Heilmittel zu verordnen, insbesondere homöopathische Substanzen und/oder Eigenblutpräparate,
2. die Berufsbezeichnung "Heilpraktikerin" zu führen. Weiters stellt sie ein Veröffentlichungsbegehren.
Die Beklagte trete im geschäftlichen Verkehr als "Heilpraktikerin" auf und bezeichne sich als solche. Sie führe mit ihren Besuchern konkrete Diagnosegespräche, erkundige sich nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten, um vor dem Hintergrund der daraus gezogenen Erkenntnisse eine Heilbehandlung durch die Gabe von homöopathischen Präparaten durchzuführen. Sie nehme zur Vorbereitung weiterer Behandlungen Blut ab, verabreiche zur Behandlung körperlicher Beschwerden Medikamente durch Injektion und empfehle selbst abgefüllte Tropfen. Damit führe die Beklagte ohne Zuziehung eines Arztes Heilbehandlungen durch und verschreibe Medikamente. Die Beklagte verstoße gegen § 2 ÄrzteG, gegen die Bestimmungen des AMG und überschreite die ihr eingeräumten gewerberechtlichen Befugnisse; zugleich handle sie wettbewerbswidrig iSd § 1 UWG. Der Gesetzesverstoß sei ihr subjektiv vorwerfbar, weil sie auf Grund ihrer langjährigen Tätigkeit im Gesundheitsbereich jedenfalls davon Kenntnis haben müsse, dass die von ihr vorgenommenen Handlungen unzulässig und rechtswidrig seien. Die Beklagte verstoße weiters gegen § 2 UWG, weil sie den Titel "Heilpraktikerin" zur Anpreisung ihrer (verbotenen) Heilbehandlungen benütze und den Verbraucher über ihre Berechtigung zur Ausübung eines heilenden Berufes in die Irre führe, um ihn zur Inanspruchnahme der von ihr angebotenen Leistungen zu veranlassen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Als in Deutschland ausgebildete und nach dem deutschen Heilpraktikergesetz zugelassene Heilpraktikerin sei sie zu den beanstandeten Handlungen auch in Österreich berechtigt. Sie habe ihren Beruf in Deutschland 16 Jahre unbeanstandet ausgeübt. Bevor sie ihre Tätigkeit als Heilpraktikerin in Österreich begonnen habe, habe sie sich ausführlich über die Rechtslage in Österreich informiert; sie sei von namhaften Rechtskundigen darüber informiert worden, dass es ihr auf Grund des Beitritts Österreichs zur EU erlaubt sei, in Österreich die Tätigkeit einer Heilpraktikerin auszuüben. Selbst wenn ein Gesetzesverstoß nach § 1 UWG vorläge, sei er ihr subjektiv nicht zurechenbar; es liege ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor. Die Klägerin habe darüber hinaus die von ihr beauftragte Testperson in rechtswidriger Form als Lockspitzel benutzt, um unter Vorgabe fingierter Krankheiten eine Behandlung durch die Beklagte zu provozieren. Auch habe die Klägerin durch den Einsatz des Lockspitzels bewusst in Kauf genommen, dass der Testperson eine Fehlbehandlung widerfahre und sie dadurch gesundheitliche Schäden davontragen könne. Dieses Verhalten sei verwerflich, die Klage daher auch aus diesem Grund abzuweisen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in seinen Punkten 1b) bis 1d) und 2) sowie im Veröffentlichungsbegehren statt und wies es im übrigen ab. Die Beklagte habe Heilbehandlungen angekündigt und durchgeführt, Injektionen und homöopathische Substanzen verordnet und verabreicht, operative Eingriffe (Blutentnahme) durchgeführt und Heilmittel verordnet. Sie habe damit als Nichtärztin Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten ausgeführt. Akupunkturbehandlung setzte ein Durchdringen der Haut mit Nadeln voraus und falle in den Vorbehaltsbereich des § 2 ÄrzteG. Die Gesetzesverstöße seien der Beklagten auch subjektiv zurechenbar, weil durch Entscheidungen des EuGH und des VwGH schon vor Aufnahme der Tätigkeit der Beklagten als Heilpraktikerin im Inland hinreichend klargestellt gewesen sei, dass die Rechtsauffassung der Beklagten unzutreffend sei. Der Einsatz einer Testperson durch die Klägerin sei unbedenklich, weil sich diese wie ein gewöhnlicher und redlicher Patient verhalten und nur wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe. Die Erlaubnis zur Blutabnahme sei die freie Entscheidung der Testperson gewesen. Die Klägerin habe nicht sittenwidrig gehandelt. Der Beklagten sei die Verwendung einer Berufsbezeichnung zu untersagen, die der österreichischen Rechtsordnung fremd und geeignet sei, das hilfesuchende Publikum über die Befugnis zur Ausübung eines heilenden Berufs zu täuschen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen zur Frage der Zulässigkeit einer Tätigkeit als Heilpraktiker im Inland eingeleitet habe. Die Rechtsauffassung der Beklagten stehe in Widerspruch zum klaren und unmissverständlichen Wortlaut der §§ 2, 3 ÄrzteG, in denen sogar die Entnahme von Blut besonders hervorgehoben und ausdrücklich dem Vorbehaltsbereich der Ärzte zugewiesen sei. Auch der EuGH habe schon 1990 ausgesprochen, dass mangels Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene ein Mitgliedstaat arztähnliche Tätigkeiten Ärzten vorbehalten darf. Die der Beklagten von einem Anwalt auf telefonische Anfrage erteilte gegenteilige Auskunft begründe keinen entschuldbaren Rechtsirrtum. Der Einsatz einer Testperson sei zulässig, solange sich diese - wie hier - so verhalte wie Personen in vergleichbarer Situation. Die Beklagte erwecke in ihren Werbeunterlagen den irreführenden Eindruck, zur Vornahme homöopathischer Behandlungen und zur Akupunktur berechtigt zu sein.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 9. 4. 2002, 4 Ob 70/02a-45, das Revisionsverfahren wegen Präjudizialität bis zur Erledigung des zu 8 Ob 284/99v eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH, Rs C-294/00 - Paracelsus-Schulen/Gräbner, unterbrochen. Zur Vorabentscheidung war unter anderem folgende Frage vorgelegt worden: "Kann weiterhin, insbesondere nach Erlassung der zweiten allgemeinen Anerkennungs-Richtlinie, 92/51/EWG, ein Mitgliedstaat eine arztähnliche Tätigkeit wie die eines Heilpraktikers nach dem deutschen Heilpraktikergesetz, RGBl I 251/1939 in der geltenden Fassung, den Inhabern eines Ärztediploms vorbehalten, oder steht dem nunmehr insbesondere Art 43 EG über die Niederlassungsfreiheit und Art 50 EG über den freien Dienstleistungsverkehr entgegen?"
Mit Urteil vom 11. 7. 2002, C-294/00 , hat der EuGH nunmehr unter anderem ausgesprochen, dass beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts keine seiner Bestimmungen einen Mitgliedstaat hindert, die Ausübung einer Tätigkeit wie der eines Heilpraktikers im Sinne des deutschen Rechts den Inhabern eines Arztdiploms vorzubehalten. Der erkennende Senat hat dieses Urteil - wenn es auch nicht im Streitfall ergangen ist - seiner Entscheidung zugrundezulegen (SZ 69/56 ua).
Der österreichischen Rechtsordnung ist der Beruf eines Heilpraktikers unbekannt. Zur Ausübung der Medizin ist gem § 2 Abs 1 ÄrzteG der Arzt berufen. Gem § 2 Abs 2 ÄrzteG umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufs jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere
1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;
2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;
3. die Behandlung solcher Zustände (Z 1);
4. die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;
5. die Vorbeugung von Erkrankungen;
6. (...)
7. die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln;
8. (...).
Die Beklagte vertritt die Auffassung, weder die Verordnung oder Verabreichung von homöpopathischen Substanzen oder Eigenblutpräparaten noch die Akupunkturbehandlung sei Ärzten vorbehalten; die Homöopathie sei nicht dem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisbereich zuzuordnen, was der Oberste Sanitätsrat für die Eigenbluttherapie schon ausdrücklich ausgesprochen habe. Die Beklagte habe vor Aufnahme ihrer Tätigkeit von mehreren Stellen Rechtsauskünfte eingeholt, die ihr die Unbedenklichkeit ihres Vorhabens bestätigt hätten, weshalb sie in entschuldbarem Rechtsirrtum gehandelt habe. Dem kann nicht zugestimmt werden.
Kein sittenwidriges Handeln iSd § 1 UWG liegt vor, wenn die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Ist dies der Fall, so kann eine auf dieser Auslegung beruhende Tätigkeit nicht mehr als eine gegen das Anstandsgefühl der betroffenen Verkehrskreise verstoßende Handlung angesehen werden (stRsp ua ÖBl 2001, 63 - Teppichknoten; ÖBl 2001, 261 - Hausdruckerei mwN). Steht (objektiv) die Rechtsauffassung des Beklagten nicht im Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut, zur offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder zu einer feststehenden höchstrichterlichen Judikatur (ÖBl 1994, 213 - Haushaltsübliche Reinigungsarbeiten ua), kommt es nicht weiter darauf an, auf Grund welcher subjektiven Umstände er gerade zu dieser Rechtsauffassung gelangt ist (ÖBl-LS 01/1 - Vermietung durch Immobilienmakler; ÖBl 2001, 261 - Hausdruckerei mwN).
Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Erstellung einer Diagnose eine Ärzten vorbehaltene Tätigkeit ist (4 Ob 114/89; 4 Ob 14/00p = ÖBl-LS 2000/33 - Auspendeln; 4 Ob 50/01h = ÖBl-LS 01/109 - Bachblüten). Bestrahlungen mit einer Mineralienlampe oder das Auflegen von Blütenessenzen ohne vorangehende Diagnose für sich allein ist hingegen keine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit iSd § 2 Abs 2 Z 3 ÄrzteG (4 Ob 50/01h = ÖBl-LS 01/109 - Bachblüten). Zur Zulässigkeit einer homöopathischen Behandlung oder einer Akupunkturbehandlung durch einen Nichtarzt fehlt höchstgerichtliche Rechtsprechung (vgl zu diesem Problemkreis - aus strafrechtlicher Sicht - auch Heilegger, Ärztlicher Vorbehaltsbereich und Alternativmedizin: Versuch einer Ab- und Eingrenzung, RdM 1999, 135ff).
Zur Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung iSd § 1 UWG muss dann, wenn Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines bestimmten Verhaltens fehlt, auf die von der zuständigen Verwaltungsbehörde vertretene Rechtsmeinung und ständige Verwaltungspraxis abgestellt werden (MR 1987, 107 - Rubbel-Puzzle; 4 Ob 137/94; vgl auch 4 Ob 378/86 = JBl 1987, 730 betreffend einen Erlass des zuständigen Ministeriums über die Einstufung von teeähnlichen Produkten; ÖBl 1994, 106 - Langlauflehrerprüfung betreffend die Erklärung der zuständigen Behörde, alle Voraussetzungen zur Weiterführung der Schischule zu erfüllen; 4 Ob 1122/93 betreffend eine mündliche, als Bescheid zu qualifizierende Verfügung der zuständigen Verwaltungsbehörde).
Der Oberste Sanitätsrat ist ein gem § 15 des Gesetzes betreffend die Organisation des öffentlichen Sanitätsdienstes RGBl 1870/68 beim für Sanitätsfragen zuständigen Ministerium eingesetztes Gremium, das in allen besonders wichtigen Gesundheitsangelegenheiten als beratendes und begutachtendes Organ tätig wird (§ 16 leg.cit.). In seinen Gutachten kommt deshalb die Rechtsmeinung der in Gesundheitsfragen zuständigen höchsten Verwaltungsbehörde zum Ausdruck, die - sofern ihnen keine gesetzliche Regelung oder höchstgerichtliche Rechtsprechung entgegensteht - bis zu einer gegenteiligen Äußerung für die Rechtsanwender als Richtschnur ihres Verhaltens zu dienen hat.
Der Oberste Sanitätsrat hat in seinem Gutachten vom 19. 1. 1985 (tw abgedruckt in Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn, ÄrzteG³ [1988] 354) ausgesprochen, dass - wenn auch nach dem derzeitigen Stand der Lehre die Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln nicht als wissenschaftliche Heilmethode anerkannt werden könne - die Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln nur nach ärztlicher Anordnung erfolgen dürfe, weil nur der Arzt die Verantwortung übernehmen könne, in bestimmten Fällen keine erprobten Pharmakotherapien, sondern eben nur eine homöopathische Therapie zu betreiben. Zur Nadelakupunkturbehandlung nimmt ein auf einem Gutachten des Obersten Sanitätsrats beruhender Erlass des Bundeskanzleramtes vom 9. 6. 1987 (tw abgedruckt in Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn aaO 348) dahin Stellung, diese sei nach wie vor keine in allen zur Diskussion stehenden Indikationen wissenschaftlich abgeklärte und in ihrer Wirkung eindeutig erwiesene Heilmethode, sie dürfe aber nur von entsprechend ausgebildeten Ärzten angewendet werden.
Bei dieser Sachlage hat die Beklagte mit den ihr verbotenen Verhaltensweisen nicht nur gegen § 2 ÄrzteG verstoßen, sondern kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Schon im Sicherungsverfahren hat der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 13. 9. 2000, 4 Ob 207/00w-23, auf die (mit der Entscheidung Rs C-294/00 - Paracelsus-Schulen/Gräbner neuerlich bestätigte) Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Rs C-61/89 - Bouchoucha, Slg 1990 I-3551) verwiesen (der sich der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. 3. 2000, B 2767/97 angeschlossen hat), wonach das österreichische Berufsverbot für Heilpraktiker gemeinschaftskonform ist. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage konnte auch die Einholung von Rechtsauskünften bei der deutschen Botschaft in Österreich, der österreichischen Botschaft in Deutschland, einem inländischen Rechtsanwalt und bei einem Institutsvorstand der Universität Wien zur Zulässigkeit einer Tätigkeit als Heilpraktikerin im Inland die wettbewerbsrechtliche Verantwortung der Beklagten für ihre unzulässigen Eingriffe in den Vorbehalt des § 2 Abs 2 ÄrzteG nicht ausschließen.
Die Beklagte hat sich, was ihre Behandlungsmethoden im einzelnen betrifft, mit ihrem Handeln auch in Widerspruch zur zuvor beschriebenen Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörden gesetzt. Angesichts der Risikogeneigtheit der von ihr angestrebten Berufsausübung (Heilbehandlungen durch einen Nichtarzt) ist der Beklagten vorzuwerfen, sich keine Kenntnis dieser Rechtsauffassung verschafft zu haben, obwohl ihr dies mit zumutbarem Aufwand (etwa durch Erkundigungen bei der Österreichischen Ärztekammer oder das Studium des zitierten Kommentars zum ÄrzteG, in dessen Anhang entsprechende Gutachten des Obersten Sanitätsrats und Erlässe des BKA abgedruckt sind) leicht möglich gewesen wäre.
Was die Behandlung mit aus dem eigenen Blut der von ihr behandelten Personen gewonnen Medikamenten betrifft, besteht zu dieser Frage kein Gutachten des Obersten Sanitätsrats (Heilegger aaO in FN 14, wo nur ein Gutachten zur Eigenbluttherapie durch Eigenblutinjektionen angeführt ist). Dass ein solches Verhalten aber Ärzten vorbehalten bleiben muss, folgt bereits ohne jeden Zweifel aus dem Gesetz, weil gem § 2 Abs 2 Z 4 ÄrzteG die Entnahme von Blut (die denknotwendige Voraussetzung einer Eigenbluttherapie ist) unter die Ausübung des ärztlichen Berufs fällt. Wenn die Beklagte erstmals im Rechtsmittelverfahren darauf verweist, sie hätte Akupunkturbehandlungen nicht unter Verwendung von (hautdurchdringenden) Nadeln, sondern nur mit sanften Methoden ohne Durchdringung der Haut (zB mittels Laser oder Strom) durchgeführt, handelt es sich dabei um eine unzulässige Neuerung.
Da der Einsatz von Testpersonen grundsätzlich nicht gegen die guten Sitten verstößt, steht diese Methode auch Körperschaften des öffentlichen Rechts offen, die zur Klageführung wegen Wettbewerbsverstößen berechtigt sind (4 Ob 2254/96s = ecolex 1997, 442). Es kann einem Unternehmer grundsätzlich nicht verwehrt werden, sich durch geeignete Testpersonen davon zu überzeugen, ob sich ein Konkurrent an seine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen hält. Kontrollorgane dieser Art, die nicht anstiften, sondern nur auf die Probe stellen wollen, sind keine Lockspitzel. Dass die Testpersonen heimlich vorgehen, macht ihr Verhalten nicht unzulässig, weil beim Entdecken ihrer Funktion eine Kontrolle von vornherein wirkungslos wäre. Testpersonen dieser Art dürfen sich aber nicht anders verhalten als "gewöhnliche" (und damit auch redlich vorgehende) Kunden in vergleichbaren Fällen. Mit unerlaubten und verwerflichen Mitteln, insbesondere bewusst wahrheitswidrigen Behauptungen, darf nicht auf einen Verstoß des Mitbewerbers hingewirkt werden (stRsp ua ÖBl 1998, 337 - Ukrain mwN). Ein sittenwidriges Einsetzen eines Testkäufers ist insbesondere dann anzunehmen, wenn er unter Vorlage einer gefälschten Urkunde oder mit bewusst wahrheitswidrigen Behauptungen auf den Gesetzesverstoß des Mitbewerbers hinwirkt, also etwa mit unrichtigen Behauptungen über eine Erkrankung das Ausstellen eines ärztlichen Rezepts veranlasst und damit den Konkurrenten zur Ausfolgung eines Arzneimittels anstiftet (ÖBl 1998, 337 - Ukrain mwN).
Von einer Anstiftung der Beklagten durch die Testperson der Klägerin kann nach den Feststellungen nicht gesprochen werden, hat diese doch ihre Beschwerden wahrheitsgemäß geschildert. Dass die Klägerin aber bei Auftragserteilung an die Testperson deren Schädigung infolge einer Fehlbehandlung bewusst in Kauf genommen hätte, wie ihr die Beklagte vorwirft, kann nicht ernsthaft angenommen werden. Es steht nämlich nicht fest, dass die Klägerin wusste, welche Behandlung die Testperson bei der Beklagten zu erwarten habe, oder sie angewiesen hätte, sich auch gegen ihren Willen einer Behandlung durch die Beklagte zu unterziehen. Unter diesen Umständen war der Einsatz der Testperson durch die Klägerin nicht verwerflich, zumal schwer vorstellbar ist, wie sich die Klägerin auf andere Weise ein Bild von der Vorgangsweise der Beklagten hätte verschaffen sollen.
Die Beklagte verweist darauf, dass ihr in Deutschland die Berufsbezeichnung "Heilpraktikerin" verliehen und bescheidmäßig ausgesprochen wurde, sie dürfe diese Berufsbezeichnung im Geschäftsleben führen. Damit müsse ihr erlaubt sein, diese Bezeichnung, die der Wahrheit entspreche, auch außerhalb des Heimatstaats zu führen. Diese Auffassung lässt den aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten abgeleiteten völkerrechtlichen Grundsatz außer Acht, dass Staaten der Gesetzgebung und Vollziehung eines anderen Staates nicht unterworfen sind (Fischer/Köck, Allgemeines Völkerrecht4, 110). Die hoheitlichen Befugnisse eines Staats (hier: die Verleihung von Berufsbezeichnungen) besitzen demnach grundsätzlich nur für diesen Staat Geltung; eine grenzüberschreitende Wirkung hoheitlicher Akte ohne Anerkennung durch den Drittstaat ist ausgeschlossen.
Der Beklagten ist - wie zuvor ausgeführt: in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht - im Inland verboten, die Tätigkeit einer Heilpraktikerin auszuüben. Eine innerstaatliche Norm, die ihr die Führung der in Deutschland rechtmäßig erworbenen Berufsbezeichnung "Heilpraktikerin" erlaubte, besteht nicht. Wenn sich demnach die Beklagte in Österreich im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit als "Heilpraktikerin" bezeichnet, ruft sie damit den unrichtigen Eindruck hervor, in Österreich berechtigt zu sei, als Heilpraktikerin zu wirken. Im Gebrauch dieser Berufsbezeichnung liegt somit eine irreführende Angabe iSd § 2 UWG (so schon 4 Ob 122/93 = ecolex 1994, 182 zur Berufsbezeichnung "Zahnarzt"). Zwar ist gem § 43 Abs 3 ÄrzteG auch außerhalb des Wettbewerbsrechts jede Bezeichnung oder Titelführung im allgemeinen Verkehr, die geeignet ist, die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes oder einzelner Zweige dieses Berufes vorzutäuschen, verboten; ein allgemeiner Unterlassungsanspruch eines Mitbewerbers, der auch Handeln im Privatbereich einschließt, kann aus dieser Vorschrift aber nicht abgeleitet werden. In seinem Punkt 2 ist das Klagebegehren daher nur insoweit berechtigt, als es auf ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs abstellt; das darüber hinausgehende Mehrbegehren ist abzuweisen.
Die Berechtigung des Veröffentlichungsbegehrens bestreitet die Beklagte dem Grunde nach mit dem Argument, § 4 UWG verlange wissentliches Handeln; solches liege nicht vor. Dem ist zu entgegnen, dass gem § 25 Abs 3 UWG - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen -jedes Unterlassungsbegehren mit einem Veröffentlichungsbegehren verbunden werden kann. Ist aber schon der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig, kann auch für den Anspruch auf Veröffentlichung nichts anderes gelten. Weshalb in der Werbung der Beklagten für Einzelsitzungen im Bereich ua der Homöopathie und Akupunktur in der Zeitschrift "Die Regenbogenbrücke" keine Ankündigung ärztlicher Leistungen liegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Soweit sich die Beklagte aber gegen den Umfang des Veröffentlichungsbegehrens wendet, weicht sie von der Feststellung, dass ihre Kunden aus V*****, G*****, W***** und S***** stammen, ab und führt die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig aus.
Der Revision ist nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Eines von fünf Unterlassungsbegehren war nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens; die Bemessungsgrundlage beträgt demnach (bei gleichteiliger Bewertung aller Unterlassungsbegehren) 39.970,06 EUR. Das geringfügige Unterliegen in Punkt 2 des Klagebegehrens wirkt sich kostenmäßig nicht aus.
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