OGH 4Ob550/94

OGH4Ob550/9420.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Josef S*****, geboren am *****, vertreten durch den Sachwalter Dr.Hans-Peter Neher, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen pflegschaftsbehördlicher Genehmigung, infolge Revisionsrekurses der Mag.Irene A*****, vertreten durch Dr.Johannes Patzak und Dr.Johannes Krauss, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 20.April 1994, GZ R 296/94-256, womit der Rekurs der Mag.Irene A***** gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 16.Dezember 1993, SW 36/84-243, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Betroffene war Eigentümer der Liegenschaften EZ 12, Grundbuch H*****, mit dem Haus in H*****, Dr.M*****weg 9, und EZ 158, Grundbuch O*****. Er lebte bis zu seinem Tod am 2.6.1994 im B*****heim in Gosau. Da seine Einkünfte nicht ausreichten, die (gestiegenen) Heimkosten zu decken, regte der damalige Sachwalter Dr.Günther S***** im November 1992 an, die Liegenschaften den beiden vom Betroffenen eingesetzten Erben, Mag.Irene A***** und Alfons D***** zum Kauf anzubieten. In der Folge kam es zu Gesprächen, in denen sich Mag.Irene A***** interessiert zeigte, das Haus zu kaufen. Da er sich als pensionierter Rechtsanwalt nicht in der Lage sah, die mit dem Abschluß des Kaufvertrages zusammenhängenden Arbeiten durchzuführen, ersuchte Dr.Günther S*****, ihn als Sachwalter - wenigstens teilweise - zu entheben. Das Sachwalterschaftsgericht bestellte Rechtsanwalt Dr.Hans-Peter Neher zum neuen Sachwalter und trug ihm auf, alle Angelegenheiten zu besorgen. Rechtsanwalt Dr.Hans-Peter Neher führte die Verkaufsgespräche mit Mag.Irene A***** weiter und erhielt auch ein Kaufanbot von Irmgard F*****. Am 7.12.1993 beantragte Mag.Irene A*****, den zwischen ihr und dem Sachwalter geschlossenen Kaufvertrag pflegschaftsbehördlich zu genehmigen. Sie vertrat den Standpunkt, vom Sachwalter ein Anbot erhalten und dieses angenommen zu haben. Das wurde vom Sachwalter bestritten. Das Pflegschaftsgericht beauftragte den Sachwalter, beiden Kaufinteressentinnen mitzuteilen, daß sie bis längstens 9.12.1993 dem Gericht Anbote über den Kauf beider Liegenschaften unterbreiten könnten. Irmgard F***** bot fristgerecht an, beide Liegenschaften um den Preis von S 901.000 zu kaufen;

Mag.Irene A***** verwies auf ihre Auffassung, bereits einen Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von S 840.000 abgeschlossen zu haben;

für den Fall, daß diesem Rechtsgeschäft die pflegschaftsbehördliche Genehmigung versagt werde, erhöhe sie ihr Anbot auf S 851.000.

Das Erstgericht beschloß, das Anbot von Irmgard F***** anzunehmen und jenes von Mag.Irene A***** nicht anzunehmen.

Die Anbote hätten von den Käufern zu kommen; der Sachwalter sei nicht befugt, Anbote zu unterbreiten. Um ein weiteres Hinauflizitieren der beiden Kaufinteressentinnen zu unterbinden, habe das Erstgericht eine Frist für die Vorlage bindender Kaufanbote gesetzt. Das Gericht habe das beste Anbot anzunehmen und sich daher für das Anbot von Irmgard F***** entschieden.

Das Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs von Mag.Irene A***** zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Mit dem angefochtenen Beschluß habe das Erstgericht, wenn auch in einer dem Gesetz nicht ganz entsprechenden Form, den zwischen dem vom Sachwalter vertretenen betroffenen und Irmgard F***** geschlossenen Kaufvertrag pflegschaftsbehördlich genehmigt. Mag.Irene A***** sei an diesem Verfahren nicht beteiligt; sie habe daher keine Rekurslegitimation. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes sei nach § 60 Abs 2 JN mit dem Einheitswert der - allein den Gegenstand des Genehmigungsantrages der Rekurswerberin und ihres Rekurses bildenden - Liegenschaft EZ 12 Grundbuch H***** festzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Mag.Irene A***** ist unzulässig. Die Rechtsmittelwerberin bekämpft den Bewertungsausspruch und den Ausspruch des Rekursgerichtes, daß der Revisionsrekurs unzulässig sei. Entscheidungsgegenstand sei nicht die Liegenschaft, sondern ein obligatorischer Anspruch. § 60 Abs 2 JN sei daher nicht anzuwenden. Das Rekursgericht hätte aussprechen müssen, daß eine erhebliche Rechtsfrage vorliege und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Gemäß § 13 Abs 1 Z 1 AußStrG hat das Rekursgericht auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt oder nicht, wenn der Entscheidungsgegenstand - wie hier - nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, aber rein vermögensrechtlicher Natur ist. Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S und ist der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig, so hat das Rekursgericht auszusprechen, ob der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig ist oder nicht (§ 13 Abs 1 Z 3 AußStrG). Der ordentliche Revisionsrekurs darf nur zugelassen werden, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 14 Abs 1 AußStrG). Während der Ausspruch, wonach der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist (§ 13 Abs 1 Z 2 AußStrG), weder die Parteien noch die Gerichte bindet (§ 13 Abs 2 AußStrG), ist der Bewertungsausspruch nach § 13 Abs 1 Z 1 AußStrG bindend, sofern das Rekursgericht nicht von den gesetzlichen Bewertungsgrundsätzen abgewichen ist (EFSlg 67.426; RPflSlg 2338; 5 Ob 54/93 ua). Das Rekursgericht hat bei der Bewertung (ua) § 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden. Nach dieser Bestimmung ist bei einer grundsteuerpflichtigen unbeweglichen Sache der Einheitswert maßgebend; § 60 Abs 2 JN ist anzuwenden, wenn die Liegenschaft streitverfangen ist (RZ 1965, 46; SZ 55/186; RZ 1990/38; s auch Fasching I 364).

Im vorliegenden Fall geht es um die pflegschaftsbehördliche Genehmigung eines Kaufvertrages über eine Liegenschaft; die Liegenschaft selbst ist nicht streitverfangen. § 60 Abs 2 JN ist demnach nicht maßgebend. Das Rekursgericht hat sich somit bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes zu Unrecht am Einheitswert orientiert.

Der Rechtsmittelwerberin ist damit aber nicht geholfen: Auch wenn das Rekursgericht den Wert des Entscheidungegenstandes ohne Berücksichtigung des Einheitswertes festgesetzt hätte und zu einem 50.000 S übersteigenden Wert gekommen wäre, wäre der Revisionsrekurs nicht zulässig. Auch im Außerstreitverfahren muß, wie oben ausgeführt, eine erhebliche Rechtsfrage (§ 14 Abs 1 AußStrG) vorliegen, damit Revisionsrekurs erhoben werden kann. Daran fehlt es hier: Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist die Rechtsmittellegitimation der Revisionsrekurswerberin. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber im Verfahren zur pfegschaftsgerichtlichen Genehmigung eines vom Pflegebefohlenen geschlossenen Vertrages weder der Vertragspartner noch ein Dritter (SZ 23/240; SZ 26/295; EvBl 1965/192; RZ 1993/77 mwN) Beteiligter iS des § 9 AußStrG. Davon abzugehen, bietet der vorliegende Fall keinen Anlaß. Auch hier geht es letztlich um die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines Vertrages, der die Liegenschaft eines unter Sachwalterschaft stehenden betrifft. Ein solches Verfahren ist ausschließlich im Interesse des Betroffenen durchzuführen; das Pflegschaftsgericht hat bei der Entscheidung über die Vertragsgenehmigung allein dessen Interessen zu berücksichtigen. Der Vertragspartner ist schon naturgemäß nicht berufen, die Interessen des Betroffenen zu wahren; das gilt auch für einen Dritten (RZ 1993/77).

Die Revisionsrekurswerberin ist nicht einmal Partei des Vertrages, auf den sich die Entscheidung des Rekursgerichtes bezieht. Ihr fehlt die Rechtsmittelbefugnis auch dann, wen sie (jetzt) gesetzliche und testamentarische Erbin ist, wurde ihr Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes doch in einem Zeitpunkt zurückgewiesen, in dem Josef S***** noch am Leben war. Dessen allein maßgebende Interessen hat (hatte) der Sachwalter zu wahren. Auch die behauptete Nichtigkeit kann die Rechtsmittelbefugnis nicht begründen. Ob die Entscheidung fehlerhaft ist, ist erst zu prüfen, wenn feststeht, daß der Rechtsmittelwerber legitimiert ist, ein Rechtsmittel einzubringen.

Das Rekursgericht hat die Rekurslegitimation der Rechtsmittelwerberin demnach im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung verneint. Da eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 14 Abs 1 AußStrG nicht vorliegt, wäre der Revisionsrekurs auch dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hätte, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Ein Verbesserungsauftrag erübrigt sich daher. Die Rechtsmittelwerberin ist dadurch, daß das Rekursgericht bei seinem Bewertungsausspruch durch rechtsirrige Anwendung des § 60 Abs 2 JN von den gesetzlichen Bewertungsgrundsätzen abgewichen ist, nicht beschwert.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

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