Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Die beiden Minderjährigen sind die ehelichen Kinder des Josef Wilhelm und der Evelyne Maria Theresia S*****. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 7.10.1987, 3 C 262/87-6, gemäß § 55 a EheG geschieden. Die einkommens- und vermögenslosen Kinder befinden sich in der Obsorge der Mutter in der früheren Ehewohnung. Die Mutter ist als Angestellte beschäftigt und seit 17.8.1990 wieder verheiratet; sie führt den Familiennamen G*****. Der Vater ist seit 20.6.1989 als Servicetechniker bei der Firma "c*****" beschäftigt und erzielt dort ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 14.611,80 S.
Infolge Antrages der Mutter vom 5.5.1989 (ON 17), modifziert durch den Antrag des Unterhaltssachwalters gemäß § 212 Abs 2 ABGB vom 2.8.1989 (ON 28) verpflichtete das Erstgericht mit Beschluß vom 10.1.1990 (ON 37), bestätigt durch den Beschluß des Rekursgerichtes vom 21.3.1990 (ON 47), den Vater ab 1.5.1989 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 1.850 S für die Tochter Daniela und von 1.630 S für den Sohn Michele. Der Antrag des Unterhaltssachwalters basierte auf einem angenommenen Nettoverdienst des Vaters von 10.887 S. Demgegenüber stellten das Erstgericht bzw das Rekursgericht ein durchschnittliches Monatseinkommen des Vaters von netto 13.000 S bzw von rund 14.600 S fest. Beide Vorinstanzen erachteten daher die begehrten Unterhaltsbeträge schon deshalb für angemessen, weil den Kindern nach dem festgestellten Einkommen des Vaters sogar höhere Ansprüche zustünden.
Am 22.8.1990 beantragte der Unterhaltssachwalter unter Bezugnahme auf ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von 14.611,80 S ab 1.8.1990 die Erhöhung der Unterhaltsleistung für die Tochter Daniela auf 2.500 S und für den Sohn Michele auf 2.200 S (ON 53).
Der Vater sprach sich dagegen aus, weil er die Kinder jedes zweite Wochenende und in den Ferien einen Monat bei sich habe, wodurch ihm erhöhte Ausgaben entstünden; auch habe er monatlich 1.000 S zur Begleichung des Unterhaltsrückstandes zu leisten.
Das Erstgericht gab mit Beschluß vom 8.2.1991, ON 60, diesem Erhöhungsantrag statt. Unter Anwendung der altersbedingten Prozentsatzkomponenten seien die begehrten Unterhaltsbeträge angemessen. Weder der Unterhaltsrückstand des Vaters noch dessen Aufwendungen im Rahmen seines Besuchsrechtes könnten den Unterhaltsanspruch der Kinder schmälern.
Infolge Rekurses des Vaters wies das Gericht zweiter Instanz den Erhöhungsantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Verhältnisse hätten sich seit der letzten Unterhaltsbestimmung nicht geändert, so daß eine Neufestsetzung nicht in Betracht komme, zumal nicht einmal behauptet worden sei, daß die letzte Unterhaltsbestimmung etwa auf irrtümlichen und unwissentlich falschen bzw dem Antragsteller unbekannten Tatsachenannahmen beruht hätte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Unterhaltssachwalter erhobene ao Revisionsrekurs ist gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der hier maßgeblichen Frage, unter welchen Voraussetzungen ohne Änderung der Verhältnisse die Erhöhung eines gerichtlichen festgesetzten Unterhaltsbetrages verlangt werden kann, abweicht; er ist auch berechtigt.
Aus § 18 AußStrG folgt, daß auch Entscheidungen im außerstreitigen Verfahren der materiellen und formellen Rechtskraft fähig sind (JBl 1974, 268; SZ 44/82; EFSlg 44.706 uva). Einem im außerstreitigen Verfahren gefaßten, durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbaren Unterhaltsbemessungsbeschluß kommt sohin die gleiche Rechtskraftwirkung zu wie einem nach den Vorschriften der ZPO ergangenen Urteil oder Beschluß (§ 411 ZPO). Nachträglichen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhaltes hält die materielle Rechtskraft allerdings nicht stand (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1531; SZ 40/120; SZ 41/179; EFSlg 43.112, 46.668 uva); solche Änderungen ermöglichen vielmehr einen neuen Antrag (eine neue Klage). Das ist gerade bei Unterhaltsentscheidungen von großer Bedeutung, gilt doch für jede Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich - soweit nicht eine davon abweichende Vereinbarung vorliegt - die Umstandsklausel (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 10 a zu § 94, Rz 15 b zu § 140; EFSlg 43.108, 59.479 uva). Dem Begehren, die Unterhaltsverpflichtung im Hinblick auf eine (wesentliche) Änderung der Verhältnisse in anderer Weise festzusetzen, steht demnach nicht die Rechtskraft der vorangegangenen Unterhaltsbemessung entgegen. Wurde über den (gesamten) Unterhaltsanspruch rechtskräftig erkannt, dann ist hingegen ein Antrag, die Unterhaltsbemessung trotz unverändert gebliebener Verhältnisse zu ändern, wegen Rechtskraft zurückzuweisen (LGZ Wien in EFSlg 44.707, 61.574, 61.575 uva).
Davon zu unterscheiden ist ein neuer Antrag, mit dem ein Anspruch geltend gemacht wird, der - wie es auf den hier zu beurteilenden Erhöhungsantrag zutrifft - noch nicht Gegenstand der vorangegangenen Entscheidung war. Über dieses (Mehr-)Begehren konnte das Gericht - da trotz der Untersuchungsmaxime (§ 2 AußStrG) auch im außerstreitigen Unterhaltsbemessungsverfahren der Dispositionsgrundsatz gilt (Pichler-Cap, Grundzüge des Außerstreitverfahrens für die Praxis des Amtsvormundes, ÖA 1977, 29 ff (31); Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen Anm 4 zu § 2) - daher nicht entscheiden (vgl § 405 ZPO); ein Anspruch, den die Minderjährigen gar nicht geltend gemacht hatten, konnte aber - ungeachtet der Tatsache, daß der frühere Antrag nicht als Teilantrag bezeichnet und eine Nachforderung nicht ausdrücklich vorbehalten worden war - nicht in Rechtskraft erwachsen (Fasching aaO Rz 1516; Wit, Probleme der Teileinklagung und Rechtskraft, JBl 1981, 404 ff (409 ff, 416 f); Pichler, Gedanken zum Unterhalt für die Vergangenheit, ÖA 1988, 68 ff (69 f); SZ 22/190; SZ 48/113; SZ 49/114; 1 Ob 546/87; ÖA 1988, 18). Ist doch Voraussetzung der materiellen Rechtskraftwirkung die Identität der Ansprüche (Fasching aaO Rz 1515). An dieser Identität mangelt es aber bei einem Begehren auf Unterhaltsleistungen für die Zukunft oder - wie nach nunmehriger Rechtsprechung zulässig (SZ 61/143) - für die Vergangenheit, wenn mit der Behauptung, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners sei höher als ursprünglich angenommen, ein höherer Betrag begehrt wird.
Anders läge der Fall nur dann, wenn schon in der vorangegangenen Entscheidung - wie es vor allem bei einer (Teil-)Abweisung eines überhöhten Unterhaltsbegehrens zum Ausdruck gebracht wird - über den Unterhaltsanspruch abschließend (auf der Grundlage der festgestellten Verhältnisse) rechtskräftig erkannt worden ist; in diesem Fall stünde auch einem höheren Unterhaltsbegehren - sofern nicht geänderte Verhältnisse behauptet werden - die Rechtskraft entgegen, weil der ursprünglich und der nunmehr geltend gemachte Anspruch sich nur quantitativ, nicht aber qualitativ unterscheiden, liegt doch hier der gleiche anspruchsbegründende Sachverhalt mit der sich daraus ergebenden gleichen Rechtsfolge vor (Wit aaO 408).
Im vorliegenden Fall hatten die Vorinstanzen in ihren dem Antrag der Minderjährigen vollinhaltlich stattgebenden Beschlüssen ausdrücklich angeführt, daß den Kindern ein höherer Anspruch zustünde (ON 37 und 47); daß mit dem Zuspruch von 1.850 S und 1.630 S über den gesamten Unterhaltsanspruch der Minderjährigen rechtskräftig entschieden worden wäre, kann somit keinesfalls gesagt werden. Die Rechtsmeinung, daß ein Erhöhungsantrag, soweit die Unterhaltsfestsetzung - wie hier - auf der Parteiendisposition beruht, nur dann zulässig sei, wenn in der letzten Unterhaltsfestsetzung der Durchschnittsbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht annähernd erreicht wurde (LGZ Wien in EFSlg 35.797, 40.594, 50.595, 50.998 ua), ist mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu billigen, zumal im Unterlassen der Geltendmachung eines (höheren) Anspruches auch noch kein schlüssiger Verzicht auf diesen (höheren) Anspruch zu erblicken ist (ÖA 1991, 18 mwN; 4 Ob 565/91).
Ist aber über den geltend gemachten Anspruch noch keine rechtskräftige Entscheidung ergangen, dann kommt es entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht darauf an, ob sich die Verhältnisse seit der letzten Unterhaltsbemessung geändert haben (4 Ob 565/91); vielmehr war über den Unterhaltserhöhungsantrag sachlich zu entscheiden. Im Hinblick auf die festgestellten Einkommensverhältnisse des Vaters steht den Kindern auch der jeweils begehrte erhöhte Unterhaltsanspruch zu. Nach der vom Obersten Gerichtshof gebilligten Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz sind Ausgaben des täglichen Lebens - und damit auch die Raten zur Rückzahlung von Krediten zur Bestreitung solcher Aufwendungen - grundsätzlich nicht abzugsfähig (vgl die Nachweise bei Schlemmer-Schwimann, ABGB I, § 140 Rz 65). Weder Unterhaltsrückstände noch Aufwendungen im Rahmen des üblichen Besuchsrechtes (Schlemmer-Schwimann aaO Rz 75) noch - wie vom Vater im Rekurs als zulässige Neuerung (§ 10 AußStrG) geltend gemacht - Rückzahlungen von Wohnungskrediten oder der Mietzins können daher die Unterhaltsbemessung schmälern (RZ 1991/70 unter Berufung auf 6 Ob 566/90; 7 Ob 1520/90; 7 Ob 549/90; 4 Ob 1568/91). Nur Kredite zur Bestreitung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen sind grundsätzlich als abzugsfähige Aufwendungen anzuerkennen (RZ 1991/70); solche hat der Vater jedoch gar nicht ins Treffen geführt.
Es war somit in Stattgebung des Revisionsrekurses der dem Unterhaltserhöhungsantrag zur Gänze stattgebende Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
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