European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121366
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Antragsteller ist der Vater der Antragsgegnerin, die seit Oktober 2015 das Bachelorstudium „Technische Chemie“ studiert. Er begehrt zuletzt, ihn von seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung seit Ende des dritten Semesters ab 1. 2. 2017 zu entheben. Der Enthebungsantrag wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Antragsgegnerin ihr Studium nicht zielstrebig betreibe.
Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab. Ausgehend von den Feststellungen, dass sich der Studienerfolg der Antragsgegnerin (im entscheidungsrelevanten Zeitraum) über dem allgemeinen Durchschnitt (nämlich im besten Fünftel der Studenten ihres Jahrgangs) befinde, bejahten sie die gewissenhafte und zielstrebige Betreibung ihres Studiums.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zur Klärung dieser Frage zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1. Durch die Aufnahme eines Studiums wird der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes so lange hinausgeschoben, wie die durchschnittliche Dauer dieses Studiums beträgt. Auch während dieses Zeitraums hat das Kind aber nur Anspruch auf Unterhalt, wenn es das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt (RIS‑Justiz RS0083694; RS0110600 [T6]).
2. Ob ein Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert, weil es seine Ausbildung nicht zielstrebig betreibt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden (RIS‑Justiz RS0008857; RS0109289 [T2]).
3.1 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs studiert ein Kind in der Regel zielstrebig, solange die durchschnittliche Gesamtstudiendauer nicht überschritten wird (RIS‑Justiz RS0083694 [T8]; RS0110596 [T1]; RS0110600 [T1]; RS0117107). Die durchschnittliche Gesamtstudiendauer der betreffenden Studienrichtung bildet die Grenze für eine unzumutbare Belastung des Unterhaltspflichtigen (RIS‑Justiz RS0110600 [T4]).
3.2 Die Vorinstanzen haben sich daran orientiert. Die aufgrund der Feststellungen bejahte Zielstrebigkeit ist stark von den Umständen des Einzelfalls geprägt und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
3.3 Aufgrund der zum Studienerfolg der Antragsgegnerin und zur durchschnittlichen Studiendauer getroffenen Feststellungen begründet auch die geltend gemachte sekundäre Mangelhaftigkeit keine erhebliche Rechtsfrage. Insoweit der Antragsteller hier „Ersatzfeststellungen“ begehrt, verkennt er, dass der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nur Rechtsinstanz und nicht Tatsacheninstanz ist (RIS‑Justiz RS0006737).
4.1 Das Rekursgericht ist auch nicht von der im Rechtsmittel zitierten Rechtsprechung abgewichen. In der Entscheidung 6 Ob 118/14t wurde die Zielstrebigkeit eines Studenten verneint, der nicht einmal 60 % der für den Abschluss des Studiums erforderlichen Leistungen innerhalb der durchschnittlichen Studiendauer erbracht hat. Der Studienerfolg muss demnach laufend überprüft werden. Ein alleiniges Abstellen auf den Bezug der Familienbeihilfe wurde in der zitierten Entscheidung verneint, weil der Student dann fast 19 Jahre für sein Studium zur Verfügung hätte. Entgegen der Rechtsansicht des Rechtsmittelwerbers ist aus dieser Entscheidung aber nicht abzuleiten, dass ein zielstrebiger Studienerfolg zwingend bereits dann zu verneinen ist, wenn die tatsächlich in einem Semester erreichten ECTS‑Punkte durch schlichtes Dividieren nicht (stets) jenen Punkten entsprechen, die bei einer durchschnittlichen Studiendauer im rechnerischen Durchschnitt auf ein Semester entfallen.
4.2 Eine solche Aussage ergibt sich auch nicht aus 3 Ob 69/14i oder jenen Entscheidungen, die dem im Rechtsmittel zitierten Rechtssatz RIS‑Justiz RS0110600 zugrundeliegen. Wenn in der Entscheidung 3 Ob 69/14i klargestellt wurde, dass die Studiendauer für das Bachelor- und das Masterstudium getrennt zu beurteilen sind, lässt sich daraus für den Antragsteller keine erhebliche Rechtsfrage ableiten, weil für die Antragsgegnerin – mangels Masterstudiums – ausschließlich der Studienerfolg im Bachelorstudium zu berücksichtigen war.
4.3 Davon abgesehen liegen auch die von der Antragsgegnerin im 3. Semester erreichten ECTS‑Punkte über dem Schnitt der bei einer durchschnittlichen Studiendauer erreichbaren Punkte (das 4. Semester war zum Zeitpunkt der Erstentscheidung noch nicht beendet). Damit deckt sich die Verneinung der Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragsgegnerin mit der gesicherten Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0110600 [T3, T5]), dies auch ungeachtet des Umstands, dass diese in den beiden ersten (nicht mehr verfahrensrelevanten, vgl 6 Ob 118/14t; RIS‑Justiz RS0047675 [T2]) Semestern die durchschnittliche ECTS‑Punkteanzahl nicht erreicht hat.
5. Allfällige (im Rekurs nicht geltend gemachte) Verfahrensfehler des Erstgerichts (zur Erhebung des durchschnittlichen Studienerfolgs) können im Revisionsrekurs nicht geltend gemacht werden, zumal keine von der Qualität des § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG 2005 in Rede stehen (RIS‑Justiz RS0043111 [T26]).
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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