OGH 4Ob36/91

OGH4Ob36/9128.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****-Verlag Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "St***** Verlagsanstalt, *****, vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert: 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 28.Jänner 1991, GZ 3 R 173/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17.April 1990, GZ 23 Cg 49/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin der österreichweit, zum Teil in Mutationsausgaben erscheindenden Tageszeitung "N***** Zeitung"; es handelt sich dabei um die auflagenstärkste Zeitung Österreichs.

Die Affäre um Udo Proksch und den Untergang des Frachtschiffes "Lucona" stießen in Österreich, insbesondere nach der Verhaftung des Udo Proksch und der gegen ihn erhobenen Anklage, auf ein nachhaltiges Interesse der Öffentlichkeit. Diese Umstände fanden ihren Widerhall in einer breiten Berichterstattung sämtlicher Medien, insbesondere in den Wochen und Monaten vor Beginn des Strafprozesses am 30.1.1990 und - verstärkt - anläßlich der Prozeßberichterstattung. Das Schwergewicht der Berichterstattung der "N***** Zeitung" bis zum 3.2.1990 lag dabei im Aufwerfen der Frage, ob Udo Proksch nicht vielleicht doch geisteskrank und damit verhandlungsunfähig sei. Die dafür sprechenden Umstände standen damals massiv im Vordergrund der Berichterstattung der "N***** Zeitung", was seinen Ausdruck nicht nur in den Schlagzeilen auf Seite 1, sondern auch in den Überschriften und Untertiteln der - oft mehrseitigen - Artikel im Blattinneren fand. So lauteten die Schlagzeilen auf Seite 1 und die Überschriften (Untertitel) im Blattinneren (in Klammer) der nachstehenden Ausgaben wie folgt:

16.11.1989: ("Udo Proksch - ein Fall für die Psychiatrie?"/"Er schreibt total wirre Briefe aus der Zelle - Sachverständiger attestiert ihm 'innere Unruhe' und 'angegriffenes Nervensystem'");

13.1.1990: "Udo Proksch krank: Platzt der Prozeß?" ("Udo ist krank: Platzt der Prozeß?"/"Rückenschmerzen und Hüftarthrose - Proksch wurde bereits von einem Orthopäden untersucht");

28.1.1990: "Zwei Tage vor Prozeß: Immer neue Rätsel um Udo Proksch" ("Die Anklage"/"Die Verteidigung");

30.1.1990: "Heute beginnt der Proksch-Prozeß - Neues Gutachten steigert die Spannung: Udo nur 'beschränkt verhandlungsfähig'" ("Neues Gutachten über Udo Proksch");

1.2.1990: "Heute im Proksch-Prozeß: Erste Kraftprobe zwischen Verteidiger und Staatsanwalt!" ("Nur ein taktisches Manöver der Staatsanwälte? - Heute beim 'Prozeß des Jahrzehnts': Erster offener Schlagabtausch"/"Warum Proksch wegen Mordes angeklagt ist");

2.2.1990: "Zweiter Prozeßtag - Psychiatrierung beantragt"/"Udo Proksch: Wirre Reden und Tränen!" ("Das erste Kräftemessen - Udo wirkt noch apathisch"/"Udo Proksch krank: Platzt der Prozeß?"/"Diskussion um einen Zeugen - 1 : 0 für die Ankläger"/"Dann war Proksch dran: Unsinnige Antworten und Gags"/"Beim Film aus alten Zeiten fing Proksch zu weinen an"/"Richter brach Vernehmung ab: 'Ihre Antworten sind nicht verständlich!' Sprengstoff vom Bundesheer-Major will Udo niemals bekommen haben"/"Also sprach Udo Proksch"/"Von Kreisky bis Gorbi");

3.2.1990: "Gefesselter Proksch beim Psycho-Test!" ("Proksch in Handschellen zum Psycho-Test im AKH!"/"Udo lacht und weint, er scherzt und schimpft: Der wohl prominenteste Häftling beim Neurologen"/"Untersuchung dauert mehr als zwei Stunden: Ist der Ex-Demel-Chef 'verhandlungsunfähig'?").

Die Beklagte ist Medieninhaberin der in der Steiermark, aber auch mit einer Ausgabe für Osttirol und Kärnten, erscheinenden Tageszeitung "K***** Zeitung". Auf Seite 8 der Ausgabe dieser Zeitung vom 3.2.1990 erschien in der zweispaltigen Kolummne "Der Aufwecker - spezial" ein nachstehend auszugsweise wiedergegebener Artikel von Doris P***** unter der Überschrift "Proksch-Prozeß und die Fäden der Wiener Partie":

".........

Der Angeklagte selbst, der Hauptdarsteller dieses Spektakels,

zwinkert gutbekannten Journalisten zu........

Die Rolle einzelner Medien, vornehmlich der 'K*****zeitung' und

des 'K*****', hat sich schon Wochen vor dem Prozeß abgezeichnet:

In mehreren Aufmachern und Schlagzeilen attestierten die beiden

'W*****'-Blätter Udo Proksch ferndiagnostisch geistige

Verwirrtheit.......

Der 'bunte Hund' der Wiener Schickeria, der Alleinunterhalter für seine Haberer, der Hofnarr einer ganz bestimmten Wiener Partie, zu der auch einflußreiche Journalisten zählen.

Dieser Hofnarr muß jetzt zum Narren mutieren.

Ähnlich wie Proksch hat auch schon 'der Mann mit dem Koffer', Bela R***** im Wiener Schwurgericht agiert. Doch Bela war nicht einer der Ihren, er gehörte nicht dieser Wiener Partie an und niemand schrie nach einem Psychiater.....

Das Gericht hat - nachdem man es in den gestrigen 'K*****zeitung'- und 'K*****'-Aufmachern lesen konnte, daß es über die Prokschen Tiraden verwirrt zu sein hat - sofort eine klinische Untersuchung angeordnet. 'Wir wollen es nun selbst wissen', kommentiert Richter Leinigen diesen Schritt.

Das ist erfreulich.

Noch erfreulicher wäre, wenn erst gar nicht der Eindruck entstünde, daß das Gericht sich als Marionette dieser Wiener Partie mißbrauchen lassen könnte."

Seitlich rechts darunter fanden sich verkleinerte Abdrucke der Titelschlagzeilen aus den Tagesausgaben vom 2.2.1990 der "N***** Zeitung" ("Zweiter Prozeßtag - Psychiatrierung beantragt"/"Udo

Proksch: Wirre Reden und Tränen!") und des "K*****" mit folgendem

Begleittext:

"So will die Wiener 'W*****'-Presse Udo Proksch verhandlungsunfähig machen."

Mit der Behauptung, daß die in der Tageszeitung der Beklagten vom 3.2.1990 veröffentlichten Tatsachenbehauptungen in dem Artikel von Doris P***** unrichtig und kreditschädigend, darüber hinaus aber auch wegen ihrer gehässigen Tendenz herabsetzend seien, begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung herabsetzender Behauptungen über das Unternehmen der Klägerin und über deren Handlungen, insbesondere (der Behauptung), die "N***** Zeitung" verfolge mit journalistischen Mitteln als Angehörige einer mit dem Angeklagten Udo Proksch persönlich verbundenen "Wiener Partie" den Zweck, Udo Proksch als geistig verwirrt und verhandlungsunfähig zu erklären, um ihn auf diese Weise einem sachlichen Urteil des Gerichtes zu entziehen. Der beanstandete Artikel unterstelle der Zeitung der Klägerin unzutreffend, daß sie als Angehörige einer "Wiener Partie" mit ihrer Berichterstattung den geradezu kriminellen Zweck verfolgt habe, eine Verurteilung des Udo Proksch zu verhindern, indem sie den Lesern und auch dem Schwurgericht eine Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten suggeriert habe. Damit habe die Beklagte gegen § 7 UWG verstoßen. Wegen der gehässigen Tendenz des Artikels und weil es der Beklagten mit ihm einzig und allein darum gegangen sei, die Zeitung der Klägerin pauschal herabzusetzen, liege auch ein Verstoß gegen § 1 UWG vor.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe den Artikel nicht in Wettbewerbsabsicht veröffentlicht; vielmehr sei es ihr ausschließlich darum gegangen, zu einem gesellschaftlich-politisch relevanten Thema die tendenziöse Berichterstattung der "N***** Zeitung" aufzuzeigen. Das gehöre aber zu den allgemein anerkannten Aufgaben der unabhängigen Presse. Es liege somit eine weltanschauliche Auseinandersetzung zwischen zwei Unternehmungen des Medienbereiches vor; eine solche dürfe nicht bloß auf einen wirtschaftlich motivierten Konflikt zwischen zwei Mitbewebern reduziert werden. Im übrigen seien die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen auch erweislich wahr, weil die gesamte, von unverhohlener Sympatie für den Angeklagte Udo Proksch getragene Berichterstattung in ihrer Tageszeitung erkennen lasse, daß sie bereits vor dem Prozeß und noch in dessen Anfangsstadium versucht habe, den Geisteszustand und die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten in Zweifel zu ziehen. Udo Proksch habe tatsächlich am zweiten Verhandlungstag der bei der Zeitung der Klägerin beschäftigten Journalistin Eva D***** zugezwinkert. Diese und andere einflußreiche Journalisten, wie beispielsweise der bei der Zeitung der Klägerin angestellte Journalist Michael J***** seien mit Udo Proksch befreundet oder mit ihm zumindest gut bekannt gewesen und hätten mit ihm auch privaten Kontakt gepflogen. Zwischen den Mitarbeitern der Klägerin und Udo Proksch bestehe ein Naheverhältis, desgleichen auch eine enge persönliche Nahebeziehung des letzteren zum Chefredakteur Hans D*****.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es

kam - ausschließlich gestützt auf Plazierung, Gestaltung und Inhalt des beanstandeten Artikels - zu der Auffassung, daß eine Wettbewerbsabsicht der Beklagten bei dessen Veröffentlichung nicht festgestellt werden könne. In seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht dazu (ua) aus, daß es für die "Feststellung über das Fehlen der Wettbewerbsabsicht bei der Veröffentlichung dieser Kritik" nur darauf ankomme, "welche Absicht der Leser aus dem beanstandeten Artikel erkennen könne". Im übrigen habe die Beklagte die Richtigkeit des "im Vordergrund des Klagebegehrens stehenden Vorwurfs" erwiesen, die Klägerin verfolge mit journalistischen Mitteln den Zweck, Udo Proksch als geistig verwirrt und verhandlungsunfähig erklären zu lassen, um ihn so einem sachlichen Urteil des Gerichtes zu entziehen. Der allgemein bekannte Verlauf des Strafprozesses habe aber gezeigt, daß Udo Proksch nicht verhandlungsunfähig war. Die beanstandete Kritik der Beklagten an einer solchen Berichterstattung verstoße nicht gegen das UWG; sie überschreite auch keineswegs die Grenzen der journalistischen Meinungsäußerung. Der "zweite Vorwurf" des Klagebegehrens, die "N***** Zeitung" gehöre einer mit Udo Proksch verbundenen "Wiener Partie" an, werde nur als Beweggrund für den ersten Vorwurf unterstellt. Er brauche daher nicht geprüft zu werden, sei aber, für sich allein betrachtet, auch gar keine die Klägerin herabsetzende nachteilige Behauptung.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht habe zur Wettbewerbsabsicht der Beklagten keine bloße Negativfeststellung getroffen, sondern in Wahrheit sogar positiv und zutreffend als erwiesen angenommen, daß die Beklagte bei der beanstandeten Veröffentlichung nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe; bei ausdrücklich festgestelltem Fehlen einer Wettbewerbsabsicht komme aber ein - von der Klägerin ausschließlich geltend gemachter - Verstoß der Beklagten gegen §§ 1 oder 7 UWG nicht mehr in Betracht. Im übrigen verneinte das Berufungsgericht unter Billigung der Rechtsausführungen des Ersturteils das Vorliegen von Feststellungsmängeln.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens.

Die Beklagte stellt den Antrag, das Rechtsmittel der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Meinung der Revisionsbeantwortung schon deshalb zulässig, weil die Vorinstanzen im vorliegenden Fall das Fehlen der Wettbewerbsabsicht der Beklagten allein auf Grund des Inhaltes und der Plazierung des beanstandeten Zeitungsartikels angenommen haben. Ob damit auch in einem solchen Fall für den Obersten Gerichtshof bindend das Fehlen der Wettbewerbsabsicht festgestellt ist, war aber bisher noch nicht Gegenstand seiner Rechtsprechung. Das Rechtsmittel ist auch im Sinne einer - vom Abänderungsantrag umfaßten - Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Die Klägerin hat den Klagegrund des von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ausschließlich auf einen Verstoß der Beklagten gegen §§ 1 und 7 UWG beschränkt, ist doch ihre Ausdehnung des Klagegrundes auch auf den Tatbestand des § 1330 ABGB bereits mit dem in das Ersturteil aufgenommenen und in Rechtskraft erwachsenen Beschluß wegen Streitanhängigkeit zurückgewiesen worden. Die Tatbestände sowohl des § 7 UWG als auch des § 1 UWG setzen ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" voraus. Ob die Beklagte in Wettbewerbsabsicht gehandelt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tat- und keine Rechtsfrage (ÖBl 1970, 97; SZ 47/23; ÖBl 1983, 13; ÖBl 1987, 23; MR 1988, 84 und 194; MR 1989, 61; MR 1990, 69; ÖBl 1990, 18 und 250 ua). Bei abfälligen Äußerungen über einen Mitbewerber spricht allerdings schon nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für die Wettbewerbsabsicht (stRsp, zB SZ 25/18 und 100; SZ 38/79; ÖBl 1983, 13; ÖBl 1987, 23; MR 1989, 61; ÖBl 1990, 18 und 250); der Beklagte kann aber das Gegenteil beweisen (ÖBl 1987, 23; MR 1989, 61; ÖBl 1990, 253 ua). Die Wettbewerbsabsicht muß freilich auch bei abfälligen Äußerungen nicht das einzige oder das wesentliche Ziel der Handlung gewesen sein; sie darf nur gegenüber dem eigentlichen Beweggrund nicht völlig in den Hintergrund treten (SZ 44/116; ÖBl 1981, 45; ÖBl 1983, 9; MR 1989, 61; MR 1990, 69; ÖBl 1990, 18 und 250). Ob das der Fall ist oder die (mitspielende) Wettbewerbsabsicht neben anderen Zielen der Handlung noch Gewicht hat, ist als Wertung eine Rechtsfrage, welche auf Grund der zu den konkurrierenden Motiven und Zwecken des Handelnden getroffenen Tatsachenfeststellungen zu beurteilen ist (MR 1989, 61; MR 1990, 69; ÖBl 1990, 18 und 250).

Im vorliegenden Fall stellt sich daher die - in der Entscheidung MR 1990, 233 noch offen gelassene - Frage, ob überhaupt eine den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung über die Wettbewerbsabsicht der Beklagten im oben angeführten Sinn vorliegt, hat doch das Erstgericht seine vom Berufungsgericht als Positivfeststellung einer fehlenden Wettbewerbsabsicht umgedeutete Negativfeststellung allein aus dem Text des beanstandeten Zeitungsartikels gewonnen. Auch das Berufungsgericht hat hiefür keine weiteren Beweismittel herangezogen. In einem solchen Fall gelten die gleichen Grundsätze wie sie von der Rechtsprechung zur Feststellung der für die Auslegung von Urkunden maßgeblichen Absicht der Parteien entwickelt worden sind: Eine den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage eines zur Erforschung des Parteiwillens über die bloße Vorlage der Urkunde hinaus durchgeführten Beweisverfahrens getroffen wird; wird hingegen die Auslegung einer Urkunde und die Bestimmung des aus ihr hervorleuchtenden Geschäftszwecks (Absicht der Parteien) allein aus deren Text vorgenommen, so ist das kein Akt der Beweiswürdigung, sondern eine auch noch in dritter Instanz überprüfbare rechtliche Beurteilung (EvBl 1980/99; SZ 58/199; RdW 1988, 87; JBl 1989, 61 uva). Im vorliegenden Fall liegt daher weder im positiven noch im negativen Sinn eine den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung zur Wettbewerbsabsicht der Beklagten vor. Da diese als Mitbewerberin auf dem Tageszeitungsmarkt mit dem beanstandeten Artikel die bisherige Berichterstattung der "N***** Zeitung" im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen Udo Proksch nicht bloß sachlich als einseitig kritisiert, sondern der Tageszeitung der Klägerin darüber hinaus - auch für das flüchtige Leserpublikum deutlich erkennbar - verwerfliche Motive und Zwecke für dieses Vorgehen unterstellt hat, liegt eine herabsetzende Äußerung über einen Mitbewerber vor, so daß schon eine tatsächliche Vermutung für die Wettbewerbsabsicht der Beklagten spricht.

Die Beklagte kann sich aber auch nicht mit Erfolg auf eine weltanschauliche Auseinandersetzung zwischen zwei Medienunternehmen in bezug auf ein gesellschaft-politisch relevantes Thema berufen. Wenngleich es zutrifft, daß eine Pressefehde zwischen zwei Zeitungen sehr häufig zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung und nicht zu Wettbewerbszwecken ausgetragen wird (Baumbach-Hefermehl, Wettbewebsrecht16, 192 Rz 240 EinlUWG), tritt doch die Wettbewerbsabsicht gegenüber dem Beweggrund der öffentlichen Meinungsbildung zumindest dann keineswegs völlig in den Hintergrund, wenn über den Mitbewerber unwahre herabsetzende Tatsachenbehauptungen oder Äußerungen aufgestellt werden. In einem solchen Fall versagt sogar die Berufung auf das verfassungsgesetzlich verankerte Recht der freien Meinungsäußerung nach Art 13 StGG und Art 10 Abs 2 MRK (Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar 238 Rz 32 zu Art 10; 4 Ob 89/90; 4 Ob 153/90, teilweise veröffentlicht in ecolex 1991, 261).

Ist damit aber von einem Handeln der Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs auszugehen, dann liegt in den beanstandeten Äußerungen des Artikels eine Tatsachenbehauptung im Sinne des § 7 Abs 1 UWG. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen geht es ja nicht allein darum, daß in dem Artikel die Berichterstattung der "N***** Zeitung" in der Causa Udo Proksch bis zum 2.2.1990 als einseitig und tendenziös bezeichnet wird, weil sie die Indizien für dessen geistige Verwirrtheit und eine daraus allenfalls resultierende Verhandlungsunfähigkeit in den Vordergrund gestellt hatte; vielmehr wird der Zeitung der Klägerin darüber hinaus massiv vorgeworfen, daß sie dies deshalb getan habe, weil sie der "Wiener Partie" angehöre, also einem Freundeskreis, der mit Udo Proksch "verhabert" sei, und ihn so als ihren "Haberer" verhandlungsunfähig machen wolle. Dieser Vorwurf bezieht sich naturgemäß nicht auf die "N***** Zeitung" als solche, sondern auf die dahinter stehenden Personen (Redakteure und Journalisten), die maßgeblich die Blattlinie bestimmen, können doch nur sie mit Udo Proksch befreundet sein und daher auch die angesprochenen Motive und Zwecke auch verfolgen. Der beanstandete Artikel vermittelt somit dem Publikum eine nachteilige Meinung über das Produkt der Klägerin; das genügt aber schon zur Erfüllung des Tatbestandes des § 7 UWG, wenn die Tatsachenbehauptungen nicht erweislich wahr sind. Die Behauptungen müssen keineswegs ehrenrührig sein; vielmehr genügt eine abstrakte Betriebs- und Kreditgefährdung (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 40 f; JBl 1928, 177; ÖBl 1966, 89; ÖBl 1984, 102; MR 1990, 69; 4 Ob 80, 81/90 ua).

Die Beweislast für die Wahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptungen hatte daher die Beklagte getroffen. Sie hat diesen Beweis auch angetreten und Beweismittel dafür namhaft gemacht, daß die Mitarbeiter der "N***** Zeitung", im speziellen zwei namentlich genannte maßgebliche Journalisten und der Chefredakteur, zum Freundeskreis des Udo Proksch gehörten. Das Verfahren bedarf daher einer ergänzenden Beweisaufnahme in erster Instanz, die auch zu ergänzenden Feststellungen über die Wahrheit der von der Beklagten der Tageszeitung der Klägerin unterstellten Motive und Zwecke der bis dahin einseitigen Berichterstattung führen muß. Das Erstgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, daß der Wahrheitsbeweis schon dann als erbracht anzusehen ist, wenn er den Inhalt der Mitteilung im wesentlichen bestätigt (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 115; ÖBl 1990, 18). Im Fall einer Stattgebung der Klage wird weiters zu berücksichtigen sein, daß das Unterlassungsbegehren zu weit gefaßt ist (ÖBl 1990, 18).

Die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist im vorliegenden Fall nach den bisherigen Ausführungen auch deshalb unvermeidlich, weil entgegen der Meinung der Klägerin die beanstandeten Tatsachenbehauptungen für den Fall ihrer Wahrheit nicht gegen § 1 UWG verstoßen. Zwar ist ein Wettbewerber auch dann, wenn eine geschäftsschädigende Behauptung wahr ist, nicht ohne weiteres berechtigt, seinen Mitbewerber herabzusetzen und ihn geschäftlich zu schädigen; auch bei wahrheitsgemäßem Mitteilen von Tatsachen steht vielmehr § 1 UWG "drohend im Hintergrund" (Baumbach-Hefermehl aaO 1161 Rz 1 zu § 14 dUWG und 484 Rz 317 zu § 1 dUWG). Da jedoch § 7 UWG die Herabsetzung eines Unternehmens durch wahre Behauptungen nicht erfaßt, kann sie nach § 1 UWG nicht grundsätzlich verboten sein; es bedarf hier vielmehr einer Interessenabwägung: Eine wahrheitsgemäße geschäftsschädigende Behauptung ist demnach (nur) dann zulässig, wenn der Wettbeweber einen hinreichenden Anlaß hat, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden, und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält (Baumbach-Hefermehl aaO 485 Rz 320 zu § 1 dUWG). Eine unsachliche oder unnötige Herabsetzung der Leistung eines Mitbewerbers ist sittenwidrig (Baumbach-Hefermehl aaO 486); ebenso verstößt es gegen die guten Sitten, wenn wettbewerbsfremde Tatsachen - insbesondere solche, die zum Gegenstand des Wettbewerbs in keiner Beziehung stehen - über einen Mitbewerber verbreitet oder nicht konkretisierte Pauschalverdächtigungen sowie grobe Beschimpfungen geäußert werden (ÖBl 1990, 205 und 253 mwN). Solche Voraussetzungen liegen aber hier entgegen der Meinung der Klägerin nicht vor: Die im Artikel der "K***** Zeitung" gewählten Ausdrücke sind zwar - wie insbesondere die Bezeichnung "Wiener Partie" und "Haberer" - drastisch; sie entsprechen aber, berücksichtigt man den üblichen Journalistenstil, den mitgeteilten Tatsachen. Das Interesse der Beklagten, in ihrer Tageszeitung die unausgewogene Berichterstattung eines Konkurrenzblattes im Zusammenhang mit einem im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehenden Strafverfahrens sowie die Hintergründe und Zwecke einer solchen Berichterstattung aufzuzeigen und anzuprangern, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Von einer unnötigen Herabsetzung der Klägerin oder einer besonderen Aggressivität der Vorwürfe kann demnach - sofern die beanstandeten Behauptungen zutreffen sollten - nicht gesprochen werden; gegen die Klägerin werden konkrete Vorwürfe und nicht bloß pauschale, unsubstantiierte Beschimpfungen und Verdächtigungen erhoben.

Der Sachverhalt kann daher nur nach § 7 UWG beurteilt werden, so daß sich die Aufnahme der Beweismittel als unumgänglich erweist, welche die Beklagte zur Dartuung der Richtigkeit ihrer Behauptungen angeboten hat.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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