OGH 4Ob28/05d

OGH4Ob28/05d5.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Konrad L*****, vertreten durch Mag. Georg Streit, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei W*****-Verband, *****, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 8.700 EUR) und 600 EUR, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Dezember 2003, GZ 37 R 300/03x-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 18. Mai 2003, GZ 7 C 2421/02t-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der beklagte Verein (in der Folge: Verein) ist die Vereinigung der Fußballvereine von Wien; zu seinem Tätigkeitsbereich zählt es, Verbandsspiele und Verbandswettbewerbe zu regeln und zu überwachen. Mitglieder des Vereins können ua Verbandsvereine und Verbandsangehörige (darunter Verbandsschiedsrichter, Punkt 3.5.2. der Statuten) sein.

Der Kläger war seit 1987 Mitglied des Schiedsrichterkollegiums des Vereins und kraft dieser Funktion auch Mitglied des Vereins. In seiner Sitzung vom 23. 4. 2002 beschloss der Schiedsrichterausschuss des Vereins (ein nach Punkt 10.1.5. der Satzung des Vereins bestehender Fachausschuss, Beil./B), dem Kläger eine strenge Rüge zu erteilen und ihn gem § 13 Abs 2 und 4 der Satzungen des Wiener Schiedsrichterkollegiums (Beil./C) von der Schiedsrichterliste zu streichen (Beil./D).

Der Kläger begehrt a) die Feststellung, dass die oben erwähnten Beschlüsse des Vereins vom 23. 4. 2002 unwirksam sind, sowie b) 600 EUR als Ersatz der Protest- und Beschwerdegebühren im vereinsinternen Rechtsmittelverfahren. Der Ausspruch einer strengen Rüge wegen Nichtbefolgung von Weisungen entbehre jeder Rechtsgrundlage, weil ihm keine Weisung des Schiedsrichterausschusses iSd § 8 Strafregulativ (Beil./H) erteilt worden sei. Auch die Streichung als Schiedsrichter sei grundlos erfolgt.

Der Verein beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die bekämpften Entscheidungen seien sachlich und rechtlich richtig und durch zwei vereinsrechtlich eingerichtete Rechtsmittelinstanzen bestätigt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf ua folgende Feststellungen: Im Zuge einer Schulungsveranstaltung des Vereins für Schiedsrichter im Februar 2001, verwickelte der Kläger den Schulungsleiter in provokantem Ton in eine Diskussion über sein gesetzliches Recht auf eine Pause, worauf ihm der Schulungsleiter eine Pause gewährte und die nachfolgende Schulungseinheit um 15 Minuten später als geplant begann. Als der Schulungsleiter die Ursache für den verspäteten Beginn erläuterte, wollte der Kläger neuerlich eine Diskussion vom Zaun brechen. Er wurde vom Schulungsleiter aufgefordert, sich ruhig zu verhalten; da dies erfolglos war, verwarnte der Schulungsleiter den Kläger zwei Mal und forderte ihn schließlich auf, den Saal zu verlassen. Dieser Anweisung leistete der Kläger nicht Folge, störte aber die Schulung nicht weiter. Die Anzeige des Schulungsleiters über diesen Vorfall wurde im Schiedsrichterausschuss des Vereins behandelt und führte zum Ausspruch der strengen Rüge gem § 8 Strafregulativ (Nichtbefolgung von Verpflichtungen und Weisungen des Schiedsrichterausschusses). Der Kläger bekämpfte diese Entscheidung im vereinsintern eingerichteten Instanzenzug vor dem Protestkomitee (zweite Instanz) und dem Österreichischen Fußballbund (dritte Instanz) letztlich ohne Erfolg; die Protestgebühr wurde für verfallen erklärt.

Am 17. 3. 2002 leitete der Kläger als Schiedsrichter ein Meisterschaftsspiel; er stellte fest, dass einer der beteiligten Fussballvereine einen Spieler unter falschem Namen eingesetzt hatte, wofür dieser Fussballverein in der Folge auch bestraft wurde. Es gelang dem Kläger aber nicht, die Identität des unberechtigt eingesetzten Spielers festzustellen. Er besuchte deshalb am 21. 4. 2002 (ohne Auftrag des Vereins und ohne jede offizielle Funktion) ein Spiel, an dem der bestrafte Fussballverein teilnahm, weil er hoffte, bei dieser Gelegenheit die Identität des am 17. 3. 2002 unberechtigt eingesetzten Spielers aufdecken zu können. Der Kläger vermeinte, dass der fragliche Spieler neuerlich eingesetzt werde, und informierte in der Schiedsrichterkabine einen der beiden Schiedsrichterassistenten dieses (ersten) Spiels von seiner Beobachtung. Nach Einblick in den Spielbericht stellte der Kläger den Namen des fraglichen Spielers fest und nahm Einblick in dessen Spielerpass. Der Kläger erklärte sodann, dass „nicht gerade eine frappierende Ähnlichkeit des Passfotos mit dem eingesetzten Spieler bestehe" und ersuchte den Schiedsrichter dieses ersten Spiels, den Spieler aufzufordern, sich auszuweisen sowie Name und Geburtsdatum auf dem Spielbericht zu vermerken und dies zu unterschreiben. Zwischenzeitig traf auch der Schiedsrichter des folgenden zweiten Spiels mit seinen Assistenten in der Schiedsrichterkabine ein. Alle in der Kabine anwesenden Schiedsrichter und Assistenten machten den Kläger darauf aufmerksam, sie müssten sich auf das nächste Spiel vorbereiten, er möge sie nicht weiter stören. Der Kläger verließ daraufhin die Kabine und sprach den fraglichen Spieler an. Dabei wurden seine Zweifel an dessen Identität noch verstärkt. Er ging daraufhin in die Schiedsrichterkabine zurück und forderte den Schiedsrichter des ersten Spiels neuerlich eindringlich auf, die Spielberechtigung des betreffenden Spielers festzustellen. Alle anwesenden Schiedsrichter meinten daraufhin, diese Sache gehe den Kläger nichts an, er solle ihre Vorbereitung auf das nächste Spiel nicht stören. Letzlich unterschrieb jedoch der besagte Spieler in der Kabine den Spielbericht mit Angabe seines Geburtsdatums. Am Weg nach Hause verstärkte sich beim Kläger die Meinung, dass der Spielbericht gefälscht worden sei. Er kehrte zum Fußballplatz zurück und betrat in der Pause des zweiten Spiels zum dritten Mal die Schiedsrichterkabine, wo er seine Vermutung über die Fälschung des Spielberichts gegenüber dem Schiedsrichter des betreffenden Spiels darlegte. Nunmehr eskalierte die Situation, und der Kläger wurde unmissverständlich aufgefordert, die Kabine zu verlassen. Ein Schiedsrichter fragte sogar, ob es keine Ordner gäbe, die den Kläger abführten. Schließlich wurde der Kläger aus der Kabine gedrängt und verließ den Platz. Er zeigte sodann den Vorfall mit dem seiner Meinung nach unberechtigt eingesetzten Spieler an; der Verband verurteilte aber den betroffenen Fussballverein nicht, weil das Spiel nach dem Bericht des Schiedsrichters ordnungsgemäß beglaubigt war. Ein Protest des Klägers gegen diese Beglaubigung wurde mangels Legitimation des Klägers zurückgewiesen.

Am 23. 4. 2002 beschloss der Schiedsrichterausschuss im Rahmen einer routinemäßigen Sitzung, den Kläger gem § 13 Abs 2 und 4 der Satzungen des Wiener Schiedsrichterkollegiums (Interesselosigkeit oder Nichteignung; Verletzung der Pflichten nach § 12 der Satzung) von der Schiedsrichterliste zu streichen. Näher begründet wurde dieser Beschluss vorerst nicht. Der Kläger erfuhr dann durch Zustellung des Sitzungsprotokolls und erhob Protest an das Protestkomitee. Dieses stellte Verfahrensmängel fest und forderte den Schiedsrichterausschuss zunächst auf, den Beschluss zu begründen. In einer ausführlichen Stellungnahme (Beil./1) zählte das Schiedsrichterkollegium mehrere Gründe (schlechte Leistungen als Schiedsrichter, zunehmende Beschwerden von Vereinen, Verhängung der strengen Rüge; Vorfall vom 21. 4. 2002) auf, weshalb es den Kläger für nicht geeignet halte. Auch dem Kläger wurde vom Protestkomitee Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Letzlich bestätigte das Protestkomitee die angefochtene Entscheidung (Beil./J) und wies in der Begründung insbesondere auf die Disziplinarstrafe der strengen Rüge und den Vorfall vom 21. 4. 2002 hin, der dokumentiere, dass der Kläger nicht gewillt oder in der Lage sei, seinen Verpflichtungen als Schiedsrichter nachzukommen. Auch diese Entscheidung bekämpfte der Kläger ohne Erfolg beim Österreichischen Fußballbund. Rechtlich führte das Erstgericht aus, die bekämpften Entscheidungen seien ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze zustande gekommen und inhaltlich berechtigt. Der Kläger habe eine Weisung, die ihm von einem Mitglied des Schiedsrichterausschusses in dessen Namen erteilt worden sei, nicht befolgt, was die ausgesprochene strenge Rüge rechtfertige. Die Streichung von der Schiedsrichterliste sei eine angemessene Reaktion auf den Vorfall vom 21. 4. 2002. Da die Proteste des Klägers erfolglos geblieben seien, komme eine Rückzahlung der von ihm entrichteten Gebühren nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und - auf Antrag des Klägers gem § 508 Abs 1 ZPO - dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der beklagte Verein aufgrund einer faktischen oder rechtlichen Monopolstellung Mitglieder vor ihrem Ausschluss durch gelindere Mittel zu einem am Vereinsinteresse ausgerichteten Verhalten zu veranlassen habe. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichts zur Berechtigung der angefochtenen Beschlüsse.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

Im Zusammenhang mit der Verhängung der strengen Rüge wirft der Kläger in seiner Zulassungsbeschwerde die Frage auf, ob das im Strafrecht allgemein geltende Analogieverbot auch im Bereich der Vereinsstrafen gelte. Davon hängt die Entscheidung aber nicht ab.

Die Vereinsorgane und die Vorinstanzen haben die verhängte Disziplinarstrafe für berechtigt erachtet, weil der Tatbestand des § 8 Strafregulativ (Nichtbefolgung von Weisungen des Schiedsrichterausschusses) verwirklicht sei. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die von ihm nicht befolgte Weisung sei keine des Kollektivorgans Schiedsrichterausschuss gewesen; erst durch Analogieschluss werde ein neuer Straftatbestand (Nichtbefolgung von Weisungen des Schulungsleiters), der dem bestehenden Tatbestand gleichkomme, geschaffen.

Diese Ausführungen übersehen, dass zu den Aufgaben des Schiedsrichterausschusses nach § 3.1b der Satzungen des Wiener Schiedsrichterkollegiums die Fortbildung der Verbandsschiedsrichter zählt, und dass nach § 2.5 der Satzungen der Schiedsrichterausschuss ermächtigt ist, sachverständige Personen zur Erledigung besonderer Aufgaben (wie etwa Schulungen) heranzuziehen. Diese Bestimmungen sind dahin auszulegen, dass eine zur Erledigung einer besonderen Aufgabe herangezogene Person (hier: der Schulungsleiter der Schiedsrichterschulung im Februar 2001) in Erfüllung dieser Aufgaben als Ermächtigter namens des Schiedsrichterausschusses auftritt, weshalb seine Weisungen solche des Schiedsrichterausschusses sind. Es trifft daher nicht zu, dass die rechtsanwendenden Organe einen neuen Straftatbestand durch Analogieschluss geschaffen hätten. Seine Streichung von der Schiedsrichterliste, mit der nach den Statuten der Verlust der Mitgliedschaftsrechte einhergeht, bekämpft der Kläger mit dem Argument, diese strengst mögliche Maßnahme sei ohne jede vorherige Abmahnung erfolgt, obwohl er zuvor noch nie disziplinär auffällig geworden sei. Der Verein sei in seinem Bereich Monopolist und müsse an die Berechtigung von Ausschlüssen einen besonders strengen Maßstab anlegen. Ein Monopolverein könne gehalten sein, ein Mitglied aufzunehmen, wenn die ökonomische oder berufliche Existenz des Aufnahmebewerbers von der Aufnahme abhänge oder durch eine Ablehnung der Aufnahme unzumutbar beeinträchtigt werde. Unstrittig ist, dass Rechtsbeziehungen zwischen Vereinen und ihren Mitgliedern privatrechtlicher Natur sind. Entscheidungen von Vereinsorganen über diese Rechtsbeziehung können nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gerichtlich überprüft werden (7 Ob 283/02x = JBl 2003, 648 mwN; Aicher in Rummel ABGB³ § 26 Rz 45). Ist jemand Mitglied eines Vereins geworden, so soll er nur aus ihn belastenden wichtigen Gründen gegen seinen Willen diese Mitgliedschaft verlieren (7 Ob 283/02x = JBl 2003, 648; RIS-Justiz RS0022285 [T3]). Der Vereinsausschluss ist die strengste Vertragsstrafe und darf nur aus wichtigen Gründen erfolgen (RIS-Justiz RS0080399). Eine restriktive Auslegung der wichtigen Gründe ist geboten, wenn es sich um einen Verein handelt, der rechtlich oder faktisch Monopolcharakter hat (1 Ob 45/94 = RZ 1996/52 S 178).

Das Berufungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Seine Beurteilung, die Streichung des Klägers von der Liste der Schiedsrichter sei durch sein Verhalten gerechtfertigt, überschreitet den in dieser Frage offenstehenden Ermessensspielraum nicht. Berücksichtigt man die gegenüber dem Kläger wegen seines Verhaltens bei der Schulungsveranstaltung im Februar 2001 ausgesprochene Disziplinarstrafe der strengen Rüge, kann auch keine Rede davon sein, der Kläger sei ohne jede Verwarnung oder Vorverurteilung ausgeschlossen worden.

Auch wenn man - wie dies der Kläger vertritt - den Verein als Monopolverein ansehen wollte (was angesichts seiner räumlichen Beschränkung auf Wien durchaus fraglich ist), wäre daraus für den Kläger - bei der dann gebotenen restriktiven Auslegung der Ausschlussgründe - nichts zu gewinnen: Zu den Pflichten der Schiedsrichter, deren Verletzung zur Streichung von der Schiedsrichterliste führen kann (§ 13.4 der Statuten), zählt sportlich und charakterlich einwandfreies Verhalten (§ 12.6 der Satzungen) sowie die jederzeitige bestmögliche Wahrung der Interessen des Vereins und des Schiedsrichterkollegiums (Punkt 12.9 der Satzungen). Im Lichte dieser Verhaltenspflichten wird mit der Bewertung des - vom Kläger im Rechtsmittel weiterhin als „geradezu banal" heruntergespielten - Vorfalls vom 21. 4. 2002 (der vom Schiedsrichterausschuss sogar als „Aufruhr" [Beil./1] bezeichnet wurde) als grobe, zur Streichung von der Schiedsrichterliste führende Pflichtverletzung, der Ermessensspielraum nicht überschritten. Dass die ökonomische und berufliche Existenz des Klägers von seiner weiteren Mitgliedschaft beim Verein abhinge, hat dieser in erster Instanz weder behauptet, noch ist solches nach der Aktenlage ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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