OGH 4Ob27/23h

OGH4Ob27/23h28.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. D*, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. H*, vertreten durch die Gewessler Rechtsanwaltsges.m.b.H. in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. November 2022, GZ 38 R 138/22h‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00027.23H.0328.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Im Falle eines Mietvertrags mit einem außenstehenden Dritten ist die Mehrheit der Miteigentümer – zufolge der ihr zustehenden „gesetzlichen“ Verwalterstellung – zur Kündigung aktiv legitimiert. Im Fall der Kündigung durch einen Miteigentümer der Liegenschaft, dem nicht die Mehrheit der Anteile gehört, genügt es, wenn er im Zuge des Kündigungsverfahrens die Zustimmung solcher Miteigentümer nachweist, denen mit ihm zusammen die Mehrheit der Anteile gehört; das Einverständnis muss nicht schon zugleich mit der Kündigung nachgewiesen werden. Im Fall des Nachweises des Einverständnisses der Mehrheit ist der Minderheitseigentümer zur Aufkündigung im eigenen Namen legitimiert (vgl 4 Ob 100/18m mwN).

[2] Eine vergleichbare Rechtsposition besitzt auch ein Minderheits- oder Hälfteeigentümer, dem durch Benützungsvereinbarung ein bestimmter Liegenschaftsteil zur alleinigen Benützung und Verfügung überlassen worden ist: Auch in diesem Fall ist regelmäßig von einer – zumindest implizit eingeräumten – Verwaltungsvollmacht auszugehen, zumal die anlässlich der vertraglichen Benützungsregelung dem Miteigentümer eingeräumte unbeschränkte Verfügungsmacht über den zur Benützung überlassenen Teil einer auch zur Vermietung mit Wirkung für die Gesamtheit der Liegenschaftseigentümer berechtigenden Verwaltungsvollmacht gleichzuhalten ist (vgl nochmals 4 Ob 100/18m mwN); dies gilt auch im Fall einer durch die Begründung von Wohnungseigentum – bei der gegenseitigen Einräumung von Wohnungseigentum üblichen – Abtretung des Gestaltungsrechts an einen Mit- und Wohnungseigentümer, an einzelnen Wohnungseigentumsobjekten bereits vor der Begründung des Wohnungseigentums, eingegangene Bestandverhältnisse allein zu kündigen (vgl RS0107643 [insb T3, T4]).

[3] 1.2. Demgegenüber ist aber dieAufkündigung (ebenso wie der Abschluss) von Bestandverträgen mit einem Miteigentümer in einem im Miteigentum stehenden Hause eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme im Sinne des § 834 ABGB, der alle Miteigentümer zustimmen müssen (vgl RS0013594, RS0013436, RS0013609 [insb T9], RS0013680, 5 Ob 8/09a mwN; aM Lovrek, Abschluss und Beendigung von Bestandverträgen mit Miteigentümern. Ordentliche oder außerordentliche Verwaltung? in FS Bittner [2018] 353 [367 ff]); dies gilt auch für Liegenschaften, an denen Wohnungseigentum begründet wurde (vgl RS0013609 [T10]).

[4] 1.3. Ein im Zeitpunkt der Aufkündigung vorliegender Mangel der Aktivlegitimation kann nach ständiger Rechtsprechung – anders als im Fall der Räumungsklage nach § 1118 ABGB – nachträglich nicht saniert werden (vgl RS0044775, RS0020972).

[5] 2.1. Die außerordentliche Revision des Klägers weist darauf hin, dass mit dem Verkauf des Miteigentumsanteils an ihn und der damit verbundenen Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum auch eine Benützungsvereinbarung aller Miteigentümer getroffen worden sei, die ihn allein zur Kündigung des ihm mitverkauften „Einlagerungsraums“ aktiv legitimiere, der ein Jahr zuvor vom (in der Folge erst Jahre später Miteigentümer gewordenen) Beklagten zusätzlich zu seiner bereits seit Jahrzehnten gemieteten Wohnung angemietet worden war.

[6] 2.2. Die Revision geht damit auf die Frage der nach der Rechtsprechung (vgl oben Pkt 1.2.) im Zeitpunkt der Aufkündigung notwendigen Zustimmung aller Miteigentümer zu einer solchen außerordentlichen Verwaltungsmaßnahme nach § 834 ABGB nicht mehr ein, auf die schon das Erstgericht die Aufhebung der Aufkündigung mangels Aktivlegitimation gestützt hatte. Sie zeigt somit keine entscheidungsrelevante erhebliche Rechtsfrage auf.

[7] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO): Im Berufungsurteil und in der Revision angesprochene Fragen zur EigenbedarfsTeilkündigung von Nebenräumlichkeiten nach § 31 Abs 1 und Abs 5 MRG müssen hier nicht näher erörtert werden; insbesondere dass die Sperrfrist nach § 30 Abs 3 MRG für die vorliegende Teilkündigung nach dem geltend gemachten selbstständigen Kündigungsgrund des § 31 Abs 1 (und nicht des § 30 Abs 2 Z 8) MRG nicht anzuwenden gewesen wäre (vgl RS0070791), kann auf sich beruhen.

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