Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der Beklagte erstattete in einem gegen den Kläger von einer Mitbewerberin angestrengten, unter anderem auf § 7 UWG gestützten Wettbewerbsprozess ein Gerichtsgutachten zur Frage, ob bzw welche technischen Mängel die biologischen Abwasserreinigungsanlagen der Mitbewerberin aufweisen oder ob diese technisch mängelfrei sind sowie ob an der Tropfkörperfilteranlage der Mitbewerberin keine Sicherungsmaßnahme eingebaut ist, dadurch ungereinigtes Wasser in den Boden gelangen und eine Gefährdung der gesamten Umwelt entstehen kann. In diesem Gutachten führte er aus, „dass technische Mängel an der zu beurteilenden Abwasserreinigungsanlage nicht erkannt werden konnten. ... Es ist somit sichergestellt, dass kein ungereinigtes Wasser in den Boden gelangen kann und wird dadurch eine Gefährdung der Umwelt hintangehalten."
Auf Grund dieses Gutachtens wurde dem Kläger verboten, von den von der Mitbewerberin hergestellten Abwasserreinigungsanlagen zu behaupten, dass sie schwere fachliche Mängel aufweisen, über keine Sicherheit verfügen und Menschen, Tiere und Pflanzen gefährden. Tatsächlich wiesen die Bodenkörperfilteranlagen der Mitbewerberin in der im damaligen Zeitraum vermarkteten Ausführung aber grundsätzlich mangelnde konstruktive Sicherheitsvorsorgen gegen ein Überschwappen bzw Überströmen von Abwasser über den Rand der ersten Tropftasse auf, wodurch die realistische Möglichkeit bestand, dass ungenügend gereinigtes Abwasser direkt ohne weitere Reinigung auf die Sohlebene zum Ableitungsrohr gelangen konnte. Die Ausführungen des Beklagten waren daher unrichtig, wonach bei Ausfall der obersten Tropftasse die darunterliegende ihre Funktion übernimmt, dass bei Überlaufen bzw Abfließen von Abwasser aus der obersten Tasse dieses zwangsläufig in die darunterliegende geführt wird und dass der tassenförmige Aufbau und die „gewählte Randausbildung" als Sicherheitsmaßnahme anzusehen sind.
Ein objektiv richtiges Gutachten des Beklagten, welches den im damaligen Zeitpunkt vorhandenen konstruktiven Mängeln dieser Anlagen Rechnung getragen und diese entsprechend dargelegt hätte, hätte einen anderen Ausgang des Wettbewerbsprozesses, zumindest in Teilbereichen, bewirkt, indem es zu einer Teilabweisung des Unterlassungsbegehrens der Mitbewerberin bzw dem Zuspruch eines aliud gekommen wäre. Dem Kläger wäre im Wettbewerbsprozess der Wahrheitsbeweis, zumindest in Teilbereichen, gelungen.
Der Kläger begehrt nunmehr die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle ihm aus der mangelhaften Gutachtenserstattung im Wettbewerbsprozess zukünftig entstehenden Schäden.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Die dagegen vom Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig.
1. Nach ständiger Rechtsprechung haftet ein vom Gericht bestellter Sachverständiger, der im Zivilprozess ein unrichtiges Gutachten abgibt, den Parteien gegenüber persönlich und unmittelbar nach §§ 1295, 1299 ABGB für den dadurch verursachten Schaden (RIS-Justiz RS0026319; zuletzt 3 Ob 93/05f). Der Schadenersatzanspruch setzt unter anderem voraus, dass die Unrichtigkeit des Gutachtens ausschlaggebend für die die Prozesspartei beschwerende Entscheidung war. Dabei ist nicht zu prüfen, wie die in Frage stehende unter Mitwirkung des Sachverständigen zustandegekommene gerichtliche Entscheidung richtig zu lauten gehabt hätte. Entscheidend ist allein, welchen Einfluss ein sachlich richtiges Gutachten des Sachverständigen auf die Entscheidung gehabt hätte (stRsp, s 6 Ob 634/77 = SZ 50/98; aus jüngerer Zeit 1 Ob 263/02m mwN). Diese Frage betrifft die Kausalität. Der Sachverständige muss außerdem schuldhaft gehandelt haben.
2. Der Beklagte meint in der außerordentlichen Revision, es mangle dem Kläger an einem Feststellungsinteresse; die bloß theoretische Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts reiche nicht aus. Nach zutreffender Auffassung des Berufungsgerichts enthält aber die im Wettbewerbsprozess gegen den Kläger ergangene Entscheidung den Vorwurf, die Unwahrheit gesagt zu haben; sie ermächtigt außerdem zur Veröffentlichung. Daraus können dem Kläger wirtschaftliche Nachteile entstehen, wenn potenzielle Abnehmer von Abwasserreinigungsanlagen davon Abstand nehmen, mit ihm Verträge zu schließen. Es sind auch Schadenersatzansprüche der Mitbewerberin denkbar; infolge Abweisung der Wiederaufnahmeklage des Klägers gegen die Mitbewerberin besteht die Unterlassungsverpflichtung nach wie vor. Die Annahme eines Feststellungsinteresses durch die Vorinstanzen ist daher nicht zu beanstanden.
3. Der Beklagte führt weiters aus, dem Kläger sei im Wettbewerbsprozess die Äußerung zum Vorwurf gemacht worden, „alle Anlagen" der Mitbewerberin seien untauglich. Diese Äußerung hätte sich auch bei Zugrundelegung des im Haftungsprozess erstatteten Sachverständigengutachtens nicht aufrecht erhalten lassen. Auch ein „objektiv richtiges Gutachten" des Beklagten hätte daher zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis im Wettbewerbsprozess geführt. Die Frage des günstigeren Ausgangs des Vorprozesses sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht eine solche der natürlichen Kausalität; „in einem wettbewerbsrechtlichen Prozess" stehe „nach ständiger Rechtsprechung bei Vollziehung des Wettbewerbsrechts die Abgrenzung zwischen Rechts- und Tatfragen nicht im Vordergrund". Bei Lösung der Frage, ob die Unrichtigkeit des Gutachtens maßgebend für die die Prozesspartei beschwerende gerichtliche Entscheidung war, ob also das Gericht dann, wenn der Sachverständige ein sachlich richtiges Gutachten erstattet hätte, eine andere oder die gleiche Sachentscheidung getroffen hätte, handelt es sich um die Beurteilung der natürlichen Kausalität des Fehlverhaltens des Sachverständigen für den der Prozesspartei entstandenen Schaden. Hier ist nur zu beurteilen, ob das Fehlverhalten des Sachverständigen einen bestimmten Schaden herbeiführte oder ob der gleiche Erfolg auch eingetreten wäre, wenn der Sachverständige ein sachlich richtiges Gutachten erstattet hätte; weitere für den Kausalzusammenhang im juristischen Sinn bedeutsame Wertungsfragen, etwa im Sinne der Beurteilung der Adäquanz, sind hier nicht zu lösen (8 Ob 505/86; 3 Ob 284/01p = JBl 2002, 799; 1 Ob 263/02m). Ob aber der natürliche Kausalzusammenhang gegeben ist, ist eine reine Tatfrage, deren Lösung durch die Vorinstanzen im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann.
An dieser Rechtsprechung, die lediglich in jenen Fällen, in denen es zu keiner gerichtlichen Entscheidung kam, die juristische Kausalität als Rechtsfrage prüft (3 Ob 284/01p), ist festzuhalten. Warum sie „bei Vollziehung des Wettbewerbsrechts" nicht zur Anwendung kommen sollte, ist nicht ersichtlich; der Beklagte begründet seine Rechtsansicht nicht weiter.
Dass hier aber der gleiche Erfolg nicht eingetreten wäre, wenn der Beklagte ein sachlich richtiges Gutachten erstattet hätte, haben die Vorinstanzen festgestellt.
4. Nach Auffassung des Beklagten hatte das Berufungsgericht berücksichtigen müssen, dass der Sachverständige im nunmehrigen Haftungsprozess Unterlagen verwendete, die dem Beklagten bei seiner Gutachtenserstattung nicht zur Verfügung standen; auch sei „der Stand der Technik ein vollkommen anderer". Der Beklagte hätte daher auf Grund des damaligen Standes der Technik sowie insbesondere auf Grund des Nichtvorliegens jener Unterlagen und Umstände, die nunmehr dem Sachverständigen im Haftungsprozess zur Verfügung standen, niemals zum gleichen Ergebnis wie dieser gelangen können. Das Berufungsgericht sei selbst davon ausgegangen, dass der Beklagte „vielleicht" zum selben Ergebnis gelangt wäre.
Die Frage der Richtigkeit des Gutachtens betrifft den irrevisiblen Sachverhaltsbereich. Nach den (maßgeblichen) Feststellungen des Erstgerichts war das Gutachten des Beklagten im Wettbewerbsprozess objektiv unrichtig. Dass es dem damaligen Stand der Technik entsprochen hätte, ist den Feststellungen hingegen ebenso wenig zu entnehmen wie der Umstand, dass der Beklagte niemals zum gleichen Ergebnis wie der Sachverständige im Haftungsprozess hätte gelangen können.
5. Schließlich wendet der Beklagte noch ein, es treffe ihn kein Verschulden. Er habe sich bei seiner Gutachtenserstattung an den gerichtlichen Auftrag gehalten; dieser sei die Basis und an diesen sei er auch gebunden gewesen. Entsprechend diesem Auftrag habe er sich umfassend mit sämtlichen, im Akt erliegenden Unterlagen auseinandergesetzt und darüber hinaus „noch weitere Unterlagen für die Befund- und in der Folge Gutachtenserstellung" beigeschafft. Sei aber schon der Auftrag fehlerhaft und daher das Gutachten unzutreffend, unvollständig oder unrichtig, handle es sich nicht um einen Fehler des Sachverständigen, sondern um einen „vorgelagerten Gerichtsfehler".
Dieser Argumentation hat bereits das Erstgericht zutreffend entgegen gehalten, der Beklagte hätte den Gutachtensauftrag kritisch hinterfragen und dabei insbesondere die Terminologie im Zusammenhang mit Tropfkörper- und Bodenkörperfilteranlagen klarstellen und den Beurteilungsgegenstand eindeutig abgrenzen müssen. Darüber hinaus wäre es auch seine Aufgabe gewesen, allenfalls notwendige weitere Unterlagen beizuschaffen und die Durchführung eines Ortsaugenscheins anzuregen. Dass er dies nicht getan hat, begründet daher jedenfalls sein Verschulden.
Damit kann aber die Frage auf sich beruhen, ob der Beklagte nicht schon deshalb haftet, weil er zum Zeitpunkt der Erstattung seines Gutachtens im Wettbewerbsprozess Anlagen der Mitbewerberin plante, dennoch auf Anfrage des Verhandlungsrichters +im Wettbewerbsprozess mitteilte, „dass er für die klagende Partei weder als Berater noch als Sachverständiger tätig gewesen ist und auch keine Geschäftskontakte zur klagenden Partei unterhält" (ON 16 im Wettbewerbsprozess). Im Haftungsprozess hat er nunmehr zugestanden, jene Anlagen, um die es im Wettbewerbsprozess gegangen ist, selbst geplant (AS 792 Mitte), dh seine eigenen Anlagen als gerichtlicher Sachverständiger begutachtet zu haben.
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