OGH 8Ob505/86

OGH8Ob505/8610.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz W***, Operationsgehilfe, Raiffeisenstraße 1, 8073 Feldkirchen, vertreten durch Dr. Christian Moser, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Dr.Ing. Karl P***, Kraftfahrzeugsachverständiger, Mariatrosterstraße 170 d, 8044 Graz, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 64.364,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 31. Oktober 1985, GZ 7 R 168/85-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 18. Juli 1985, GZ 18 Cg 142/85-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 308,85, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 23. Dezember 1981 ereignete sich in Graz im Bereich der Einmündung der Lagergasse in die Herrgottwiesgasse ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen St 1.090 und Daniela J*** als Halterin und Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen G 65.203 beteiligt waren. Der mit seinem PKW aus der benachrangten Lagergasse nach links in die Herrgottwiesgasse einbiegende Kläger kollidierte im Kreuzungsbereich mit dem auf der Herrgottwiesgasse von links herankommenden PKW der Daniela J***. Dabei wurden beide Fahrzeuge beschädigt. In dem zu 32 C 189/82 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz anhängig gewesenen Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Daniela J*** und ihres Haftpflichtversicherers zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 29.760,-- s.A. (Reparaturkosten, Wertminderung). In diesem Rechtsstreit wurde der nunmehrige Beklagte zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Er erstattete auftragsgemäß ein Gutachten über den Unfallsablauf. Mit Urteil vom 25. August 1982 wurde in diesem Rechtsstreit das Klagebegehren abgewiesen. Einer gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 8. November 1982 keine Folge gegeben.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 64.364,-- s.A. (Klagsforderung im Vorprozeß S 29.760,-- und im Vorprozeß dem Kläger entstandene Kosten von insgesamt S 34.604,--) im wesentlichen mit der Begründung, daß der Beklagte als Sachverständiger im Vorprozeß ein unrichtiges Gutachten erstattet habe. Insbesondere habe er in seinem Gutachten zum Ausdruck gebracht, daß sich auf Grund der Fahrzeugschäden ergebe, daß der Anstoßwinkel der beiden beteiligten Fahrzeuge ca. 40 Grad betragen habe, was nicht zutreffe. Auf Grund dieses unrichtigen Gutachtens des Beklagten sei es im Vorprozeß zur Abweisung des Klagebegehrens gekommen, wobei insbesondere das Erstgericht die Klagsabweisung damit begründet habe, daß den Angaben des Klägers als Partei nicht gefolgt werden könne, weil sie durch das Gutachten des Sachverständigen widerlegt seien. Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß sein Gutachten im Vorprozeß nicht unrichtig gewesen sei, daß der Vorprozeß nicht durch das Gutachten des Beklagten, sondern durch die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung des Gerichtes entschieden worden sei und daß es im übrigen dem Kläger freigestanden wäre, bereits im Vorprozeß die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zu beantragen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Im Urteil des Erstgerichtes im Vorprozeß wurde festgestellt, daß Daniela J*** ihren PKW mit einer Geschwindigkeit von etwa 35 km/h auf der Herrgottwiesgasse in Richtung Norden lenkte, wobei sie eine Fahrlinie einhielt, bei welcher sich die äußerst östliche Schiene zwischen dem linken und dem rechten Räderpaar ihres Fahrzeuges befand. Als sie sich etwa 80 m südlich des späteren Kollisionspunktes befand, faßte der Kläger, der sein Fahrzeug an der Haltelinie bei der Einmündung der Lagergasse angehalten hatte, den Startentschluß zur Weiterfahrt mit der Absicht, in der Folge nach links in die Puchstraße einzubiegen. Als der Kläger jedoch den PKW der J*** etwa 30 m südlich des späteren Kollisionspunktes wahrnahm, faßte er den Bremsentschluß und brachte seinen PKW etwas mehr als 1,5 Sekunden vor der Kollision derart zum Stillstand, daß sich die linke vordere Ecke seines PKW rund 4,5 m südlich des Schnittpunktes auf Höhe der östlichsten Schiene befand. J*** reagierte vorerst auf das Herausfahren des Klägers lediglich damit, daß sie Gas wegnahm. Erst als sie erkannte, daß der Kläger sein Fahrzeug in ihre Fahrlinie bringen würde, bremste sie voll. Als die Räder ihres Fahrzeuges zu blockieren begannen, unterbrach J*** ihre Bremsung und bremste dann nochmals voll, wodurch das Heck ihres Fahrzeuges leicht nach links ausbrach. In der Folge schlitterte ihr PKW in dieser Schräglage gegen den stehenden PKW des Klägers. Die Kollision erfolgte derart, daß das linke vordere Eck des PKW der J*** gegen das linke vordere Eck des PKW des Klägers stieß. Der Kläger hatte bei seinem Startentschluß an der Haltelinie keine Sicht auf das von Süden herankommende Fahrzeug der J***. Diese faßte etwa eine halbe Sekunde nach Bremsbeginn des Klägers ihren Bremsentschluß unter Gaswegnahme. "Erst insgesamt 1 sec. Reaktionszeit bremste sie dann voll". Hätte J*** nach Beginn ihrer Vollbremsung in einem ohne Unterbrechung durchgebremst, so wäre der Anstoß nicht unterblieben, doch hätte die Geschwindigkeit im Anstoßzeitpunkt noch 2 km/h betragen und wären beim Anstoß lediglich 4 % der Stoßenergie in Verformungsarbeit umgesetzt worden. Wäre der Kläger normal beschleunigend weitergefahren, dann wäre das Fahrzeug der J*** auch bei gleichbleibender Geschwindigkeit gerade anstoßfrei hinter dem Fahrzeug des Klägers vorbeigekommen. Für einen kleinen Sicherheitsabstand hätte eine leichte Verzögerung des Fahrzeuges der J*** durch Gaswegnehmen ausgereicht. Ein Grund zur Bremsung bestand für J*** somit erst zu jenem Zeitpunkt, als das Fahrzeug des Klägers abgebremst wurde.

In der Beweiswürdigung führte das Erstgericht im Vorprozeß aus, daß es den Angaben des Klägers über den Unfallsablauf keinen Glauben schenke, weil sich diese Angaben in fast allen Punkten als technisch nicht möglich oder den übrigen Beweisergebnissen widersprechend herausgestellt hätten. Der zentrale Punkt, in dem sich die Unglaubwürdigkeit der Aussage des Klägers manifestiere, sei seine Darstellung des Unfallsortes, insbesondere die Schilderung, daß sein PKW vor der Kollision bereits wieder parallel zur Fahrbahnlängsachse der Herrgottwiesgasse gestanden sei. Nach den vom Sachverständigen angestellten technischen Überlegungen, denen er die vorgelegten Lichtbilder der Schäden an den Fahrzeugen zugrundegelegt habe, sei dies technisch unmöglich. Aber auch die weitere Darstellung des Klägers, er habe in der von ihm angegebenen Stillstandsposition den PKW der J*** auf Höhe des Gasthauses auf der Herrgottwiesgasse wahrgenommen (ca. 80 m südlich des Schnittpunktes), habe sich als technisch unmöglich erwiesen. Im Lichte des Gesamteindruckes der Unfallschilderungen des Klägers im Vergleich zum technischen Gutachten sei auch zu sehen, daß er als Grund dafür, daß er stehengeblieben war, angegeben habe, daß er nicht wußte, ob die Unfallsgegnerin geradeaus fahren oder nach rechts in die Lagergasse zum Schlachthof abbiegen werde. Demgegenüber schilderte J*** den Unfallsablauf derart, daß sich diese Schilderung im Rahmen der technischen Möglichkeiten bewege. Im Verein mit den Angaben des Zeugen T*** habe das Gericht keine Bedenken gehabt, der Unfallsdarstellung der J*** in ihrer Generallinie zu folgen. Rechtlich führte das Erstgericht im Vorprozeß zur Klagsabweisung aus, daß der Kläger durch sein Einfahren aus der benachrangten Lagergasse in die Herrgottwiesgasse ohne Beachtung des aus Süden herankommenden Verkehrs mit einer Geschwindigkeit, die es ihm nicht mehr erlaubt habe, sein Fahrzeug vor der normalen Fahrlinie für den Verkehr aus Richtung Süden anzuhalten und dazu noch durch seine falsche Reaktion, nämlich zu bremsen anstatt gleichmäßig beschleunigend weiterzufahren, wodurch er sein Fahrzeug gerade in der Verlängerung der Fahrlinie der aus Süden herannahenden J*** zum Stillstand gebracht habe, die Ursache für die Kollision gesetzt habe. Aus dem Verhalten der J*** könne kein Mitverschulden abgeleitet werden.

Das Berufungsgericht im Vorprozeß führte in seiner Entscheidung vom 8. November 1982 aus, daß es nicht entscheidend sei, wie der PKW des Klägers beim Anprall gestanden sei, sondern ob der Kläger durch sein Einbiege- und das anschließende Bremsmanöver die auf der Vorrangstraße fahrende J*** beeinträchtigt habe; auf mögliche Unsicherheiten in der Rekonstruktion des Anstoßwinkels durch den Sachverständigen sei daher nicht einzugehen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Verhalten des Beklagten für den Schadenseintritt beim Kläger nicht kausal sei. Der Erstrichter im Vorprozeß habe die Klagsabweisung durchaus nicht auf den vom Beklagten ermittelten Anstoßwinkel der Fahrzeuge gegründet, sondern in seiner Beweiswürdigung verschiedene Erwägungen, die gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers gesprochen hätten, angestellt. Es sei praktisch unwägbar und entziehe sich daher der Feststellung eines logischen Kausalzusammenhanges, welche dieser Erwägungen letztlich für die Klagsabweisung ausschlaggebend gewesen sei. Der Kläger habe nicht einmal in seinem Vorbringen dartun können, inwieweit sich der angeblich unrichtig ermittelte Anstoßwinkel für ihn nachteilig ausgewirkt habe bzw. inwiefern sich bei Zugrundelegung des vom Privatgutachter ermittelten Anstoßwinkels eine für den Kläger günstigere Entscheidung ergeben hätte. Im Hinblick auf die Berufungsentscheidung könne man offenbar nur sagen, daß sich dadurch für den Kläger nichts geändert hätte, da die nicht bestreitbare Vorrangverletzung des Klägers durch das Einfahren bzw. das Blockieren der Fahrlinie der J*** offenbar für die Entscheidungen maßgebend gewesen sei.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, entscheidende Bedeutung komme der Lösung der Frage zu, ob nach der Lage des Falles das schädigende Ereignis - der Prozeßverlust des Klägers im Vorverfahren - auch dann eingetreten wäre, wenn der Beklagte gar kein oder ein anderes dem Prozeßstandpunkt des Klägers Rechnung tragendes Gutachten erstattet hätte. Müßte dies bejaht werden, läge kein haftungsbegründendes Verhalten des Beklagten vor, weil dieses nicht "conditio sine qua non" für den eingetretenen Erfolg und damit für diesen nicht kausal gewesen wäre. Um diese Frage beurteilen zu können, stünden zwei Wege offen. Entweder werde geprüft, ob, objektiv betrachtet, eine solche Kausalität zu verneinen sei, ob also - auf den vorliegenden Fall bezogen - die Gerichte des Vorprozesses unabhängig vom Gutachten des Beklagten, zum Beispiel auf Grund richtiger rechtlicher Erwägungen, ebenfalls zu einer Abweisung des Klagebegehrens hätten gelangen müssen, oder aber es werde untersucht, ob Hinweise gegeben seien, daß die Urteile des Vorprozesses ohne Rücksicht darauf, ob dies nach einem objektiven Maßstab richtig gewesen wäre oder nicht, also möglicherweise sogar auf Grund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, im Ergebnis gleich ausgefallen wären, gleichgültig, wie immer auch das Gutachten des Beklagten gelautet hätte. Während also im ersteren Fall im gegebenen Zusammenhang die im Vorprozeß ergangenen Entscheidungen auf ihre - vom Gutachten des Beklagten losgelöste - Richtigkeit überprüft werden müßten, hätte die zweite Auffassung zur Folge, daß es lediglich darauf ankomme, festzustellen, wie sich der Entfall des Gutachtens des Beklagten oder ein anderes Gutachten auf die effektive Entscheidung der Gerichte ausgewirkt hätte.

Das Erstgericht habe sich der zweiten Rechtsmeinung angeschlossen und daher lediglich untersucht, ob angesichts der Ausführungen der Gerichte des Vorprozesses in ihren Entscheidungsgründen anzunehmen sei, daß der Kläger voraussichtlich auch dann unterlegen wäre, wenn der Beklagte nicht ein - aus der Sicht des Klägers gesehen - teilweise unrichtiges Gutachten erstattet hätte. Das Berufungsgericht teile diese Rechtsansicht, weil es im Bereich der Kausalität stets Sache eines geschädigten Klägers sei, nachzuweisen, daß das die behauptete Haftung eines vermeintlichen Schädigers auslösende Ereignis nicht weggedacht werden könne, ohne daß nicht auch zwingend der Erfolg wegfallen müßte. Bestehen bleibende Zweifel in dieser Richtung müßten sich demnach zu Ungunsten des Klägers auswirken. Stütze demnach ein Gericht seine Entscheidung - ob meritorisch gerechtfertigt oder nicht, könne dahingestellt bleiben - ausdrücklich auf mehrere voneinander unabhängige Erwägungen, so bedeute dies nichts anderes, als daß rückschauend betrachtet angenommen werden müsse, daß die Entscheidung gleich ausgefallen wäre, wenn auch eine dieser mehreren - voneinander unabhängigen - Erwägungen aus welchen Gründen immer wegfalle. Es sei daher im gegebenen Fall zu prüfen, ob nach dem Inhalt der Akten des Vorprozesses das Vorliegen einer solchen Sachlage angenommen werden müsse. Dies sei mit dem Erstgericht zu bejahen.

Das Erstgericht des Vorprozesses habe nämlich bereits in seiner Beweiswürdigung darauf hingewiesen, daß es seine verfahrensentscheidenden Feststellungen keineswegs auf das Gutachten des Beklagten allein, sondern auch auf die Aussagen der dortigen Beklagten und des Zeugen T*** stützte. Noch deutlicher habe aber das vom Kläger angerufene Berufungsgericht des Vorprozesses zum Ausdruck gebracht, daß das strittige Gutachten des Beklagten gar nicht in dem Sinne verfahrensentscheidend sei, daß es eine Voraussetzung für die Bestätigung des erstgerichtlichen Urteiles bilde. Vielmehr habe das als letzte Tatsacheninstanz einschreitende Berufungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die vom Beklagten in seinem Gutachten nach Ansicht des Klägers unrichtig gelöste Frage, wie das von ihm gelenkte Fahrzeug beim Anprall gestanden sei, für die Entscheidung des Rechtsstreites deshalb nicht maßgeblich sei, weil es darauf ankomme, ob der Kläger durch sein Einbiege- und anschließendes Bremsmanöver die auf der Vorrangstraße fahrende Beklagte beeinträchtigt habe. Demnach sei auch auf mögliche Unsicherheiten in der Rekonstruktion des Anstoßwinkels durch den Beklagten gar nicht einzugehen.

Deutlicher habe aber das Berufungsgericht des Vorprozesses gar nicht ausdrücken können, daß für seine Entscheidung die im Gutachten des Beklagten nach Ansicht des Klägers unrichtig gelöste Frage des Anstoßwinkels letztlich gar nicht kausal gewesen sei. Damit sei aber dem Kläger der von ihm zu erbringende Nachweis, das schädigende Ereignis - Verlust des Vorprozesses - wäre nicht eingetreten, wenn der Beklagte ein anderes (oder gar kein) Gutachten erstattet hätte, nicht gelungen, ohne daß die Frage geklärt werden müsse, ob diese Überlegungen der im Vorprozeß einschreitenden Gerichte zutreffend gewesen seien.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht im wesentlichen damit, daß zur Rechtsfrage, ob in Fällen wie dem vorliegenden lediglich zu prüfen sei, welchen Rechtsstandpunkt die Entscheidungsorgane im Vorverfahren eingenommen hätten und ob daher angesichts dessen ein angebliches Fehlgutachten überhaupt kausal gewesen sei, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieser Rechtsstandpunkt richtig sei, soweit überblickbar eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der "unrichtigen rechtlichen Beurteilung" mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte macht in seiner Revisionsbeantwortung "vorsichtshalber" geltend, daß die Voraussetzungen einer Zulassungsrevision nicht gegeben seien; im übrigen beantragt er, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 508 a Abs. 1 ZPO ist das Revisionsgericht bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs. 3 ZPO nicht gebunden. Gemäß § 503 Abs. 2 ZPO ist eine Revision im Zulassungsbereich nur zulässig, wenn aufgezeigt wird, daß das Urteil des Berufungsgerichtes auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes beruht, der erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zukommt. Dies trifft hier nicht zu.

Nach Lehre und Rechtsprechung haftet ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der in einem Zivilprozeß schuldhaft ein unrichtiges Gutachten abgibt, den Prozeßparteien gegenüber für die Folgen dieses Versehens. Es handelt sich hier nicht um den Rat eines Sachverständigen an eine Partei (§ 1300 ABGB), sondern darum, daß der Sachverständige durch sein Gutachten eine bestimmte Überzeugung des Gerichtes hervorruft, die dann im Urteil ihren Niederschlag findet. Die Haftung eines solchen Sachverständigen gegenüber einer Prozeßpartei ist nach den §§ 1295, 1299 ABGB zu beurteilen. Der Ersatzanspruch einer Prozeßpartei gegen den Sachverständigen wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß auf Grund eines unrichtigen Gutachtens ein rechtskräftiges Urteil erging. Ein Schadenersatzanspruch einer Prozeßpartei gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen in diesem Sinne setzt unter anderem voraus, daß die Unrichtigkeit des Gutachtens ausschlaggebend für die die Prozeßpartei beschwerende Entscheidung war. Bei Beurteilung eines derartigen Schadenersatzanspruches ist nicht zu prüfen, wie die in Frage stehenden unter Mitwirkung des Sachverständigen zustandegekommenen gerichtlichen Entscheidungen richtig zu lauten gehabt hätten; entscheidend ist allein, welchen Einfluß ein sachlich richtiges Gutachten des Sachverständigen auf diese Entscheidungen gehabt hätte (SZ 50/98 mit weiteren Literatur- und Judikaturhinweisen).

Bei der Lösung der Frage, ob die Unrichtigkeit des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen maßgebend für die die Prozeßpartei beschwerende gerichtliche Entscheidung war, ob also - mit anderen Worten - das Gericht dann, wenn der Sachverständige ein sachlich richtiges Gutachten erstattet hätte, eine andere oder die gleiche Sachentscheidung getroffen hätte, handelt es sich um die Beurteilung der natürlichen Kausalität des Fehlverhaltens des Sachverständigen für den der Prozeßpartei entstandenen Schaden. Denn hier ist nur zu beurteilen, ob das Fehlverhalten des Sachverständigen einen bestimmten Schaden herbeiführte oder ob der gleiche Erfolg auch dann eingetreten wäre, wenn der Sachverständige ein sachlich richtiges Gutachten erstattet hätte; weitere für den Kausalzusammenhang im juristischen Sinn bedeutsame Wertungsfragen etwa im Sinne der Beurteilung der Adäquanz sind hier nicht zu lösen. Ob aber der natürliche Kausalzusammenhang gegeben ist, ist nach ständiger Rechtsprechung eine reine Tatsachenfrage, deren Lösung durch die Vorinstanzen im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann (SZ 51/66 mit weiteren Literatur- und Judikaturhinweisen ua.).

Im vorliegenden Fall versucht der Kläger in seinem Rechtsmittel nur darzutun, daß entgegen dem Standpunkt der Vorinstanzen das vom Beklagten im Vorprozeß erstattete Gutachten ausschlaggebend für die in diesem Rechtsstreit getroffene Sachentscheidung gewesen sei und daß dann, wenn der Beklagte ein nach Meinung des Klägers richtiges Gutachten erstattet hätte, der Kläger im Vorprozeß mit seinem Begehren durchgedrungen wäre.

Damit bekämpft aber der Kläger, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, in Wahrheit nur in im Revisionsverfahren unzulässiger Weise die Lösung der ausschließlich dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Frage der natürlichen Kausalität des behaupteten Fehlverhaltens des Beklagten für den eingetretenen Erfolg durch die Vorinstanzen, der noch dazu über den vorliegenden Einzelfall hinaus keinerlei Relevanz zukommt; die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes, der erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zukommt, wird in der Revision des Klägers nicht aufgezeigt. Mangels Vorliegens der in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen war daher die vorliegende Revision des Klägers zurückzuweisen.

Gemäß den §§ 41, 50 ZPO hat der Kläger dem Beklagten die Kosten seiner Revisionsbeantwortung, in der der vorliegende Zurückweisungsgrund geltend gemacht wurde, zu ersetzen.

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