Spruch:
1. Die Revision wird, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wird, verworfen.
2. Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger ist seit 16. 7. 1983 verheiratet. Am 21. 9. 2000 hat die Ehegattin des Klägers eine Scheidungsklage eingebracht; sie hat die Klage jedoch mittlerweile zurückgenommen. Gemeinsamer Wohnsitz der Ehegatten und ihrer beiden Kinder ist ein Einfamilienhaus in M*****; das Haus steht im Hälfteeigentum beider Ehegatten.
Der Beklagte ist der Vater eines Mädchens, das die Ehegattin des Klägers am 15. 8. 2001 zur Welt gebracht hat. Am 30. 6. 2001 war der Beklagte Gast eines Festes, das die Ehegattin des Klägers im Haus in M***** veranstaltete. Der Beklagte beabsichtigte, die Nacht im Haus der Schwiegereltern des Klägers zu verbringen; er ließ sich jedoch überreden, in M***** zu bleiben, nachdem der Kläger zum Ausdruck gebracht hatte, an diesem Tag nicht in die Ehewohnung zurückkehren zu wollen.
Am 6. 9. 2001 kam der Beklagte nach M*****, um seine Tochter zu besuchen. Als ihm gegen 22.00 Uhr übel wurde, legte er sich in das Bett der Ehegattin des Klägers. Der - nachträglich eingetroffene - Kläger forderte den Beklagten auf, das Haus umgehend zu verlassen. Dieser Aufforderung kam der Beklagte schließlich nach.
Mit Beschluss vom 13. 11. 2001 hat das Bezirksgericht Mödling dem Kläger untersagt, die Ehewohnung bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu 2 C 220/01v bei diesem Gericht anhängigen Scheidungsverfahrens zu betreten. Der Beklagte besucht seine Tochter und deren Mutter etwa drei Mal monatlich in M*****.
Der Kläger begehrt, dem Beklagten zu verbieten, die Liegenschaft bzw das Haus in M*****, zu betreten. Durch das Verhalten des Beklagten werde das Recht des Klägers auf ungestörten Gebrauch des ehelichen Hauses massiv beeinträchtigt. Das Verhalten sei auch gegenüber den ehelichen Kindern unverantwortlich; das Familienleben werde dadurch in unzumutbarer Weise gestört.
Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Seine Beziehung zur Ehegattin des Klägers habe erst begonnen, als deren Ehe bereits unheilbar zerrüttet gewesen sei. Er habe ein schützenswertes und gesetzlich gewährleistetes Recht, Kontakte zu seinem Kind zu unterhalten. Dazu sei es notwendig, das Haus der Kindesmutter zu betreten. Angesichts der Zerrüttung der Ehe könnten die vereinzelten Besuche des Beklagten keine unzumutbare Störung bedeuten. Durch den geltend gemachten Unterlassungsanspruch würde das Recht der Ehegattin des Klägers als Hälfteeigentümerin des Hauses in unzulässiger Weise beschränkt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die vorbeugende Unterlassungsklage diene dem Schutz vor Eingriffen in die persönlichen Rechte. Das Fehlen einer ausdrücklichen Normierung schade daher nicht. Dem in seiner Ehre Verletzten stehe, sofern Wiederholungsgefahr bestehe, ein Unterlassungsanspruch zu.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht habe nur im Ergebnis richtig der Klage stattgegeben. Der Beklagte habe als Ehebrecher das Recht des Klägers als Ehegatten auf ungestörten Gebrauch der Ehewohnung verletzt. Feststellungen darüber, inwieweit (derzeit) die Ehe zerrüttet sei und inwieweit die Ehegatten die Benützung der Räume geregelt hätten, seien entbehrlich. Auch die Tatsache, dass dem Kläger mit Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 13. 11. 2001, 2 C 220/01v‑5, das Betreten der Ehewohnung bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu 2 C 220/01v anhängigen Scheidungsverfahrens untersagt wurde, führe nicht zum Verlust des Unterlassungsanspruchs. Seine Tochter könne der Beklagte auch außerhalb der Ehewohnung besuchen. Eine Interessenabwägung sei daher nicht notwendig. Die Eigentumsverhältnisse an der Ehewohnung seien für das Recht des Ehegatten auf ungestörten Gebrauch der Ehewohnung nicht ausschlaggebend.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zum Unterlassungsanspruch des Ehegatten gegen den die Ehe störenden Dritten nach der derzeitigen Rechtslage fehlt; die Revision ist auch, abgesehen von ihrer Nichtigkeitsbeschwerde, berechtigt.
1. Zum Nichtigkeitseinwand
Der Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht habe es unterlassen, auf die konkreten Kritikpunkte im Berufungsvorbringen einzugehen und das erstgerichtliche Urteil nur zum Schein zu begründen versucht, so dass es faktisch nicht überprüfbar sei. Das angefochtene Urteil sei damit so mangelhaft begründet, dass dies einer fehlenden Begründung gleichkomme.
Der Beklagte macht damit den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geltend. Nach dieser Bestimmung ist ein Urteil (ua) dann nichtig, wenn für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn konkrete Gründe für die Entscheidung fehlen und nur allgemeine Wendungen gebraucht werden und somit eine Scheinbegründung vorliegt (Kodek in Rechberger, ZPO² § 477 Rz 12).
Im vorliegenden Fall kann von einer bloßen Scheinbegründung keine Rede sein. Das Berufungsgericht hat dargelegt, nach welcher Gesetzesstelle es den Unterlassungsanspruch beurteilt hat, es hat Literatur und Judikatur zitiert und sich mit den Einwendungen des Beklagten auseinandergesetzt. Was die vom Beklagten vermisste Auseinandersetzung mit der Begründung des Erstgerichts betrifft, so hat das Berufungsgericht ohnehin klargestellt, dass es die Entscheidung des Erstgerichts nur im Ergebnis, nicht aber auch in der Begründung für richtig halte. Damit hat es sich erübrigt, auf die Rechtsausführungen des Erstgerichts und die dagegen erhobenen Einwendungen des Beklagten weiter einzugehen.
Insoweit war die Revision daher zu verwerfen (§§ 474, 513 ZPO).
2. Zur Rechtsrüge
Der Beklagte macht geltend, dass die überwiegende Rechtsprechung dem Ehegatten keinen Unterlassungsanspruch gegen den die Ehewohnung mit Zustimmung des anderen Ehegatten betretenden Dritten einräume. Selbst wenn ein Unterlassungsanspruch bejaht würde, sei dieser nur berechtigt, wenn der Dritte die bisherige Gebrauchsordnung der Ehewohnung gestört habe, und selbst dann seien die Interessen der beteiligten Personen gegeneinander abzuwägen.
Richtig ist, dass die ältere Rechtsprechung zur Frage des Unterlassungsanspruchs gegen den die Ehe oder den das eheliche Hauswesen störenden Dritten uneinheitlich war (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 90 Rz 2d mwN). In der - nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe BGBl 1975/412 (EheRwG), ergangenen - neueren Rechtsprechung war bisher nur über den Unterlassungsanspruch des Ehegatten gegen den anderen Ehegatten (8 Ob 529/88 = SZ 61/133; s auch 5 Ob 680/83 = MietSlg 35.006) und über den Räumungsanspruch des Ehegatten gegen den Dritten (6 Ob 54/99f = EFSlg 88.792) zu entscheiden; beide Ansprüche wurden bejaht. Aus der Bejahung des Räumungsanspruchs gegen den Dritten folgt, dass auch ein Unterlassungsanspruch gegen den Dritten besteht (für einen Anspruch gegen den ehestörenden Dritten auf Unterlassung von Besuchen in der Ehewohnung auch Stabentheiner aaO mwN). Es trifft daher nicht zu, dass die überwiegende (neuere) Rechtsprechung einen Unterlassungsanspruch des Ehegatten gegen den die Ehe störenden Dritten verneinte. Bei den vom Beklagten als gegenteilig zitierten Entscheidungen (Dittrich/Tades, ABGB34, § 90 E 9 und 10c), handelt es sich in Wahrheit nur um eine einzige Entscheidung, und zwar um eine Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien (EFSlg 30.615 = MietSlg 30.045), die 1978 ergangen ist. In dieser Entscheidung wurde ein Unterlassungsanspruch gegen den Dritten mit der Begründung verneint, dass sich dieser auf das Einverständnis des anderen Ehegatten berufen könne und dem Ehemann ein Leitungsrecht nicht mehr zustehe.
Nicht beachtet wurde damit, dass, wie in den Entscheidungen 8 Ob 529/88 und 6 Ob 54/99f dargelegt, das Recht jedes Ehegatten, in der Ehewohnung Besuche zu empfangen, durch den Schutz des Ehe- und Familienlebens begrenzt ist, und daher keine Grundlage für Besuche bilden kann, die das Ehe- und Familienleben stören. Das Ehe- und Familienleben wird durch § 90 ABGB geschützt. Danach sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Der in § 90 ABGB normierte Schutz des Ehe- und Familienlebens endet grundsätzlich erst mit der Auflösung der Ehe.
Solange die Ehe noch aufrecht ist, hat daher jeder Ehegatte Anspruch darauf, dass Dritte das Ehe- und Familienleben nicht stören. Dabei kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob die Ehe zerrüttet ist, weil das Gesetz die Ehe an sich schützt und die Zerrüttung die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten nicht aufhebt. Das gilt ungeachtet dessen, dass nach überwiegender Auffassung das nachfolgende Verhalten keinen Scheidungsgrund mehr bildet, wenn die Ehe unheilbar zerrüttet ist (Pichler in Rummel, ABGB² § 49 EheG Rz 3 mwN). Die Auffassung wird damit begründet, dass ein Verhalten nur dann einen Scheidungsgrund nach § 49 EheG bildet, wenn die Ehe dadurch zerrüttet wurde. Aus ihr kann aber nicht abgeleitet werden, dass die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten mit der unheilbaren Zerrüttung der Ehe endeten (s Schwimann/Schwimann, ABGB² § 49 EheG Rz 4, der das Erfordernis der Zerrüttungskausalität ablehnt und darauf hinweist, dass es den Täter nicht schutzwürdig mache, wenn die Ehe, die er mit Füßen trete, schon tot sei).
Die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten werden auch nicht dadurch beseitigt, dass dem klagenden Ehegatten durch eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO aufgetragen wird, die Ehewohnung zu verlassen. Nach dieser Bestimmung können nahe Angehörige eine einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt in der Familie erwirken. Sie setzt voraus, dass der Antragsteller dringend auf die Wohnung angewiesen ist und ihm das weitere Zusammenleben vom Antragsgegner unzumutbar gemacht wird (s Kodek in Angst, EO § 382b Rz 4ff). Die einstweilige Verfügung kann nur für eine bestimmte Zeit erlassen werden (Kodek aaO § 382b Rz 17).
Als vorläufige Maßnahme vermag die einstweilige Verfügung die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten nicht zu ändern, wenn sie auch für die Zeit ihrer Geltung das Zusammenleben hindert. Sie ist kein Freibrief für den anderen Ehegatten, sich über die Verpflichtungen aus der noch aufrechten Ehe hinwegzusetzen.
Die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten werden demnach weder durch die Zerrüttung der Ehe noch durch die Wegweisung eines Ehegatten beseitigt. Eine unheilbar zerrüttete Ehe ist aber nicht in demselben Maß schutzwürdig wie eine intakte Ehe. In einem solchen Fall ist das Interesse, dass die (unheilbar zerrüttete) Ehe und das - durch die Wegweisung eines Ehegatten - nur mehr teilweise vorhandene Familienleben nicht durch Besuche eines Dritten gestört werden, gegen das Interesse des Dritten abzuwägen, die Ehewohnung aufzusuchen.
Der Beklagte hat sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, seine Tochter besuchen zu wollen; dieses Interesse ist schutzwürdig, auch wenn nicht verkannt wird, dass das Besuchsrecht auch außerhalb der Ehewohnung ausgeübt werden kann. Wenn aber die Ehe bereits unheilbar zerrüttet ist, dann hat das Interesse des Vaters, mit seiner Tochter in deren vertrauter Umgebung zusammenzusein, Vorrang vor dem Interesse des Ehegatten, dass das (in Wahrheit nicht mehr vorhandene) Ehe- und Familienleben nicht durch Besuche eines Dritten gestört wird.
Der Beklagte hat behauptet, dass die Ehe schon im Zeitpunkt seiner Besuche unheilbar zerrüttet gewesen sei. Er habe sich nur in einem Zimmer aufgehalten, das die Ehegattin des Klägers aufgrund einer Vereinbarung mit dem Kläger allein benutzt habe. Ob die Behauptungen zutreffen, ist - wie oben dargelegt - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen für die Entscheidung erheblich.
Der rechtliche Feststellungsmangel war wahrzunehmen, der Revision Folge zu geben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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