Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. In der Sache selbst wird dahin erkannt, daß das erstgerichtliche Urteil abgeändert wird und wie folgt zu lauten hat:
Die Beklagte ist schuldig, es ab sofort zu unterlassen, dem Karl A***, wohnhaft in 2340 Mödling, Ferdinand Fleischmann-Gasse 10, das Betreten der Ehewohnung der Streitteile in 1100 Wien, Kundratstraße 8-10/11/5/16, zu gestatten.
Die Beklagte hat dem Kläger die mit S 4.918,60 bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten S 432,60 Umsatzsteuer und S 160,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Beklagte hat dem Kläger weiters die mit S 6.829,75 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer und S 4.000,-- Barauslagen) sowie die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile leben in aufrechter Ehe gemeinsam mit zwei nicht aus der Ehe stammenden minderjährigen Kindern der Beklagten sowie einem gemeinsamen ehelichen minderjährigen Kind in der Ehewohnung. Der Kläger stellte das Begehren, die Beklagte sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, dem Ehebrecher Karl A*** das Betreten der Ehewohnung der Streitteile zu gestatten. Hiezu brachte er vor, Karl A*** sei wegen Ehebruches mit der Beklagten rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden. Gegen den Willen des Klägers gestatte die Beklagte dem Karl A*** weiterhin den besuchsweisen Aufenthalt in der Ehewohnung der Streitteile, wodurch die Gebrauchsordnung der ehelichen Wohnung erheblich gestört werde. In diesem Verhalten der Beklagten liege eine Verletzung ihrer aus dem § 90 ABGB hervorgehenden Verpflichtung zur anständigen Begegnung und zur umfassenden Lebensgemeinschaft sowie auch ihrer Beistandspflicht. Die Beklagte stellte den vom Kläger vorgebrachten Sachverhalt, soweit er sich mit ihrer Aussage in dem vom Kläger gegen Karl A*** geführten Besitzstörungsverfahren 3 C 246/86 des Bezirksgerichtes Favoriten deckt, außer Streit und beantragte die Abweisung der Klage mangels rechtlicher Durchsetzbarkeit des Klageanspruches.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Karl A*** wegen Ehebruches mit der Beklagten unter Hinweis auf die Bindung des Zivilgerichtes an das strafgerichtliche Erkenntnis fest und beurteilte den im übrigen außer Streit stehenden Sachverhalt rechtlich wie folgt: Ehegatten seien gemäß den §§ 90 und 91 ABGB zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, zur anständigen Begegnung, zum gegenseitigen Beistand und weiters dazu verpflichtet, ihre Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme auf einander einvernehmlich zu gestalten. Alles, was das Vertrauensverhältnis zwischen den Ehegatten und die Treuepflicht empfindlich stören könne, sei daher zu unterlassen. Vorliegendenfalls stelle das außer Streit gestellte Verhalten der Beklagten offenkundig eine Verletzung dieser Pflichten dar. Die Gestattung und Förderung des Aufenthaltes des Ehebrechers in der Ehewohnung gegen den Willen des Klägers sei ein massiver Verstoß gegen die Treuepflicht und die Pflicht zur anständigen Begegnung. Die rechtliche Durchsetzbarkeit dieser Pflichten des höchstpersönlichen Bereiches der Ehegatten sei jedoch nicht gegeben, weil derartige Verstöße nur unter Scheidungssaktion stünden. Da der Ehemann seit der Neugestaltung des Eherechtes durch das EheRwG kein alleiniges Recht zur Leitung des Hauswesens habe, könne er der Ehefrau von ihr erlaubte, ihn störende Besuche in der Ehewohnung nicht untersagen. Die aus der höchstpersönlichen Natur der Ehe entspringenden Pflichten bildeten insgesamt nicht den Gegenstand einer Unterlassungsklage.
Das Berufungsgericht verwies darauf, daß eine vom Kläger gegen Karl A*** eingebrachte Besitzstörungsklage abgewiesen wurde, weil diesem im Hinblick auf die ihm von der Beklagten erteilte Besuchserlaubnis die Eigenmacht gefehlt habe. Nach den berufungsgerichtlichen Ausführungen hat die Beklagte im oben genannten Besitzstörungsverfahren die mehrfachen Besuche des Karl A*** in der Ehewohnung zugegeben. Sie gab auch an, daß sie den Kläger ersuchte, das Wohnzimmer zu verlassen und das Fernsehgerät auszuschalten, weil sie Karl A*** als Gast eingeladen habe, und daß sie Karl A*** immer wieder in die Ehewohnung einlasse, wenn sie es für richtig halte.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, die Lehre und Rechtsprechung, welche eine Unterlassungsklage gegen einen Dritten wegen ehestörenden Verhaltens für unzulässig erachte, sei hier nicht anwendbar, weil die Klage gegen den Ehepartner gerichtet sei. Vorliegendenfalls begehre der Kläger auch nicht die Unterlassung eines Ehebruches durch die Beklagte, sondern behaupte ein Recht auf Benützung der Ehewohnung frei von der Anwesenheit des strafgerichtlich verurteilten Ehebrechers. Somit handle es sich nicht um eine Klage auf Unterlassung ehewidrigen Verhaltens, sondern um eine solche auf Hintanhaltung einer Beeinträchtigung der dem Kläger zustehenden Befugnis auf Benützung der Ehewohnung. Eine solche Beeinträchtigung, nämlich die Anwesenheit des Ehebrechers in der Ehewohnung zu dulden und sich von der Ehefrau aus dem Wohnzimmer vertreiben zu lassen, könne dem Kläger nicht zugemutet werden. Durch Untersagung im Sinne des Klagebegehrens sei ihm daher während des nunmehr anhängigen Scheidungsverfahrens der Streitteile bis zur Entscheidung über die Ehewohnung eine "ruhigere Benützung seiner Räume" zu gewährleisten. Zur Beurteilung, ob der vom Kläger erhobene Unterlassungsanspruch berechtigt sei und nicht allenfalls ein Rechtsmißbrauch vorliege, bedürfe es jedoch noch der Prüfung, ob dem Kläger
selbst - allenfalls gleichartige - Eheverfehlungen zur Last fielen oder eine Haushaltstrennung oder eine Ausweisung der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung möglich sei, sodaß die vorliegende Unterlassungsklage als Schikane aufgefaßt werden könne. Das Scheidungsverfahren allein schließe diese Unterlassungsklage aber nicht aus.
In Stattgebung der Berufung hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es setzte dem Aufhebungsbeschluß einen Rechtskraftvorbehalt bei und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, den Betrag von S 15.000,-- übersteigt.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die Beklagte einen auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützten Rekurs mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Die Rekurswerberin bringt vor, das Berufungsgericht habe nicht dargelegt, auf Grund welcher gesetzlichen Bestimmungen es den Klageanspruch für durchsetzbar halte. Die Bestimmungen der §§ 89 ff ABGB hätten mangels Erzwingbarkeit nur im Rahmen eines Scheidungsverfahrens Bedeutung. Würde man einen Unterlassungsanspruch wie den klagsgegenständlichen für durchsetzbar halten, so könnte jeder Ehegatte, der mit einer Handlungsweise des anderen Ehegatten, die allenfalls einen Scheidungsgrund darstelle, nicht einverstanden sei, auf Unterlassung klagen, was dem Gesetz widerspreche.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsstandpunkt der Rekurswerberin kann nicht gefolgt werden.
Auf Grund der Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe BGBl. 1975/412 (EheRwG) sind Streitigkeiten der Ehegatten im Zusammenhang mit ihren insbesondere aus § 90 ABGB folgenden, rein persönlichen Rechten und Pflichten grundsätzlich - siehe die Ausnahmen der §§ 92 Abs. 3 und 97 ABGB sowie des § 382 Z 8 lit. b EO - nicht mehr vom Gericht zu entscheiden (SZ 54/37 = EvBl. 1981/181 und die dort zitierte Literatur; JBl. 1977, 154; 7 Ob 751/81, 3 Ob 640/81, 2 Ob 514/87 ua). Die Geltendmachung von Ansprüchen nicht rein persönlicher Art vor Gericht wird jedoch nicht ausgeschlossen und insoweit die bisherige Rechtslage nicht geändert (RV 851 Blg.NR. XIII GP 9). Durch die Neuregelung wird die Erörterung von Eheangelegenheiten außerhalb der hiefür vorgesehenen Verfahren zwar eingeschränkt, der allgemeine Rechtsgüterschutz gegenüber Ehegatten aber nicht versagt. Demgemäß sind im Sinne der Entscheidung 2 Ob 514/87 in diesem Rahmen auch weiterhin Unterlassungsansprüche eines Ehegatten gegenüber dem anderen gegeben. So kann z.B. die Verletzung der körperlichen Integrität, des Eigentums, der Ehre (SZ 56/124) auch der Privatsphäre (einschließlich des Briefgeheimnisses) in gleicher Weise wie z.B der Unterhaltsanspruch als vermögensrechtlicher Anspruch, die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Darlehens, der Streit zwischen Ehegatten über das Eigentumsrecht an Gegenständen (5 Ob 523/77), der Bereicherungsanspruch (MietSlg. 27.520) usw. (vgl. Ent-Hopf, Die Neuordnung des Eherechts, 60 f) auch weiterhin gerichtlich geltend gemacht werden.
Aus der in § 90 ABGB normierten Pflicht der Ehegatten zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft und zum gemeinsamen Wohnen folgt umgekehrt ein Anspruch jedes Ehegatten auch gegenüber dem anderen Ehegatten, im Gebrauch der der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienenden Ehewohnung nicht durch Dritte gestört zu werden. Das grundsätzliche Recht jedes Ehegatten, in der Ehewohnung ihm geltende Besuche zu empfangen, findet daher darin seine Grenze, daß diese Besuche die häusliche Ordnung und das Ehe- und Familienleben nicht stören dürfen (so 5 Ob 680/83 hinsichtlich Störungshandlungen eines Bruders der Ehefrau). Diese Auffassung steht mit der deutschen Lehre und Rechtsprechung in Übereinstimmung, welche aus der hinsichtlich der Pflicht der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft dem § 90 ABGB inhaltsgleichen Bestimmung des § 1353 Abs. 1 BGB (zum Teil auch weiters gestützt auf § 823 Abs. 1 BGB und Art. 6 GG) ebenfalls ableitet, daß dem Ehegatten gegen ein Eindringen eines Ehestörers in die Ehewohnung als den räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe nicht nur gegenüber diesem Störer sondern auch gegenüber dem anderen Ehegatten ein vollstreckbarer Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zusteht (Soergel BGB11 6, Rz 38 zu § 1353; Münchner Kommentar zum BGB Rz 44 zu § 1353; Staudinger BGB10/11 IV/1 Rz 54 Vorbem. zu § 1353). Soweit in der Entscheidung JBl. 1983, 89 hinsichtlich der Benützung eines Schlosses lediglich auf den Wohnbedarf der Ehegattin abgestellt wurde - so daß aus der Entscheidung für den vorliegenden Rechtsstreit, welche offenbar eine Ehewohnung üblichen Ausmaßes betrifft, dennoch nichts zugunsten der Beklagten zu gewinnen wäre - kann ihr aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt werden.
Es ist demnach der außer Streit stehende bzw. vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt rechtlich dahin zu beurteilen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die besuchsweise Aufnahme des Karl A*** in die Ehewohnung zu unterlassen, weil durch eine solche Aufnahme des Ehebrechers das Recht des Klägers als Ehegatten auf ungestörten Gebrauch der Ehewohnung verletzt würde. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß diesem Recht kein berechtigtes Interesse der Beklagten an Besuchen des Karl A*** gegenübersteht. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist die Rechtssache spruchreif, weil nach der ständigen Rechtsprechung die Frage einer schikanösen Rechtsausübung nicht von Amts wegen aufgegriffen werden kann. Die Beklagte hat weder Behauptungen aufgestellt noch Beweise dafür angeboten oder erbracht, daß der Kläger mit der vorliegenden Klage kein anderes Interesse verfolge als ihr zu schaden. Die Frage einer Schikane steht daher nicht zur Erörterung. Das Vorliegen der bei Unterlassungsklagen erforderlichen Wiederholungsgefahr ist hier schon im Hinblick auf die Erklärungen der Beklagten zu bejahen, die ihr Unrecht nicht einsehen will (SZ 50/99 ua).
Dem Rekurs war somit Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und, da im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes der Grundsatz der Unzulässigkeit der reformatio in peius nicht gilt (SZ 22/186, SZ 55/176; ÖBl. 1985, 14 ua), im Sinne der Anordnung des § 519 Abs. 2 letzter Satz ZPO vom Obersten Gerichtshof durch Urteil in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird.
Der Ausspruch über die Prozeßkosten gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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