European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00214.15X.0223.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin ist eine österreichische GmbH, die die Erhebung, Klärung und Verarbeitung von Daten aller Art, insbesondere Dienstleistungen zur Löschung aus „Schwarzen Listen“ zur Beauskunftung der Kreditwürdigkeit von Kunden anbietet.
Die Beklagte ist eine Wirtschaftsauskunftei mit Sitz in Deutschland. Sie forderte die Klägerin mittels eines Rechtsanwaltsschreibens unter anderem auf, es zu unterlassen, personenbezogene Daten aus Bekanntmachungen der Insolvenzgerichte zum Zweck der Werbung zu erheben und/oder zu nutzen.
Die Klägerin nimmt die Beklagte mit negativer Feststellungsklage ‑ gerichtet auf die Feststellung, dass die von der Beklagten geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu Recht bestünden ‑ in Anspruch.
Die Klägerin verfügt in Österreich über ein Büro, das mit Computer samt Rechner, Drucker und Daten‑ und Internetleitung ausgestattet ist. Vor Ort ist eine Angestellte tätig. Mit diesem Computer werden Daten aus Bekanntmachungen der Insolvenzgerichte in Deutschland edv‑mäßig erhoben und computerunterstützt weiter verarbeitet. Mittels eines eigenen Computerprogramms wird alle 14 Tage auf Veranlassung des Geschäftsführers oder der Mitarbeiterin von Österreich aus eine Abfrage gestartet. Das Ergebnis dieser Abfrage wird in zunächst noch unpersonalisierte Informationsschreiben eingespielt. Die in Österreich personalisierten Schreiben werden in der Folge in Deutschland ausgedruckt und an deutsche Empfänger versandt. Der Geschäftsführer der Klägerin wohnt in Deutschland und erfüllt alle Aufgaben im Rahmen seiner Geschäftsführer-Tätigkeit ‑ mit Ausnahme der Veranlassung der geschilderten Datenerhebung ‑ in Deutschland. Der faktische Verwaltungssitz der Klägerin ist in Deutschland.
Die Klägerin stützte die (internationale) Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf Art 5 Nr 3 EuGVVO.
Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit bzw wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts.
Das Erstgericht wies die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zurück.
Das Rekursgericht verwarf die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und ließ den Revisionsrekurs zu.
Die Beklagte beantragte in ihrem Revisionsrekurs die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Klagszurück-weisung; die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des rekursgerichtlichen Zulassungsausspruchs, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
1. Gemäß Art 5 Nr 3 EuGVVO (idF VO [EG] Nr 44/2001 [Klagseinbringung vor dem 10. 1. 2015]) kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.
2. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art 5 Nr 3 EuGVVO ist verordnungsautonom zu beurteilen. Delikte im Sinn dieser Bestimmung sind unerlaubte Handlungen, die eine Schadenshaftung des Beklagten nach sich ziehen und nicht an einen Vertrag iSd Art 5 Nr 1 EuGVVO anknüpfen (RIS‑Justiz RS0109078). Darunter fallen insbesondere auch Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb (17 Ob 13/10a; 4 Ob 33/12z) und Verletzungen von Persönlichkeitsrechten in Printmedien und im Internet (vgl EuGH C‑68/93, Shevill ; C‑509/09, C-161/10 , eDate Advertising ).
3. Der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, umfasst im Sinne einer autonomen Auslegung des Art 5 Nr 3 EuGVVO nach Wahl des Klägers sowohl den Erfolgsort (Ort, an dem der Schaden eingetreten ist), als auch den Handlungsort (Ort des dem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens; vgl EuGH Rs 21/76, Bier/Mines de Potasse , Slg 1976, 1735). Fallen beide Orte auseinander (Distanzdelikt), kann der Kläger zwischen dem Handlungsort und dem Erfolgsort als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit wählen (RIS‑Justiz RS0109078 [T27] = 2 Ob 222/14g; vgl auch RS0119142).
4. Der EuGH hat in seiner Entscheidung C‑133/11, Folien Fischer , ausgesprochen, dass Art 5 Nr 3 EuGVVO dahin auszulegen ist, dass eine negative Feststellungsklage mit dem Antrag festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht, unter diese Bestimmung fällt. Wenn die Umstände, die bei einer negativen Feststellungsklage in Rede stehen, eine Anknüpfung an den Staat rechtfertigen können, in dem sich entweder das ursächliche Geschehen ereignet hat oder der Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht, kann der Kläger den Beklagten an einem dieser Orte verklagen (Rz 39, 52).
5. Handlungsort ist der Ort des schadensbegründenden Geschehens, das heißt der Ort, an dem das schadensbegründende Geschehen seinen Ausgang nahm. Reine Vorbereitungshandlungen genügen jedoch nicht ( Simotta in Fasching/Konecny , Kommentar V/1 2 Art 5 EuGVVO Rz 303).
6. Das Rekursgericht ist im Einzelfall vertretbar davon ausgegangen, dass der Begehungsort der beanstandeten und klagsrelevanten Handlungen in Österreich (am Sitz der Klägerin) liegt und daher der Tatbestand des Art 5 Nr 3 EuGVVO erfüllt ist. Seine Beurteilung, dass sich zwar die überwiegende Tätigkeit der Klägerin im Zusammenhang mit dem der gegenständlichen Klage zugrundeliegenden Sachverhalt in Deutschland abspiele, jedoch entscheidende Schritte, nämlich das Starten der Abfrage und die Personalisierung der Informationsschreiben, vom Sitz der Klägerin in Österreich aus vorgenommen würden, weshalb es sich dabei nicht um reine Vorbereitungshandlungen, sondern um den Kern der beanstandeten Aktivitäten handle und die Beklagte auch gerade diese Handlungen in ihrem Abmahnungs‑ bzw Aufforderungsschreiben (dem Auslöser der gegenständlichen Feststellungsklage) beanstandet habe, hält sich im Rahmen der zuvor dargelegten Rechtsprechung des EuGH.
Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts ab, so ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Nachprüfung dessen Anwendung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH nur zulässig, wenn der zweiten Instanz bei Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlief (RIS‑Justiz RS0117100). Dies ist hier nicht der Fall. Eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Er ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
7. Die in der Revisionsrekursbeantwortung angeregte Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung ist nicht aufzugreifen, weil der Anwendungsbereich des Art 5 Nr 3 EuGVVO durch Rechtsprechung des EuGH ausreichend geklärt ist.
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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