OGH 4Ob201/20t

OGH4Ob201/20t10.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin N* M*, geboren am *, vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen die Antragsgegner 1) R* M*, und 2) A* M*, ebendort, beide vertreten durch Divitschek, Sieder, Sauer Rechtsanwälte GmbH in Deutschlandsberg, wegen Ausstattung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 28. September 2020, GZ 1 R 226/20t‑64, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130424

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin ist die leibliche Tochter der Antragsgegner. Sie hat am 27. 2. 2015 geheiratet; dabei handelt es sich um ihre erste Ehe. Nach dieser Heirat hat sich das zuvor gute Verhältnis der Antragstellerin zu ihren Eltern maßgebend verschlechtert.

[2] Bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung war die Antragstellerin Eigentümerin einer 5.035 m2 großen Liegenschaft samt darauf errichtetem Einfamilienhaus, in dem sie nunmehr mit ihrem Ehegatten und ihrem vorehelichen minderjährigen Sohn wohnt. Unter Berücksichtigung der Belastungen (Wegdienstbarkeit sowie Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zugunsten des Erstantragsgegners) repräsentiert diese Liegenschaft einen Verkehrswert von rund 337.000 EUR. Sie erhielt diese damals noch unbebaute Liegenschaft von ihrem Vater geschenkt und übertrug im Gegenzug dazu ihren ideellen Hälfteanteil an einer anderen Liegenschaft auf ihren Bruder. Zur teilweisen Finanzierung des Hausbaus erhielt die Antragstellerin von ihrem Vater zinsfreie Darlehen über ein Gesamtvolumen von rund 135.000 EUR, wovon zum Zeitpunkt der Eheschließung erst 13.000 EUR zurückbezahlt waren. An der Finanzierung des Swimmingpools beteiligte sich der Erstantragsgegner mit einem Betrag von rund 30.000 EUR. Die Antragstellerin arbeitete seit dem Jahr 2002 bei ihrem Vater zunächst als Versicherungsagentin und in der Folge als Versicherungsmaklerin. Im Jahr 2015 erzielte sie aus dieser Tätigkeit ein Nettoeinkommen von monatlich 1.899 EUR. Zudem verfügt sie über einen Bausparvertrag sowie über Wertpapiere.

[3] Der Erstantragsgegner war Versicherungsmakler und Gesellschafter einer GmbH. Seit 1. 10. 2015 bezieht er eine Pension in Höhe von monatlich netto 2.339 EUR. Im Jahr 2015 betrug sein wirtschaftliches Reineinkommen einschließlich der Pensionseinkünfte rund 192.500 EUR. Zu seinem Vermögen zählen vor allem die Wohnsitzliegenschaft, weiters ein unbebautes Grundstück samt Zufahrtsstraße, eine Jacht und ein hochpreisiges Auto. Am 22. 12. 2015 trat er seinen Geschäftsanteil an der GmbH einschließlich aller nicht ausgezahlter Gewinnansprüche aus den vorangegangenen Geschäftsjahren an seinen Mitgesellschafter ab. Die Zweitantragsgegnerin bezieht eine Pension.

[4] Mit Antrag vom 9. 2. 2017 begehrte die Antragstellerin von den Antragsgegnern zunächst Rechnungslegung über ihr Einkommen und Vermögen. Nachdem die Eltern ihre Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse mit Eingabe vom 15. 5. 2017 dargelegt hatten, bezifferte die Antragstellerin ihren Ausstattungsanspruch mit 350.000 EUR gegenüber dem Erstantragsgegner und 4.000 EUR gegenüber der Zweitantragsgegnerin.

[5] Das Erstgericht gab dem Antrag teilweise statt und setzte die zu leistende Ausstattung mit 95.000 EUR (Erstantragsgegner) und 4.000 EUR (Zweitantragsgegnerin) fest.

[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht, wohl aber jenem der Antragsgegner Folge und wies den Antrag zur Gänze ab. Benötige das Kind keine Starthilfe, weil es selbst über ein hinreichendes Vermögen zur Gründung eines Hausstands verfüge, so bestehe kein Ausstattungsanspruch. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei die der Antragstellerin geschenkte Liegenschaft ein solches hinlängliches Vermögen. Außerdem verfüge sie noch über weitere Vermögenswerte. Davon abgesehen seien auch die Voraussetzungen für die von der Antragstellerin argumentierte Anspannung des Erstantragsgegners nicht gegeben, weil ihr aufgrund des beträchtlichen Eigenvermögens und ihres eigenen Einkommens kein Unterhaltsanspruch zustehe.

Rechtliche Beurteilung

[7] Mit dem gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Antragstellerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[8] 1. Auch beim Ausstattungsanspruch ist zunächst zu prüfen, ob ein solcher überhaupt, also dem Grunde nach zusteht. Erst wenn dies zu bejahen ist, stellt sich die Frage nach der Höhe des Anspruchs. Das Rechtsmittel der Antragstellerin bezieht sich – wie schon ihr Rekurs – in erster Linie auf die Höhe des Anspruchs. Das Rekursgericht hat den Ausstattungsanspruch jedoch schon dem Grunde nach verneint.

[9] 2.1 Zum Grund des Anspruchs bestreitet die Antragstellerin gar nicht, dass sie keine Starthilfe benötigt. Sie steht allerdings auf dem Standpunkt, dass der Anspruch bei hohem Vermögen des Dotationspflichtigen nicht auf eine Starthilfe beschränkt und auch keine Luxusgrenze einzuziehen sei. Der Oberste Gerichtshof habe daher zu klären, unter welchen Voraussetzungen in einem solchen Fall der Ausstattungsanspruch nicht nur als Starthilfe in Betracht komme. Die Antragstellerin meint somit, dass finanziell gut situierte Eltern in jedem Fall eine Ausstattung zu leisten hätten, also auch dann, wenn das Kind bereits versorgt ist und gar keinen Bedarf an einer Ausstattung hat.

[10] 2.2 DieseAnsicht lässt sich schon mit dem eindeutigen Wortlaut des § 1220 ABGB nicht in Einklang bringen. Nach dieser Bestimmung besteht der Ausstattungsanspruch nur dann, wenn das Kind kein eigenes, zu einer angemessenen Ausstattung hinlängliches Vermögen besitzt.

[11] 2.3 Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es der ausstattungsberechtigten Person an einem eigenen nennenswerten Vermögen fehlen muss (1 Ob 215/99w) und Vorleistungen ihren Ausstattungsbedarf vermindern (1 Ob 4/03z). Von einem hinreichenden Vermögen ist grundsätzlich jedenfalls dann auszugehen, wenn das Eigenvermögen der berechtigten Person den errechneten Ausstattungsanspruch übersteigt (1 Ob 151/07y).

[12] Wie jede Beurteilung, die sich an unterhaltsrechtlichen Grundsätzen orientiert (vgl dazu 10 Ob 77/16w), ist auch die Zuerkennung eines Ausstattungsanspruchs von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0022246; 10 Ob 92/04h; 7 Ob 248/10m). Mathematische Berechnungen nach Formeln oder Rechenmodellen haben gerade nicht stattzufinden. Vielmehr ist die Entscheidung von Billigkeitsüberlegungen getragen und soll zu einem angemessenen Ergebnis führen (vgl 4 Ob 142/19i; 4 Ob 150/19s; zum Ausstattungsanspruch: 10 Ob 77/16w).

[13] Davon ausgehend ist es grundsätzlich richtig, dass ein Kind anlässlich der Eheschließung noch einmal an den Lebensverhältnissen seiner Eltern angemessen teilhaben soll (1 Ob 4/03z; 10 Ob 92/04h), mangels Gefahr einer pädagogisch nachteiligen Überalimentierung eine Luxusgrenze nicht zwingend ist und der Ausstattungsanspruch betragsmäßig nicht auf eine unbedingt benötigte Starthilfe beschränkt bleiben muss. Dies ändert aber nichts am Grundsatz, dass ein entsprechender Ausstattungsbedarf bestehen muss. In einem solchen Fall können Billigkeitsüberlegungen dazu führen, dass aufgrund besonders günstiger Lebensverhältnisse der Eltern das Eigenvermögen des Kindes nicht voll, sondern nur angemessen berücksichtigt wird.

[14] 2.4 Das Rekursgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Der Anlassfall ist dadurch geprägt, dass nicht nur die Eltern finanziell gut situiert sind, sondern auch die Antragstellerin – und zwar auch schon zum maßgebenden Zeitpunkt rund um die Eheschließung (vgl 6 Ob 271/02z; 10 Ob 92/04h) – über beträchtliches Eigenvermögen verfügt hat. Wenn das Rekursgericht in dieser besonderen Situation von einem hinlänglichen eigenen Vermögen der Antragstellerin ausgeht, hat es den ihm zukommenden Entscheidungsspielraum nicht überschritten. Ausgehend von den Feststellungen übersteigen die Vermögenswerte der Antragstellerin sogar den von ihr selbst errechneten Ausstattungsbetrag.

[15] 3. Auf die weiteren Überlegungen der Antragstellerin zur Höhe des Ausstattungsanspruchs, insbesondere zur Frage, ob der Erstantragsgegner hinsichtlich des abgetretenen Geschäftsanteils an der Makler‑GmbH und der Heranziehung des fiktiven Bilanzgewinns anstelle des Reingewinns anzuspannen sei, kommt es nicht an.

[16] 4. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zurückzuweisen.

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