OGH 4Ob190/22b

OGH4Ob190/22b25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* GmbH, *, vertreten durch Dr. Stefan Warbek, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R* GmbH, *, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 47.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs und die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Rekurs- und Berufungsgericht jeweils vom 26. August 2022, GZ 3 R 111/22y‑25, 3 R 112/22w‑26, womit der Beschluss und das Urteil des Handelsgerichts Wien jeweils vom 28. April 2022, GZ 11 Cg 11/22p‑13, ‑14, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00190.22B.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs und der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Beide Streitteile stellen Geschirrspülmaschinen-Produkte her. Die Beklagte bewirbt ihr Produkt mit der Behauptung, dass es die von den führenden Geschirrspülmaschinenherstellern am häufigsten empfohlene Marke sei, und tritt werblich wie folgt auf:

 

 

[2] Der Sternchenhinweis wird auf der Packungsrückseite wie folgt erläutert:

 

[3] Die Klägerin begehrte von der Beklagten, gestützt auf § 2 UWG (irreführende Geschäftspraktiken) und auf § 1 Abs 1 Z 2 UWG (Verletzung der beruflichen Sorgfalt), die Beklagte schuldig zu erkennen,

es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Behauptung oder sinngleiche Behauptungen zu verbreiten, dass die von der Beklagten unter der Bezeichnung „finish“ vertriebenen Produkte die von führenden Geschirrspülmaschinenherstellern am häufigsten empfohlene Marke sei, ohne dabei dem Verbraucher die Umstände und Kriterien einer solchen Empfehlung zu nennen und/oder wenn eine solche Empfehlung nicht auf tatsächliche Testserien bei den angeführten Geschirrspülmaschinenherstellern, die objektive Daten einer Produktleistung ergeben haben, zurückzuführen ist, insbesondere durch die Aussage „Empfohlen Nr. 1* – Finish ist die von führenden Geschirrspülmaschinenhersteller am häufigsten empfohlene Marke“.

 

[4] Weiters wurde ein Beseitigungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren sowie ein dem Unterlassungsanspruch entsprechendes Sicherungsbegehren erhoben. Der Verbraucher verstehe die Behauptung der Beklagten so, dass die Empfehlung aufgrund objektiv eruierter sachlicher Umstände und nur deshalb erfolgt sei, weil das empfohlene Produkt das beste für die Geschirrspülmaschine sei, etwa weil es sich positiv auf deren Lebensdauer auswirke oder eine besondere Reinigungskraft habe. Die Behauptung suggeriere dem Verbraucher, die Empfehlungen würden auf entsprechende Testserien zurückgehen. Tatsächlich würden die Empfehlungen aber nur auf rein marketingbezogenen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und den Geschirrspülmaschinenherstellern beruhen. Der Verbraucher erwarte eine Aufklärung über die Umstände der Empfehlungen.

[5] Die Beklagte wendete ein, die beanstandete Behauptung sei richtig, nicht irreführend und verletze die berufliche Sorgfalt nicht. Die Empfehlungen der Geschirrspülmaschinenhersteller würden auf objektiven Tests beruhen. Der Verbraucher erwarte gar nicht, dass den Empfehlungen objektive Tests zu Grunde liegen. Da es in der Werbung kein Vollständigkeitsgebot gebe, müsse der Verbraucher nicht über die Umstände der Empfehlungen aufgeklärt werden. Die Kooperation mit den Geschirrspülmaschinenherstellern diene nicht Marketingzwecken, sondern der gemeinsamen Forschung.

[6] Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag und die Klage ab. Die Klägerin bezweifle gar nicht, dass die von der Beklagten vertriebenen Produkte die von führenden Geschirrspülmaschinenherstellern am häufigsten empfohlene Marke sei, sondern moniere nur, dass die bloße Angabe dieser Spitzenstellung beim Durchschnittsverbraucher zu einer unrichtigen Vorstellung von der Wirklichkeit führe. Dies könne nur durch erforderliche Aufklärung beseitigt werden, und zwar über die Umstände und Kriterien einer solchen Empfehlung und darüber, dass die Empfehlung nicht auf objektiven Daten einer Produktleistung beruhten, die tatsächliche Testserien bei den angeführten Geschirrspülmaschinenherstellern ergeben hätten. Derartige Aufklärungen würden aber von den Verbrauchern nicht erwartet, sie würden eher eine Konzernverbundenheit oder wirtschaftliche Zusammenarbeit erwarten als dass der Empfehlung eine wissenschaftliche Testung oder eine Studie zugrunde liege. Eine zusätzliche Aufklärung zur an sich richtigen werblichen Aussage sei daher nicht erforderlich.

[7] Dagegen richten sich der außerordentliche Revisionsrekurs und die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, der Klage stattzugeben und den Sicherungsantrag zu erlassen; in eventu wurden Aufhebungsanträge gestellt. Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung und Revisionsrekurs-beantwortung, die Revision und den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw den Rechtsmitteln nicht Folge zu geben.

[8] Die Klägerin macht in ihren Rechtsmitteln geltend, dass die Vorinstanzen das Klagsvorbringen und die mit dem Unterlassungsbegehren gestellte Rechtsfrage gänzlich verkannt und dadurch den Kern der beanstandeten Handlung nicht erfasst bzw ignoriert hätten. Es gehe nämlich nicht darum, wie in Werbeaussagen propagierte „Empfehlungen“ zu verstehen seien, sondern ausschließlich darum, dass sich die Beklagte in ihrer Werbeaussage auf einen Superlativ berufe, ohne dass die sachlichen Umstände hierfür objektiv eruiert worden wären.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision und der Revisionsrekurs sind zulässig und im Sinne des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

[10] 1.1. Eine Angabe ist unrichtig iSd § 2 UWG, wenn sich die durch Auslegung ermittelte Aussage als unwahr erweist (vgl Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 145). Die Irreführung ergibt sich daraus, dass die Vorstellungen, welche die Umworbenen über ihre Bedeutung haben, mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang stehen. Da es auf die Vorstellung der umworbenen Kreise ankommt, ist eine Aussage nicht schon dann wahr, wenn sie objektiv richtig ist (vgl Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 24 Rz 20 mwN).

[11] 1.2. Es ist daher zu prüfen, wie der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher (RS0114366) die beanstandete Produktwerbung versteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der eine mehrdeutige Äußerung macht, die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (RS0079648).

[12] 2.1. Bedient sich ein Unternehmer zu Werbezwecken so allgemeiner Superlative wie „der Größte“, „der Führende“, „der Meistgekaufte“ oder „der absolute Marktführer“, dann muss das betreffende Unternehmen oder Produkt seiner Konkurrenz offenkundig und beträchtlich überlegen sein (vgl RS0078443).

[13] 2.2. Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, so dass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen (RS0121669; RS0078579) und so geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten; dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr ist (4 Ob 8/19w mwN).

[14] 2.3. Die vorliegende Spitzenstellungswerbung „Nr. 1 empfohlen“, „… die von führenden Geschirrspül- maschinenherstellern am häufigsten empfohlene Marke“ suggeriert dem angesprochenen Käuferpublikum, dass die damit beworbenen Produkte tatsächlich „besser“ seien als vergleichbare andere, zumal sie von den „führenden“ Geräteherstellern „am häufigsten“ empfohlen werden. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher erwartet sich aufgrund dieser Aussage tatsächlich einen Qualitätsvorsprung des so beworbenen Produkts. Dass die „Empfehlung“ allenfalls nur aus Gründen der Konzernverbundenheit oder einer Marketingkooperation erfolgt und sie daher nicht ernst zu nehmen ist, liegt für den Durchschnittsverbraucher nicht auf der Hand.

[15] 2.4. Legt man dieses Verständnis der beanstandeten Werbeaussage der weiteren Beurteilung zugrunde, kommt es darauf an, ob tatsächlich Umstände bestehen, welche den behaupteten Qualitätsvorsprung begründen können. Sollten die Produkte der Beklagten tatsächlich eindeutige und naheliegende Vorteile im Vergleich zu Konkurrenzprodukten haben, wie etwa höhere Waschkraft und/oder bessere Fettlösung, bedarf es diesbezüglich keiner ergänzenden Angaben in ihrer Werbung, zumal den Werbenden keine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen trifft (RS0078579). Falls aber dieser Vorsprung nicht deutlich zu Tage tritt oder nur bei Abwägung verschiedener Kriterien als solcher erkannt werden kann, bedarf es – um Fehlverständnisse des Käuferpublikums zu vermeiden – der (von der Klägerin geforderten) Aufklärung über die näheren Umstände bzw Kriterien der angegebenen Empfehlung.

[16] 3.1. Die Beklagte brachte in erster Instanz vor, die Empfehlungen der Geschirrspülmaschinenhersteller würden auf objektiven Tests beruhen.

[17] 3.2. Nun trifft zwar die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Werbeangabe grundsätzlich den Kläger, so auch bei der Inanspruchnahme einer Spitzenstellung (RS0011634), wenn allerdings der Kläger mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat, wogegen dem Beklagten diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben, hat der Beklagte die Richtigkeit seiner Behauptung zu beweisen, so etwa die Behauptung „das Waschmittel hat wesentlich mehr Waschkraft“ (4 Ob 11/95).

[18] 3.3. Im vorliegenden Fall wird daher die Beklagte die von ihr vorgebrachten und ihre Spitzen-stellungsbehauptung rechtfertigenden „objektiven Tests“ zu beweisen haben. Die Beklagte hat hiefür auch Beweis- bzw Bescheinigungsmittel angeboten, die Vorinstanzen haben aber – ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht – insoweit keine Feststellungen getroffen. Dies wird im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen und auf Basis der Beweisergebnisse die beanstandete Irreführung neuerlich zu beurteilen sein.

[19] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO bzw auf §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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