European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00180.20D.0223.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht trug der beklagten Prozessfinanzierungsgesellschaft auf Antrag der klagenden Rechtsanwaltskammer mittels einstweiliger Verfügung auf, es zu unterlassen, ihre Dienstleistungen durch unwahre oder marktschreierische Behauptungen zu bewerben, insbesondere durch die Aussage auf ihrer Website, sie hätte bereits tausenden von Bürgern zu ihrem Geld verholfen, sowie durch die Aussage in Presseaussendungen, sich durch 14.000 Mandanten gegen Lebensversicherungsgesellschaften und durch bereits über 1.000 an ihre Vertragsanwälte zur Klagseinbringung übergebene Akten einen Namen gemacht zu haben. Der darüber hinausgehende Sicherungsantrag, insbesondere der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr bei Prozessfinanzierungen, bei denen sie selbst aktiv die Anspruchsinhaber akquiriert und bei denen sie selbst den vertretenden Anwalt bestimmt, sich einen bestimmten Teil des Erlöses (quota litis) versprechen zu lassen, wurde abgewiesen.
[2] Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Klägerin bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichts mit außerordentlichem Revisionsrekurs zwar formal zu sämtlichen Abweisungspunkten, inhaltliche Ausführungen finden sich aber nur zum Verbot des pactum de quota litis (§ 879 Abs 2 Z 2 ABGB). Andere Rechtsfragen sind damit aus der Beurteilung ausgeschieden (vgl RIS‑Justiz RS0043338 [T20]). In ihren Ausführungen zeigt die Klägerin keine erheblichen Rechtsfragen auf. Der Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
[4] 1.1. Die Klägerin stützt sich hinsichtlich ihres Unterlassungsanspruchs auf die Fallgruppe Rechtsbruch. Das Rekursgericht hat dazu ausgesprochen, dass der beklagte Prozessfinanzierer dem Verbot des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB nicht unterfällt, mithin dass seine diesbezügliche Rechtsansicht richtig ist. Halten die Vorinstanzen die Auslegung einer Vorschrift für richtig, impliziert dies die Vertretbarkeit dieser Ansicht im Sinne der Judikatur zum Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch nach § 1 UWG (RS0124004 [T12]; 4 Ob 251/18t [2.1.]). Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof sind sodann zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden: Schon auf der ersten – für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden – Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können. Auf der zweiten – für die zulässige Anfechtung eines Urteils beim Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 1 ZPO hinzutretenden – Stufe geht es sodann nicht um die Frage, ob das Berufungsgericht jene Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob sie sie ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst hat (RS0124004). Argumentiert ein Rechtsmittel nur dazu, dass die fragliche Norm von den Vorinstanzen falsch ausgelegt worden sei, ohne die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht der Beklagten und deren Beurteilung durch das Gericht zweiter Instanz überhaupt zu behaupten, zeigt es schon deswegen keine erhebliche Rechtsfrage auf (4 Ob 90/16p).
[5] 1.2. Der Revisionsrekurs macht ausschließlich geltend, dass Prozessfinanzierer, insbesondere wenn sie selbst aktiv Kunden akquirieren, dem Verbot des pactum de quota litis unterfielen. Er behauptet aber weder, dass die gegenteilige Rechtsansicht der Beklagten unvertretbar sei, noch enthält er Ausführungen dazu, weshalb das Rekursgericht die Vertretbarkeitsfrage seinerseits in unvertretbarer Weise gelöst haben sollte.
[6] 1.3. Die Rechtsmittelwerberin verweist vielmehr selbst darauf, dass nach zumindest überwiegender Lehre Prozessfinanzierer nicht bzw jedenfalls dann nicht von § 879 Abs 2 Z 2 ABGB erfasst werden, wenn sie selbst keine (dem Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte unterfallende) umfassende Rechtsberatung anbieten, sondern nur vorweg die Erfolgsaussichten prüfen, den Fall dann an einen Rechtsanwalt abgeben und in weiterer Folge keinen direkten Einfluss auf die Verfahrensgestaltung ausüben, sodass der Anwalt den Interessen des Mandanten stets den Vorrang zu geben hat und dieser Herr des Verfahrens bleibt (vgl Oberhammer, Sammelklage, quota litis und Prozessfinanzierung, ecolex 2011, 972; Klauser, Prozessfinanzierung, Rechtsfreunde, quota litis und Sammelklage, VbR 2013, 12; Geroldinger, Leistbarer Zugang zum Recht, AnwBl 2019, 475; Wagner, Rechtsprobleme der Fremdfinanzierung von Prozessen, JBl 2001, 416; Pilshofer, Grundlagen und Grenzen freier Honorarvereinbarungen im Anwaltsberuf 114 ff; Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 ABGB Rz 335; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 879 Rz 252/1; Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB-TaKom4 § 879 Rz 8).
[7] Auch in der Entscheidung 4 Ob 14/18i (zust Kronthaler, Zur Reichweite des „Quota-litis-Verbots“, Zak 2020, 247), in der Winkelschreiberei in analoger Anwendung des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB dem Verbot unterstellt wurde, hat der Senat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Winkelschreiber tatsächlich eine dem Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte unterfallende Leistung in Form umfassender Rechtsberatung anbietet. Der nicht berechtigte Leistungserbringer soll nämlich nicht besser gestellt werden als der Berechtigte. Die bisherige Judikatur hat diese Frage tendenziell zugunsten der Beklagten gelöst (vgl RS0104683) bzw ausdrücklich offen gelassen (6 Ob 224/12b; vgl auch VfGH B 330/07 [1.2.2.]).
[8] 2. Vor dem Hintergrund dieses Schrifttums und der Rechtsprechung hat das Rekursgericht die Vertretbarkeitsfrage ohne krasse Fehlbeurteilung gelöst. Nach den Feststellungen beschränkt sich die Beklagte nämlich inhaltlich auf eine Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen ihres Vertragspartners und – in Abstimmung mit einem Rechtsanwalt – auf die Prüfung bestimmter Formalia (etwa ob der Versicherungsvertrag noch aufrecht ist und wann er abgeschlossen wurde), sodann leitet sie den Fall an einen Rechtsanwalt weiter. Sie erteilt ihrem Vertragspartner hingegen weder Rechtsberatung noch versucht sie, Einfluss auf die Verfahrensführung durch den Anwalt zu nehmen, sondern würde bei Vergleichsbereitschaft der Versicherer dem Anwalt die Verhandlungen überlassen. Dass die Beklagte – wie der Revisionsrekurs hervorhebt – Kunden aktiv akquiriert, hat das Rekursgericht ohnehin erwogen, jedoch dazu ausgeführt, dass dies dem Wesen eines auf Gewinn gerichteten Unternehmens entspreche. Weshalb diese Beurteilung unvertretbar sein soll, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Unionsrechtliche Fragen zur freien Anwaltswahl stellen sich in diesem Zusammenhang nicht, weil das Unterlassungsbegehren darauf nicht gerichtet ist.
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