OGH 4Ob149/18t

OGH4Ob149/18t23.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des H* W*, geboren am *, wegen Umbestellung des Sachwalters, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des bisherigen Sachwalters W* C*, vertreten durch Dr. Karl Claus & Mag. Dieter Berthold Rechtsanwaltspartnerschaft KG in Mistelbach, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 20. Juni 2018, GZ 23 R 48/18y‑74, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122680

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 24. 3. 2015 wurde für den Betroffenen sein Neffe (der Rechtsmittelwerber) zum Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt. Der Betroffene ist pflegebedürftig und wird vom Rechtsmittelwerber und dessen Gattin betreut.

Aufgrund eines im Dezember 2017 von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft M* befürchteten Pflegenotstands führte das Erstgericht eine Überprüfung durch. Anlässlich eines Hausbesuchs am 22. 12. 2017 sagte der Rechtsmittelwerber zu, mit der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (Sozialabteilung) laufend Kontakt zu halten. In der Folge teilte die zuständige Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft mit, dass der Sachwalter seine Zusage nicht einhalte, auf Telefonanrufe nicht reagiere und Hausbesuche nicht zulasse. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 5. 3. 2018 wurde der Rechtsmittelwerber zur Stellungnahme aufgefordert; am 26. 3. 2018 wurde bei ihm urgiert; der Rechtsmittelwerber äußerte sich nicht.

Mit Beschluss vom 3. 5. 2018 enthob das Erstgericht den bisherigen Sachwalter seines Amtes und bestellte das VertretungsNetz Sachwalterschaft zum neuen Sachwalter. Aufgrund des nachlässigen Verhaltens des bisherigen Sachwalters sei das Wohl des Betroffenen nicht mehr gewährleistet.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Rekurswerber habe auch bis 18. 4. 2018 keinen Kontakt zur Bezirkshauptmannschaft gehalten. Die Aufforderung zur Stellungnahme im Umbestellungsverfahren sei ihm zeitlich nach der letzten Entlassung aus dem Krankenhaus zugestellt worden; ein Verfahrensverstoß liege daher nicht vor. Da das Verhalten des bisherigen Sachwalters auf eine die Bedürfnisse des Betroffenen vernachlässigende Haltung schließen lasse, sei die Umbestellung zu Recht erfolgt.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs beschwert sich der Rechtsmittelwerber vor allem darüber, dass sein rechtliches Gehör verletzt worden sei. Diesen Vorwurf hat er unter Hinweis auf einen Krankenhausaufenthalt bereits im Rekurs erhoben. Aufgrund der Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Aufforderung des Erstgerichts zur Stellungnahme zeitlich nach dem letzten Krankenhausaufenthalt zugestellt worden sei, stützt sich der Rechtsmittelwerber nunmehr darauf, dass als Zustelladresse die Adresse des Betroffenen herangezogen worden sei und daher keine wirksame Zustellung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Der Rechtsmittelwerber macht mit seinen Ausführungen einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß nach § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG geltend. Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Verfahrensverstöße nach §§ 56, 57 Z 1 und 58 AußStrG können auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint oder – wie hier – im Rekurs nicht geltend gemacht wurden (vgl RIS‑Justiz RS0121265).

Allerdings hat das Rechtsmittelgericht bei einem schwerwiegenden Verfahrensverstoß nach § 58 AußStrG die angefochtene Entscheidung unter anderem dann nicht aufzuheben, wenn der angefochtene Beschluss allein aufgrund der Angaben im Rekurs (vor allem mangels Relevanz) zu bestätigen ist. Dieser Anordnung ist im Verfahren dritter Instanz der Fall gleichzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof zur Ansicht gelangt, ein – ordentlicher oder außerordentlicher  – Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0123810). Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs, der nach § 55 Abs 3 AußStrG erforderlichenfalls auch von Amts wegen aufzugreifen ist, wirkt also nicht absolut (RIS‑Justiz RS0120213; 8 Ob 41/13g).

2. Den Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil der Rechtsmittelwerber sowohl im Rekurs als auch im außerordentlichen Revisionsrekurs die vom Erstgericht herangezogene Zustelladresse (Adresse des Betroffenen, an der dieser betreut wird) als seine eigene Anschrift angegeben hat (vgl § 2 Z 4 ZustG). Hinzu kommt, dass der Rechtsmittelwerber nach seinen eigenen Angaben im außerordentlichen Revisionsrekurs den Betroffenen gemeinsam mit seiner Ehegattin, die die fragliche Aufforderung zur Stellungnahme persönlich entgegengenommen hat, betreut und sich daher unstrittig regelmäßig an der Adresse des Betroffenen aufhält.

Entscheidend ist jedoch, dass dem Rechtsmittelwerber von den Vorinstanzen ein nachlässiges und rücksichtsloses Verhalten vorgeworfen wird, weil er die von ihm verlangten laufenden Kontakte zur zuständigen Bezirkshauptmannschaft – auch bis 18. 4. 2018 – nicht eingehalten hat, telefonisch nicht erreichbar war und Hausbesuche nicht zugelassen hat. Die von ihm ins Treffen geführten Krankenhausaufenthalte allein entschuldigen seine mangelnde Kooperation nicht. Aufgrund der zugesagten „laufenden Kontakte“ zur Bezirkshauptmannschaft hätte der Rechtsmittelwerber regelmäßig von sich aus aktiv werden und den Kontakt zur zuständigen Sachbearbeiterin herstellen müssen. Selbst während der Zeiten im Krankenhaus hätte er dies zumindest über seine Ehegattin bewerkstelligen müssen. Der letzte Krankenhausaufenthalt dauerte bis 6. 3. 2018; auch in der Folge kam der Rechtsmittelwerber seiner zugesagten Verpflichtung nicht nach.

3. Aus denselben Überlegungen bleibt auch das weitere Argument des Rechtsmittelwerbers, das Rekursgericht habe die aktenkundigen Umstände, warum er nicht erreichbar gewesen sei, unberücksichtigt gelassen, ohne Relevanz; damit zeigt er auch keine Aktenwidrigkeit auf (vgl dazu RIS‑Justiz RS0043284).

4. Beherrschender Grundsatz für die Auswahl des Sachwalters ist das Wohl des Betroffenen; dem Gericht kommt ein darauf zugeschnittener Ermessensspielraum zu (RIS‑Justiz RS0087131). Die Notwendigkeit der Umbestellung eines Sachwalters ist ebenfalls typisch auf den Einzelfall bezogen und betrifft daher in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0117813 [T2]).

Wenn das Rekursgericht die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Rechtsmittelwerbers als ausreichenden Grund für eine Umbestellung ansieht, hat es den ihm in dieser Frage offenstehenden Ermessensspielraum nicht überschritten.

5. Insgesamt zeigt der Rechtsmittelwerber weder einen aufzugreifenden schwerwiegenden Verfahrensverstoß noch eine sonst erhebliche Rechtsfrage auf. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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