European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00133.22W.1122.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.175,22 EUR (darin 195,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die beklagte burgenländische Gemeinde ist Erhalterin einer im öffentlichen Gut stehenden Straße, die am Grundstück des Klägers entlangführt. Auf diesem steht entlang der Grenze eine im Zuge des Neubaus der Straße im Jahr 1971/72 (auf wessen Kosten, ist nicht feststellbar) errichtete ca 28 Meter lange Mauer aus mit Beton gefüllten Betonschalsteinen, deren Oberkante die Oberkante des Straßenasphalts um 21 cm und gartenseitig die Geländeoberkante um etwa 52 cm überragt. Diese Mauer ist aus technischer Sicht Teil der Straßenkonstruktion, weil sie deren seitliche Stützung ausübt und deren seitlichen Abschluss bildet. Die Mauer weist Abplatzungen und Risse auf; diese Schäden sind nach einer 2011 erfolgten Straßensanierung aufgetreten und haben sich aufgrund der Belastung der Straße mit Schwerverkehr im Zuge der Errichtung von Gebäuden im Jahr 2017 ausgeweitet. Die Straße weist einen Riss und die Mauer eine leichte Schrägstellung auf; beides kann durch eine natürliche Kriechbewegung des hinter der Mauer liegenden, in weiterer Folge steil abfallenden Gartens oder eine Schwerverkehrsbelastung der Straße oder eine Kombination von beidem verursacht worden sein. Die Mauer erfüllt derzeit ihre Stützfunktion, wobei die künftige Standfestigkeit von Größe, Gewicht und Häufigkeit der Straßenbenützung durch Schwerverkehr abhängt. Würde dieser unterbunden, betrüge die Restnutzungsdauer der Mauer rund 15 Jahre; beim Befahren der Straße mit Lastkraftwägen ist eine weitergehende Beschädigung des Zaunsockels und der Straße selbst wahrscheinlich. Die Abplatzungen sind typische Frostschäden und haben für die Standfestigkeit nur geringe Bedeutung. Unstrittig hat die Beklagte die vom Kläger verlangte Sanierung der Mauer abgelehnt.
[2] Der Kläger begehrt Schadenersatz, weil die Beklagte als Straßenerhalterin mit der ihr obliegenden Mauersanierung säumig sei und der Kläger in Erfüllung seiner Schadensminderungspflicht zur Sanierung verpflichtet wäre, um als Eigentümer der Mauer keiner Haftung nach § 1319 ABGB ausgesetzt zu sein; weiters habe der Kläger einen Bereicherungsanspruch, weil er durch die Sanierung der Stützmauer einen Aufwand tätige, den eigentlich die Beklagte als Straßenerhalterin zu tragen hätte.
[3] Die Vorinstanzen wiesen dieses Begehren übereinstimmend ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Frage eines subjektiven Rechts auf Instandhaltung von Stützmauern sowie zur Mithaltereigenschaft des Grundstückseigentümers bei solchen Mauern iSd § 1319 ABGB fehle.
Rechtliche Beurteilung
[4] Weder das Berufungsgericht noch der Revisionswerber zeigen jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO auf, sodass die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig ist; die Zurückweisung des ordentlichen Rechtsmittels kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1.1. Das Burgenländische Straßengesetz 2005, LGBl 2005/79 (in der Folge „bgld StraßenG“), lautet auszugsweise:
„[…]
§ 2
Bestandteile der Straßen
Als Bestandteil der Straßen gelten neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie insbesondere
a) Fahrbahnen,
[…]
h) […], auch bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie insbesondere
[…]
l) Stütz- und Futtermauern,
[…]
§ 4
Einteilung und Erklärung von Straßen
[…]
(2) Verkehrsflächen der Gemeinde sind
a) Gemeindestraßen, das sind jene Straßen oder Wege, die vorwiegend dem Verkehr innerhalb von Gemeinden oder zwischen Nachbargemeinden dienen;
[…]
§ 7
Grundsätze für den Bau und die Erhaltung von Straßen
(1) Straßen sind derart zu planen, zu bauen und zu erhalten, dass sie dem jeweiligen Stand der Technik entsprechend nach Maßgabe und bei Beachtung der straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Vorschriften von allen Straßenbenützern unter Bedachtnahme auf die durch die Witterungsverhältnisse oder durch Elementarereignisse bestimmten Umstände ohne besondere Gefahr benützbar sind; hiebei sind auch die Interessen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu wahren.
[…]
(4) Sämtliche im Zuge öffentlicher Straßen liegende Brücken, Durchlässe und Stützmauern sind vom Straßenerhalter regelmäßig auf ihre Standfestigkeit zu überprüfen. Nach außergewöhnlichen Ereignissen, wie Hochwasser, Erdbeben, Anprall von Fahrzeugen und dergleichen, hat jedenfalls eine Überprüfung zu erfolgen.
[…]
II. Abschnitt
Straßenbaulast
§ 10
Allgemeine Straßenbaulast
Die Kosten des Baues und der Erhaltung der Straßen sind vom jeweiligen Straßenerhalter zu tragen[…].
[…]
§ 13
Straßenbaulast für Gemeindestraßen
(1) Die Straßenbaulast für den Bau und die Erhaltung von Gemeindestraßen wird von den Gemeinden getragen […].
[…]“
[5] 1.2. Nach dem klaren Wortlaut dieser gesetzlichen Bestimmungen ist die Beklagte in Ansehung der hier gegenständlichen Straße und aller ihrer Bestandteile Trägerin der Straßenbaulast, worunter die Verpflichtung zu verstehen ist, eine öffentliche Straße herzustellen und zu erhalten (vgl 1 Ob 33/74). Als Straßenerhalterin der (unstrittig) entlang des Grundstücks des Klägers führenden Gemeindestraße ist sie auch Erhalterin der gegenständlichen, auf dem Grundstück des Klägers errichteten (unstrittig in dessen Eigentum stehenden) Mauer, weil es sich dabei nach den Feststellungen um eine Stützmauer der Straße und damit deren Bestandteil handelt.
[6] 1.3. In ihrer Eigenschaft als Straßenerhalterin ist die Beklagte in der Privatwirtschaftsverwaltung tätig (stRsp: RS0023174, RS0049740).
[7] 2.1. Zum zu § 7 Abs 1 bgld StraßenG nahezu inhaltsgleichen § 7 Abs 1 BStG 1971, BGBl 1971/286, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass zur Pflicht zur Instandhaltung der Straße die Vornahme der unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Straßenerhalters zumutbaren Maßnahmen gehört, die erforderlich sind, um die Sicherheit des Verkehrs zu gewährleisten, und der Gesetzgeber gerade durch die Verwendung des Wortes „Zustand“ in § 1319a Abs 1 ABGB statt „Beschaffenheit“ (wie in § 1319 ABGB) zum Ausdruck bringen wollte, dass nicht für den Weg selbst im engeren Sinn, sondern für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn gehaftet wird (vgl 2 Ob 293/98x mwN).
[8] 2.2. Nach den Feststellungen ist die Standsicherheit der Stützmauer gegeben, sodass diese derzeit ihre Stützfunktion für die Straße erfüllt und keine Umstände ersichtlich sind, dass deren Verkehrssicherheit beeinträchtigt wäre oder sonst die Erfüllung der dem Straßenerhalter iSd § 7 Abs 1 bgld StraßenG obliegenden Aufgaben in Frage gestellt würde.
[9] 3.1. Nach § 1319 ABGB ist der Besitzer eines Gebäudes oder Werks zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, wenn durch Einsturz oder Ablösung von Teilen jemand verletzt wird, dieses Ereignis die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werks ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung und Lehre, dass „Besitzer“ hier nicht iSd § 309 Satz 2 ABGB zu verstehen ist, und § 1319 ABGB schon gar nicht auf den (bloßen) Eigentümer des (Bau-)Werks verweist. Entscheidend ist vielmehr, wessen Zwecken das Werk dient und wer dieses instandzuhalten hat, somit zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist. Die strenge Haftung soll denjenigen treffen, der die Vorteile aus der Sache zieht und über ihren Gebrauch disponieren kann; derjenige der durch seine Beziehung zum Werk gemäß § 1319 ABGB zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist, ist in moderner Terminologie der „Halter“ (1 Ob 87/09i mwN).
[10] 3.2. Da die Beklagte vor dem Hintergrund der erwähnten einschlägigen Bestimmungen des bgld StraßenG als „Halterin“ der Stützmauer anzusehen ist, ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen vertretbar, dass ein Schadenersatzanspruch des Klägers nicht darauf gestützt werden könne, dass er einer – zudem nicht aktuellen, sondern nur möglichen bzw künftigen – Haftung als (Mit‑)Halter der Mauer ausgesetzt wäre.
[11] 3.3. Der Kläger zeigt in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf. Woraus er ableiten will, bei Bejahung seiner Besitzereigenschaft die Beklagte zur Wahrnehmung ihrer Erhaltungspflichten anhalten zu können, ist nicht nachvollziehbar; zudem begehrt er hier gerade nicht eine Handlung der Beklagten, sondern eine Geldleistung als Schadenersatz.
[12] 4.1. Soweit der Kläger aus einem Eingriff in sein Eigentum einen Schadenersatzanspruch gegen die als Straßenerhalterin mit ihr obliegender Mauersanierung säumige Beklagte ableiten will, stellt sich auch hier keine erhebliche Rechtsfrage:
[13] Die Erhaltungspflicht des Straßenerhalters bezieht sich wie bereits dargelegt auf die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs gewährleistende Maßnahmen, die aber nach den hier maßgeblichen Feststellungen gerade nicht erforderlich sind.
[14] Zudem hat – wie das Berufungsgericht bereits erkannte – der Oberste Gerichtshof zu einer vergleichbaren Bestimmung betreffend die Straßenbaulast (nunmehr § 15 Abs 1 nö StraßenG 1999, LGBl 8500‑0) bereits festgehalten, dass der Straßenerhalter daraus nicht verpflichtet ist, eine Leistung gegenüber Dritten zu erbringen, und insofern kein subjektives Recht einer bestimmten Person besteht (vgl 4 Ob 119/15a = RS0130591 [zu § 1042 ABGB]).
[15] Gegen welche Erhaltungspflicht die Beklagte verstoßen und welches rechtswidrige, sie dem Kläger gegenüber haftbar machende Verhalten sie gesetzt haben soll, ist im Hinblick der Feststellungen zum Zustand der Mauer nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht eine konkrete Anspruchsgrundlage für das Schadenersatzbegehren auch in dieser Hinsicht vertretbar verneint.
[16] 4.2. Der Straßenerhalter hat weder als Eigentümer noch als Träger der Straßenbaulast einen privatrechtlichen Einfluss auf die Benützung der Straße, da diese jedermann zusteht. Schäden, die sich aus der Benützung der Straße für den öffentlichen Verkehr ergeben, haben ihre Ursachen im hoheitlichen Akt der Freigabe der Straße für den Verkehr. Lediglich die Behörde kann nach der StVO durch Verordnung den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorschreiben (vgl 7 Ob 127/19f mwN).
[17] Soweit von der Revision mehrmals angesprochen wird, das Schadenersatzbegehren aus dem Umstand abzuleiten, dass die Beklagte die Benützung der Straße durch Schwerverkehr nicht unterbinde, würde dies darauf abzielen, auf hoheitliches Handeln Einfluss nehmen zu wollen, wofür jedoch nach ständiger Rechtsprechung der Rechtsweg ausgeschlossen ist (vgl RS0010522). Es wird damit ebenfalls keine taugliche Grundlage für ein Schadenersatzbegehren aufgezeigt; eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich auch in diesem Zusammenhang nicht.
[18] 4.3. Auf die schon vom Erstgericht verneinte bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage – weil dem Bereicherungsrecht ein Ausgleich fiktiver Aufwendungen fremd ist (RS0018290 [T14, T15]) – ist der Kläger in seiner Berufung nicht mehr zurückgekommen. Eine im zweitinstanzlichen Verfahren zu einer selbstständigen Rechtsfrage unterbliebene Rechtsrüge kann im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr nachgeholt werden (RS0043573 [insb T43, T47]). Auf die in der Revision ohne nähere Ausführungen erwähnte Anspruchsgrundlage ist nicht weiter einzugehen.
[19] 5. Zusammengefasst zeigt die Revision gegenüber der Auffassung der Vorinstanzen, dass die Beklagte dem Kläger den von ihm begehrten Betrag nicht zu zahlen habe, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Sie ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen, ohne dass auf Fragen zur Höhe des Klagebegehrens eingegangen werden muss.
[20] 6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. § 23 Abs 9 RATG gilt nur im Berufungsverfahren, im Revisionsverfahren gebührt nur der einfache Einheitssatz.
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