Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz. Ihr wurde vom Bundesministerium für Unterricht die Betriebsgenehmigung zur Wahrnehmung des Aufführungs-, Vortrags- und Senderechts an Vorträgen, konzertmäßigen Aufführungen und Sendungen für Werke der Tonkunst und mit solchen Werken verbundenen Sprachwerken erteilt. Diese Genehmigung umfasst insbesondere auch die konzertmäßige Aufführung von Werken der Tonkunst und den Vortrag der mit solchen Werken verbundenen Sprachwerke einschließlich der Aufführung und des Vortrags in Verbindung mit Filmwerken und/oder Laufbildern sowie ihrer öffentlichen Aufführung für Unterrichtszwecke in Verbindung mit Filmwerken. Praktisch alle österreichischen Komponisten und Textdichter haben mit der Klägerin Wahrnehmungsverträge abgeschlossen und dieser die alleinigen und ausschließlichen Werknutzungsrechte eingeräumt; das erfolgt(e) regelmäßig durch eine „Vorausverfügung" des Urhebers und umfasst nicht nur bereits geschaffene, sondern auch künftig zu schaffende Werke des Komponisten oder Textautors. Die Klägerin hat mit über sechzig - somit nahezu allen existierenden - ausländischen Schwestergesellschaften Gegenseitigkeitsverträge und verfügt demnach über die Rechte am nahezu gesamten Weltrepertoire an geschützter Musik. Zusammen mit anderen inländischen Verwertungsgesellschaften hat die Klägerin mit dem Bund einen mit 1. 1. 2003 in Kraft getretenen Gesamtvertrag über die öffentliche Wiedergabe von Filmen im Unterricht (§ 56c UrhG) abgeschlossen, der gemäß dessen Punkt 1.4. nicht für öffentliche Schulen gilt, die von Gemeinden, Gemeindeverbänden oder Ländern erhalten werden (Vertrag im Internet publiziert unter www.vam.cc ; siehe dazu ferner Dillenz/Gutmann, UrhG & VerwGesG² § 56c UrhG Rz 4).
Die beklagte Stadtgemeinde ist gesetzliche Schulerhalterin für Volks-, Haupt-, Sonder-, Berufs- (als Pflicht-) und polytechnische Schulen.
Die Klägerin begehrte zuletzt 140.512,68 EUR sA, hilfsweise
a) Rechnungslegung über die öffentliche Aufführung von mit Werken der Filmkunst verbundenen Werken der Tonkunst von 2002 bis 2006 in dem durch Unterrichtszwecke gerechtfertigten Umfang in den von der Beklagten erhaltenen Schulen, ausgenommen Filmwerke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind, sowie
b) Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 56c Abs 2 UrhG samt Zinsen für den Zeitraum 2002 bis 2006, deren Bezifferung sie sich bis zur Erfüllung des Rechnungslegungsbegehrens vorbehielt.
In den öffentlichen Schulen, deren Erhalterin die Beklagte sei, würden mit Werken der Filmkunst verbundene Werke der Tonkunst regelmäßig aufgeführt. Es handle sich dabei um öffentliche Aufführungen, für die Urhebern gemäß § 56c Abs 2 UrhG eine angemessene Vergütung in Höhe des Klageanspruchs für die Schuljahre 2002/2003 bis 2005/2006 zustehe. Die Beklagte sei als gesetzliche Schulerhalterin verpflichtet, diesen Vergütungsanspruch zu befriedigen. Sie sei überdies bis 30. 6. 2003 nicht berechtigt gewesen, Filmwerke im Schulunterricht aufzuführen, dessen ungeachtet seien solche Werke schon zuvor in betroffenen Schulen gezeigt worden. Für diese rechtswidrige Handlung schulde die Beklagte gemäß § 87 Abs 3 UrhG sogar das Doppelte des angemessenen Entgelts, was jedoch ohnehin nicht verlangt werde.
Die Beklagte wendete ein, sie hafte als gesetzliche Schulerhalterin schon deshalb nicht für den eingeklagten Vergütungsanspruch, weil sie keine Möglichkeit habe, gegenüber dem aus Bundesorganen bestehenden Lehrpersonal auf die Verwendung vergütungspflichtiger Medien Einfluss zu nehmen. Abgesehen davon bestehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch dem Grunde nach nicht zu Recht, weil der Unterricht in Schulklassen nicht öffentlich sei. Somit seien dort Filmvorführungen keine öffentlichen Aufführungen nach dem Urheberrechtsgesetz. Die Vergütungsforderung sei ferner der Höhe nach weit überzogen; vergütungspflichtige Aufführungen betroffener Werke fänden im Schulunterricht selten statt. Das mit einer Vergütungspflicht verknüpfte freie Werknutzungsrecht für die Aufführung von Filmwerken an Schulen bestehe erst seit 1. 7. 2003; für das Schuljahr 2002/2003 bestehe somit jedenfalls kein Vergütungsanspruch. Erstmals in der Berufung führte die Beklage als Stütze für ihren Standpunkt auch die Ausnahmeregelung des § 56c Abs 3 Z 1 UrhG ins Treffen.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das auf eine angemessene Vergütung nach § 56c UrhG gestützte Zahlungsbegehren für die öffentliche Aufführung von mit Werken der Filmkunst verbundenen Werken der Tonkunst in den Schulen, deren gesetzliche Schulerhalterin die Beklagte sei, für die Schuljahre 2002/2003 bis 2005/2006 dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es stellte ua fest:
Die Schülerzahlen an den von der Beklagten erhaltenen Pflichtschulen betrugen in den Schuljahren 2002/2003 106.485, 2003/2004 106.758, 2004/2005 106.142 und 2005/2006 106.347. Die Media Wien stellt als Teildienststelle der MA 13 den Wiener Pflichtschulen die von ihr erworbenen Unterrichtsmedien zur Verfügung. Filme, die auf schulischem Niveau gehalten und an die Schülerbedürfnisse angepasst sind, dauern in der Regel nicht länger als fünfzehn oder zwanzig Minuten, um den Rahmen einer Unterrichtsstunde nicht zu sprengen. Diese Dienststelle verfügt auch über - die Stadt Wien betreffende - Eigenproduktionen und verwaltet insgesamt etwa 12.000 für Unterrichtszwecke bestimmte Medien. Jährlich gibt es ungefähr 30.000 Entlehnungen. Die Beklagte erstellt als Schulerhalterin Grundausstattungslisten für Schulen und finanziert die sonstige Infrastruktur für den Schulbetrieb. Sie stellt ferner Warenkorbgelder zur Verfügung, mit denen bestimmte Verbrauchsmaterialien angeschafft werden können; dass Mitglieder des Lehrkörpers an Wiener Pflichtschulen mit solchen Mitteln auch vergütungspflichtige Medien für den Schulunterricht angeschafft hätten, steht nicht fest. Die Entscheidung über das im Schulunterricht benötigte Material trifft der einzelne Pädagoge. Die Beklagte hat insofern kein Weisungsrecht gegenüber dem Lehrpersonal; allerdings könnte der Stadtschulrat für Wien dem Lehrpersonal Weisungen über den Einsatz pädagogischer Mittel erteilen. Der Schulunterricht ist nicht öffentlich zugänglich. Außer Lehrern und Schülern können nur noch die Schuldirektoren sowie der zuständige Schulinspektor dem Unterricht beiwohnen. Im Einzelfall können auch andere Personen eingeladen werden. Die Schülerzahl einer Klasse bleibt während des Schuljahres gewöhnlich unverändert. Fälle von Zu- oder Abwanderung kommen aber vor. Außerhalb des eigentlichen Schulunterrichts gibt es verschiedene Schulveranstaltungen (zB Wandertage, Projektwochen, Sportwochen, Auslandsaufenthalte) und die Nachmittagsbetreuung in Horten. Grundsätzlich bleiben die Klassen beim Unterricht beisammen und werden nicht getrennt, an den Berufsschulen gibt es jedoch je nach Unterrichtsfach auch Gruppenteilungen.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass es Schulen seit 1. 7. 2003 gestattet sei, Filmwerke in dem für Unterrichtszwecke gerechtfertigten Umfang öffentlich aufzuführen. Den dafür anfallenden urheberrechtlichen Vergütungsanspruch habe die Beklagte als gesetzliche Schulerhalterin als Sachaufwand zu tragen. Die Teilnahme am Pflichtschulunterricht sei nicht freiwillig und unterliege einer Anwesenheitspflicht. Schulunterricht sei daher - bis zum Beweis des Gegenteils im Einzelfall - grundsätzlich öffentlich im Sinn des Urheberrechtsgesetzes. Dass einzelne Aufführungen im Rahmen des Schulunterrichts nicht öffentlich (gewesen) seien, hätte die Beklagte darlegen müssen. § 56c Abs 3 Z 1 UrhG enthalte eine Ausnahme für Filmwerke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt seien. Mit einem Filmwerk verbundene Werke der Tonkunst seien dort nicht erwähnt. Letztere fielen daher nicht unter den Ausnahmetatbestand. In Ermangelung einer planwidrigen Gesetzeslücke bleibe für eine Analogie kein Raum. Auch wenn die Beklagte daher für die von der Media Wien verliehenen Filmwerke keine Vergütung zahlen müsse, sei sie nicht von der Vergütungspflicht für die in Schulen öffentlich aufgeführten, mit Filmwerken verbundenen Werke der Tonkunst befreit.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es ließ die ordentliche Revision zur Klärung der Fragen zu, ob und - bejahendenfalls - in welchem Ausmaß der Unterricht an Pflichtschulen öffentlich sei. Obgleich der Schulunterricht an öffentlichen Schulen hoheitlich besorgt werde, würden die materiellen Voraussetzungen dafür im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung geschaffen. Dazu gehöre die Erfüllung der Pflicht des Schulerhalters, die Sacherfordernisse - darunter die geeigneten Unterrichtsmittel - beizustellen und zu erhalten. Die Frage nach dem Vorliegen öffentlicher Aufführungen sei auf dem Boden der besonderen Umstände des Einzelfalls zu lösen. Es sei unzumutbar, für jede einzelne Aufführung deren Öffentlichkeit nachzuweisen. § 56c UrhG trage die Überschrift: „Öffentliche Wiedergabe im Unterricht". Verträte man die Auffassung, der Unterricht an Pflichtschulen sei niemals öffentlich, so wäre die öffentliche Wiedergabe eines Films im Unterricht denkunmöglich. Jene Norm entbehrte dann eines Anwendungsbereichs. Das könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Deshalb sei der Auslegung des Gesetzes durch die Klägerin, dass Filmaufführungen während des Unterrichts an Pflichtschulen öffentlich seien, beizutreten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.
1. Kernargumente der Beklagten - Maßgebende Norm und Gesetzesmaterialien
1.1. Die Beklagte macht geltend, die niedrige Klassenschülerhöchstzahl, die Intensität der persönlichen Beziehungen in einer Klassengemeinschaft und der fehlende Erwerbszweck bei einer schulischen Aufführung von Filmwerken führe zur Lösung, dass Unterricht in Schulklassen regelmäßig nicht öffentlich iSd Urheberrechtsgesetzes sei. Diese Auslegung werde durch die Entstehungsgeschichte der freien Werknutzung in Schulen gestützt und auch im Schrifttum von namhaften Autoren vertreten.
1.2. § 56c UrhG lautet:
„Öffentliche Wiedergabe im Unterricht
(1) Schulen und Universitäten dürfen für Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre in dem dadurch gerechtfertigten Umfang Werke der Filmkunst und die damit verbundenen Werke der Tonkunst öffentlich aufführen.
(2) Für die öffentliche Aufführung nach Abs. 1 steht dem Urheber ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu. Solche Ansprüche können nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden.
(3) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht
1. für Filmwerke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind;
2. wenn ein Bild- oder Schallträger benutzt wird, der mit Verletzung eines ausschließlichen Rechtes, das darauf festgehaltene Werk zu vervielfältigen oder zu verbreiten, hergestellt oder verbreitet worden ist."
1.3. Die geltende Fassung des § 56c Abs 1 UrhG beruht auf der UrhG-Nov 2003 BGBl I 32 (siehe zur Normgeschichte 4.4.2. unten). Das dort normierte Recht zur Aufführung von Filmwerken geht nach den Gesetzesmaterialien (abgedruckt in Dittrich, UrhR5 [2007] 296) auf einen Wunsch des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur zurück. Durch ein solches Recht werde die freie Werknutzung - so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage - nicht ungebührlich ausgedehnt, weil sie nur in dem durch Unterrichtszwecke gerechtfertigten Umfang zulässig sei. Diese Erweiterung diene ferner den Interessen der Rechteinhaber, weil entsprechende Filmvorführungen in Schulen bisher „auch ohne gesetzliche Deckung" stattgefunden hätten, Vergütungen nicht gezahlt und Rechtsverletzungen „praktisch" nicht verfolgt worden seien. Durch die „Legalisierung" werde „den Rechtsinhabern zumindest ein Vergütungsanspruch gesichert".
1.4. Zum Begriff der Öffentlichkeit wird in den Gesetzesmaterialien zur UrhG-Nov 1993 BGBl 93 ua ausgeführt (abgedruckt in Dittrich aaO 244 f):
„Der Entwurf verwendet den Begriff der Öffentlichkeit naturgemäß in einer Reihe von neuen Bestimmungen oder legt ihn einer Regelung stillschweigend zugrunde. Er geht dabei von der geltenden Rechtslage aus und hat nicht die Absicht, die Bedeutung dieses Begriffs zu verändern. Dies soll an dem folgenden Beispiel erläutert werden:
Wenn die Erläuterungen zur Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch (§ 42 Abs 3) besagen, dass diese Bestimmung die gegenständliche Vervielfältigung auch zulässt, soweit die Schulklasse bzw die Lehrveranstaltung als 'Öffentlichkeit' zu beurteilen ist, (...) wird damit nur unterstellt, dass die Schulklasse bzw die Lehrveranstaltung öffentlich sein kann. Ob dies im Einzelfall tatsächlich der Fall ist, ist nicht Gegenstand dieser Bestimmung, sondern nach den unverändert gebliebenen einschlägigen Bestimmungen des UrhG und den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben zu beurteilen."
2. Allgemeiner urheberrechtlicher Begriff der Öffentlichkeit
2.1. Die Auslegung des Begriffs der Öffentlichkeit ist für alle Verwertungsrechte - abgesehen vom Vervielfältigungsrecht - von grundlegender Bedeutung. Sie grenzt die Interessen des Urhebers von jenen der Allgemeinheit ab; denn nur eine Verwertungshandlung, mit der ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist urheberrechtlich relevant (M. Walter, Österreichisches Urheberrecht I Rz 629 mwN [im Folgenden als „Kommentar" zitiert]; ders, Die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke in Schulen und Universitäten, ZfRV 2008, 114 [114 f]).
2.2. Der Öffentlichkeitsbegriff kann in unterschiedlichen Sachzusammenhängen - so etwa in solchen nach dem Straf-, Fernmelde- oder Urheberrecht - Verschiedenes bedeuten. Selbst bei dessen Verwendung innerhalb des Urheberrechtsgesetzes muss er - eingebettet in verschiedene Sachzusammenhänge - nicht notwendig immer inhaltlich Gleiches ausdrücken. Der Bedeutungsgehalt wird vielmehr durch den jeweiligen Normzweck bestimmt (M. Walter, Kommentar Rz 81 mwN; siehe zur Frage nach einer differenzierenden Betrachtungsweise nunmehr auch dens, ZfRV 2008, 116).
2.3. Im Urheberrechtsgesetz wird der Öffentlichkeitsbegriff nicht definiert (Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG² § 18 UrhG Rz 9; M. Walter, ZfRV 2008, 115). Auch in Gesetzesmaterialien werden nur Orte (Konzertsaal, Theater, Lichtspielbühne oder Gast- und Schankbetriebe) genannt, an denen typischerweise öffentliche Aufführungen stattfinden (Dillenz/Gutman aaO § 18 UrhG Rz 9). Die Rechtsprechung bediente sich deshalb (auch) der Legaldefinition des § 15 Abs 3 dUrhG zur Auslegung des Öffentlichkeitsbegriffs (Dillenz/Gutman aaO § 18 UrhG Rz 9; M. Walter, ZfRV 2008, 115 je mN): Danach ist eine Wiedergabe öffentlich, „wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist".
2.4. Persönliche Beziehungen im erörterten Sinn bestehen, wenn die Teilnehmer einer Aufführung dem engeren Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis angehören, wie im Fall von Personen, unter denen ein über berufliche oder gesellschaftliche Beziehungen hinausgehender, mehr oder weniger ständiger, vertrauter und inniger Kontakt herrscht. Berufs-, Arbeits-, Ausbildungs- oder Sportkollegen können durch solche persönliche Beziehungen verbunden sein (M. Walter, Kommentar Rz 635 mwN; ders, ZfRV 2008, 115); eine derartige Beziehungsintensität ist aber nicht von Vornherein anzunehmen. Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen persönlicher Beziehungen einer für die Lösungen urheberrechtlicher Fragen relevanten Intensität hat derjenige, der sich darauf beruft (M. Walter, Kommentar Rz 635 mwN).
2.5. Als Grundregel für die Qualifizierung einer Veranstaltung, die nicht ohnehin an einem öffentlich zugänglichen Ort stattfindet, als öffentlich, soll gelten, dass die Intensität der Beziehungen der Besucher untereinander und zum Veranstalter häufig umgekehrt proportional zur Zahl der Besucher sein wird. Daraus soll folgen, dass in einem „Koordinatensystem 'Intensität der Beziehungen/Zahl der Besucher' mit dem Wachsen der Besucherzahl die Öffentlichkeit erreicht" werde (Dillenz/Gutman aaO § 18 UrhG Rz 12).
2.6. Die Rechtsprechung setzt für das Vorliegen von Öffentlichkeit weder eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern einer Veranstaltung als Grenze fest, noch beschränkt sie sich bei der Beurteilung bloß auf das Bestehen familiärer, verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Beziehungen oder auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengemeinschaft oder auf den Bestand gleichgerichteter Interessen und Neigungen, sie bedient sich vielmehr einer Gesamtschau des Einzelfalls, in die auch der Veranstaltungszweck - so etwa in Fällen der Förderung eigener oder fremder wirtschaftlicher Interessen - einbezogen wird (RIS-Justiz RS0077576, RS0077202, RS0077597; Hüttner in Kucsko, urheber.recht 296 f mN).
3. Urheberrechtlicher Öffentlichkeitsbegriff - Universitäts- und Schulwesen
3.1. Ob die Verwendung von Werken in Ausbildungsgemeinschaften wie etwa an Universitäten und in Schulen im urheberrechtlichen Kontext öffentlich oder privat erfolgt, wird im österreichischen Schrifttum unterschiedlich beantwortet.
M. Walter (Die Werkverwertung in unkörperlicher Form [öffentliche Wiedergabe], MR 1998, 132, 136) zieht aus den Materialien den Schluss, dass der Gesetzgeber der UrhG-Nov 1996 BGBl 151 (siehe zur Normengeschichte 4.4.2. unten) auch für den Elementar- und Mittelschulbereich unterstellt habe, es könne beim Unterricht Öffentlichkeit vorliegen. Es wäre indes sinnvoller gewesen, „das Erfordernis der Öffentlichkeit in diesem spezifischen Bereich als relevantes Kriterium gänzlich fallen zu lassen" (ebenso ders, Kommentar Rz 643; ZfRV 2008, 116 f). Im zitierten Kommentar schreibt der Autor seine bisherige Ansicht fort und meint, dem Öffentlichkeitsbegriff für den Regelfall das Fehlen eines bestimmten Bandes persönlicher Beziehungen innerhalb eines bestimmten Personenkreises unterstellend, es könne aufgrund der Intensität gegenseitiger Beziehungen, der längeren Dauer eines gemeinsamen Ausbildungsverhältnisses, der Häufigkeit und der Art des Zusammentreffens ein echtes persönliches Band entstehen. Beim Unterricht in Grundschulen und AHS werde jedoch „Öffentlichkeit" gewöhnlich gegeben sein (Kommentar Rz 641; aM nun für AHS ders, ZfRV 2008, 116). Bei der freien Werknutzung nach § 56c Abs 1 UrhG solle die damit verknüpfte Vergütungspflicht „sinnvoller Weise nicht davon abhängen, ob in einem bestimmten Klassenverband - mehr oder weniger zufällig - so enge persönliche Beziehungen bestehen, dass in Sonderfällen von einer privaten Aufführung auszugehen" sei. Damit die Regelung „nicht wegen zu strenger Anforderungen an die Öffentlichkeit überhaupt leer" laufe, werde „im Schulbereich letztlich von einem modifizierten Öffentlichkeitsbegriff ausgegangen werden müssen" (Rz 1394).
Ciresa (Zur Vergütungspflicht für die öffentliche Wiedergabe von Filmwerken im Unterricht, MR 2007, 429) ist der Ansicht, dass „für Schulen und Fachhochschulen aufgrund der personellen und zeitlichen Kontinuität der anwesenden Schüler und deren persönlicher Beziehung untereinander bzw zum 'Veranstalter' in Verbindung mit einem fehlenden oder doch nur ganz untergeordneten Erwerbszweck im Regelfall Öffentlichkeit iSd § 18 UrhG auszuschließen sein" werde.
Nach Streit/Jung (Zur öffentlichen Wiedergabe von Filmwerken im Unterricht, MR 2008, 79) wäre es „systemwidrig und nicht nachvollziehbar, wenn der Urheber für die Vervielfältigung und Verbreitung nach § 42 Abs 6 UrhG auf indirektem Weg eine angemessene Vergütung erhielte, für die Aufführung von Filmen in Schulen zu Unterrichtszwecken jedoch mangels Erfüllung des Öffentlichkeitserfordernisses nicht", obgleich § 56c UrhG nach den Gesetzesmaterialien der „gewünschten Ergänzung des § 42 Abs 6 UrhG" diene. Es sei daher „dem Begriff 'öffentlich' in § 56c UrhG keine eigenständige Bedeutung beizumessen". Für den Vergütungsanspruch nach § 56c Abs 2 UrhG genüge daher „die Aufführung von Filmwerken an Schulen zu Zwecken des Unterrichts, da der Gesetzgeber davon ausgegangen" sei, „dass diese Aufführungen im Regelfall (und von im Einzelfall vorliegenden Ausnahmen abgesehen) eine 'öffentliche' Aufführung" sei. Davon abgesehen sprächen gute Gründe dafür, Schulunterricht als „öffentlich" iSd § 18 UrhG zu qualifizieren. Das Kriterium der Anzahl der Teilnehmer einer Aufführung sei nur bedingt geeignet, weil es nur dazu diene, auf das Bestehen der geforderten persönlichen Verbundenheit zu schließen. In Schulklassen bestünden zwar persönliche Bande zwischen einzelnen Gruppen von Schülern derselben Schulklasse, doch reiche das nicht aus. Öffentlichkeit könne erst ausgeschlossen werden, „wenn zwischen allen Schülern einer Klasse" persönliche Bande vorlägen. Davon sei aber „aufgrund der allgemein bekannten Gruppenbildung in Schulklassen nicht auszugehen". Es sei auch nicht anzunehmen, dass „im Verhältnis aller Schüler zur Lehrkraft ein persönliches Band" bestehe, stehe doch „die Lehrkraft als Lehr- und Respektsperson im Vordergrund, die neben der beruflichen Tätigkeit keine Zeit mit den von ihm/ihr unterrichteten Schülern" verbringe. Der „Zweck des Zusammenkommens von Schulklassen" beruhe nicht auf einer (privaten) Einladung, sondern es bestehe die gesetzliche Verpflichtung zur Teilnahme. Die Aufführung von Filmen in Schulklassen zu Unterrichtszwecken sei daher auch insofern im Regelfall als öffentlich zu beurteilen. Bei „Ungewissheit" im Einzelfall sei nach dem - auch für die österreichische Rechtslage fruchtbar zu machenden - Regel-Ausnahme-Charakter des Öffentlichkeitsbegriffs in § 15 Abs 3 dUrhG im Zweifel Öffentlichkeit anzunehmen.
3.2. In Deutschland erläutert Loewenheim (Öffentliche Zugänglichmachung von Werken im Schulunterricht, FS Schricker [2005] 413, 418; ders in Schricker, Urheberrecht³ § 52a Rz 4), dass der Öffentlichkeitsbegriff im Urheberrecht nicht einheitlich sei; die Frage, ob die Zugänglichmachung von Werken öffentlich erfolge, sei deshalb unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, des Zwecks und des Regelungszusammenhangs des § 52a dUrhG zu beantworten. Daraus folge, dass der Gesetzgeber die Benützung geschützter Werke im Schulunterricht an eine Vergütungspflicht habe binden wollen. Andernfalls wäre jene Bestimmung „praktisch obsolet" und liefe in ihrem Kernbereich, dem regulären Unterricht in Schulklassen, „weitgehend leer", weil sie „mangels der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals 'öffentlich' im Regelfall nicht zur Anwendung käme". Eine solche Absicht könne dem Gesetzgeber naturgemäß nicht unterstellt werden (ebenso Haupt, Strafanzeige gegen Monika Hohlmeier - Die Hintergründe, KUR 2004, 65, 68). Dementgegen wird im deutschen Schrifttum sonst überwiegend vertreten, dass die Aufführung von Werken im Schulunterricht in der Regel nicht öffentlich erfolge (Nachweise bei Loewenheim in FS Schricker FN 3; dems in Schricker aaO).
4. Auslegung des § 56c UrhG durch den Senat
4.1. Die Frage nach der Öffentlichkeit einer Aufführung spielt bei allen Verwertungsrechten die entscheidende Rolle, weil eine Nutzung in der Privatsphäre des Nutzers grundsätzlich keine urheberrechtlichen Ansprüche auslöst. Insofern stellen die abgestuften Verwertungsrechte sicher, dass bei jedem Hinzutreten einer neuen Öffentlichkeit vom Urheber ein neues Verwertungsrecht in Anspruch genommen werden kann. Die dem Urheber durch das Urheberrechtsgesetz vorbehaltenen Verwertungsarten bilden ein Stufensystem zur mittelbaren Erfassung des Endverbrauchers. Der entgeltliche Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Werks verschafft deshalb dem Erwerber noch nicht das Recht, dieses Werk mit dessen Hilfe öffentlich aufzuführen (4 Ob 230/03g = MR 2004, 201 [M. Walter] = ÖBl 2005, 90 - Begräbnisfeierlichkeit mwN).
4.2. Auf dem Boden der allgemeinen Abgrenzung der (urheberrechtlichen Verwertungsrechten verschlossenen) Privatsphäre von der Öffentlichkeit muss sich eine Verwertungshandlung, um öffentlich zu erfolgen, auf eine (unbestimmte) Personenmehrzahl beziehen. Das sei regelmäßig dann der Fall, wenn eine Aufführung allgemein zugänglich sei, also nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außenhin abgegrenzten Kreis abgestimmt sei (vgl RIS-Justiz RS0077202). Dieser Ansicht liegt im Kern die Vorstellung zugrunde, dass zur Öffentlichkeit jeder gehöre, der nicht mit demjenigen, der ein Werk verwerte, oder mit den anderen Personen, denen das Werk wahrnehmbar oder zugänglich gemacht werde, durch - nicht zu vermutende - persönliche Beziehungen verbunden sei. Diese allgemeine Sicht der Rechtslage kann jedoch für die Auslegung des § 56c Abs 1 und 2 UrhG, wie sogleich zu begründen sein wird, nicht genügen.
4.3. Die Beklagte begründet die Unanwendbarkeit der erörterten Norm auf den klageweise geltend gemachten Anspruch mit typischen persönlichen Beziehungen unter Schülern vor allem in Klassenverbänden der Volks-, Haupt- und Sonderschulen. Aufgrund des langjährigen Zusammenlebens im gemeinsamen Unterricht, bei Schulveranstaltungen und im Fall einer Nachmittagsbetreuung bestünden zwischen den Schülern „in aller Regel zumindest kameradschaftliche, oft auch freundschaftliche Beziehungen". Dagegen werde in Klassengemeinschaften der Berufs- und polytechnischen Schulen typischerweise eine geringere - wenngleich durchaus noch beachtliche - Intensität der persönlichen Beziehungen unter Schülern bestehen.
4.4. Im Ergebnis den voranstehend referierten Erwägungen M. Walters folgend ist bei Auslegung des § 56c Abs 1 und 2 UrhG nicht die allgemeine Bedeutung des Begriffs Öffentlichkeit im Urheberrecht maßgebend, wesentlich ist vielmehr nur der (erst) mit der erörterten Norm geschaffene Begriffsinhalt einer spezifischen „Schulöffentlichkeit", was - vor dem Hintergrund einer systematischen Interpretation - insbesondere die Überschrift des § 56c UrhG verdeutlicht. Dieses Verständnis wird durch folgende - hier Pflichtschulklassen betreffende - teleologischen Erwägungen gestützt:
a) Dem Gesetzgeber darf nicht unterstellt werden, er habe eine generelle Regelung für - nach Ansicht der Beklagten - offenkundig wenige Ausnahmefälle schaffen wollen (so auch M. Walter, ZfRV 2008, 118), nämlich jene, in denen Schüler von Pflichtschulklassen nicht durch eine (etwa weit überwiegend) kameradschaftliche, oft auch freundschaftliche Beziehung untereinander verbunden seien. Andernfalls müsste eine klagende Verwertungsgesellschaft den bei realistischer Einschätzung der Möglichkeiten eines Beweisverfahrens nicht erbringbaren Beweis antreten, in welchen Fällen solcher Schulklassen - hier in einer großen Stadt als Pflichtschulerhalter - die eine (weit überwiegend) enge persönliche Beziehung der Schüler untereinander ausklammernde Voraussetzung für eine Vergütungspflicht erfüllt wäre. Eine insoweit eingeschränkte Vergütungspflicht nach § 56c Abs 2 UrhG wäre - wirtschaftlich betrachtet - so gut wie wertlos.
b) Die Vergütungspflicht gemäß § 56c Abs 2 UrhG kann somit nicht an die Zufälligkeit des Entstehens und der Aufrechterhaltung der zuvor erwähnten persönlichen Beziehung zwischen den Schülern von Schulklassen - beurteilt nach den Verhältnissen in jeder einzelnen Klasse - anknüpfen. Insofern schiede auch eine zunächst generalisierende und typisierende Betrachtungsweise aus, wenn der Gesetzgeber mit einer größeren Anzahl vorhersehbarer Ausnahmen von der Vergütungspflicht hätte rechnen müssen (siehe zu praktischen Gründen, die im Schrifttum für eine typisierende Betrachtungsweise ins Treffen geführt werden M. Walter, ZfRV 2008, 118). Nicht ausschlaggebend darf daher sein, ob die erörterten persönlichen Beziehungen zwischen den Schülern von Schulklassen öffentlicher Schulen schon bestehen, noch bestehen oder nicht (mehr) bestehen. Andernfalls müsste man, folgte man der Ansicht der Beklagten, selbst bei einer im Grundsätzlichen typisierenden Betrachtungsweise zumindest immer prüfen, ab wann die für eine Unanwendbarkeit des § 56c Abs 1 und 2 UrhG ins Treffen geführte Intensität der persönlichen Beziehungen innerhalb der unterschiedlichen Klassengemeinschaften bereits entstanden sei, spricht doch die Beklagte selbst davon, dass eine kameradschaftliche, oft auch freundschaftliche Beziehung unter Schülern nicht sogleich, sondern erst durch das jahrelange Zusammensein derselben Personen in Klassengemeinschaften begründet werde.
c) Ließen dagegen die in § 56c Abs 1 und 2 UrhG getroffenen Regelungen doch eine Ausnahme von der für eine typische Fallgestaltung - öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke im Schulunterricht unter Zugrundelegung des allgemeinen Verständnisses des Öffentlichkeitsbegriffs im Urheberrecht - geschaffenen Vergütungspflicht zu, indem die Aufführung von Werken nach § 56c Abs 1 UrhG in Pflichtschulklassen dann nicht als „öffentlich" iSd Gesetzes anzusehen wäre, wenn zwischen den Schülern in bestimmten Schulklassen (etwa weit überwiegend) eine intensivere persönliche Beziehung bestünde, so hätte die Beklagte den - bei hier rund 106.000 Schülern in einer Vielzahl an Schulklassen - von ihr selbst als „praktisch unmöglich" bezeichneten Beweis zu führen (siehe zu diesem Gesichtspunkt auch M. Walter, ZfRV 2008, 118), dass solche persönliche Beziehungen unter den Mitgliedern der Gemeinschaft in bestimmten Schulklassen die Anwendbarkeit der erörterten gesetzlichen Regelungen ausschlössen.
4.5. Dem Auslegungsergebnis, dass der Gesetzgeber mit der hier maßgebenden Norm einen eigenen Begriff der „Schulöffentlichkeit" schuf, stehen auch keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken entgegen. Art 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Info-RL - abgedruckt in Dittrich aaO 781 ff) setzt zwar einen europarechtlich einheitlichen Öffentlichkeitsbegriff voraus (EuGH 7. 12. 2006 C-306/05 - SGAE/Rafael Hoteles SL Rz 31 = ÖBl 2007/20, 88), diese Regelung ist jedoch nur auf Sachverhalte mit einem vorliegenden Distanzelement anwendbar, weshalb sie die klassischen Wiedergabeformen der Aufführung, des Vortrags und der Vorführung nicht erfasst (M. Walter in M. Walter, Europäisches Urheberrecht - Kommentar, Info-RL Rz 78 [S 1051]).
4.6. Soweit sich die Beklagte als Beleg für die Richtigkeit ihres Standpunkts auf Gesetzesmaterialen beruft, ist ihr zu entgegnen:
4.6.1. Gesetzesmaterialien sind nach der Rechtsprechung erst dann zur Auslegung einer Norm heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzes selbst Zweifel aufwirft (RIS-Justiz RS0008800). Die historische Auslegung einer Norm an Hand der Gesetzesmaterialien bedarf überdies besonderer Vorsicht, weil Letztere nicht Gesetz wurden und mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen (RIS-Justiz RS0008776). Infolgedessen ist das Gesetz nach der „ihm eigenen Vernünftigkeit", also teleologisch „gemäß den erkennbaren Zwecken und dem Grundgedanken einer Regelung" zu verstehen (RIS-Justiz RS0109735).
4.6.2. Hier sollen die Gesetzesmaterialien zur UrhG-Nov 1993 BGBl 93 maßgebend sein. Danach wurde in einem bestimmten Text- und Sinnzusammenhang (siehe 1.4. oben) unterstellt, „dass die Schulklasse bzw die Lehrveranstaltung öffentlich sein kann". Dieser Hinweis schlägt gegen die voranstehenden Erwägungen zur gebotenen Auslegung des § 56c Abs 1 und 2 UrhG nicht durch, stammt doch diese Äußerung noch aus einer Zeit als es den § 56c UrhG noch nicht gab. Diese Norm wurde erst durch die UrhG-Nov 1996 BGBl 151 in das Gesetz eingefügt. Später wurde mit der UrhG-Nov 2003 BGBl I 32 die Terminologie des § 56c Abs 1 UrhG dem neuen Universitätsrecht angepasst und ein zuvor bestehender Unterschied im Berechtigungsumfang der Schulen (kein Recht zur Aufführung von Spielfilmen) einerseits und der Hochschulen andererseits beseitigt. Der Gesetzgeber hat daher den spezifischen Willen, der in die Grundsatzregelung des § 56c UrhG mündete, erst nach 1993 gebildet. Damit entbehrt aber das Argument, der Gesetzgeber habe einfach den in den Materialien 1993 angesprochenen Öffentlichkeitsbegriff fortschreiben wollen, der Überzeugungskraft.
4.6.3. Selbst wenn aber der Gesetzgeber der UrhG-Nov 1996 BGBl 151 einen schon vorher im Urheberrecht tradierten allgemeinen Begriff der öffentlichen Aufführung hätte fortschreiben wollen, wäre die Auffassung der Beklagten durch die Lebenserfahrung widerlegt. Danach ist in Pflichtschulen eine weit überwiegende Anzahl der Schüler einer Klassengemeinschaft nur in Ausnahmefällen durch eine enge persönliche Beziehung verbunden, die über das Erfordernis eines anständigen Umgangs während des Unterrichts hinausgeht. Gewöhnlich erschöpfen sich solche Klassengemeinschaften - als Ganzes gesehen - in Zweckgemeinschaften zur Erfüllung der Schulpflicht, bei denen - wie von Streit/Jung erörtert (siehe 3.1. oben) - eine enge persönliche Beziehung gewöhnlich (nur) zwischen einzelnen Schülern jeder Klasse besteht. Auch in diesem Fall wäre die Beklagte mit dem Beweis des Bestehens an sich unwahrscheinlicher Klassengemeinschaften in Einzelfällen belastet. Der Gesetzgeber wollte jedoch die Frage nach dem Bestehen des normierten Vergütungsanspruchs - wie bereits begründet - erkennbar nicht mit solchen Beweisfragen belasten, könnte sich doch an der von einem Schulerhalter zu leistenden „angemessenen Vergütung", worauf tieferstehend in Punkt 5.1. zurückzukommen sein wird, kaum etwas ändern, wenn in dem einen oder anderen Fall wirklich beweisbar wäre, dass in einer Klassengemeinschaft doch einmal der an sich unwahrscheinliche Fall enger persönlicher Beziehungen untereinander innerhalb einer etwa weit überwiegenden Anzahl an Schülern verwirklicht sein sollte.
4.7. Die voranstehenden Erwägungen lassen sich somit - im Rahmen des hier zu beurteilenden Sachverhalts - in folgender Weise zusammenfassen:
Werden Werke der Filmkunst und die damit verbundenen Werke der Tonkunst für Zwecke des Unterrichts in dem dadurch gerechtfertigten Umfang in einzelnen Klassen von Pflichtschulen (Volks-, Haupt-, Sonder-, Berufs- und polytechnischen Schulen) aufgeführt, so handelt es sich dabei um eine öffentliche Wiedergabe im Unterricht iSd § 56c Abs 1 und 2 UrhG. Solche Aufführungen lösen die Vergütungspflicht nach § 56 Abs 2 UrhG aus.
5. Zu den weiteren Revisionsgründen
5.1. Die Beklagte meint, Schuldner eines Vergütungsanspruchs nach § 56c Abs 2 UrhG könne nur sein, wer Entscheidungen über vergütungspflichtige Nutzungen treffen könne. Sie sei insofern gegenüber dem Lehrpersonal der von ihr erhaltenen Schulen nicht weisungsbefugt und habe damit keine Möglichkeit, den Einsatz vergütungspflichtiger Medien zu steuern.
5.1.1. Die Beklagte ist unstrittig gesetzliche Schulerhalterin der hier maßgebenden Schulen. Sie ist als solche verpflichtet, neben der Anschaffung und Instandhaltung der Einrichtung und der Unterrichtsmittel auch den sonstigen Sachaufwand dieser Schulen zu decken (§ 10 Pflichtschulerhaltungs-GrundsatzG BGBl 1955/163 idgF iVm § 3 Abs 2 Wiener SchulG LGBl 1976/20 idgF). Dass gesetzliche Vergütungen nach § 56c Abs 2 UrhG mit der Verwendung von Unterrichtsmitteln verbundene Kosten unter den nach § 3 Abs 2 Wiener SchulG LGBl 1976/20 idgF von der Beklagten zu tragenden Aufwand fallen, liegt auf der Hand. Ob die Beklagte gegenüber dem Lehrpersonal der von ihr erhaltenen Schulen weisungsbefugt ist, spielt für die Frage der Ersatzpflicht des Aufwands für Unterrichtsmittel nach dem Gesetz keine Rolle.
5.2. Die Beklagte beruft sich im Übrigen auch noch in dritter Instanz auf die Ausnahme gemäß § 56c Abs 3 Z 1 UrhG und legt den dort verwendeten Begriff „Filmwerke" dahin aus, dass damit auch die mit Filmwerken verbundenen Werke der Tonkunst gemeint seien, folge doch aus § 4 UrhG, dass der Gesetzgeber unter „Filmwerken" regelmäßig auch Tonfilme verstanden habe. Ferner dürfe nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe unterschiedliche Modalitäten für den Rechteerwerb an Filmen im Weg einer gesetzlichen Lizenz nach § 56c Abs 1 UrhG einerseits und an Filmmusik im Weg einer vertraglichen Lizenz andererseits vorsehen wollen.
5.2.1. Die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis zur Auslegung des § 56c Abs 3 UrhG. Das Erstgericht und die Klägerin verweisen aber in systematischer Hinsicht zutreffend darauf, dass der Gesetzgeber, wie aus § 56c Abs 1 UrhG abzuleiten ist, zwischen Werken der Filmkunst und mit Filmwerken verbundenen Werken der Tonkunst unterscheidet. Damit hat er aber an unterschiedliche Werktypen unmissverständlich unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft. Die Legaldefinition von Werken der Filmkunst in § 4 UrhG bringt dagegen nur zum Ausdruck, dass davon sowohl Stumm- als auch Tonfilme betroffen sind (vgl zum historischen Verständnis dieser Definition Wallentin in Kucsko, urheber.recht 149).
Es muss aber nicht jeder Tonfilm zwingend mit Werken der Tonkunst verbunden (also mit Musik unterlegt) sein; sollte Letzteres der Fall sein, bedarf die öffentliche Aufführung des Films auch der Zustimmung des Komponisten. Da in § 56c Abs 3 Z 1 UrhG nur Filmwerke genannt sind, gilt somit die dort normierte Ausnahme von der Vergütungspflicht bei öffentlichen Schulaufführungen nur für diese.
5.3. In der Revision wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Vergütungspflicht für die öffentliche Wiedergabe von Werken in Schulen iSd § 56c Abs 1 UrhG idgF erst am 1. 7. 2003 in Kraft trat. Es bestand für Schulen aber bereits zuvor das - nach § 56c Abs 2 UrhG vergütungspflichtige Recht - Werke der Filmkunst und die damit verbundenen Werke der Tonkunst öffentlich aufzuführen (siehe 4.4.2. oben); lediglich das Recht zur Aufführung von Spielfilmen stand seinerzeit nur Hochschulen zu.
Für vor dem 1. 7. 2003 erfolgte unbefugte Wiedergaben von Werken der Filmkunst und den damit verbundenen Werken der Tonkunst bestand daher - ausgenommen Spielfilme - bereits ein Vergütungsanspruch nach § 56c Abs 2 UrhG. Demnach kann sich der Anspruch des Urhebers auf angemessenes Entgelt gemäß § 86 Abs 1 Z 1 UrhG im Anlassfall nur auf die nicht lizenzierte Aufführung von Spielfilmen in Schulen vor dem 1. 7. 2003 beziehen. Das Erstgericht hat jedoch mit seiner als Teilzwischenurteil zu wertenden Entscheidung nur über den Anspruch gemäß § 56c Abs 2 UrhG abgesprochen, obgleich sich die Klägerin bereits im Verfahren erster Instanz für den Zeitraum vor dem 1. 7. 2003 - wohl nur die Aufführung von Spielfilmen betreffend - auch auf § 86 Abs 1 Z 1 UrhG als Anspruchsgrundlage berufen hatte (ON 5 S 15). Es bedarf somit hier keiner Begrenzung des Anspruchszeitraums im ergangenen Teilzwischenurteil, weil sich diese Entscheidung ohnehin nur auf den Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 56c Abs 2 UrhG bezieht.
6. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 2 iVm § 393 Abs 4 ZPO (RIS-Justiz RS0035896).
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