European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00124.17I.0727.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.291,10 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 381,85 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Beklagte bietet von ihrem Sitz in Malta aus über das Internet Dienstleistungen (unter anderem) im Bereich des Glücksspiels an. Sie verfügt jedoch über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.
Der Kläger nahm an von der Beklagten im Internet veranstalteten Glücksspielen teil und verlor im Zeitraum Juli 2012 bis März 2014 hiebei insgesamt 133.972,50 EUR.
Der Kläger begehrte von der Beklagten 70.000 EUR sA. Er sei bei der Teilnahme am Glücksspiel der Beklagten (partiell) geschäftsunfähig gewesen, die Beklagte habe gegen österreichische und maltesische glücksspielrechtliche Spielerschutzbestimmungen verstoßen. Überdies biete die Beklagte in unzulässiger Weise in Österreich Glücksspiel an, ohne in Besitz einer Konzession zu sein.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger sei nicht spielsüchtig gewesen. Sie verfüge über eine maltesische Konzession und sei demnach im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 AUEV dazu berechtigt, Glücksspiele auch in Österreich anzubieten. Das österreichische Glücksspielrecht sei unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden. Schutz‑ und Sorgfaltspflichten habe sie nicht verletzt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht geschäftsunfähig gewesen, österreichisches Glücksspielrecht sei nicht anwendbar und die maltesischen Schutzbestimmungen hätten nicht zum Erfolg führen können, weil der Kläger deren Möglichkeiten in der Selbstbeschränkung überhaupt nicht wahrgenommen habe.
Das Berufungsgericht gab der Klage hingegen statt. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine einheitliche Rechtsprechung dazu bestehe, ob von der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes auszugehen sei oder weiterhin in jedem einzelnen von dieser Frage berührten Fall eine entsprechende Tatsachengrundlage geschaffen werden müsse.
Im Hinblick auf die jüngste Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs sei von der Rechtsbeständigkeit des Glücksspielgesetzes im hier relevanten Zeitraum auszugehen. Der Rückforderungsanspruch des Klägers resultiere im Hinblick auf die fehlende Konzession der Beklagten aus einem verbotenen Glücksspiel. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrags gezahlt worden sei, sei rückforderbar. Eine Rechtsgrundlage biete sowohl das Bereicherungs‑, als auch das Schadenersatzrecht, zumal der Eingriff ins Glücksspielmonopol auch eine Schutzgesetzverletzung bewirke.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Klageabweisung anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend, dass das Berufungsgericht – abgesehen von der von ihm erwähnten Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung – mehrere Rechtsfragen im Zusammenhang mit der unmittelbar anwendbaren, durch Art 56 AEUV gewährten Dienstleistungsfreiheit unrichtig gelöst und daher– auch mangels Schaffung einer ausreichenden Tatsachengrundlage – die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielrechts (Konzessionssystem) verkannt habe.
Das vorliegende Rechtsmittel bietet keinen Anlass, von der Rechtsprechung des Senats abzugehen, dass nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen im Sinn der Rechtsprechung des EuGH das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen Unionsrecht verstößt.
Der Senat hat auch in sämtlichen der Entscheidung 10 Ob 52/16v nachfolgenden Entscheidungen an dieser Rechtsprechung festgehalten. Aus einer einzelnen Entscheidung, die (im Hinblick auf die unterschiedliche Verfahrenskonstellation nur allenfalls) der neueren Judikatur des Obersten Gerichtshofs entgegensteht, kann eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung nicht abgeleitet werden (zuletzt 4 Ob 71/17w; vgl RIS‑Justiz RS0042668). Es ist vielmehr von einer gesicherten Rechtsprechung auszugehen (4 Ob 30/17s; 4 Ob 71/17w; 6 Ob 124/16b).
Im Übrigen orientiert sich die Rechtsprechung des Senats an der Judikatur des EuGH zu den Kriterien einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit des GSpG (vgl RIS‑Justiz RS0129945). Es besteht daher auch kein Anlass zur Einleitung eines (neuerlichen) Vorabentscheidungsverfahrens durch den Obersten Gerichtshof.
Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihm die Beklagte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß §§ 41, 50 ZPO zu ersetzen.
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