Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Am 6. November 1987 erschien im Auftrag des Beklagten im "Schwarzataler Bezirksboten" folgendes Inserat:
"Dr. Horst S*** gibt die Eröffnung seiner Praxis für Komplementärmedizin, Homöopathie, Chirotherapie, Neuraltherapie, Autogenes Training und Kuren bekannt. Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr. 2630 Bürg Nr. 2, Telefon 02630/63 23. Keine Kassen."
Seither betreibt der Beklagte diese Praxis. Er hat in ihrem Rahmen verschiedene Personen, unter anderem auch durch Handauflegen, behandelt. Er führt dabei den Titel "Ing. Dr. phil. of med.". Am 23. Juni 1988 erschien in derselben Zeitung ein weiteres
Inserat des Beklagten folgenden Inhalts:
"Selbstheilung durch die Natur (Augen-, Puls-, Zungendiagnose, Homöo-, Chiro- und Neuralpathie, Atemtechnik und Erdstrahlen). Wo?
Im WIFI Neunkirchen, Triester Straße. Zeit: 16., 23. und 30. Juni, jeweils von 19,30 bis 21,30. Veranstalter: Dr. S*** ...."
Der Beklagte führte diese Veranstaltungen auch durch. Der Beklagte ist zur Ausübung des Arztberufes (praktischer Arzt oder Facharzt) nicht berechtigt; er hat nicht das Doktorat der gesamten Heilkunde an einer inländischen Universität erworben und verfügt auch über kein gleichartiges, an einer ausländischen Universität erworbenes und in Österreich nostrifiziertes Doktorat. Zur Sicherung inhaltsgleicher Unterlassungsansprüche beantragt die klagende Ö*** Ä***, dem Beklagten mit
einstweiliger Verfügung zu verbieten, jegliche Heilbehandlung samt Diagnoseerstellung sowie Veranstaltungen über Heilbehandlungen samt Diagnoseerstellung ebenso wie Ankündigungen über derartige Tätigkeiten und Veranstaltungen durchzuführen sowie den Titel "Ing. Dr. phil. of med." zu führen. Der Beklagte habe die Eröffnung seiner Praxis öffentlich bekanntgegeben und die in einer weiteren Anzeige angekündigten Veranstaltungen über Heilbehandlungen durchgeführt; damit übe er, ohne Arzt zu sein, Tätigkeiten aus, die den Ärzten vorbehalten seien. Durch das Führen des Titels "Ing. Dr. phil. of med." erwecke der Beklagte beim angesprochenen Publikum auch den unrichtigen Eindruck, daß er Arzt sei. Der Beklagte hat sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung ausgesprochen. Er habe ein medizinisches Studium an einer Universität in Johannesburg/Südafrika absolviert und sei daher berechtigt, den Titel "Doktor der Homöopathischen Medizin" zu führen. Dieser Titel werde jedoch in Österreich nicht anerkannt; sein im Ausland erworbenes Doktorat sei in Österreich nicht nostrifiziert worden.
Das Erstgericht wies den auf ein Verbot jeglicher Heilbehandlung samt Diagnoseerstellung sowie des Führens der Titel "Ing." und "Dr. phil." gerichteten Teil des Sicherungsantrages wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück (ON 10). Für die Untersagung der Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit seien die Verwaltungsbehörden zuständig. Gemäß § 18 Abs 3 ÄrzteG sei zwar jede Bezeichnung oder Titelführung im allgemeinen Verkehr verboten, die geeignet ist, die Berechtigung zur Ausübung des Arztberufes oder einzelner Zweige dieses Berufes vorzutäuschen; die Titel "Ing." und "Dr. phil." seien aber nicht geeignet, eine derartige Täuschung herbeizuführen.
Mit einem weiteren Beschluß (0N 11) verbot das Erstgericht dem Beklagten, "Veranstaltungen über Heilbehandlung und Diagnoseerstellung, ebenso Ankündigungen über derartige Tätigkeiten und Veranstaltungen, durchzuführen sowie den Titel 'Dr. of med.' zu führen". Die Ankündigungen des Beklagten erweckten den Eindruck, daß er Mediziner sei und die Berechtigung zur Ausübung der in den Inseraten angekündigten Tätigkeiten habe; das Führen der Titel "Dr. of med." oder "Dr." im Zusammenhang mit Inseraten, in denen auf eine ärztliche Tätigkeit hingewiesen wird, sowie das Ankündigen und Durchführen solcher Tätigkeiten sei ihm daher zu untersagen gewesen. Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag zur Gänze statt und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,- und der Wert des gesamten Streitgegenstandes 300.000,- übersteige; es führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:
Die Ärztekammern seien gesetzliche berufliche Interessenvertretungen, denen die Klagelegitimation im Sinne des § 14 UWG zukomme. In den Wirkungsbereich der klagenden Ö*** Ä*** fielen gemäß § 83 Abs 1 ÄrzteG alle
Angelegenheiten, welche die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Kammerangehörigen von zwei oder mehr Ärztekammern berühren. Auch wenn der Beklagte seine Tätigkeit nur in einem einzigen Bundesland entfaltet habe, seien davon dennoch die gemeinsamen beruflichen und wirtschaftlichen Interessen aller Kammerangehörigen der Klägerin betroffen, weil es im Interesse der gesamten österreichischen Ärzteschaft liege, daß das ÄrzteG eingehalten werde. Im übrigen hätten gerade solche Personen, die unkonventionelle Behandlungs- und Heilmethoden anpreisen, Zulauf über die Grenzen eines Bundeslandes hinaus.
Die vom Beklagten im Rahmen seiner Ordination ausgeübte Heilbehandlung im Sinne des § 1 ÄrzteG sei gemäß § 2 ÄrzteG den praktischen Ärzten und den Fachärzten vorbehalten. Dadurch, daß der Beklagte derartige Tätigkeiten dauernd und planmäßig ausübe, ohne Arzt zu sein, verschaffe er sich einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern und verstoße damit auch gegen § 1 UWG. Über die sich aus § 1 UWG ergebende privatrechtliche Unterlassungsansprüche hätten - unbeschadet der in den verletzten Verwaltungsvorschriften enthaltenen Vollziehungsvorschriften und Zuständigkeitsanordnungen - die Gerichte zu entscheiden. Der Beklagte habe auch im geschäftlichen Verkehr gehandelt, sei doch darunter jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen. Wegen der Gleichartigkeit der Leistungen und des im wesentlichen gleichen Kundenkreises stünden die Angehörigen der Klägerin und der Beklagte auch in einem Wettbewerbsverhältnis. Während die Durchführung der Heilbehandlung und die Diagnoseerstellung durch den Beklagten gegen die guten Sitten verstoße, seien seine Veranstaltungen über Heilbehandlungsmethoden und Diagnoseerstellung sowie deren Ankündigung irreführend im Sinne des § 2 UWG, weil beim Publikum der unrichtige Eindruck erweckt werde, daß der Beklagte in Österreich zur Ausübung des Arztberufes berechtigt sei.
Der vom Beklagten verwendete Titel "Ing. Dr. phil. of med." sei in seiner Gesamtheit zu beurteilen und dürfe nicht in einzelne, vom Beklagten in dieser Form gar nicht verwendete Bestandteile aufgegliedert werden. Wenngleich die Bezeichnungen "Ing." und "Dr. phil." für sich allein noch nicht auf eine ärztliche Ausbildung ihres Trägers schließen ließen, entstehe dieser irreführende Eindruck doch durch den Zusatz "of med.". Welche ausländischen, in Österreich aber nicht anerkannten Berechtigungen der Beklagte in diesem Zusammenhang hat, sei unerheblich. Durch den gemeinsam mit diesem Titel mitunter verwendeten Zusatz "(SA)" habe der Beklagte nicht in ausreichender und für jedermann klar erkennbarer Weise aufgeklärt, daß es sich um einen im Ausland (Südafrika) erworbenen, in Österreich aber nicht anerkannten akademischen Titel handle. Gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag "die einstweilige Verfügung aufzuheben".
Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Der Beklagte beharrt in seinem Rechtsmittel auf der Rechtsansicht, daß die Ö*** Ä*** im Fall der Verletzung ausschließlich regionaler, nur die Ärzteschaft eines einzelnen Bundeslandes berührender berufsständischer Interessen nicht berechtigt sei, Unterlassungsansprüche nach dem UWG geltend zu machen. Die Untersagung der ärztlichen Berufsausübung stehe den ordentlichen Gerichten nicht zu. Zwischen den Mitgliedern der Klägerin und dem Beklagten bestehe mangels Gleichartigkeit des Kundenkreises und der Leistungen auch kein Wettbewerbsverhältnis. Die Bezeichnungen "Ing." und "Dr. phil." seien nicht geeignet, im Verkehr den Eindruck zu erwecken, daß ihr Träger zur Ausübung ärztlicher Tätigkeiten berechtigt sei. Diesen Ausführungen kann jedoch nicht beigepflichtet werden:
Die Entscheidung über die sich aus dem UWG ergebenden Unterlassungsansprüche obliegt den ordentlichen Gerichten (§ 1 JN); daß sich die Sittenwidrigkeit einer Wettbewerbshandlung erst aus der Verletzung einer Verwaltungsvorschrift ergibt und diese Vorschrift für den Fall ihrer Übertretung auch - von Verwaltungsbehörden wahrzunehmende - Straf- oder Untersagungsbestimmungen enthält, ändert daran nichts. Für den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch ist die Beurteilung, ob der Beklagte gegen eine Verwaltungsvorschrift verstoßen hat, nur eine Vorfrage (SZ 56/2; ÖBl 1977, 164). Die Beurteilung von Vorfragen obliegt den Zivilgerichten auch dann, wenn diese Fragen - selbständig gesehen - in den Entscheidungsbereich der Verwaltungsbehörden fallen würden (Fasching, LB Rz 94). Die Auffassung des Beklagten, daß der geltend gemachte Sicherungsanspruch nicht in die Kompetenz der Zivilgerichte falle, trifft daher nicht zu.
Die Aktivlegitimation der Ö*** Ä*** ist
gleichfalls gegeben, mag auch der Beklagte die beanstandeten Tätigkeiten (bisher) nur in Niederösterreich und damit im räumlichen Bereich nur einer Landeskammer vorgenommen haben. Gemäß § 14 UWG kann der sich (ua) aus § 1 und § 2 UWG ergebende Unterlassungsanspruch nicht nur von Mitbewerbern und den dort im einzelnen genannten Organisationen, sondern auch von Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern geltend gemacht werden, soweit diese Vereinigungen Interessen vertreten, die durch die Handlung berührt werden. Zur Standesvertretung berufene Körperschaften des öffentlichen Rechts, zu deren Wirkungsbereich die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Angehörigen gehört, sind im Rahmen ihrer im Gesetz festgelegten Zuständigkeit berechtigt, gemäß § 14 UWG auf Unterlassung zu klagen (Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rz 654.1). Die Ärztekammern sind gesetzliche berufliche Interessenvertretungen. Zur Vertretung des Ärztestandes ist für den räumlichen Bereich eines jeden Bundeslandes eine Ärztekammer errichtet; zur Vertretung der gemeinsamen Interessen aller österreichischen Ärzte ist die "Ö*** Ä***" am Sitz der Bundesregierung errichtet
(§ 37 Abs 1 ÄrzteG). In den Wirkungsbereich der Ö*** Ä*** fallen gemäß § 83 Abs 1 ÄrzteG alle Angelegenheiten, welche die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Kammerangehörigen zweier oder mehrerer Ärztekammern berühren. Es liegt aber, wie bereits das Rekursgericht richtig erkannt hat, im beruflichen Interesse aller österreichischen Ärzte, daß die Bestimmungen über die Voraussetzungen zur Ausübung des Arztberufes in ganz Österreich eingehalten und Verstöße dagegen verfolgt werden; dieses Interesse erfährt auch dadurch, daß ein Verstoß gegen diese Vorschriften nur in einem einzigen Bundesland begangen wurde, keine Einschränkung. Mit Recht hat daher das Rekursgericht die Klageberechtigung der Ö*** Ä***
bejaht.
Die vom Beklagten angekündigten und ausgeübten Tätigkeiten sind ärztliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1, 3 und 7 ÄrzteG, die gemäß § 2 Abs 1 ÄrzteG ausschließlich den praktischen Ärzten und den Fachärzten vorbehalten sind. Der Beklagte stellt gar nicht in Abrede, daß er über die in § 3 ÄrzteG für die Ausübung des Arztberufes vorgesehenen Qualifikationen nicht verfügt; ein Verstoß gegen diesen "Ärztevorbehalt" liegt daher vor. Nach ständiger Rechtsprechung begründet aber eine dem Beklagten subjektiv vorwerfbare, in der Absicht, im Wettbewerb einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, begangene Gesetzesverletzung immer auch einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG (MR 1988, 164 uva).
Der Revisionsrekurs zieht in diesem Zusammenhang nur das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedern der Klägerin und dem Beklagten in Zweifel. Ein Wettbewerbsverhältnis ist aber immer dann anzunehmen, wenn sich die Teilnehmer am Wettbewerb an einen im wesentlichen gleichen Abnehmerkreis wenden; entscheidend ist daher die Gleichartigkeit des Kundenkreises (SZ 18/82; SZ 43/195; SZ 54/77; ÖBl 1987, 50). Daß diese Voraussetzung im vorliegenden Fall fehle, weil sich der Beklagte mit seinem Leistungsangebot nur an Personen wendet, die der sogenannten "traditionellen Medizin" nicht (mehr) folgen wollen, kann aber keinesfalls gesagt werden. Der Beklagte tritt im geschäftlichen Verkehr wie ein Arzt auf und bietet seine Dienstleistungen ohne jede Einschränkung in bezug auf den Kundenkreis an. Eine wirksame Beschränkung eines solchen Angebotes auf Personen, die praktische Ärzte oder Fachärzte nicht mehr aufsuchen wollen, wäre im übrigen auch gar nicht möglich. Ein gleichartiger Kundenkreis ist aber in der Regel nicht nur dann anzunehmen, wenn gleiche Waren oder Leistungen angeboten werden; auch das Angebot substitutionsfähiger Güter oder Leistungen kann ein Wettbewerbsverhältnis begründen (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 28). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist im vorliegenden Fall von einem im wesentlichen gleichen Kundenkreis der Angehörigen der Klägerin und des Beklagten auszugehen, weil die von den Angehörigen der Klägerin und die vom Beklagten erbrachten Leistungen - ungeachtet der Verschiedenheit der dabei eingesetzten Mittel - in gleicher Weise der Erkennung und Behandlung von Krankheiten dienen (sollen).
Dem Rekursgericht ist auch darin beizupflichten, daß bei der Beurteilung der Eignung eines Titels zur Irreführung über die Befugnis seines Trägers zur Ausübung bestimmter Berufe keine zergliedernde Betrachtung seiner einzelnen Bestandteile vorgenommen werden darf; entscheidend ist vielmehr auch hier immer der Gesamteindruck (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 24; ÖBl 1986, 159 uva). Wenngleich aber im allgemeinen mit den Titeln "Ing." und "Dr. phil." nicht die Vorstellung verbunden wird, daß der Träger zur Ausübung des Arztberufes berechtigt sei, so entsteht dieser Eindruck im vorliegenden Fall doch durch die Zusammenfassung dieser Titel ("Ing." und "Dr. phil.") mit dem auf den Arztberuf hinweisenden Zusatz "of med.".
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich in Ansehung der Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 ZPO, in Ansehung der Kosten des Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.
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