Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag, zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf Unterlassung dem Beklagten ab sofort und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterlassungsbegehren zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr mit Internetdienstleistungen zu unterlassen, INET als Internet-Adresse, insbesondere als inet.at, mit oder ohne Content, oder als E-Mail-Adresse, zu verwenden, abgewiesen wird.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Beklagten die mit 3.961,60 EUR bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen (darin 660,26 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die im Jahre 1991 gegründete Erstklägerin führt seit Jänner 1999 in ihrer Firma das Wort "INET". Sie ist auch Inhaberin der für die Klassen 35, 38 und 42 eingetragenen Wortmarke INET, deren Schutzdauer mit 20. 12. 2000 begann. Die am 24. 3. 2000 im Firmenbuch eingetragene Zweitklägerin tritt seit ihrer Gründung im geschäftlichen Verkehr unter dem Firmenschlagwort INET auf. Die Erstklägerin hat der Zweitklägerin die Wortmarke INET zur Nutzung überlassen.
Der Beklagte betreibt unter der Unternehmensbezeichnung "Dr. B*****" ein Softwareunternehmen. Er besitzt seit Jahren (jedenfalls schon vor 1999) die Internetadresse www.inet.at , hat jedoch auf dieser Netzseite bis Anfang Oktober 2001 keine Waren- oder Dienstleistungen angeboten oder beworben, sodass auch kein einziger Kundenkontakt über diese Seite zustande kommen konnte. Bis Anfang Oktober war auf dieser Seite im Internet nichts zu sehen. Erstmals seit Oktober 2001 benützt der Beklagte diese Internetseite zur Ankündigung von Webhosting.
Mit der Behauptung, dass der Beklagte mangels Benützung seines Domainnamens keinen kennzeichenmäßigen Schutz erlangt habe, begehren die Klägerinnen unter Berufung auf ihr Kennzeichenrecht zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Internetdienstleistungen INET als Internetadresse, insbesondere als inet.at, mit oder ohne Content, oder als E-Mail-Adresse, zu verwenden. An der Branchenidentität und Gleichartigkeit der Dienstleistungen der Streitteile könne kein Zweifel bestehen. "INET" sei für Internetdienstleistungen einschließlich Webhosting unterscheidungskräftig. Es bestehe daher Verwechslungsgefahr. Da der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen die Bezeichnung INET bis Oktober 2001 nicht kennzeichenmäßig verwendet habe, habe er keinen kennzeichenrechtlichen Schutz für seine Domain erlangt. Diese Domain sei den Klägerinnen zu der Zeit, als sie begannen, INET zu verwenden, nicht bekannt gewesen.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Er habe die Internetadresse www.inet.at schon zu Jahresanfang 1997 erworben und auch durchgehend benützt, und zwar einerseits zu Umleitungen und Bearbeitungen von E-Mail-Sendungen von Kunden und andererseits zum Betrieb eines virtuellen privaten Netzwerkes (VPN). Dieses sei von außen nicht sichtbar, allerdings gleichfalls mit der Bezeichnung inet.at aufgebaut. Er habe unter www.inet.at niemals Waren, Informationen oder Sonstiges angeboten oder beworben, sodass kein einziger Kundenkontakt über diese Seite zustande gekommen sei. Bis vor kurzem sei unter dieser Adresse nichts zu sehen gewesen. Der Begriff "INET" sei eine allgemein gebräuchliche und für jedermann erkennbare Abkürzung für das Internet; der Begriff sei daher nicht kennzeichnungskräftig und mangels Verkehrsgeltungsnachweises auch nicht schutzfähig. Die Klägerinnen hätten auch nicht behauptet, ihre Marken zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen. Auch bestehe nicht die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Streitteilen. Die Klägerinnen strebten offenbar die vom Beklagten eingenommene Rechtsposition bzw seine Domain unzulässigerweise an.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Der Beklagte biete seit Anfang Oktober 2001 über seine Internetadresse Webhosting an, somit Dienstleistungen, die auch die Klägerinnen anböten, und zwar solche, die in den Rahmen jener Klassen fielen, für welche die Marke der Erstklägerin eingetragen sei. Vor Anfang Oktober 2001 habe der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen die in Rede stehende Internetadresse nicht kennzeichenmäßig benützt, sodass er hieran keine Kennzeichenrechte habe erwerben können. Ein gutgläubiges Vorbenützungsrecht des Beklagten an der zu Gunsten der Erstklägerin eingetragenen Marke liege daher nicht vor. Ein Hinweis auf einen sittenwidrigen Markenrechtserwerb durch die Erstklägerin sei nicht zu erkennen. Der Beklagte habe somit seit Anfang Oktober 2001 die Markenrechte der Klägerinnen verletzt.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, die mit dem Vorbringen des Beklagten übereinstimmten, reichten zur rechtlichen Beurteilung aus. Da im vorliegenden Fall beide Streitteile Internetdienstleistungen anbieten, könne von einer die Verwechslungsgefahr ausschließenden durchgreifenden Waren- und Branchenverschiedenheit keine Rede sein. Welche Dienstleistungen die Parteien im Einzelnen innerhalb ihrer Internettätigkeit anbieten, sei ohne Belang. Es komme auch nicht darauf an, ob die Klägerinnen unter ihrer Marke bereits Dienstleistungen erbracht hätten, weil die Schutzfrist der Marke erst im Jahre 2000 begonnen habe und daher der Löschungstatbestand des § 33a Abs 1 MSchG nicht verwirklicht sein könne. Die bloße Registrierung eines Zeichens als Internetdomain sei regelmäßig keine Benützung eines Zeichens im Sinn des § 10a MSchG. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine Benützung im Sinn dieser Bestimmung vorliege und ob dadurch Verwechslungsgefahr nach § 10 Abs 1 Z 2 MSchG begründet werde, sei der Inhalt der Website, die unter der Domain in das Internet gestellt werde. Die Nutzung einer Domain für "von außen nicht sichtbare" technische Kommunikationsdienstleistungen und die gleichartige Nutzung als Bestandteil von E-Mail-Adressen von Kunden könne nicht als kennzeichenmäßiger Gebrauch gewertet werden. Der Beklagte habe daher an der Domain www.internet.at keine Kennzeichenrechte erwerben können. Es bedürfe deshalb auch keiner Feststellung näherer Einzelheiten der vom Beklagten vor Oktober 2001 betriebenen Nutzung seiner Domain. "INET" sei auch nicht rein beschreibend, sondern eine relative Fantasiebezeichnung, die auch ohne Verkehrsgeltungsnachweis markenrechtlichen Schutz genieße. Die von den Klägerinnen erbrachten Dienstleistungen würden mit diesem Zeichen nur angedeutet, ohne dass diese damit bereits in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar bezeichnet würden; jedenfalls seien noch weitere Überlegungen und Schlussfolgerungen über die mit dieser Buchstabenverbindung gewollte oder erzielte Aussage erforderlich. Daran ändere auch nichts, dass - wie der Beklagte behaupte - bei Eingabe des strittigen Zeichens in Suchmaschinen des Internets sehr viele Treffer erzielt würden. Nach dem festgestellten Sachverhalt könne den Klägerinnen auch kein sittenwidriger Markenrechtserwerb vorgeworfen werden, weil nicht erklärlich sei, warum die Klägerinnen die Wahl des Firmenwortlauts und die Markenregistrierung in der Absicht vorgenommen haben sollten, gegen den Willen des Beklagten die von diesem registrierte, nach dem äußeren Anschein aber gar nicht benützte Domain www.inet.at zu erlangen. Es bedürfe auch nicht der Auferlegung einer Sicherheit gemäß § 390 EO, weil der Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt habe, welche konkreten Kosten mit den im Fall der Erlassung der einstweiligen Verfügung notwendigen technischen Adaptierungen tatsächlich verbunden seien und inwieweit überhaupt bei entsprechenden technischen Maßnahmen Schäden für seine Kunden eintreten könnten.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; er ist auch berechtigt.
Das Kennzeichenrecht ist vom Prioritätsgrundsatz beherrscht, dh, dass beim Zusammentreffen mehrerer Schutzrechte stets der Zeitvorrang (die Priorität) entscheidet (Hohenecker/Friedl, Wettbewerbsrecht53; Koppensteiner, Österreichisches und Europäisches Wettbewerbsrecht3 § 29 Rz 69; Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht3, 36; ÖBl 1995, 159 - Slender you mwN).
Im vorliegenden Fall berufen sich die Klägerinnen auf Kennzeichenrechte, die sie als Firma seit 1999 (Erstklägerin) und 2000 (Zweitklägerin) und als Marke seit 2000 besitzen. Unstrittig ist, dass die beanstandete Domain für den Beklagten schon vor 1999 registriert worden war. Entscheidend ist daher, wovon der für das Kennzeichenrecht maßgebliche Rechtserwerb im Fall einer Domain abhängt:
Der für die Priorität maßgebende Zeitpunkt ist für die verschiedenen Kennzeichen unterschiedlich. Je nach der Art des Zeichens kommt es entweder auf den Zeitpunkt der (befugten) Ingebrauchnahme, der Registrierung oder Anmeldung oder des Erlangens von Verkehrsgeltung an (Hohenecker/Friedl aaO 54; Koppensteiner aaO; Fitz/Gamerith aaO). So entsteht etwa das Recht an der Firma, soweit die Eintragung im Firmenbuch zur Begründung der Kaufmannseigenschaft führt (§§ 2, 3 HGB), mit der Registrierung; der Schutz registrierter Marken entsteht gleichfalls mit dem Tag der Eintragung (§ 19 Abs 1 MSchG), wenngleich er auf den Tag der Anmeldung zurückwirkt (§ 23 Abs 1 MSchG). Das Recht an der besonderen Bezeichnung eines Unternehmens oder Druckwerks entsteht hingegen mit der Aufnahme des kennzeichenmäßigen Gebrauchs, soweit das Zeichen unterscheidungskräftig ist. Andernfalls entsteht das Recht - so wie bei den Ausstattungen nach § 9 Abs 3 UWG - erst mit dem Erlangen der Verkehrsgeltung (Fitz/Gamerith aaO). Mangels einer dem § 19 Abs 1 Satz 1 MSchG entsprechenden Regelung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das mit einer Domain verbundene Kennzeichenrecht bereits mit der Registrierung durch die zuständige Vergabestelle entstünde. Hier muss es darauf ankommen, wann das Zeichen in Gebrauch genommen wird.
Ob schon in der bloßen Registrierung einer Domain eine kennzeichenmäßige Benützung des als Second-level-Domain gebrauchten Begriffs im Sinn des § 10a Z 4 MSchG liegt, wird in Schrifttum und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Nach ganz herrschender Meinung in der Bundesrepublik Deutschland (Nachweise bei Thiele, Internet-Domain-Namen und Wettbewerbsrecht, in Gruber/Mader, Internet und e-Commerce 75 [83 FN 35]; Viefhues in Hoeren/Sieber, Handbuch des Multimediarechts Teil 6 Rz 71 ff; Marwitz, Domainrecht schlägt Kennzeichenrecht2, WRP 2001, 9; aM OLG Karlsruhe, ZUM-RD 351) und Österreich (Mayer-Schönberger/Hauer, Kennzeichenrecht & Internet-Domain-Namen, ecolex 1997, 947 [950]; Höhne, Zum Stand der Domain-Judikatur des OGH, MR 2000, 356 [359 f]; Thiele aaO; derselbe in wbl 2001, 339) ist bei den Domains schon die Registrierung als Gebrauch anzusehen, weil damit schon eine Sperrwirkung erzielt wird und die Gefahr einer Verwechslung des - jederzeit abzufragenden - Domainnamens mit einem anderen Zeichen herbeigeführt werden kann.
Der erkennende Senat hat einerseits ausgesprochen, dass derjenige, der eine Domain registrieren lässt, damit im geschäftlichen Verkehr im Sinn des § 1 UWG handelt (ÖBl 1999, 225 - Jusline II), und andererseits - ohne dass dies entscheidungswesentlich gewesen wäre - ausgeführt, dass die bloße Registrierung einer Domain regelmäßig keine Benützung eines Zeichens im Sinn des § 10a Z 2 und 4 MSchG sei (4 Ob 327/00t - cyta.at = MR 2001, 194 [Pilz] = wbl 2001, 337 [Thiele] = ecolex 2001, 546 [Schanda] = ÖBl 2001, 225 [Kurz]).
Ob diese Auffassung aufrecht erhalten werden kann, braucht diesmal nicht näher untersucht zu werden. Nach den von der Klägerin, welche noch in erster Instanz auf das Vorbringen der Beklagten erwidert hat (ON 5), nicht bestrittenen und damit schlüssig zugestandenen (§ 267 ZPO; SZ 55/116 ua) Behauptungen des Beklagten hat dieser den beanstandeten Domainnamen von der Registrierung an - und damit schon vor dem Erwerb des Zeichens INET durch die Klägerinnen - ohnehin, und zwar auf die Weise benützt, welche regelmäßig die erste Nutzungsart einer Domain bildet (Thiele, JBl 2001, 339 rechte Spalte), nämlich als E-Mail-Adresse (und darüber hinaus für ein virtuelles privates Netzwerk). Demnach hat der Beklagte für seine Kunden Mail-Dienste eingeräumt, bei welchen die an den Kunden gerichtete E-Mail zuerst beim Beklagten eingeht und dann - nach bestimmter Prüfung - an den Kunden weitergeleitet wird. Dabei wird - was jedenfalls jeder Kunde weiß - das Zeichen "inet.at" als E-Mail-Adresse verwendet. Manche Kunden des Beklagten gebrauchen nach dessen auch insoweit unbestritten gebliebener Behauptung als Zusatzservice das Zeichen inet.at als "Alias-Adresse". Ob jemand, der einem Kunden des Beklagten eine E-Mail senden will, das DNS (Domain-Name-System) abfragt, indem er "firmenname.at" eingibt, und dann als Adresse für die Mail-Zustellung an diesen Kunden eine mit dem Zusatz inet.at mitgeteilt erhält (Beklagter S 16) oder ob - wie die Klägerinnen meinen (S 49) - die an die Mail-Adresse des Kunden gerichtete E-Mail unmittelbar, ohne dass dies nach außen in Erscheinung tritt, auf "inet.at" weitergeleitet wird, ist ohne rechtliche Bedeutung, weil jedenfalls den Kunden des Beklagten gegenüber dessen Dienstleistung erkennbar unter dem Zeichen "inet.at" erbracht wird.
Internetdomains besitzen als Adressen von Websites oder E-Mails eine kennzeichnende Funktion (Thiele in Gruber/Mader aaO 83). Der Beklagte benützt nach dem Gesagten dieses Zeichen bei Erbringung seiner Internet-Dienstleistungen. Ganz abgesehen davon, dass § 10a MSchG keine vollständige Aufzählung der möglichen Arten der Benützung eines Zeichens enthält, kann die hier vorliegende Nutzungsart dessen Z 2 unterstellt werden.
Hat aber der Beklagte schon früher als die Klägerinnen das Zeichen INET kennzeichenmäßig gebraucht, dann ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu verneinen, ohne dass auf die anderen Einwendungen eingegangen zu werden braucht.
Aus diesen Erwägungen waren in Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Sicherungsantrag abgewiesen wird.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 52 ZPO, in Ansehung des Rechtsmittelverfahrens auch noch iVm § 50 ZPO.
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