European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129684
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Parteien waren jeweils Hälfteeigentümer einer Liegenschaft samt darauf errichtetem, bei einem Brand schwer beschädigten Einfamilienhaus. Der Antragsteller begehrte die Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin zu näher umschriebenen Sanierungsarbeiten.
[2] Das Erstgericht wies den Antrag im Hinblick auf den im Zeitpunkt seiner Entscheidung unmittelbar bevorstehenden Eigentumsverlust der Antragsgegnerin infolge eines vom Antragsteller gegen sie geführten Zwangsversteigerungsverfahrens ab.
[3] Das Rekursgericht wies den Rekurs des Antragstellers wegen Wegfalls der Beschwer zurück, weil die Antragsgegnerin mittlerweile ihr Miteigentum an der Liegenschaft durch die Zuschlagserteilung an zwei Ersteher ihres Hälfteanteils verloren habe.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher zurückzuweisen.
[5] Dem Argument des Rekursgerichts, der Antragsteller sei durch die abweisende erstgerichtliche Entscheidung nicht mehr beschwert, weil die Antragsgegnerin nicht mehr Miteigentümerin der Liegenschaft sei, liegt ersichtlich die Auffassung zugrunde, dass aufgrund dieses Eigentümerwechsels auch eine stattgebende Entscheidung die Rechtsposition des Antragstellers nicht mehr verbessern könnte. Diese Rechtsansicht stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:
[6] 1.1. Dem Außerstreitverfahren ist grundsätzlich – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – die Bestimmung des § 234 ZPO, der anordnet, dass die Veräußerung einer streitverfangenen Sache (oder Forderung) auf den Prozess keinen Einfluss hat, fremd; ein Wechsel in der Parteistellung vor der Entscheidung erster Instanz ist daher zu beachten (RS0005764). Das gilt insbesondere auch in Verfahren nach den §§ 834 ff ABGB (RS0005771).
[7] 1.2. Der Grund für die Unanwendbarkeit des § 234 ZPO, der gegen die Vereitelung des Verfahrenserfolgs durch eine Verfügung über den Verfahrensgegenstand während des Verfahrens schützen soll, liegt darin, dass in den betreffenden außerstreitigen Verfahren ohnehin die Verpflichtung des Richters besteht, von Amts wegen jederzeit alle Personen, deren Rechte durch die Entscheidung betroffen werden, auch noch im Laufe des Verfahrens in dieses einzubeziehen (9 Ob 8/16s mwN).
[8] 2. In einem solchen Fall scheidet der frühere (Mit‑)Eigentümer aus dem Verfahren aus und der Erwerber tritt in dieses ein (vgl RS0083019 [T2] zum wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 WEG), ist also vom Erstgericht – auch amtswegig – beizuziehen (RS0083185).
[9] 3. Nach der Rechtsprechung ist in einem Verfahren nach den §§ 834 ff ABGB der Eigentumsstand im Zeitpunkt der Sachentscheidung erster Instanz maßgebend (9 Ob 8/16s mwN). Im vorliegenden Fall trat der – auf die (Rechtskraft der) Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren und den damit einhergehenden originären Eigentumserwerb der Ersteher zurückzuführende – Verlust der Miteigentümerstellung der Antragsgegnerin allerdings erst nach der Entscheidung des Erstgerichts (und nach Erhebung des Rekurses durch den Antragsteller) ein, sodass eine Einbeziehung der Ersteher in das erstinstanzliche Verfahren – also mit der rechtlichen Möglichkeit, selbst Tatsachenvorbringen zur vom Erstgericht vorzunehmenden Interessenabwägung zu erstatten – nicht mehr möglich war.
[10] 4.1. Ob der Antragsteller, wie vom Rekursgericht angenommen, aufgrund der nach der erstinstanzlichen Entscheidung erfolgten Zuschlagserteilung durch die Abweisung seines Antrags nicht mehr beschwert ist, hängt entscheidend davon ab, ob eine dem Antrag stattgebende Entscheidung auch die Ersteher des Miteigentumsanteils der Antragsgegnerin binden würde; ist das nämlich nicht der Fall, ist es für die Rechtsposition des Antragstellers ohne Bedeutung, wie über seinen Antrag entschieden wurde, weil er dann – mangels Einigung mit den neuen Miteigentümern – jedenfalls einen neuen Antrag gegen diese stellen müsste.
[11] 4.2. Der vom Antragsteller in diesem Zusammenhang erblickte Widerspruch zwischen der Rechtsprechung, wonach der Eigentumsstand im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz relevant ist, und jener, wonach die Beschwer des Rechtsmittelwerbers auch noch bei der Entscheidung über das Rechtsmittel bestehen muss, liegt in Wahrheit nicht vor, weil es dabei um zwei von einander getrennt zu beurteilende Fragen geht. Zu einem nachträglichen Wegfall der Beschwer (die sowohl bei Erhebung des Rechtsmittels als auch noch bei der Entscheidung darüber bestehen muss, vgl RS0041770) kann es nämlich definitionsgemäß erst nach der Entscheidung erster Instanz (bzw im Zivilprozess nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) kommen.
[12] 5.1. Die Wirkungen der materiellen Rechtskraft erfassen nach ihren subjektiven Grenzen neben den Prozessparteien selbst (und bestimmten anderen Personen, auf die ein Gesetz die Entscheidungswirkungen erstreckt) auch die Rechtsnachfolger der Parteien (RS0107340 [T5]), und zwar sowohl Einzel‑ als auch Gesamtrechtsnachfolger (RS0042580).
[13] 5.2. Der Zuschlag in der Zwangsversteigerung bewirkt jedoch gerade keine (Einzel‑ oder Gesamt‑)Rechtsnachfolge, sondern vielmehr einen originären Eigentumserwerb des Erstehers (RS0002863 [T5], RS0003375). Für den Umfang seines Eigentumserwerbs ist in erster Linie der Inhalt der Versteigerungsbedingungen und des Versteigerungsedikts maßgebend (RS0002739 [T5]). Lediglich offenkundige, jedoch nicht verbücherte Servituten sind vom Ersteher zu übernehmen, allerdings grundsätzlich – außer im Fall dolosen und daher sittenwidrigen Zusammenwirkens zwischen dem Verpflichteten und dem Ersteher mit dem Ziel, den nur obligatorisch Berechtigten um seine Rechte zu bringen (8 Ob 547/93 = RS0003064 [T2]) – nur dann, wenn sie bereits ersessen sind (RS0003064 [T3]). In obligatorische Rechtsverhältnisse tritt der Ersteher hingegen nur kraft gesetzlicher Anordnung ein (vgl § 1121 ABGB, § 153a EO, § 73 VersVG).
[14] 6. Somit hätte die vom Antragsteller mit seinem Rekurs angestrebte Stattgebung seines Sachantrags durch das Rekursgericht keine rechtliche Wirkung gegenüber den Erstehern des Hälfteanteils der Antragsgegnerin entfaltet.
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