OGH 3Ob82/17f

OGH3Ob82/17f7.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH *****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Dr. Wolf Stumpp, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. R***** GmbH, 2. J*****, beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 293.473,93 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. März 2017, GZ 6 R 38/17a‑14, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 31. Jänner 2017, GZ 2 Cg 61/16x‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00082.17F.0607.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Die Klägerin, ein Dachdecker-Meisterbetrieb, errichtete in den Jahren 2000/2001 über Auftrag einer Generalunternehmerin die Dachkonstruktion eines Lebensmitteldiskontmarkts in Deutschland. Die Rechtsvorgängerin der Erstbeklagten (im Folgenden: Erstbeklagte) konstruierte und lieferte als „System-Lieferant“ im Auftrag der Klägerin die vor Ort zu montierenden Dachbauteile. Der Zweitbeklagte ist der persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten.

Gemäß Punkt 12 der von der Klägerin firmenmäßig gegengezeichneten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen (im Folgenden: AGB) der Erstbeklagten findet auf das Vertragsverhältnis ausschließlich österreichisches Recht (mit Ausnahme des UN‑Kaufrechts) Anwendung. Nach Punkt 11.1 der AGB der Erstbeklagten haftet sie für Schadenersatzansprüche ua wegen mangelhafter Lieferung nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Punkt 11.2 der AGB lautet: „Schadenersatzansprüche umfassen in jedem Fall nur die reine Schadensbehebung, nicht aber auch Folgeschäden und entgangenen Gewinn. [...]“.

Am 7. Februar 2006 stürzte das Dach des Lebensmittelmarkts teilweise ein. Ursache dafür war, dass der Firstknoten des Dachs durch den von der Erstbeklagten beauftragten Statiker nicht berechnet und nicht fachgerecht geplant und deshalb nicht fachgerecht errichtet wurde.

Die Generalunternehmerin machte im Jahr 2006 vor dem Landgericht Traunstein zu 1 O 4187/06 Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin geltend. Die Erstbeklagte und der Statiker traten diesem Verfahren auf Seiten der (hier) Klägerin als Streithelfer bei.

Mit Teil-Grund- und Teil-Endurteil vom 24. April 2008 sprach das Landgericht Traunstein aus, dass der Anspruch der Generalunternehmerin gegen die (hier) Klägerin auf Ersatz ihres Schadens sowie der Mängelbeseitigungskosten wegen des Einsturzes des Verbrauchermarktgebäudes begründet ist, und stellte fest, dass die Klägerin zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden aus dem Schadenereignis vom 7. Februar 2006 verpflichtet ist. Der Einsturz des Hallendachs sei durch den nicht geplanten und nicht fachgerecht ausgeführten Firstknoten verursacht worden. Das Verschulden daran treffe zwar nicht die (hier) Klägerin, sondern die (hier) Erstbeklagte, für deren Verschulden habe die (hier) Klägerin aber einzustehen. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht München als Berufungsgericht bestätigt.

Am 23. November 2010 brachten die Klägerin (als dortige Erstklägerin) und ihre Betriebshaftpflichtversichererin (als Zweitklägerin) beim Landesgericht Wels zu 26 Cg 235/10b gegen die Rechtsvorgängerin der (auch) hier Erstbeklagten (eine GmbH und Co KG), als Erstbeklagte, die Komplementär-GmbH als Zweitbeklagte und den hier Zweitbeklagten (Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH) als dort Drittbeklagten eine Klage ein, die (unter anderem) auf Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden gerichtet war, welche den dortigen Klägerinnen aufgrund des Einsturzes der Dachkonstruktion des Lebensmittelmarkts am 7. Februar 2006 entstehen werden. In diesem Verfahren gab das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht mit Urteil vom 29. Oktober 2014, 3 R 101/14i-64, dem Feststellungsbegehren in teilweiser Abänderung des erstgerichtlichen Urteils statt und sprach aus, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche – im Fall der Zweitklägerin infolge Zahlung auf sie übergehenden – Regressansprüche haften, die den Klägern aufgrund des Einsturzes der Dachkonstruktion des Netto-Verbrauchermarkts am 7. Februar 2006 entstehen werden, dies jedoch nur innerhalb der vertraglichen Haftungsbegrenzung des Punktes 11.2 der AGB der Erstbeklagten. Nach ständiger Rechtsprechung sei Voraussetzung für das Entstehen des Regressanspruchs des Geschäftsherrn gemäß § 1313 Satz 2 ABGB nicht der Schadenseintritt oder die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, sondern die Zahlung des Regressberechtigten an den Dritten. Das Verfahren der Generalunternehmerin gegen die Erstklägerin vor dem Landgericht Traunstein zur Anspruchshöhe sei noch nicht abgeschlossen, sodass der Regressanspruch der Erstklägerin noch nicht entstanden sei. Da die Beklagten ihre Haftung bestritten, sei das Feststellungsinteresse der Klägerinnen zu bejahen. Die in Punkt 11.2 der dem Rechtsgeschäft zwischen der Erstklägerin und der Erstbeklagten zugrunde liegenden AGB enthaltene Einschränkung der Ersatzpflicht auf „reine Schadensbehebung, nicht aber auch Folgeschäden und entgangenen Gewinn“ sei wirksam, sodass sie im Spruch ihren Niederschlag zu finden habe. Die Erstbeklagte habe grob fahrlässig gehandelt, während der Erstklägerin kein Mitverschulden am Dacheinsturz anzulasten sei.

Der Oberste Gerichtshof wies mit Beschluss vom 18. März 2015, 3 Ob 234/14d, die außerordentlichen Revisionen beider Streitteile gegen dieses Berufungsurteil mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin, die sich gegen die Aufnahme der vertraglichen Haftungsbegrenzung gemäß Punkt 11.2 der AGB in den Urteilsspruch wendete, wurde (im Hinblick darauf, dass ein Unternehmergeschäft vorliege und kein gänzlicher Haftungsausschluss, sondern eine Haftungsbegrenzung auf den positiven Schaden vorgesehen sei) ausgeführt, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klausel sei nicht sittenwidrig, im Einzelfall durchaus vertretbar sei.

Das im Verfahren vor dem Landgericht Traunstein (1 O 4187/06) ergangene Schlussurteil vom 3. Juli 2014 wurde vom Oberlandesgericht München als Berufungsgericht mit Endurteil vom 25. November 2015, 13 U 2886/14, dahin abgeändert, dass die (hier) Klägerin zur Zahlung von 471.967,93 EUR samt Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 456.145,73 EUR seit 23. September 2006, aus weiteren 5.232,60 EUR seit 8. Dezember 2006, aus weiteren 8.809,40 EUR seit 25. Juli 2007 und aus weiteren 1.780,20 EUR seit 20. April 2010 sowie zum Kostenersatz in Höhe von 3.741,40 EUR verpflichtet wurde. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Aus der Begründung dieses Urteils (Beilage ./E) ergibt sich, dass die (hier) Klägerin mit dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Traunstein zur Leistung von insgesamt 473.653,72 EUR sA verpflichtet worden war und dass sich der vom Oberlandesgericht München zugesprochene (etwas geringere) Betrag aus folgenden Schadenspositionen zusammensetzt (Nummerierung wie im genannten Berufungsurteil):

1. Kosten des Wiederaufbaus des Supermarktgebäudes von 332.449,15 EUR;

2. Kosten des Abrisses des Dachs von 21.000 EUR;

3. Kosten des Saugbaggereinsatzes (für das Absaugen des Dachs) von 25.542 EUR;

4. Kosten der erforderlichen Abstellung der Heizung in Höhe von 233 EUR;

5. Kosten der Abdeckung der Wärmedämmung in Höhe von 1.276,73 EUR;

6. Kosten der Entsorgung von 1,5 m³ Bauschutt in Höhe von 9 EUR;

7. Kosten der Entsorgung des Dachs des Verkaufsraums in Höhe von 7.784,70 EUR;

8. Kosten der Entsorgung von 10 m³ Bauschutt in Höhe von 500 EUR;

9. Gebühren für eine erforderliche Straßensperrung in Höhe von 25 EUR;

10. Kosten der Einrichtung von zwei Baustellen-WCs in Höhe von 70 EUR;

11. Kosten der (vom zuständigen Landratsamt zur Vermeidung von Plünderungen angeordneten) Bewachung der Baustelle in Höhe von 5.385 EUR;

12. Kosten des Feuerwehr-Katastropheneinsatzes in Höhe von 7.821,24 EUR;

13. Kosten des Katastropheneinsatzes des Technischen Hilfswerks (THW) in Höhe von 4.711,79 EUR;

14. bis 16. Mietausfallschaden (weil der Supermarkt vom 7. Februar bis zum 5. Juli 2006 nicht nutzbar war und deshalb keine Miete gezahlt wurde) in Höhe von 51.525,62 EUR;

17. von der (dortigen) Klägerin erstattete (außergerichtliche) Rechtsanwaltskosten der Eigentümer des Supermarkts in Höhe von 3.045,10 EUR;

18. im Zusammenhang mit der Regelung der Ansprüche der Geschädigten (Eigentümer) aufgelaufene (außergerichtliche) Rechtsanwaltskosten der (dortigen) Klägerin in Höhe von 8.809,40 EUR;

19. von der (dortigen) Klägerin beglichene Kosten des vorgelagerten Beweissicherungsverfahrens des Landgerichts Traunstein (1 OH 509/06) in Höhe von 1.780,20 EUR.

Insgesamt habe die (dortige) Klägerin also einen Anspruch in Höhe von 471.967,93 EUR. Außerdem habe die (dort) Beklagte [= hier Klägerin] ihr die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 3.741,40 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen. Der vorprozessual eingemahnte (Teil-)Betrag von 456.145,73 EUR sei seit dem 23. September 2006 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Die weiteren zugesprochenen 5.232,60 EUR (= Differenz zwischen dem vorprozessual eingemahnten und dem ursprünglich eingeklagten Betrag) seien erst seit Zustellung der Klage (7. Dezember 2006) zu verzinsen. Der weiters zugesprochene Betrag sei jeweils ab der entsprechenden Klageausdehnung (Juli 2007 bzw April 2010) zu verzinsen.

Bereits aufgrund des – mit diesem Berufungsurteil teilweise abgeänderten – Schlussurteils des Landgerichts Traunstein vom 3. Juli 2014 wurde der Generalunternehmerin gegen die (hier) Klägerin vom Amtsgericht Ingolstadt als Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 20. Mai 2016 zur Hereinbringung der Hauptforderung von insgesamt 473.653,72 EUR samt Kosten von insgesamt 4.905,30 EUR und der bis 25. Juli 2014 aufgelaufenen (kapitalisierten) Zinsen von 219.824,58 EUR, insgesamt also 698.383,60 EUR zuzüglich Zinsen von 56,17 EUR pro Tag ab dem 25. Juli 2014 und unverzinslicher Kosten von 4.905,30 EUR die Überweisung des der Klägerin gegen eine näher bezeichnete Bank als Drittschuldnerin zustehenden Forderung auf Zahlung der zu Gunsten der Schuldnerin bestehenden Guthaben ihrer sämtlichen Girokonten bewilligt.

Laut Exekutionsantrag (Beilage ./F) setzt sich die Kapitalforderung von 473.653,72 EUR aus folgenden Teilbeträgen laut Schlussurteil des Landgerichts Traunstein zusammen: 456.145,73 EUR, 5.232,60 EUR, 10.495,19 EUR und 1.780,20 EUR. Welche konkreten Schäden diese einzelnen Beträge betrafen, ist der Urkunde allerdings nicht zu entnehmen. Ebenso wenig ergibt sich daraus, welcher Teil der kapitalisierten Zinsen auf welche der Teilpositionen entfällt.

Aufgrund dieser Forderungsexekution wurde ein per 10. Juni 2015 bestehendes Guthaben auf einem Bankkonto der Klägerin in Höhe von 293.473,93 EUR gepfändet und an die Generalunternehmerin überwiesen, also von der Klägerin bezahlt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 293.473,93 EUR samt Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit 10. Juni 2015. Durch das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 29. Oktober 2014 sei klargestellt, dass die Beklagten ihr gegenüber zur Refundierung des per 10. Juni 2016 gepfändeten Betrags jedenfalls verpflichtet seien. Die Frage der Haftung der Beklagten sei in diesem Verfahren abschließend zu deren Lasten geklärt worden. Die Haftung für absichtliche Schädigung und für grobes Verschulden könne nach ständiger Rechtsprechung nicht ausgeschlossen werden. Die Wirksamkeit des – nach dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Linz das Feststellungsurteil einschränkenden – Haftungsausschlusses sei von einer umfassenden Interessenabwägung abhängig. Diese müsse im konkreten Fall zur Unanwendbarkeit der Haftungseinschränkung laut Punkt 11.2 der AGB der Erstbeklagten führen. Letztlich sei diese Frage aber nicht relevant, weil die Klägerin ohnehin nur positive Schäden geltend mache. Sie sei nämlich mit Endurteil des Oberlandesgerichts München zunächst einmal zum Ersatz der Kosten des Wiederaufbaus des Supermarkts in Höhe von 332.449,15 EUR verurteilt worden, wobei allein diese Position zweifellos einen positiven Schaden darstelle und bereits dadurch das Klagebegehren gedeckt sei. Aber auch die übrigen Nebenpositionen, wie Abrisskosten, Saugbaggereinsatz etc, zu deren Ersatz sie verurteilt worden sei, stellten allesamt einen positiven Schaden dar.

Die Beklagten wendeten ein, sie seien nicht zur Refundierung des eingeklagten Betrags verpflichtet. Auch das Zinsenbegehren werde hinsichtlich seiner Höhe wie auch des Beginns des Zinsenlaufs bestritten. Die von der Klägerin gewünschte Interessenabwägung scheide hier angesichts der Begründung der Zurückweisung der außerordentlichen Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz jedenfalls aus. Die Generalunternehmerin habe nicht den vom Oberlandesgericht München zugesprochenen Betrag exekutiv geltend gemacht, sondern vielmehr jenen aus dem (in der Folge abgeänderten) Urteil des Landgerichts Traunstein. Durch die Überweisung des gepfändeten Betrags von 293.473,93 EUR sei die betriebene Forderung an Kosten und Zinsen getilgt worden. Ein Regressanspruch der Klägerin bestehe deshalb nicht. Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts München ergebe sich auch nicht, dass es sich bei den behaupteten Kosten des Wiederaufbaus – ganz oder auch nur teilweise – um einen Aufwand für eine Behebung eines von den Beklagten schuldhaft verursachten Schadens im Sinne von Punkt 11.2 der AGB handle, oder dass insoweit ein Regressanspruch der Klägerin gegen die Beklagten bestehe. Ebenso werde bestritten, dass es sich bei den übrigen Nebenpositionen wie Abrisskosten, Saugbaggereinsatz etc um einen positiven Schaden handle und diese Verurteilung einen Regressanspruch der Klägerin begründe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klageforderung sei bereits auf Basis von Punkt 11.2 der AGB der Beklagten nicht berechtigt, weil die Klägerin keine Kosten der reinen Schadensbehebung geltend mache.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Klägerin, soweit sie den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geltend machte, und gab ihr im Übrigen nicht Folge. Die Klägerin habe das Urteil des Landgerichts Traunstein nicht vorgelegt und auch nicht vorgebracht, woraus sich ein „darin“ (gemeint: in der Pfändungsurkunde) genannter Betrag von 456.145,73 EUR zusammensetze. Abgesehen davon habe das Oberlandesgericht München dieses Urteil abgeändert und dem Landgericht Traunstein in den Entscheidungsgründen Verfahrensfehler und eine völlig unzureichende Beweiswürdigung attestiert. Das von einem Instanzgericht abgeänderte Urteil eines ausländischen Untergerichts, das unter Verfahrensfehlern und mit einer völlig unzureichenden Beweiswürdigung zustande gekommen sei, sei für österreichische Gerichte nicht maßgeblich. Die Klägerin habe auch gar nicht vorgebracht, wer wann zu welchem Preis das eingestürzte Dach wieder aufgebaut habe. Die von der Klägerin vermissten Feststellungen zur Zusammensetzung des ihr zugesprochenen Betrags seien daher nicht zu treffen gewesen. Feststellungen zum Verschuldensgrad seien ebenfalls entbehrlich, weil die Klageabweisung im Ergebnis selbst unter der Annahme groben Verschuldens der Beklagten richtig sei. Das Feststellungsurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 29. Oktober 2014 sei nämlich so auszulegen, dass erst die tatsächliche Zahlung und nicht schon die Entstehung des Schadens oder die Geltendmachung des Anspruchs durch einen geschädigten Dritten den Regressanspruch entstehen lasse. Selbst wenn die im Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München genannten Kosten des Wiederaufbaus von 332.449,15 EUR Kosten der reinen Schadensbehebung im Sinn von Punkt 11.2 der AGB und somit positiver Schaden wären, sei nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht dieses Berufungsurteil der Exekutionstitel für die Pfändung und Überweisung per 10. Juni 2015 gewesen, sondern das – in der Folge abgeänderte – Schlussurteil des Landgerichts Traunstein vom 3. Juli 2014. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annehmen wollte, dass auch das Landgericht Traunstein einen ähnlich hohen Betrag an Kosten des Wiederaufbaus zugesprochen habe (was mangels Vorlage dieses Urteils nicht überprüft werden könne), oder dass ausschließlich das Berufungsurteil für die rechtliche Beurteilung maßgeblich sei, ergebe sich, dass die Pfändung von 293.473,93 EUR zur Tilgung der ganzen aus der Pfändungsurkunde ersichtlichen Schuld von insgesamt 698.383,60 EUR bei weitem nicht ausgereicht habe. Darauf und auf den Abweisungsgrund der vorrangigen Tilgung von Zinsen und Kosten habe die Beklagte in erster Instanz hinreichend deutlich hingewiesen. Die Schuldtilgung im Rahmen des Exekutionsverfahrens sei nach deutschem Recht (§§ 366, 367 BGB) zu beurteilen. In der Zwangsvollstreckung stehe dem Schuldner kein Tilgungsbestimmungsrecht nach § 366 Abs 1 BGB zu. Daher gelte § 367 BGB, wonach die nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet werde. Die Pfändung von 293.473,93 EUR habe rechnerisch nur zur Tilgung a) der Zinsen von 219.824,58 EUR und b) der Kosten von 4.905,30 EUR und c) eines Teilbetrags von 68.744,05 EUR der Hauptforderung gereicht. Von letzterer hafteten daher noch 404.909,67 EUR unberichtigt aus, das sei mehr als der vom Oberlandesgericht München für Wiederaufbau zugesprochene Betrag. Die Klägerin vertrete daher zu Unrecht den Standpunkt, einen Teilbetrag von 293.473,93 EUR an Kosten der reinen Schadensbehebung getilgt zu haben. Der Schuldner müsse dartun, warum die Leistung auf die von ihm auserwählte Forderung anzurechnen sein solle. Die Klägerin hätte deshalb (auch rechnerisch) darstellen müssen, aus welchen Gründen welcher Teilbetrag vom Schuldposten „Wiederaufbau“ als getilgt anzusehen sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gebe es keinen Grund, warum die Beklagten nicht zum Ersatz der Zinsen aus den zugesprochenen Kosten des Wiederaufbaus verpflichtet sein sollten. Es fehlten Feststellungen, aus denen ableitbar sei, welche Positionen von dem der Generalunternehmerin zugesprochenen Betrag im Rahmen von Punkt 11.2 der AGB der Beklagten als Kosten der reinen Schadensbehebung anzusehen seien.

Die Beklagten beantragen in ihrer (ohne vorherige Freistellung eingebrachten) Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Dass das Berufungsgericht seine Auffassung, die Klägerin habe keinesfalls Anspruch auf Ersatz von ihr beglichener Verzugszinsen, nicht näher begründet hat, macht das Berufungsurteil entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nichtig iSd § 477 Abs 1 Z 9 (iVm § 503 Z 2) ZPO. Dieser Nichtigkeitsgrund liegt nämlich nur dann vor, wenn die Fassung des angefochtenen Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht oder für die Entscheidung überhaupt keine Gründe angegeben sind (RIS‑Justiz

RS0042133 [T12]).

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich das Ausmaß der Haftung der Beklagten – insbesondere die Wirksamkeit der Haftungsbeschränkung laut Punkt 11.2 der AGB der Erstbeklagten – bindend aus dem im Vorverfahren des Landesgerichts Wels gefällten Feststellungsurteil. Auf die Argumentation der Klägerin, ein Haftungsausschluss für grobes Verschulden sei unwirksam, ist daher nicht weiter einzugehen.

3. Der von der Klägerin geltend gemachte Regressanspruch nach § 1313 Satz 2 ABGB besteht nur, soweit sie bereits Schäden ersetzt hat, für die die Beklagten ihr gegenüber einzustehen haben (RIS‑Justiz RS0028394 [T3, T7]).

Die von der Klägerin (bisher) geleistete Zahlung von 293.473,93 EUR bildet also die Obergrenze ihres (derzeitigen) Ersatzanspruchs. Ob die Beklagten ihr diesen Betrag ganz oder nur teilweise zu ersetzen haben, hängt entsprechend dem im Vorverfahren 26 Cg 235/10b des Erstgerichts ergangenen Feststellungsurteil davon ab, ob die von der Klägerin beglichenen Forderungen Kosten der „reinen Schadensbehebung“ im Sinn von Punkt 11.2 der AGB der Beklagten betrafen.

4. Im Hinblick auf die Formulierung in Punkt 11.2 der AGB der Beklagten, die zwischen der reinen Schadensbehebung, Folgeschäden und entgangenem Gewinn unterscheidet, ist „reine Schadensbehebung“, wie die Klägerin richtig erkennt, mit positivem Schaden gleichzusetzen.

5. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin in erster Instanz (gerade noch) ausreichend konkretes Vorbringen zum Gegenstand ihres Regressanspruchs erstattet. Insbesondere war sie nicht gehalten, im Detail auszuführen, wer wann zu welchem Preis das eingestürzte Dach wieder aufgebaut hat, weil sich die Höhe der ihr dafür auferlegten Kosten ohnehin aus dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München ergibt.

6. Von den im Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München als berechtigt erkannten Schadenspositionen sind die Kosten des Wiederaufbaus des eingestürzten Gebäudes und der damit in Zusammenhang stehenden Arbeiten bzw Kosten, also die Positionen 1 bis 10 dieser Entscheidung, als positiver Schaden (Kosten der reinen Schadensbehebung) anzusehen. Hingegen stellen die Kosten der Bewachung der Baustelle, der Katastropheneinsätze und die von der Klägerin zu ersetzenden vorprozessualen Rechtsanwaltskosten (Positionen 11 bis 13 und 17 bis 19 des genannten Berufungsurteils) Folgeschäden dar, und der Mietausfallschaden (Positionen 14 bis 16) betrifft entgangenen Gewinn.

7. Die Angemessenheit der der Generalunternehmerin vom Oberlandesgericht München zugesprochenen Schadenersatzbeträge haben die Beklagten – angesichts der Bindungswirkung dieses Urteils auch gegenüber der Erstbeklagten, die als Streithelferin der (hier) Klägerin an jenem Verfahren beteiligt war, zu Recht – nicht bestritten.

8. Die Richtigkeit der Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Tilgungsregeln der §§ 366 f BGB zieht die Revisionswerberin nicht in Zweifel. Sie weist jedoch zutreffend darauf hin, dass das Berufungsgericht zu Unrecht generell einen Regressanspruch der Klägerin hinsichtlich der von ihr beglichenen Verzugszinsen verneint hat. Entgegen der offenbar vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht kann nämlich keine Rede davon sein, dass die titulierten Verzugszinsen (wie auch die Prozesskosten; vgl

RIS‑Justiz RS0115546) schlechthin Folgeschäden darstellten und deshalb infolge der in das Feststellungsurteil zwischen den Streitteilen eingeflossenen Haftungsbeschränkung laut Punkt 11.2 der AGB der Erstbeklagten nicht ersatzfähig seien. Im Gegenteil handelt es sich bei den Verzugszinsen und den Kosten des Titelverfahrens nicht um einen eigenständigen Schaden, sondern um Nebenforderungen zu den einzelnen Schadenspositionen. Das rechtliche Schicksal der Verzugszinsen und Kosten folgt deshalb jenem der Hauptforderungen, sodass die Klägerin (nur, aber immerhin) Anspruch auf Ersatz jener von ihr bezahlten Verzugszinsen und Prozesskosten hat, die sich auf die zugesprochenen Ersatzbeträge für die reine Schadensbehebung beziehen. Dass die Klägerin das Auflaufen dieser Verzugszinsen und Kosten (ganz oder teilweise) allein zu verantworten habe, weil sie die Klageforderung im Titelverfahren von vornherein zu Unrecht bestritten oder das Verfahren unnötig in die Länge gezogen habe, behaupten die Beklagten nicht einmal; dafür gibt es im Übrigen auch angesichts der Tatsache, dass sich die Erstbeklagte noch im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München dem Standpunkt der (hier) Klägerin angeschlossen hat, keinen Anhaltspunkt.

9. Das Erstgericht hat zwar sehr ausführliche Feststellungen getroffen, sich aber mit der entscheidungswesentlichen Frage der Zusammensetzung der gegen die Klägerin exekutiv betriebenen – und im Zuge der Exekution teilweise beglichenen – Forderung überhaupt nicht auseinandergesetzt. Dies wird es im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.

10. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Berechtigung ihres Regressanspruchs nicht nur auf das – im Zeitpunkt der Klageeinbringung bereits ergangene – Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München an, sondern auch auf das – den Exekutionstitel bildende – Schlussurteil des Landgerichts Traunstein. Ein Ersatzanspruch der Klägerin kann nämlich jedenfalls nur insoweit bestehen, als die von ihr in (teilweiser) Erfüllung des genannten Schlussurteils geleistete Zahlung auch durch das Berufungsurteil gedeckt ist. Inwieweit sich die von den beiden Instanzen zugesprochenen Beträge decken, ist aber aus dem allein vorgelegten Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München nicht (zweifelsfrei) abzuleiten.

11. Das Erstgericht wird deshalb mit der Klägerin zu erörtern haben, inwieweit Deckung zwischen den in den Entscheidungen des Landgerichts Traunstein und des Oberlandesgerichts München zugesprochenen Schadenspositionen besteht und welche Teilbeträge der kapitalisierten Zinsen für die einzelnen Positionen aufgelaufen sind, sowie welche über die Zinsen und Kosten hinausgehenden (Teil‑)Forderungen der Generalunternehmerin durch die Zahlung der Klägerin getilgt wurden. Erst nach entsprechender Erweiterung der Tatsachengrundlage kann beurteilt werden, in welchem Umfang die Beklagte der Klägerin den von dieser (exekutiv) geleisteten Betrag zu ersetzen hat.

12. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte