Spruch:
Für den Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes ist die noch nicht 18jährige Braut nicht selbständig antrags- bzw. dispositionsbefugt
OGH 14. Dezember 1976, 3 Ob 647/76 (KG Korneuburg 5 R 255/76; BG Laa a. d. Thaya 1 Nc 66/76
Text
Die am 13. Juli 1959 geborene Antragstellerin, deren Vater verstorben ist und die gegen den Willen der Antragsgegnerin auf Grund gerichtlicher Zustimmung am 2. April 1976 die Ehe mit Leopold S geschlossen hat, begehrte die Verpflichtung der Antragstellerin (ihrer Mutter) zur Bestellung eines Heiratsgutes in Höhe von 100 000 S. Die Antragsgegenerin beantragte Abweisung, weil sie auf Grund ihrer Vermögensverhältnisse zur Bestellung eines Heiratsgutes derzeit nicht imstande sei.
Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Heiratsgutes von 100 000 S in vier gleichen Teilbeträgen.
Infolge Rekurses der Antragsgegnerin hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes und das gesamte vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies den Antrag auf Bestellung eines Heiratsgutes zurück. Es begrundete diese Entscheidung damit, daß die Antragstellerin wegen ihrer Minderjährigkeit im gegenständlichen Verfahren eines gesetzlichen Vertreters bedurft hätte und daher das gesamte Verfahren nichtig sei.
Noch vor Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes bestellte das Erstgericht für die Antragstellerin einen Kurator gemäß § 271 ABGB. Dieser erhob gegen den Beschluß des Rekursgerichtes Rekurs, einerseits mit der Behauptung, daß die Antragstellerin im Verfahren zur Bestellung eines Heiratsgutes keiner Vertretung durch einen Kurator bedürfe (offenbar deshalb wurde das Rechtsmittel auch von der Antragstellerin selbst unterfertigt), andererseits unter Hinweis auf die Bestimmung des § 6 Abs. 2 ZPO mit der ausdrücklichen Erklärung, das gesamte bisherige Verfahren zu genehmigen. Der Oberste Gerichtshof gab diesem Rekurs Folge, hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegnerin auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der OGH vermag sich der, soweit ersichtlich, allein von Gögl (Die Parteien im Verfahren außer Streitsachen, ÖJZ 1957, 89, zur gegenständlichen Frage 114 Anm. 63) vertretenen Auffassung, daß minderjährige Brautpersonen im Verfahren zur Bestellung eines Heiratsgutes nicht der Vertretung durch einen Kurator bedürften, nicht anzuschließen.
Gögl begrundet seine Auffassung damit, daß auch der Antrag auf Bestellung eines Heiratsgutes einen Fall darstelle, in welchem sich die selbständige Handlungsfähigkeit einer minderjährigen Person unmittelbar aus dem Gesetz ergebe; er beruft sich hiefür auf Weiß in Klang[2] V, 740 und die Entscheidung GlUNF 4762.
In Wahrheit ergibt sich jedoch aus dem Gesetz (§§ 1220 und 1221 ABGB) lediglich der mit der Verpflichtung der in § 1220 ABGB genannten Personen korrespondierende Anspruch der Braut auf Bestellung eines Heiratsgutes ohne Rücksicht darauf, ob sie volljährig oder minderjährig ist, nichts jedoch darüber, ob eine minderjährige Braut selbständig antragsbefugt ist.
Von Weiß wird letztere Frage nicht behandelt, er führt an der von Gögl zitierten Stelle lediglich aus, daß bei Minderjährigkeit der Antragstellerin zufolge § 109 JN das Bezirksgericht ihres Gerichtsstandes zuständig sei (diese Auffassung wird übrigens von der Rechtsprechung abgelehnt, nach welcher auch in diesem Fall der allgemeine Gerichtsstand des jeweiligen Antragsgegners maßgebend ist, vgl. GlUNF 1493).
Die von Gögl zitierte Entscheidung GlUNF 4762 bejahte die selbständige Antragsbefugnis einer Minderjährigen nur in dem nunmehr durch § 3 Abs. 3 EheG geregelten Fall der Verweigerung der Eheschließung durch den gesetzlichen Vertreter; in derartigen Fällen ergibt sich die selbständige Antragsbefugnis jedoch aus dem Gesetz.
Der Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes kann zufolge seines vermögensrechtlichen, sich aus dem Unterhalts- und Versorgungsanspruch ergebenden Rechtscharakters (vgl. hiezu Weiß, 727, EFSlg. 23 618 u. a.) nicht als bloß die "persönlichen Verhältnisse" der, Antragstellerin im Sinne des § 175 Abs. 2 ABGB betreffend angesehen werden. Der Grundsatz, daß minderjährigen Personen die selbständige Dispositionsbefugnis über vermögensrechtliche Ansprüche fehlt, sofern sie ihnen nicht ausdrücklich eingeräumt wurde (etwa durch § 151 ABGB), muß demnach auch für den Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes gelten (vgl. hiezu Wentzel - Piegler in Klang[2] I/2, 499 und GlUNF 2686, wonach zur Wirksamkeit des Verzichtes einer Minderjährigen auf Bestellung eines Heiratsgutes das Einschreiten eines Kurators gemäß § 271 ABGB, dessen Zustimmung und die pflegschaftsbehördliche Genehmigung erforderlich ist).
Aus allen diesen Gründen ist der Auffassung des Rekursgerichtes insoweit beizutreten, daß die noch nicht 18jährige Antragstellerin im gegenständlichen Verfahren eines Vertreters bedurft hätte.
So wie die Nichtigkeitsgrunde des § 477 ZPO (vgl. hiezu SZ 43/228, 44/180 u. a.) gelten auch die Bestimmungen der §§ 6 und 7 ZPO sinngemäß im Verfahren außer Streitsachen (ebenso ausdrücklich 6 Ob 128/61 und 6 Ob 313/71). Demzufolge hätte das Rekursgericht zunächst die zur Behebung des Mangels der gesetzlichen Vertretung erforderlichen Aufträge erteilen müssen (vgl. Fasching II, 155; EvBl. 1973/118, 1976/111 u. a.). Allerdings ist im nunmehrigen Verfahrensstadium ein Vorgehen gemäß § 6 ZPO nicht mehr erforderlich, da hier der Mangel der gesetzlichen Vertretung inzwischen durch die Bestellung des Kurators und dessen wiedergegebene Genehmigungserklärung saniert wurde. Da sohin kein Nichtigkeitsgrund mehr vorliegt (vgl. SZ 27/14 u. a.) und dem Rekursgericht mit der sofortigen Nichtigerklärung der gerügte Verfahrensverstoß unterlaufen ist, war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.
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