OGH 3Ob570/92

OGH3Ob570/9228.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Angst, Dr. Graf und Dr. Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft (vormals G***** AG), ***** vertreten durch Dr. Klaus Galle, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Dietrich C*****, wegen S 137.090,21 sA, infolge Rekurse der klagenden und der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9. September 1992, GZ 2 R 116/92-21, womit das Urteil des Landesgerichtes Graz vom 20. Jänner 1992, GZ 28 Cg 176/90-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 42.257,39 samt 4 % Zinsen seit 26.4.1988 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 94.832,82 samt Anhang wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten sämtlicher Instanzen den Betrag von S 39.722,16 (darin enthalten S 4.100,36 USt. und S 15.120,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hatte Horst K***** mehrere Darlehen, die auf der Liegenschaft EZ 160 KG T***** sichergestellt wurden, gewährt. Vereinbarungsgemäß hatte Horst K***** bei der ***** V*****-AG (im folgenden kurz B*****-V*****) für die verpfändete Liegenschaft eine Feuerversicherung abgeschlossen, die zugunsten der klagenden Partei vinkuliert war. Am 7.7.1978 brannte das auf der Liegenschaft EZ 160 KG T***** errichtete Objekt ab. Horst K***** wurde im Verfahren 7 Vr 2025/78 des Landesgerichtes Klagenfurt mit Urteil vom 25.3.1983 vom Verbrechen des schweren Betruges zum Nachteil der B*****-V***** rechtskräftig freigesprochen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.11.1986, 18 Cg 165/83-36, bestätigt mit Urteilen des Oberlandesgerichtes Graz vom 30.3.1987, 4 R 48/87-43, und des Obersten Gerichtshofes vom 12.12.1987, 7 Ob 49/87-48, wurde die B*****-V***** schuldig erkannt, dem durch den Beklagten vertretenen Horst K***** den Betrag von S 4,537.295,-- samt Anhang zu bezahlen.

Bereits am 14.9.1987 führte der Beklagte mit dem Angestellten der klagenden Partei Dr.Herbert W***** ein Telefonat mit dem Ziel, die Auszahlung der Verkehrswertentschädigung von der B*****-V***** erreichen zu können. Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte die klagende Partei dem Beklagten eine Devinkulierungserklärung mit einem Begleitschreiben, das folgenden wesentlichen Inhalt hat:

"Wir übergeben Ihnen daher in der Beilage die von Ihnen gewünschte Devinkulierungserklärung hinsichtlich der zu unseren Gunsten gesperrten Feuerversicherung der B*****-V***** zu Ihren treuen Handen unter der Auflage, diese Devinkulierungserklärung nur dann an die B*****-V***** auszufolgen, sofern gewährleistet ist, daß wir jederzeit die Überweisung unserer aushaftenden Darlehensforderungen aus dem Treuhanddepotkonto erhalten können. Sie sind daher aufgrund dieser Treuhandbedingung uns gegenüber verpflichtet, uns auf die erste Aufforderung hin uns die nachstehend genannten Beträge umgehend, spätestens jedoch innerhalb von 14 Tagen auf unser Konto zur Überweisung zu bringen.

Kontonummer Betrag

82874400-9 S 15.567,85

83273620-1 S 48.037,85

83558090-3 S 55.849,89

85135620-6 S 243.762,62

Vollkommen unpräjudiziell teilen wir Ihnen noch mit, daß sich diese Salden unter Umständen aufgrund einer tageweisen Zinsenberechnung im Sinne unserer Spar- und Darlehensbedingungen noch reduzieren könnten."

Der Beklagte leitete in der Folge die Devinkulierungserklärung an die B*****-V***** weiter, die ihm Beträge von S 3,995.032,-- und S 2,721.218,-- überwies. Mit Schreiben vom 4.2.1988 teilte der Beklagte der klagenden Partei mit, daß ihm am heutigen Tag das Urteil des Obersten Gerichtshofes zugestellt worden sei. Er erwarte Zahlungseingang innerhalb der nächsten 14 Tage, er ersuche um die Bekanntgabe der aushaftenden Kontenstände zum 7.10.1978 und aller nachfolgenden Zahlungen nach Zahlungsdatum und Höhe.

Die klagende Partei antwortete mit Schreiben vom 16.2.1988, daß die Darlehenskonten per 7.10.1978 wie folgt aushafteten:

45135620-9 S 488.737,99

42874400-1 S 113.829,83

43558090-6 S 60.756,22

43273620-4 S 58.516,34.

Die aktuellen Salden betragen per 9.2.1988 incl. der Zinsen für das erste Quartal 1988:

Konto 85135620-6 S 252.229,27

82874400-9 S 16.156,12

(insgesamt also S 268.385.39).

Mit Schreiben vom 17.2.1988 an die klagende Partei lehnte der Beklagte die Haftung für Verzögerungsschäden ab, weil der B*****-V***** gegenüber der klagenden Partei ein Leistungsverweigerungsrecht nicht zugestanden sei. Der Beklagte erstellte sodann unter Berücksichtigung dieser Rechtsansicht seinerseits eine Abrechnung, die einen Betrag von S 226.128,-- zugunsten der klagenden Partei ergab. Diesen Betrag überwies der Beklagte zur Deckung sämtlicher offenen Darlehenskonten an die klagende Partei. Die klagende Partei antwortete mit Schreiben vom 12.4.1988, sie führte aus, daß nach Bezahlung des Betrages von S 226.128,-- ein Saldo zu ihren Gunsten auf sämtlichen vier Konten in der Höhe von S 152.290,27 bestünde. Die klagende Partei habe dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 14.9.1987 mitgeteilt, daß der Beklagte die von ihm gewünschte Devinkulierungserklärung der zu Gunsten der klagenden Partei gesperrten Feuerversicherung der B*****-V***** zu seinen treuen Handen unter der Auflage erhalte, daß er diese Devinkulierungserklärung nur dann an die B*****-V***** ausfolgen dürfe, sofern jederzeit die Abdeckung der aushaftenden Darlehensforderung aus dem Treuhanddepotkonto gewährleistet sei. Mit Schreiben der klagenden Partei an den Beklagten vom 20.10.1989 wies die klagende Partei erneut darauf hin, daß die Konten noch nicht bereinigt seien. Ein Betrag von S 168.811,90 sei offen. Eine weitere Urgenz erfolgte mit Schreiben vom 19.12.1989.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Betrages von S 137.090,21 samt Anhang. Sie stützte sich in allen Instanzen darauf, daß der Beklagte die im Schreiben vom 14.9.1987, dem die Devinkulierungserklärung angeschlossen war, genannten Beträge nicht zur Gänze überwiesen habe. Habe der Beklagte die Devinkulierungserklärung verwendet, so habe er damit die im Schreiben vom 14.9.1987 genannten Bedingungen angenommen. Der Beklagte habe treuwidrig gehandelt.

Der Beklagte wendete ein, Dr.Herbert W***** habe ihm mitgeteilt, daß er ihm die Salden nur mit Verzugszinsen bekanntgeben könne, deren Bezahlung er aber abgelehnt habe. Dr.Herbert W***** habe daraufhin gemeint, daß er dem Beklagten zwar die von der klagenden Partei errechneten Endsummen bekanntgeben werde, der Beklagte solle aber in einem Schreiben darauf hinweisen, daß Horst K***** enorme Kosten entstanden seien, weshalb der Zinsenanspruch nicht gerechtfertigt sei. Der Beklagte könne dann nach seinem Dafürhalten die Überweisung vornehmen. Dem Beklagten sei klar gewesen, daß er eine Treuhandschaft übernehme, die sich aber nur auf das aushaftende Kapital und die von ihm zu errechnenden Zinsen erstreckt habe.

Das Erstgericht gab mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, um die Auszahlung der restlichen Verkehrswertentschädigung im Verfahren 18 Cg 165/83 des Landesgerichtes Klagenfurt bewirken zu können, habe der Beklagte am 14.9.1987 Dr.Herbert W***** angerufen und diesen um die Übermittlung einer Devinkulierungserklärung seitens der klagenden Partei ersucht. Dr.Herbert W***** habe dem Beklagten bei diesem Telefonat gesagt, daß er in dem Schreiben, dem die Vinkulierungserklärung angeschlossen sein werde, dem Beklagten die bei den einzelnen Kreditkonten der klagenden Partei aushaftenden Zinsen, Verzugszinsen und Spesen bekanntgeben werde und der Beklagte die Devinkulierungserklärung treuhändisch mit der Auflage übernehmen solle, die in dem Schreiben angeführten Zinsen der klagenden Partei zu überweisen. Der Beklagte habe Dr.Herbert W***** entgegnet, daß er nur bereit sei, die gesetzlichen Zinsen der klagenden Partei zu bezahlen, nicht jedoch darüber hinaus auch Verzugszinsen. Da Dr.Herbert W***** ausdrücklich erklärt habe, daß er dem Beklagten nicht die Zusicherung geben könne, daß die klagende Partei nur die gesetzlichen Zinsen begehren werde und somit auf weitere Zinsenforderungen verzichten würde, habe der Beklagte erklärt, daß er keineswegs bereit sei, mehr als die gesetzlichen Zinsen zu bezahlen und er im exekutiven Weg gegenüber der B*****-V***** die Auszahlung der restlichen Verkehrswertentschädigung geltend machen werde, wobei durch einen damit möglicherweise verbundenen Exekutionsrechtsstreit es zu einer Verzögerung der Auszahlung der Versicherungssumme und damit auch der Auszahlung der restlichen Kreditforderung der klagenden Partei kommen würde. Der Beklagte habe Dr.Herbert W***** erklärt, daß er die Devinkulierungserklärung der klagenden Partei treuhändisch übernehmen wolle und dann im Korrespondenzweg zwischen ihm und der klagenden Partei eine Abklärung der aushaftenden Kontostände der Kreditforderung der klagenden Partei erfolgen könne, wobei er die von der B*****-V***** an Horst K***** ausbezahlte Versicherungssumme nicht an diesen auszahlen würde, bis es nicht zur Klärung der aushaftenden Kreditkontensalden komme. Den Vorschlag von Dr.Herbert W*****, daß der Beklagte für den Fall, als eine Einigung über die von Horst K***** zu zahlenden Zinsen und die Höhe der bei den einzelnen Kreditkonten aushaftenden Salden zwischen den beiden Parteien nicht erfolgen sollte, in einem Schreiben die klagende Partei unter Hinweis auf die höheren Kosten, die Horst K***** durch die Geltendmachung der Versicherungssumme gegenüber der B*****-V***** erwachsen seien, um einen Zinsennachlaß ersuchen solle, habe der Beklagte abgelehnt und erklärt, daß er für den Fall, als eine derartige Einigung nicht zustandekommen sollte, nur die von ihm errechneten Zinsen der klagenden Partei überweisen würde. Dr.Herbert W*****, der dem Beklagten ausdrücklich erklärt habe, daß er nicht kompetent dafür wäre, eine Zinsenvereinbarung mit dem Beklagten zu treffen, sei mit dem Beklagten bei diesem Telefonat am 14.9.1987 so verblieben, daß er dem Beklagten die von ihm gewünschte Devinkulierungserklärung zu treuen Handen übermitteln werde und in einem Begleitschreiben diesem die bei den einzelnen Kreditkonten noch aushaftenden Salden bekanntgeben werde, wobei der Beklagte von der Devinkulierungserklärung nur bei Bezahlung der in diesem Schreiben angeführten, aus den Krediten des Horst K***** bei der klagenden Partei aushaftenden Kapital-, Zinsen- und Spesenbeträgen von der Devinkulierungserklärung gegenüber der B*****-V***** Gebrauch machen dürfe. Eine Einigung über die Höhe der bei den einzelnen Kreditkonten der klagenden Partei aushaftenden Zinsen habe zwischen dem Beklagten und Dr.Herbert W***** bei diesem Gespräch nicht erzielt werden können. Es sollte daher im Korrespondenzweg zwischen dem Beklagten und der klagenden Partei die Höhe der der klagenden Partei zustehenden Zinsen abgeklärt werden. In seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht weiters aus, der Beklagte habe zwar über die ihm von der klagenden Partei übermittelte Devinkulierungserklärung gegenüber der B*****-V***** verfügen können, er habe aber im Rahmen des von ihm übernommenen Treuhandschaftsverhältnisses durch Errichtung eines Treuhandkontos gewährleisten müssen, daß die noch aushaftende Darlehensforderung der klagenden Partei ausbezahlt werden könne. Der Beklagte sollte für den Fall, daß die Vergleichsgespräche zu keinem Ergebnis führten, gegenüber der klagenden Partei verpflichtet sein, über Aufforderung der klagenden Partei die in dem Schreiben genannten restlichen Darlehensbeträge an die klagende Partei zu überweisen. Daß die bei den einzelnen Kreditkonten des Horst K***** bei der klagenden Partei noch aushaftenden Salden in erster Linie im Korrespondenzweg zwischen den Parteien abgeklärt werden sollten, ergäbe sich unzweifelhaft aus einem vom Beklagten verfaßten Aktenvermerk.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß zwischen den Parteien ein Treuhandverhältnis bestanden habe. Nach den getroffenen Feststellungen sei durch das als Offert anzusehende Schreiben der klagenden Partei vom 14.9.1987 um die Verwendung der diesem Schreiben angeschlossenen Devinkulierungserklärung der klagenden Partei durch den Beklagten ein Treuhandschaftsverhältnis begründet worden. Im Rahmen dieses Auftrages habe der Beklagte zwar von der ihm seitens der klagenden Partei übermittelten Devinkulierungserklärung gegenüber der B*****-V***** Gebrauch machen dürfen, er sei jedoch verpflichtet gewesen, die von der B*****-V***** zur Auszahlung gelangte Entschädigungssumme aus der Feuerversicherung auf ein Treuhandkonto solange zu erlegen, bis er entweder im Vergleichsweg zwischen den beiden Parteien die von Horst K***** aus den der klagenden Partei aufgenommenen Krediten zu zahlende restliche Kreditforderung ermittelt worden sei oder die klagende Partei die beklagte Partei durch einseitige Erklärung dazu auffordere, die in dem Schreiben von ihr errechneten Saldobeträge bei den einzelnen Kreditkonten an sie zu überweisen. In keinem Fall habe aber der Beklagte durch eine einseitige Erklärung die von ihm errechneten Saldobeträge der einzelnen Kreditkonten selbst bestimmen können. Der Beklagte habe also bei Annahme des Treuhandofferts nach dem Scheitern der Vergleichsgespräche über den aushaftenden Saldo bei den einzelnen Kreditkonten der klagenden Partei bei einer entgegen der getroffenen Vereinbarung erfolgten Überweisung der Versicherungssumme an Horst K***** nach erfolgter Aufforderung der klagenden Partei zur Überweisung des von ihr errechneten Kreditsaldos von dieser nur dann nicht in Anspruch genommen werden können, wenn dieser den Nachweis habe erbringen können, daß die klagende Partei wider Treu und Glauben oder durch ein von ihr zu vertretendes Verschulden die zur Abklärung der Kreditkontensalden geführten Vergleichsgespräche vereitelt habe. Dies sei vom Beklagten aber nicht behauptet worden, es ergäben sich auch aus den Beweisergebnissen dafür keine Anhaltspunkte. Es sei vielmehr so gewesen, daß die klagende Partei den wiederholten Aufforderungen des Beklagten zur Bekanntgabe der geleisteten Zahlungen, des Datums der Zahlung und der offenen Salden immer nachgekommen sei, diesem auch sämtliche Kontoauszüge der Kreditkonten des Horst K***** übermittelt habe. Es sei der Beklagte selbst gewesen, der jegliche Vergleichsgespräche abgelehnt oder durch seine starre Haltung von vornherein zum Scheitern gebracht habe. So habe der Beklagte jedenfalls schon im Hinblick auf die der klagenden Partei bekannte Höhe der von der B*****-V***** an Horst K***** ausgezahlte restliche Verkehrswertentschädigung nicht damit rechnen können, daß diese ohne vernünftige Vergleichsvorschläge auf die aus der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde zustehende 6 bis 7 %ige Verzinsung verzichten werde. Es sei also nicht die klagende Partei, sondern der Beklagte gewesen, der sich nicht ausreichend um eine vergleichsweise Abklärung der bei den einzelnen Kreditkonten aushaftenden Salden bzw. der von Horst K***** aus der Verkehrswertentschädigung noch zu bezahlenden Zinsen bemüht habe. Da somit eine solche vergleichsweise Saldenabklärung der Kreditkonten und der von Horst K***** noch zu bezahlenden Zinsen nicht erfolgt sei, sei der Beklagte aufgrund der ersten Aufforderung der klagenden Partei mit Schreiben vom 17.2.1988 zur Überweisung der in dem Schreiben vom 14.9.1987 angeführten und von der klagenden Partei errechneten restlichen Kreditforderung verpflichtet gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urteilsfällung zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Wenn der Beklagte von der Devinkulierungserklärung Gebrauch gemacht habe, ohne den gesamten von der Klägerin geforderten Betrag gezahlt zu haben, dann habe er auf eigenes Risiko, nämlich treuwidrig, gehandelt, wenn die von ihm gezahlte Summe nicht der tatsächlich aushaftenden Forderung entsprochen habe. Verfehlt erscheine dem Senat die vom Erstgericht gebilligte Auffassung der klagenden Partei, der Beklagte sei, weil er ohne Einigung über die aushaftende Summe die Devinkulierungserklärung tatsächlich verwendet habe, jedenfalls zur Zahlung der von der Klägerin anläßlich der Übersendung der Devinkulierungserklärung geforderten Summe verpflichtet. Tatsächlich habe der Beklagte der Klägerin nur den Schaden zu ersetzen, der ihr daraus erwachsen sei, daß sie über ihren Treuhänder dem Beklagten die Sperre der Versicherungssumme zu ihren Gunsten trotz einer noch offenen Darlehensschuld aufgegeben habe. Der untreue Treuhänder hafte für den Schaden, der durch seine Untreue entstanden sei. Diesen Schaden habe aber nach allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechtes der angeblich Geschädigte, hier also die klagende Partei, zu beweisen. Es müsse daher geprüft werden, welche berechtigte Darlehensforderung die klagende Partei gegenüber Horst K***** in dem Zeitpunkt, als der Beklagte möglicherweise treuwidrig die Devinkulierungserklärung der klagenden Partei verwendet habe, bestanden hätte und in welchem Umfang diese noch immer ungedeckt sei. Daß die Darlehensforderung in dem Zeitpunkt, als der Beklagte die Devinkulierungserklärung verwendet habe, nicht mehr so hoch gewesen sei wie in dem Zeitpunkt, als sie ihm anvertraut worden sei, ergebe sich schon aus dem Schreiben der Klägerin vom 16.2.1988, in dem die Restschuld mit S 268.385,39 bekanntgegeben worden sei. Die Annahme des Erstgerichtes, die Klägerin habe mit einem Schreiben vom 17.2.1988 den ursprünglich verlangten Betrag von S 363.268,21 abberufen, sei aktenwidrig. Aus diesen Erwägungen erweise sich die Aufhebung des Ersturteiles zur Verfahrensergänzung - die Ermittlung des durch die Untreue entstandenen Schadens - als notwendig.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse beider Parteien, die materiell allerdings nur zum Teil berechtigt sind.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte war für die Entgegennahme und Verwendung des von Horst K***** gegen die B*****-V***** ersiegten Betrages Treuhänder sowohl seines Mandanten als auch der klagenden Partei. Auch eine mehrseitige Treuhand ist möglich und zulässig, eine solche liegt dann vor, wenn der Treuhänder in mehreren Richtungen Interessen zu wahren hat (ecolex 1991, 682; RdW 1990, 375; SZ 61/58 ua). Entscheidend ist nun, welchen Inhalt der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Treuhandvertrag hatte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war mündlich weder vereinbart, daß der Beklagte jene Beträge an die klagende Partei zu überweisen hatte, die diese als offene Darlehensschuld des Horst K***** von ihm fordern werde, noch, daß die klagende Partei sich der Leistungsbestimmung über die Höhe der Zinsen der Berechnung durch den Beklagten unterwirft. Es blieb vielmehr offen, ob Horst K***** an die klagende Partei nur die von der Versicherungsanstalt zu bezahlenden gesetzlichen Zinsen oder die höheren vertraglichen Zinsen an die klagende Partei zu zahlen hatte. Dieser Punkt sollte erst nach Erhalt der Devinkulierungserklärung geklärt werden. Entgegen dieser die Höhe der zu überweisenden Zinsen offenlassenden grundsätzlichen Einigung übermittelte in der Folge die klagende Partei dem Beklagten die gewünschte Devinkulierungserklärung unter der Auflage, daß er von der Devinkulierungserklärung nur Gebrauch machen dürfe, wenn gewährleistet sei, daß die klagende Partei die Überweisung der aushaftenden Darlehensforderungen aus dem Treuhanddepotkonto erhält. Anschließend daran wurde der nach Ansicht der klagenden Partei richtige derzeitige Kontenstand bekanntgegeben und beigefügt, daß die offenen Darlehensforderungen über erste Aufforderung (also nicht sofort - der Rechtsstreit zwischen Horst Kleinbichler und der B*****-V***** war ja noch nicht rechtskräftig entschieden - ) zu überweisen sein werden.

Für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites ist entscheidend,

daß nach den getroffenen Feststellungen bei der Abrede vom 14.9.1987

gerade der Punkt offen blieb, ob Horst K*****, als dessen Vertreter

der Beklagte jedenfalls auch agierte, die vertragsgemäßen oder nur

jene gesetzlichen Zinsen, die er selbst von der B*****-V*****

erhalten werde, zur vollständigen Begleichung der offenen

Darlehensforderung der klagenden Partei zu zahlen habe. Die neuere

österreichische Rechtsprechung und Lehre vertritt übereinstimmend die

Ansicht, das Schweigen eines Kaufmannes zu einem ihm zugegangenen

Bestätigungsschreiben, das vom mündlich Vereinbarten abweicht, den

Inhalt dieses Vertrages - liegen nicht ganz besondere Ausnahmefälle

vor (einen solchen Ausnahmefall nahm die Entscheidung 5 Ob 589/87 an)

- nicht abändert (SZ 52/120; SZ 50/112; JBl. 1977, 593; SZ 47/83 uva;

Rummel in Rummel2 Rz 13 zu § 861; Bydlinski, Privatautonomie 198 f;

Wahle in Klang2 IV/2, 40; Hämmerle in FS Reformen des Rechts 293).

Anders fällt die Beurteilung aber dann aus, wenn nicht mit dem

mündlich Vereinbarten im Widerspruch Stehendes bestätigt wird,

sondern nach grundsätzlicher Einigung das Schreiben des einen

Vertragsteiles darauf abzielt, die mündliche Vereinbarung zu ergänzen und zu konkretisieren, offen gelassene Punkte, die erst der Abklärung und Einigung bedurft hätten, als feststehend und vereinbart hinzustellen (Rummel aaO; Hämmerle aaO 293, 299; Bydlinski aaO 205; Wahle aaO 42; diese Frage noch offenlassend SZ 47/83). Hier kommen dann sowohl unter Kaufleuten als auch unter Nichtkaufleuten (Kramer in Straube HGB Rz 51 zu § 346) die allgemeinen Regeln zur Anwendung. Ein solches Schreiben kann, worauf die klagende Partei zutreffend hinweist, ein Vertragsoffert darstellen (1 Ob 704/84; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 III 33). Ein solches Offert kann aber nicht nur durch Schweigen dann nämlich, wenn das Schweigen nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte nur als Genehmigung des Vorgeschlagenen verstanden werden könnte (SZ 60/52; SZ 57/142; JBl.

1977, 593 je mwN uva), sondern auch durch andere konkludente

Handlungen angenommen werden. Eine solche konkludente Handlung, die

mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu

zweifeln, überließ, daß der Beklagte mit dem Schreiben der klagenden

Partei vom 14.9.1987 einverstanden war und der Inhalt dieses

Schreibens somit auch Inhalt des zwischen den Streitteilen

abgeschlossenen Treuhandvertrages wurde, ist aber darin zu erblicken,

daß der Beklagte von der ihm übermittelten Devinkulierungserklärung

Gebrauch machte und in zwei Teilzahlungen von der B*****-V***** die

Gesamtsumme von S 6,716.250,-- überwiesen erhielt. Ob der Beklagte

die Zahlung auch erreicht hätte, wenn die klagende Partei nicht die

Zahlungsperre aufgehoben hätte, ist für den Erklärungswert der

Handlung des Beklagten irrelevant. Es kommt einzig und allein darauf an, daß der Beklagte von der Erklärung der klagenden Partei Gebrauch machte. Dieses Verhalten konnte nur den objektiven Erklärungswert haben, daß sich der Beklagte den Bedingungen der klagenden Partei unterwarf.

Dies bedeutet, daß der Beklagte die Treuhandvereinbarung mit dem Inhalt, im Rahmen der offenen Zinsenverrechnung jene Beträge zu überweisen, die die klagende Partei von ihm forderte, zu erfüllen hatte. Diese Beträge waren aber nicht sofort, sondern erst über erste Aufforderung zu bezahlen. Diese erste Aufforderung liegt in der Bekanntgabe der offenen Darlehenssalden mit Schreiben vom 16.2.1988. Die Behauptung der klagenden Partei, vermutlich sei nur der Kontenstand dieser beiden Darlehenskonten abgefragt worden, ist aktenwidrig, gab doch die klagende Partei selbst unmittelbar vorher den Kontenstand der vier Darlehenssalden für einen weit zurückliegenden Zeitpunkt bekannt. Zu diesem Schreiben gab die klagende Partei in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3.10.1990 nur an, daß es echt sei, die Richtigkeit wurde so weit bestritten, als sie mit dem eigenen Vorbringen im Widerspruch steht. Ein eigenes Vorbringen in dieser Richtung hatte die klagende Partei zu diesem Zeitpunkt nicht erstattet gehabt. Erstmals nahm die klagende Partei in ihrem nach Schluß der Verhandlung gemäß § 193 Abs.3 ZPO erstatteten Schriftsatz vom 3.5.1991 zu diesem Schreiben Stellung, nach Wiedereröffnung des Verfahrens trug die klagende Partei aber ausweislich des Verhandlungsprotokolls vom 25.11.1991 diesen Schriftsatz nicht vor. Sein Inhalt wurde daher nicht Verhandlungsgegenstand. Der Beklagte wäre somit seiner vertraglichen Verpflichtung nachgekommen, wenn er aus den bei ihm treuhändig erliegenden, von der B*****-V***** überwiesenen Geldern den Betrag von S 268.385,39 überwiesen und den Restbetrag dem zweiten Treugeber ausbezahlt hätte. Insofern er einen um S 42.257,39 geringeren Betrag überwies, kam er somit seiner Treuhandverpflichtung nicht nach. Diesen Betrag kann die klagende Partei daher in Anspruch nehmen.

Wegen Spruchreife ist der Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs.1 bzw. §§ 43 Abs.1, 50 ZPO. Die klagende Partei drang mit rund 30 % ihres Begehrens durch, der Beklagte hat demnach Anspruch auf Ersatz von 40 % seiner Kosten. Bei der Aufteilung der Gebühren und Kosten wurde auf die Bestimmung des § 43 Abs.1 2.Satz ZPO Bedacht genommen.

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