OGH 1Ob73/74

OGH1Ob73/7426.6.1974

SZ 47/83

Normen

ABGB §863
HGB §346
ABGB §863
HGB §346

 

Spruch:

Die Verkehrssicherheit erfordert, daß in erster Linie das Vereinbarte gilt; nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann daher durch Stillschweigen auf ein vom Vereinbarten abweichendes "Bestätigungsschreiben" des Vertragspartners eine Vertragsänderung eintreten

OGH 26 Juni 1974, 1 Ob 73/74 (OLG Innsbruck 2 R 10/74; LG Innsbruck 24 Cg 76/72)

Text

Mit der Behauptung, sie habe für den Beklagten Arbeiten zur Errichtung der Warmwasserpumpenheizung und Ölfeuerungs- und sanitären Anlagen in dessen Neubau in L durchgeführt, begehrt die Klägerin die Bezahlung von restlichen 60.000 S samt Anhang. Der Beklagte wendete ein, er habe durch seinen Vertreter und Architekten Ing. Peter G mit dem Vertreter der Klagerin Jürgen S vereinbart, daß die in Auftrag gegebenen Arbeiten bis zum 20. April 1971 fertigzustellen seien und daß er im Falle der Terminüberschreitung pro Tag 500 S als Pönale vom Rechnungsbetrag in Abzug bringen könne. Diese Vereinbarung habe im Auftragsschreiben vom 16. März 1971 ihren Niederschlag gefunden und sei vom Vertreter der Klägerin eigenhändig unterschieben worden.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest: Der Beklagte hat als Bauherr die durchzuführende Errichtung der eingangs genannten Anlagen der Klägerin als Bestbieterin übertragen. Die Verhandlungen wurden zunächst vom Beklagten persönlich mit Jürgen S, einem Angestellten der Klägerin, geführt, wobei jedoch von einem bestimmten Fertigstellungstermin nicht die Rede war. Die endgültigen Abschlußgespräche wurden dann allerdings auf Seite des Beklagten von dessen Vertreter Ing. Peter G, dem vom Beklagten die Bauleitung anvertraut und auch die Vollmacht zum gegenständlichen Vertrag mit der Klägerin erteilt worden war, und auf Seite der Klägerin von Jürgen S, der jedoch nicht zeichnungs- und abschlußberechtigt war, abgewickelt. Daß Jürgen S zum Abschluß des Vertrages nicht befugt war, hat er dem Beklagten nicht mitgeteilt. Bei diesen Verhandlungen wurde das Ausmaß der Arbeiten und deren Kosten fixiert. Hinsichtlich des Fertigstellungstermins wurde nichts besonderes besprochen, da eine besondere Dringlichkeit der Arbeiten nicht gegeben war. Wohl wurde der 20. April 1971 genannt, um überhaupt einmal einen zeitlichen Zielpunkt für die Fertigstellung der Arbeiten zu haben, doch war beiden Vertragsteilen klar, daß es mit den Arbeiten nicht dränge und die Klägerin die Arbeiten auch hinauszögern könne, da dies in Anbetracht seiner finanziellen Verhältnisse auch im Interesse des Beklagten gelegen war. Jedenfalls war bei der mündlichen Absprache zwischen den anwesenden Vertragsteilen keine Rede davon, daß der Beklagte bei Nichteinhaltung des erwähnten Fertigstellungstermins berechtigt sein sollte, vom Rechnungsbetrag 500 S pro Tag in Abzug zu bringen. Nach Abschluß der mündlichen Verhandlungen unterbreitete Ing. Peter G das von ihm abgefaßte Auftragsschreiben vom 16. März 1971 Jürgen S zur Unterfertigung, ohne auf den Passus im Punkt 5: "Bei Nichteinhaltung der vorstehend festgesetzten Termine werden Ihnen pro Tag der Überschreitung 500 S von der Schlußabrechnung in Abzug gebracht hinzuweisen. Dieses Auftragsschreiben sollte lediglich eine Fixierung der mündlichen Absprache sein und diese keineswegs ergänzen oder abändern oder gar das Zustandekommen des Auftrages von dessen Unterfertigung abhängig machen. Dies war auch der Beweggrund dafür, daß der Vertreter der Klägerin das Schreiben ohne Durchsicht und daher in Unkenntnis des Punktes uber die Konventionalstrafe unterfertigte, welcher Passus im Widerspruch zur mündlich getroffenen Vereinbarung stand. Der Beklagte mußte seine Arbeitsstelle in Deutschland am 1. April 1971 antreten, weshalb er seinem Bruder Siegmund M den Auftrag erteilte, den Fortgang der Arbeiten der Klägerin zu überwachen, und ihm auch die Vollmacht erteilte, im Falle der in seiner Abwesenheit erfolgenden Rechnungslegung den Rechnungsbetrag an die Klägerin zu überweisen. Infolge des Umstandes, daß einige Monteure der Klägerin in der Zwischenzeit das klägerische Unternehmen verlassen hatten und keine Ersatzkräfte aufgebracht werden konnten, verzögerte sich die Fertigstellung der Arbeiten für die normalerweise 20 Tage benötigt werden, erheblich; die Arbeiten wurden erst am 16. August 1971 beendet. Während der Abwesenheit des Beklagten haben Ing. Peter G und auch der Bruder des Beklagten einige Male bei Jürgen S vorgesprochen und darauf gedrängt, nach Möglichkeit die Arbeiten doch fortzusetzen, wobei jedoch von der drohenden Konventionalstrafe nicht die Rede war. Es wurde auch nicht davon gesprochen, daß dem Beklagten im Fall der nicht fristgerechten oder erheblich verspäteten Fertigstellung der Arbeiten ein Schaden entstehe. Ing. Peter G hat dem Vertreter der Klägerin Jürgen S unter dessen Aufsicht die Arbeiten durchgeführt wurden, sogar erklärt, er solle schauen, daß die Arbeiten bis zum Herbst fertig seien. Dies war dann auch der Fall, die Arbeiten waren vor der Ruckkehr des Beklagten aus Deutschland beendet. Da der Beklagte vor seiner Abreise nach Deutschland keine weiteren Arbeiten in Auftrag gegeben hatte, die erst nach Beendigung der klagsgegenständlichen Arbeiten in Angriff genommen werden hätten können, und er überdies die Absicht gehabt hatte, erst nach seiner Rückkehr aus Deutschland weitere Arbeiten vornehmen zu lassen, entstand für ihn durch die Verzögerung der klägerischen Leistungen kein Schaden. Dem Beklagten wurde mit Faktura vom 30. September 1971 ein Betrag von 71.996 S in Rechnung gestellt. Erst nach erfolgter Mahnung leistete der Beklagte einen Teilbetrag von 11.996 S und weigerte sich in der Folge, den klagsgegenständlichen Restbetrag unter Hinweis auf die im Auftragsschreiben vom 16. März 1971 enthaltene Vereinbarung über die Konventionalstrafe zu bezahlen.

In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, daß der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten als so zustande gekommen gelte, wie er zwischen deren Vertretern mündlich abgesprochen worden sei, wobei für die Auslegung des Vertrages deren Absicht maßgeblich sei. Es sei daher davon auszugehen, daß zwischen den Parteien der im Auftragschreiben enthaltene Passus über die Konventionalstrafe nicht Vertragsinhalt geworden sei und daß der 20. April 1971 nicht als unbedingter Fertigstellungstermin eingehalten werden mußte, habe doch der Vertreter des Beklagten Ing. Peter G selbst erklärt, daß Jürgen S das Auftragsschreiben deshalb nicht durchgelesen habe, weil die Absprachen mündlich getroffen worden seien. Auch Jürgen S habe den Vertrag als so zustandegekommen angesehen, wie er mündlich abgeschlossen wurde. Daraus ergebe sich, daß den im Auftragsschreiben genannten Punkten nur insoweit Bedeutung zukommen sollte, als sie sich mit den mündlich getroffenen Vereinbarungen deckten. Die Streitteile hätten nämlich die Erklärungen ihrer Vertreter im Vertrauen auf den äußeren Tatbestand gegeneinander gelten lassen. Demnach sei einerseits die durch Jürgen S mündlich abgeschlossene Vereinbarung für die Klägerin als einseitiges Handelsgeschäft bindend gewesen, andererseits seien aber auch gegenüber dem Beklagten die Erklärung des Ing. Peter G gegenüber Jürgen S bindend gewesen, in denen zum Ausdruck gebracht wurde, daß es mit den Arbeiten nicht so dringend sei, diese jedoch jedenfalls bis zum Herbst fertiggestellt sein müssen. Da die Klägerin diesem Auftrag nicht entsprochen habe und die Richtigkeit des in Rechnung gestellten Betrages nicht bestritten worden sei, sei dem Klagsbegehren Folge zu geben gewesen.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstrichters als das Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung, erachtete eine Beweiswiederholung nicht für erforderlich und billigte auch dessen Rechtsansicht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß die Klägerin - ein Installationsunternehmen - offensichtlich Kaufmann ist und für das Haus des Beklagten die Installationseinrichtungen zu liefern und zu montieren, also nicht etwa nur "Arbeiten" im strengen Sinn dieses Wortes zu leisten hatte. Der Beklagte ist von Beruf Oberkellner, also nicht Kaufmann. Das von seinem Vertreter Ing. Peter G an die Klägerin gerichtete Schreiben vom 16. März 1971 war ein Antrag über die Errichtung einer Warmwasserpumpenheizung, Ölfeuerungs- und Sanitär-Anlage von einem Interessenten, demgegenüber sie sich zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hatte. Nach § 362 Abs. 1 zweiter Satz HGB hat in einem solchen Fall der Kaufmann unverzüglich zu antworten, sein Schweigen gilt als Annahme des Antrages. Nun haben die Vorinstanzen festgestellt, daß alle Vertragspunkte über die Auftragserteilung an die Klägerin zwischen deren Vertreter - Jürgen S - und dem Vertreter des Beklagten - Ing. Peter G - mündlich fixiert wurden und daß sie durch das Schreiben vom 16. März 1971 bloß schriftlich festgehalten, aber nicht geändert oder ergänzt werden sollten und daß das Zustandekommen des Auftrages nicht von der Unterfertigung des Schriftstückes abhängig gemacht wurde. Daß Jürgen S an und für sich nicht für die Klägerin abschlußberechtigt war, ist ohne wesentliche Bedeutung, weil die Klägerin das Geschäft, so wie er es abgeschlossen hatte, gegen sich gelten ließ.

Festgestellt ist, daß bei den Verhandlungen, die schließlich zur mündlichen Auftragserteilung führten, von einer Konventionalstrafe keine Rede war. Es handelt sich darum, ob der mündlich abgeschlossene Vertrag nachträglich im Sinn einer Terminisierung unter Konventionalstrafenvereinbarung geändert wurde, was durch das Schweigen des Jürgen S bzw. der Klägerin selbst auf das Schreiben vom 16. März 1971 hin geschehen sein könnte. Soweit die Revisionsausführungen in diesem Sinn verstanden werden können, soll nicht übersehen werden, daß Lehre und Rechtsprechung zur Frage der Tragweite des Schweigens eines Kaufmannes zu einem ihm zugegangenen Bestätigungsschreiben keine einheitliche Auffassung vertreten. So hat der Oberste Gerichtshof - um die jüngere Judikatur heranzuziehen - z. B. in der Entscheidung HS 5214/13 den Standpunkt eingenommen, daß sich derjenige, der im Handelsverkehr zu einem Bestätigungsschreiben schweigt, so behandeln lassen müsse, als ob er mit dem Inhalt des Schreibens einverstanden gewesen wäre, dies auch dann, wenn das Bestätigungsschreiben die getroffene Vereinbarung nicht richtig wiedergab, wobei es ohne Belang sei, ob sich der Absender des Schreibens im guten oder bösen Glauben befunden habe. In diesem Sinn erging auch noch die Entscheidung 6 Ob 95/70, die jedoch von Bydlinski heftiger Kritik unterzogen wurde (JBl. 1970, 478). Die Entscheidung Arb. 8954 rückte denn auch die Bedachtnahme auf Treu und Glauben als wesentliches Kriterium in den Vordergrund. Die Entscheidung 7 Ob 232/72 hat zuletzt ausgesprochen, daß die Rechtswirkungen des Schweigens auf ein Bestätigungsschreiben dann nicht eintreten, wenn sich dessen Inhalt so weit von dem vorher Abgesprochenen entfernt, daß der Absender mit einer Billigung durch den Empfänger nicht rechnen konnte; dies werde dann anzunehmen sein, wenn der Absender den Vertragsinhalt im Bestätigungsschreiben bewußt falsch oder entstellt wiedergegeben hat.

Wahle (in Klang[2] IV/2, 39) betont, es gelte gerade nach kaufmännischer Auffassung als unfair, auch nur zu versuchen, eben getroffene Abmachungen abzuändern, ohne daß eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Dies gelte erst recht dann, wenn ein Geschäftspartner versucht, in ein Bestätigungsschreiben oder in eine Faktura Bestimmungen aufzunehmen, die mit den abgeschlossenen Vereinbarungen im Widerspruch stehen oder gar nicht besprochen worden sind. Wenn der Gegenpartner über ein solches als ungehörig anzusehendes Verhalten stillschweigend hinweggeht, so könne darin niemals eine Zustimmung zu der direkt oder indirekt vorgeschlagenen Vertragsänderung erblickt werden. Bydlinski bezieht sich in der erwähnten Kritik an der Entscheidung 6 Ob 95/70 auf seine Lehre in "Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes". In diesem Werk befaßt er sich eingehend mit dem Problem des "Vertragsabschlusses" durch kaufmännische Bestätigungsschreiben (194) und kommt - insbesondere auch unter Zitierung Wahles - zusammenfassend zur Ansicht, daß die Ergebnisse der Lehre vom "Vertragsabschluß" durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben abzulehnen seien. "Sie bedeuten einen ständigen Anreiz zur Verfälschung des Vereinbarten" (202).

Bydlinski ist darin beizupflichten, daß die Verkehrssicherheit in erster Linie fordern muß, daß Vereinbartes gilt und nicht das, was ein Beteiligter einseitig darüber zu schreiben befindet. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann durch Stillschweigen auf ein vom Vereinbarten abweichendes Schreiben eines der Vertragspartner, das dann schon begrifflich kein "Bestätigungsschreiben" im strengen Sinn dieses Wortes mehr ist, eine Vertragsmodifikation eintreten (Wahle, 40). Ob vom "Rechtsinstitut des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben" - wie Bydlinski formuliert - materiellrechtlich nur übrigbleibt, daß dort, wo das Schweigen zwar mit dem Vereinbarten nicht im Widerspruch steht, aber bewußt über das Vereinbarte so hinausgeht, daß die erkennbaren Interessen des Briefempfängers nicht spürbar beeinträchtigt werden, aus dessen Schweigen kraft Handelsbrauches die Zustimmung zur Vertragsänderung erschlossen werden kann (207), mag dahingestellt bleiben; bedeutsam könnte das Schweigen allenfalls auch dann werden, wenn der Briefempfänger erst durch sein Schweigen den Briefschreiber zu einem bestimmten Handeln veranlaßt (vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 79). Im vorliegenden Fall erscheinen die Interessen der Klägerin durch die nach bereits fix erfolgter Auftragserteilung versuchte Aufnahme des Passus über eine Konventionalstrafe und der Klausel, daß mündliche Vereinbarungen ungültig seien, in das Auftragsschreiben, wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt. Im Verschweigen einer solchen Textierung des Schreibens vom 16. März 1971 lag auch ein sittenwidriger Verstoß gegen Treu und Glauben. Mag diesen auch Ing. Peter G begangen haben, muß doch der Beklagte für die Vorgangsweise seines Vertreters einstehen. Er kann sich daher nicht auf eine angeblich vereinbarte Konventionalstrafe berufen, zumal er durch das Schweigen der Gegenseite nicht erst zu einem Handeln veranlaßt wurde.

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