OGH 3Ob532/94

OGH3Ob532/9429.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Redl, Dr.Graf und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rita K*****, vertreten durch Fürst & Domberger Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Mödling, wider die beklagten Parteien 1.) Hildegard J*****, 2.) Hans-Jörg B*****, beide vertreten durch Dr.Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Räumung, infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Jänner 1994, GZ 41 R 1051/93-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 14.August 1993, GZ 9 C 210/92h-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.899,20 (darin enthalten S 483,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist auf Grund des Schenkungsvertrages vom 21.9.1990, verbüchert am 24.9.1992 nach ihrer Großmutter Emma K***** Miteigentümerin des Hauses M*****, an dem Wohnungseigentum begründet ist; mit dem Miteigentumsanteil ist das dingliche Recht auf Benützung der Wohnung top 2 verbunden.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Räumung dieser von ihnen ohne Rechtstitel benützten Wohnung (samt Kellerabteil). Im Mietvertrag zwischen Emma K***** und Gertrude H***** sei gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG der Verkauf der Wohnung als Kündigungsgrund vereinbart. Emma K***** und Gertrude H***** hätten daher wegen der Schenkung der Wohnung an die Klägerin die einverständliche Auflösung des Hauptmietvertrages mit 30.9.1992 vereinbart. Gertrude H***** habe mit Untermietvertrag vom 7.8.1989 die Wohnung an die Erstbeklagte für 1.10.1989 bis 30.9.1992 untervermietet. Dabei sei vereinbart worden, daß die Erstbeklagte ihren Sohn, den Zweitbeklagten, in dieser Wohnung wohnen lassen dürfe. Gertrude H***** habe die Beklagten schon mit Schreiben vom 21.5.1992 darauf aufmerksam gemacht, daß der Untermietvertrag nicht verlängert werden könne und daß die Wohnung am 30.9.1992 zurückzustellen sei. Die Beklagten hätten die Wohnung jedoch nicht geräumt und benützten sie demnach ohne Rechtstitel. Der Klägerin sei das Bestehen des Untermietvertrags nicht bekannt gewesen; sie habe daher gutgläubig bestandfrei erworben.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten kostenpflichtige Klagsabweisung und wendeten ein, Emma K***** habe den Hauptmietvertrag mit ihrer Schwester Gertrude H***** nur zur Umgehung nicht gewünschter Rechtsfolgen abgeschlossen, weil die Wohnung befristet untervermietet und damit der Kündigungsschutz ausgeschaltet werden sollte. Gertrude H***** habe die Wohnung nie selbst benützt; die Wohnung sei ihr auch nicht teilweise zur Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses oder für Angehörige (haupt)vermietet worden. Im Untermietvertrag vom 13.9.1984 scheine Gertrude H***** als Untervermieterin und der Zweitbeklagte als Untermieter auf. Der Zweitbeklagte habe die Miete teilweise direkt an Emma K***** mit dem ihm übermittelten Zahlschein auf ihr Bankkonto bezahlt. Alle Zahlungen seien angenommen worden, sodaß die gesamte Miete offenbar Emma K***** zugekommen sei. Emma K***** habe darüber hinaus die ersten Mietzahlungen bar übernommen und bestätigt. Der Hauptmietvertrag zwischen Emma K***** und Gertrude H***** sei somit nur zur Untervermietung und nur zur Umgehung der Rechte des Zweitbeklagten als Hauptmieter geschlossen worden.

Nach dem Untermietvertrag vom 13.9.1984 hätte das Mietverhältnis 13 Monate dauern, am 1.10.1984 beginnen und am 31.12.1985 ohne Kündigung enden sollen. Tatsächlich habe das Mietverhältnis jedoch spätestens schon am 15.9.1984 begonnen. Gertrude H***** habe auf der Rückseite des Mietvertrags eine Verlängerungsvereinbarung bis zum 30.9.1989 unterschrieben, nicht jedoch der Zweitbeklagte. Somit sei die Schriftform als Voraussetzung für eine wirksame Befristung nicht eingehalten worden.

Nur der Zweitbeklagte habe seit spätestens 15.9.1984 mit seiner Ehefrau und seinem Sohn die Wohnung benützt und die Miete bezahlt. Sein Vertrag über die Benützung der Wohnung sei von keiner Seite aufgelöst worden.

Auf Vorschlag der Vermieter bzw deren Hausverwaltung habe die Erstbeklagte, die Mutter des Zweitbeklagten, über diese Wohnung einen befristeten Untermietvertrag geschlossen, damit der Zweitbeklagte die Wohnung weiterhin benützen könne. Deshalb sei im Untermietvertrag vom 7.8.1989 ausdrücklich festgehalten worden, daß die Erstbeklagte berechtigt sei, ihren Sohn, den Zweitbeklagten, in der Wohnung wohnen zu lassen. Sie habe diese Wohnung nie benützt und auch keine Miete bezahlt. Die Erstbeklagte habe bloß ihrem Sohn helfen wollen, nicht aber Mieterin werden wollen. Auch die Vermieter bzw deren Hausverwaltung hätten ausschließlich beabsichtigt, den Zweitbeklagten um seinen Kündigungsschutz zu bringen, nicht jedoch einen Vertrag mit der Erstbeklagten. Da somit in Wahrheit ein Mietvertrag zwischen der Erstbeklagten und Gertrude H***** gar nicht beabsichtigt gewesen sei, sei dieser Wohnungsuntermietvertrag vom 7.8.1989 ein nichtiges Scheingeschäft, zumindest aber sollten die Rechtswirkungen des MRG umgangen werden. Der Zweitbeklagte habe an diesem Wohnungsuntermietvertrag nicht mitgewirkt, ihn insbesondere nicht (mit)abgeschlossen. Hilfsweise werde dieser Untermietvertrag wegen eines von der Vermieterin und der Hausverwaltung veranlaßten Irrtums angefochten. Den Beklagten, die nicht rechtskundig seien, sei die falsche Rechtsbelehrung erteilt worden, es gebe keine andere Möglichkeit, daß der Zweitbeklagte in der Wohnung bleiben könne. Bei Kenntnis der wahren Rechtslage hätte die Erstbeklagte den Untermietvertrag nie abgeschlossen, sodaß dessen Aufhebung begehrt werde. Da die Erstbeklagte die Wohnung nie benützt habe und dort auch keine ihr gehörenden Gegenstände vorhanden seien, könne sie mangels Passivlegitimation auch nicht auf Räumung geklagt werden. In Wahrheit sei der Zweitbeklagte seit spätestens 15.9.1984 alleiniger Hauptmieter dieser Wohnung, an der erst im Jahr 1988 Wohnungseigentum begründet worden sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab; es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Emma K***** war Mehrheitseigentümerin des Hauses M*****, das um 1900 erbaut worden war und in dem sich 12 Wohnungen befinden. Da ihre Schwester Gertrude H***** in M*****, wo sie aufgewachsen war, keine Wohnmöglichkeit hatte, war es seit jeher ihr Wunsch, dort - möglichst im Haus ihrer Schwester - über eine Wohnung zu verfügen; sie wollte jedoch nicht ihren Hauptwohnsitz in I***** aufgeben. Emma K***** sagte ihrer Schwester zu, daß sie bei Freiwerden eine Wohnung anmieten könne. Seit der Pensionierung ihres Gatten im Jahr 1975 interessierte sich Gertrude H***** noch verstärkt für eine solche Wohnung. Als die Wohnung top Nr 2 frei wurde, plante Gertrude H*****, diese Wohnung nach Abschluß eines Hauptmietvertrages zu beziehen. Emma K***** informierte Gertrude H***** im September 1984 (in der Ausfertigung des Ersturteils offenbar irrtümlich: "1991") davon, daß der Zweitbeklagte Interesse an dieser Wohnung, die er dringend brauche, geäußert habe. Da ihr Gatte seit August 1984 schwer erkrankt war und aus diesem Grund ein Bezug der Wohnung noch nicht in Frage kam, stimmte Gertrude H***** einer Untervermietung dieser Wohnung an den Zweitbeklagten für höchsten 1 Jahr zu. Sie wollte sich damit die Möglichkeit wahren, bei Änderung der Verhältnisse über die Wohnung zu verfügen.

Emma K***** vermietete daher mit Mietvertrag vom 18.9.1984 die Wohnung top Nr 2 an ihre Schwester Gertrude H*****. Der Mietvertrag wurde ab 1.10.1984 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen; der gesetzlich zulässige Hauptmietzins von S 742,-- wurde bis 30.6.1992 gemäß §§ 18, 19 MRG auf S 1.640,-- erhöht. Laut Punkt XVI des Mietvertrags wurde der Verkauf des Hauses bzw Verkauf der Eigentumswohnung im Falle der Umwandlung in Wohnungseigentum als ein für die Kündigung wichtiger und als bedeutsam anzusehender Umstand vereinbart.

Der Zweitbeklagte unterfertigte am 13.9.1984 einen Untermietvertrag über diese Wohnung für 1.10.1984 bis 31.12.1985. Ein monatlicher Nettomietzins von S 2.481,27 (brutto S 3.330,--) wurde vereinbart. Bei der Unterzeichnung erfuhr der Zweitbeklagte erstmals, daß seine Vermieterin nicht Emma K*****, mit der er bisher alle Gespräche geführt hatte, sondern deren Schwester Gertrude H***** sei; er unterzeichnete dennoch den Untermietvertrag. Der Zweitbeklagte bezog auf sein Drängen die Wohnung bereits Mitte September 1984. Da sich die Eröffnung eines Kontos für Gertrude H***** bis Ende November 1984 (in der Ausfertigung des Ersturteils offenbar irrtümlich: "1991") verzögerte, holte Emma K***** den Mietzins für die zweite Hälfte September, für Oktober und November 1984 (in der Ausfertigung des Ersturteils offenbar irrtümlich: "1991") persönlich vom Beklagten ab, quittierte den Erhalt und leitete die Beträge an Gertrude H***** weiter. Ab Dezember 1991 überwies der Zweitbeklagte den monatlichen Mietzins regelmäßig mit vorgedruckten Zahlscheinen auf ein ihm bekanntgegebenes Konto lautend auf Gertrude H*****. Nur im Mai 1987 wurde dem Zweitbeklagten irrtümlich ein auf Emma K***** lautender vorgedruckter Zahlschein übermittelt, sodaß er den Mietzins auf dieses Konto überwies. Diese Beträge wurden in der Folge auf das Mietzinskonto der Gertrude H***** umgebucht.

Kurz vor Ablauf des Untermietvertrags fragte der Zweitbeklagte bei Emma K*****, die für ihn immer die maßgebliche Ansprechpartnerin war, wegen der Verlängerung des Untermietvertrages an. Emma K***** erklärte sich nach Rücksprache mit Gertrude H***** in deren Namen dem Zweitbeklagten gegenüber mit einer Verlängerung bis 30.9.1989 einverstanden. Auf dem abgeschlossenen Untermietvertrag wurde daher auf der Rückseite der Zusatz, daß der Untermietvertrag bis 30.9.1989 verlängert werde und zu diesem Zeitpunkt ohne Kündigung ende, aufgenommen, jedoch aus nicht mehr feststellbaren Gründen nur von der Hauptmieterin Gertrude H***** unterzeichnet.

Vor Ablauf der Vertragsverlängerung fragte der Zweitbeklagte neuerlich an, ob eine weitere Verlängerung in Betracht komme. Emma K***** und Gertrude H*****, die er hiebei das erstemal persönlich kennenlernte, teilten ihm mit, daß eine Verlängerung nur unter der Bedingung möglich sei, daß seine Mutter, die Erstbeklagte, die die Wohnung jedoch nie bewohnt hatte, nunmehr Untermieterin würde. In der Folge wurde dem Beklagten ein Termin bei der Rechtsanwältin Dr.Hilde D*****, die Emma K***** und Gertrude H***** vertrat, zur Unterzeichnung des neuen Untermietvertrages bekanntgegeben. Dr.D***** erklärte dem Beklagten, die einzige Möglichkeit, dem Zweitbeklagten (in der Ausfertigung des Ersturteils offenbar irrtümlich: "Erstbeklagten") die Wohnung zu erhalten, sei der Abschluß eines neuen befristeten Untermietvertrags, in dem jedoch die Mutter des Zweitbeklagten, die Erstbeklagte, als Untermieterin aufscheinen müsse; im übrigen würde sich für den Zweitbeklagten nichts ändern. Der Grund für dieses Verlangen wurde den juristisch nicht geschulten Beklagten nicht erklärt. Da die Erstbeklagte ihrem Sohn helfen wollte in der Wohnung zu bleiben, unterzeichnete sie einen Untermietvertrag vom 7.8.1989, beginnend am 1.10.1989 für die Dauer von 3 Jahren, somit bis zum 20.9.1992 um einen monatlichen Untermietzins von S 3.531,--. In diesem Vertrag wurde unter anderem der Zusatz, daß die Erstbeklagte berechtigt sei, ihren Sohn, den Zweitbeklagten, in der Wohnung wohnen zu lassen, aufgenommen. Allen Vertragsparteien war klar, daß nach wie vor nur der Zweitbeklagte in der Wohnung leben werde und daß der Zweitbeklagte den Mietzins bezahlen werde. Tatsächlich bezog die Erstbeklagte nie die Wohnung. Der Zweitbeklagte lebte, wie auch schon in den Jahren zuvor, gemeinsam mit seiner Familie in der Wohnung und bezahlte auch den laut neuem Untermietvertrag vereinbarten Untermietzins auf das Konto der Gertrude H*****.

Da die Klägerin in der Folge die Wohnung benötigte, wurde das Hauptmietverhältnis zwischen Emma K***** und Gertrude H***** einvernehmlich außergerichtlich aufgelöst. Die Klägerin erwarb die Wohnung, an der im Jahr 1988 Wohnungseigentum begründet worden war, von Emma K***** im Schenkungsweg, und zwar mit dem noch vor Klagseinbringung verbücherten Schenkungsvertrag vom 21.9.1990. Die Wohnung wurde auf Aufforderung der Klägerin vom Zweitbeklagten nicht geräumt übergeben.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Ergericht rechtlich dahin, Scheinuntermiete liege dann vor, wenn bei Überlegung aller Umstände kein Zweifel bestehe, daß ein Hauptmietvertrag nur zu Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der dem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, zumal das Motiv für den Abschluß des Hauptmietvertrages zwischen Emma K***** und deren Schwester Gertrude H***** nicht die Umgehung der Kündigungsbeschränkungen gewesen sei; vielmehr habe Gertrude H***** die Wohnung schon vorher anmieten wollen und wäre ein solcher Hauptmietvertrag auch dann, wenngleich auf Grund der familiären Umstände später, geschlossen worden, wenn der Zweitbeklagte die Wohnung nicht angemietet hätte. Der Umstand, daß ungefähr gleichzeitig mit dem Abschluß des Untermietvertrages mit dem Zweitbeklagten (in der Ausfertigung des Ersturteils offenbar unrichtig "Erstbeklagten") auch der Abschluß des Hauptmietvertrages zwischen Emma K***** und Gertrude H***** erfolgt sei, vermöge nichts daran zu ändern, zumal der Abschluß des Hauptmietvertrages aufgrund des konkreten Interesses des Zweitbeklagten (in der Ausfertigung des Ersturteils offenbar unrichtig "Erstbeklagten") an der Wohnung zwecks deren Erhaltung für Gertrude H***** notwendig geworden sei. Gertrude H***** habe regelmäßig Mietzins, offensichtlich im gesetzlichen Ausmaß, an Emma K***** abgeführt. Der Erstbeklagte sei daher nur Untermieter, nicht Hauptmieter geworden.

Das Räumungsbegehren sei jedoch dennoch nicht gerechtfertigt, weil die vorgenommene neuerliche Befristung mangels Unterfertigung der Verlängerung bis 30.9.1989 durch alle Vertragsparteien unwirksam gewesen sei und daher der Zweitbeklagte (in der Ausfertigung des Ersturteils offenbar unrichtig "Erstbeklagte") seit 14.9.1989 Mieter auf unbestimmte Zeit geworden sei. Der Untermietvertrag vom 7.8.1989 sei ein Scheingeschäft, sodaß nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien als dissimuliertes Geschäft in Wahrheit ein Untermietvertrag zwischen Gertrude H***** als Vermieterin und dem Zweitbeklagten als Mieter zustandegekommen sei. Der Zweitbeklagte benütze daher die Wohnung nicht titellos, weshalb das Räumungsbegehren gegen ihn abzuweisen sei. Das Räumungsbegehren gegen die Erstbeklagte sei abzuweisen, weil sie nie Mieterin der Wohnung geworden sei und diese Wohnung auch nie benützt habe.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, bestätigte (unangefochten) die Abweisung der gegen die Erstbeklagte gerichteten Räumungsklage und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß der Räumungsklage gegen den Zweitbeklagten stattgegeben wurde. Eine Räumungsklage gegen einen Dritten sei dann zum Scheitern verurteilt, wenn der Dritte sein Recht zur Benützung der Wohnung von einem ungekündigten Mieter ableiten könne. In den Fällen, in denen dem Mieter das Mietrecht gerichtlich aufgekündigt oder das Mietverhältnis im Sinne des § 1118 ABGB aufgehoben wurde, bestünden die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag unverändert bis zum Ablauf der Leistungsfrist weiter. Bis dahin komme daher ein direktes Vorgehen des Liegenschafts- oder Wohnungseigentümers gegen den Untermieter seines erfolgreich gekündigten Hauptmieters nicht in Betracht. Bei der hier vorliegenden einvernehmlichen Auflösung des Hauptmietverhältnisses gebe es aber weder eine Verlängerung der Räumungsfrist noch einen Räumungsaufschub. Damit könne sich der die Wohnung benützende Zweitbeklagte gegenüber der Klägerin nicht auf eine Titelkette berufen, die ihn zur Benützung der Räumlichkeiten berechtigen würde. Der die Benützung vermittelnde Hauptmietvertrag mit Gertrude H***** sei einvernehmlich beendet. Der Zweitbeklagte sei daher zur Rückgabe der geräumten Wohnung zu verhalten.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine klare Rechtsprechung zum Zeitpunkt des Erlöschens der Benützungsrechte an einer Wohnung nach wirksamer oder durch Urteil als wirksam erkannter Aufkündigung oder Aufhebung des Vertrages nicht vorliege und die sofortige Beendigung der Benützungsrechte bei einvernehmlicher Auflösung in der Rechtsprechung noch nicht behandelt worden sei. Das Ergebnis dieser unterschiedlichen Behandlung wäre aber, daß der Liegenschaftseigentümer bei einvernehmlicher Beendigung des Hauptmietverhältnisses mit Räumungsklage sofort und unmittelbar gegen den Untermieter vorgehen könne, während er dies bei Kündigung des Mietverhältnisses durch ihn oder Abgabe einer Aufhebungserklärung nicht könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Zweitbeklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin stützt ihr Begehren auf Räumung der Wohnung darauf, daß sie aufgrund eines am 24.9.1992 verbücherten Schenkungsvertrags Eigentümerin dieser Wohnung sei, die der Zweitbeklagte ohne Rechtstitel benütze. Die Klägerin begehrt somit als bücherliche Eigentümerin mit einer Eigentumsklage (rei vindicatio) nach § 366 ABGB die Räumung der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung.

Mit der Eigentumsklage verwirklicht der nicht innehabende Eigentümer die in § 354 ABGB verliehene Ausschließungsmacht, indem er die Herausgabe der Sache begehrt. Wirksam eingeräumte Rechte können den Anspruch hemmen bzw die Einrede aus dem Recht zur Innehabung begründen (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 366). Einwendungen aus dem Recht zur Innehabung kann auch ein Dritter erheben, dem der Berechtigte nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses die Sache überlassen darf (Spielbüchler in Rummel2, Rz 4 zu § 366). Wer sein Recht zur Benützung einer Wohnung vom Wohnrecht eines anderen abzuleiten vermag, kann nicht vom Hauseigentümer, der dem Wohnungsgeber die Wohnung überlassen hat, aus der Wohnung entfernt werden, solange das Vertragsverhältnis zwischen Hauseigentümer und Wohnungsgeber besteht; die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses ist dabei ohne jede Bedeutung (MietSlg 31.038).

Der Zweitbeklagte setzt der Eigentumsklage entgegen, daß er tatsächlich Hauptmietrechte erworben habe und ihm daher ein Recht zur Innehabung der Wohnung zustehe (vgl Spielbüchler in Rummel2, Rz 4 zu § 366). Bereits der Hauptmietvertrag mit Gertrude H***** sei nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen worden (§ 2 Abs 3 MRG).

Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Im übrigen wird weitgehend in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes bekämpft, das die vom Zweitbeklagten in der Berufungsbeantwortung erhobene Beweisrüge als nicht berechtigt erkannt hat. Mit Rechtsrüge geltend zu machende Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung werden nicht aufgezeigt. Angesichts der vorliegenden vollständigen Feststellungen gehen die Ausführungen zur Behauptungs- und Beweislast ins Leere. Aus dem Umstand, daß die Hauptmieterin die Wohnung tatsächlich nie selbst benützt hat, ergibt sich noch nicht, daß der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung abgeschlossen wurde. Nach den im Tatsachenbereich liegenden Feststellungen wurde nämlich der Hauptmietvertrag deshalb abgeschlossen, weil die Hauptmieterin über eine solche Wohnung zu eigenen Wohnzwecken verfügen wollte; aufgrund familiärer Umstände, nämlich einer schweren Krankheit ihres Gatten, konnte die Hauptmieterin die beabsichtigte Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nicht verwirklichen.

Bei der Beurteilung, ob hier der Umgehungstatbestand des § 2 Abs 3 MRG verwirklicht wurde, ist davon auszugehen, daß ein Hauptmietvertrag "nur zur Untervermietung abgeschlossen wurde", wenn der formelle Hauptmieter einer Wohnung (in absehbarer Zeit) gar keine Eigenbenützung anstrebt, sie also nicht einmal teilweise zur Befriedigung eigener Wohnbedürfnisse mietet und sie auch nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses naher Angehöriger oder von Dienstnehmern braucht (WoBl 1992/161; WoBl 1992/160; MietSlg 40.238; MietSlg 39/3; MietSlg 38/37).

Die Tatsachenfeststellungen, von denen der Oberste Gerichtshof auszugehen hat, bieten keine Grundlage für die Annahme, daß die Hauptmieterin eine Eigennutzung (in absehbarer Zeit) überhaupt nicht angestrebt hätte. Vielmehr war die beabsichtigte Benützung zu eigenen Wohnzwecken Anlaß der Anmietung dieser Wohnung.

Dem Zweitbeklagten ist somit nicht der Beweis gelungen, daß ihm tatsächlich die Stellung eines Hauptmieters zukomme.

Der Zweitbeklagte releviert in der Revision weiters die Frage der Aktivlegitimation und führt aus, daß zur Kündigung oder Räumungsklage gegen den Unterbestandnehmer nur der Hauptbestandnehmer, nicht aber der Eigentümer aktiv legitimiert sei. Hier stützt sich der Zweitbeklagte darauf, daß er sein Benützungsrecht von der Untervermieterin Gertrude H***** ableite. Die Klägerin sei nach ihrem eigenen Vorbringen gemäß § 1120 ABGB anstelle der Geschenkgeberin Emma K***** als Vermieterin in den behaupteten Hauptmietvertrag mit Gertrude H***** eingetreten. Emma K***** und Gertrude H***** hätten daher den behaupteten Hauptmietvertrag gar nicht mehr auflösen können, weil zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Emma K*****, sondern die Klägerin Eigentümerin - und damit Vermieterin - gewesen sei.

Bei dieser Argumentation verkennt der Zweitbeklagte den festgestellten zeitlichen Ablauf. Der Erwerber tritt nämlich den Bestandnehmern gegenüber grundsätzlich erst mit der Verbücherung seines Eigentumsrechts in die Bestandverträge ein und wird erst damit zur Kündigung legitimiert (1 Ob 512/93; 1 Ob 620/93; Würth in Rummel2, Rz 7 zu § 1120; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 21 zu § 1120). Das Eigentum der Klägerin wurde hier nach dem unbestrittenen Klagsvorbringen am 24.9.1992 verbüchert; für einen früheren Eintritt in den Bestandvertrag durch Übertragung von Besitz und Verwaltung der Liegenschaft (vgl SZ 61/236; 1 Ob 620/93; 1 Ob 512/93; Würth aaO; Binder aaO) fehlt jegliches Parteienvorbringen. Dementsprechend war Emma K***** bis 14.9.1992 Vermieterin und konnte somit bis dahin mit der Mieterin Gertrude H***** die sofortige Auflösung des Hauptmietverhältnisses zum 30.9.1992 vereinbaren. Das Datum dieser Vereinbarung wurde zwar nicht festgestellt; unbestritten ist jedoch, daß Gertrude H***** den Beklagten von einer solchen bereits vorher erfolgten Vereinbarung mit Schreiben vom 21.5.1992 (Blg./D) Mitteilung machte. Eine (weitere) Vereinbarung über die Auflösung des Mietverhältnisses zwischen der Klägerin als nunmehriger bücherlicher Eigentümerin und Gertrude H***** war nicht erforderlich; für die (schlüssige) neue Begründung eines Hauptmietverhältnisses besteht kein Anhaltspunkt; Tatsachenvorbringen in dieser Richtung wurde im Verfahren erster Instanz nicht erstattet. Aus dem Vorbringen der Klägerin in der Berufung, Gertrude H***** zahle ihr bis zur Beendigung des Rechtsstreits Hauptmiete, kann der vom Zweitbeklagten gewünschte Schluß des Weiterbestehens des Hauptmietverhältnisses nicht gezogen werden. Schon aus der Weiterbenützung der Wohnung durch den Zweitbeklagten als bisherigem Untermieter folgt die Verpflichtung der bisherigen Hauptmieterin Gertrude H*****, der Klägerin als nunmehriger Eigentümerin Benützungsentgelt zu zahlen.

Die Vereinbarung zwischen der damaligen bücherlichen Eigentümerin und der Mieterin, das Hauptmietverhältnis zum 30.9.1992 einvernehmlich aufzulösen, ist somit gültig zustandegekommen. Für das Vorliegen einer bloßen Scheinauflösung (vgl SZ 43/134; Würth in Rummel2, Rz 8 zu § 1112) besteht auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen kein Anhaltspunkt.

Die nach Beginn der Erfüllung ex nunc wirkende einverständliche Auflösung des Hauptmietverhältnisses (vgl Würth in Rummel2, Rz 3 vor § 1112) bewirkt, daß mit diesem Zeitpunkt auch das Unterbestandverhältnis erloschen ist.

Der Zweitbeklagte vertritt die Ansicht, bei dem (zuletzt geschlossenen) Untermietvertrag mit der Erstbeklagten handle es sich um ein Scheingeschäft. Mit der Erstbeklagten, der Mutter des Zweitbeklagten, sei der Vertrag nur deshalb geschlossen worden, um die Rechtsfolgen des Überschreitens der Höchstfrist zu vermeiden; in Wahrheit sei das Weiterbestehen des Mietverhältnisses mit dem Zweitbeklagten beabsichtigt gewesen.

Selbst dann, wenn der Standpunkt des Zweitbeklagten richtig wäre, daß nicht die Erstbeklagte, sondern der Zweitbeklagte Vertragspartei ist, würde sich daraus allein noch kein Rechtstitel für die Weiterbenützung der Wohnung ergeben; auch ein mit dem Zweitbeklagten selbst bestehendes Untermietverhältnis wäre mit Beendigung des Hauptmietverhältnisses weggefallen. Ob die Erstbeklagte oder der Zweitbeklagte zuletzt die Stellung des Untermieters innehatten, ist somit für die Beurteilung, ob sich der Zweitbeklagte auf einen Rechtstitel zur Benützung der Wohnung stützen kann, bedeutungslos.

Dem Zweitbeklagten steht somit seit 30.9.1992 kein Recht zur Benützung der Wohnung zu, sodaß die Klägerin als bücherliche Eigentümerin mit ihrem auf § 366 ABGB gestützten Räumungsbegehren gegen den Zweitbeklagten durchdringt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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