OGH 3Ob260/07t

OGH3Ob260/07t10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.‑Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dorothea G*****, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Markus K*****, wegen 23.000 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Oktober 2007, GZ 46 R 603/07b‑8, womit infolge Rekurses des Drittschuldners Mag. Marcus W*****, vertreten durch Kadlec & Weimann, Rechtsanwalts KEG in Wien, der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. Juni 2007, GZ 67 E 2952/07f‑2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass aus der Exekutionsbewilligung des Erstgerichts auch der Satz „Mit der Zustellung an diesen Drittschuldner erwirbt die betreibende Partei an diesen Rechten ein Pfandrecht" zu entfallen hat.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Mit stampiglienmäßiger Erledigung bewilligte das Erstgericht der Betreibenden zur Hereinbringung von 23.000 EUR sA die Forderungsexekution nach § 294a EO, die Fahrnisexekution sowie die Exekution „durch Pfändung des von der verpflichteten Partei am Standort Wien 7, *****, betriebenen Kaffeehausunternehmens einschließlich des dazugehörigen Gewerberechts und der dem Verpflichteten zustehenden Bestandrechte ob diesem Standort, sohin in Ansehung der Nutzungsrechte am oben bezeichneten Objekt gegen den Liegenschaftseigentümer Marcus W*****". Das Erstgericht verfügte folgende Gebote und Verbote:

„An die verpflichtete Partei wird das Gebot erlassen, sich jeder Verfügung über das gepfändete Unternehmen sowie die dazugehörigen Gewerberechte und Nutzungs‑/Bestandrechte zu enthalten, insbesondere diese weder zu veräußern noch zu belasten bzw diese Rechte zurückzulegen oder aufzulösen.

Dem Drittschuldner Marcus W***** wird verboten, aus den gepfändeten Rechten an die verpflichtete Partei zu leisten bzw Verfügungen der verpflichteten Partei über die gepfändeten Nutzungs‑/Bestandrechte zu akzeptieren. Mit der Zustellung an den Drittschuldner erwirbt die betreibende Partei an diesen Rechten ein Pfandrecht."

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Drittschuldner erhobenen Rekurs Folge und eliminierte das an ihn gerichtete Verbot aus der Exekutionsbewilligung. Durch die angefochtene Entscheidung werde in die Rechte des Drittschuldners eingegriffen. Diesem werde „gleichsam" ein Bruch des Bestandvertrags aufgetragen. Es werde in die Rechte des Bestandgebers mit dem Verbot, Verfügungen der verpflichteten Partei - wie beispielsweise die Beendigung des Bestandverhältnisses - zu akzeptieren, unzulässig eingegriffen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag, dass die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist infolge Fehlens jüngerer oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Rechtsfrage, ob bei der Pfändung eines Unternehmens gemäß § 331 EO auch ein Leistungsverbot an den Drittschuldner zu erlassen sei, zulässig, aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist Folgendes:

Am 3. Juli 2007 wurde über das Vermögen des Verpflichteten der Konkurs eröffnet (AZ 3 S 93/07g des Handelsgerichts Wien). Die am 5. Juli 2007 durch Hinterlegung erfolgte Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Verpflichteten war wegen der Exekutionssperre des § 10 Abs 1 KO unwirksam. In der Zwischenzeit wurde der Konkurs aufgehoben und dem Verpflichteten über Veranlassung des Obersten Gerichtshofs die Exekutionsbewilligung am 6. März 2008 zugestellt. Der Verpflichtete erhob keinen Rekurs.

Die Revisionsrekurswerberin steht auf dem Standpunkt, dass das Rekursgericht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (3 Ob 33/84 = SZ 57/102) abgewichen sei. Im Übrigen hindere das Verbot den Drittschuldner nicht, das Mietverhältnis aufzukündigen (8 Ob 118/63 = MietSlg 15.104). Auch Verfügungen des Mieters seien in der Zwangsverwaltung möglich und nur insoweit unwirksam, als sie sich zum Nachteil der betreibenden Partei auswirkten. Der Drittschuldner sei also durch das Verbot nicht belastet und deshalb nicht einmal rekurslegitimiert. Dazu ist Folgendes auszuführen:

I. Zur Exekutionsführung auf ein Unternehmen:

1. Ein Unternehmen (zum Rechtsbegriff: RIS‑Justiz RS0004213) ist eine aus körperlichen und unkörperlichen Sachen bestehende Gesamtsache (§ 302 ABGB), die nur nach den §§ 331 ff EO in Exekution gezogen werden kann (3 Ob 116/70 = SZ 43/197 = EvBl 1971/155). Als Verwertungsart kommt beim gewerblichen Unternehmen gemäß § 341 EO nur die Zwangsverwaltung (§ 334 EO) oder die Zwangsverpachtung (§ 340 EO) in Frage.

2. Die ursprünglich strittige Frage, ob eine Pfändung des Unternehmens erforderlich ist, wurde mit dem Plenissimarbeschluss vom 25. Dezember 1912, JB 198, dahin beantwortet, dass schon zur Festlegung des Ranges des Befriedigungsrechts die Exekution auf Unternehmen, wie sie in § 341 EO angeführt sind, durch die in § 331 EO angeführte Pfändung, also durch Erlassung des Gebots an den verpflichteten Unternehmensinhaber, einzuleiten ist. Ob daneben auch an Dritte (etwa an den Vermieter des Unternehmensinhabers) ein Leistungsverbot erlassen werden darf, wurde in dieser Entscheidung nicht behandelt. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung unstrittig ist jedenfalls, dass sowohl Bestandrechte als auch Unternehmen durch bloßes an den Verpflichteten gerichtetes Verfügungsverbot zu pfänden sind (für das Bestandrecht: Frauenberger in Burgstaller/Deixler‑Hübner, EO, § 331 Rz 18; Oberhammer in Angst, EO, § 331 Rz 39 mwN; Oberhammer, Das Mietrecht als Gegenstand der Zwangsvollstreckung in wobl 1999, 376; ZBl 1928/149; für das Unternehmen: JB 198; Frauenberger aaO Rz 26 f; Jakusch in Angst, EO, § 341 Rz 30).

II. Zur Zulässigkeit des an den Bestandgeber des Verpflichteten gerichteten Verbots und zur Rekurslegitimation des „Drittschuldners":

1. In der Exekution nach den §§ 331 ff EO ist der Vermieter des Objekts, in dem das gepfändete Unternehmen betrieben wird, nicht Drittschuldner im Rahmen einer Forderungsexekution, in welcher die Pfändung erst durch das an den Drittschuldner gerichtete Leistungsverbot bewirkt wird (§ 294 Abs 1 EO). Im vorliegenden Fall kann sich der Bestandgeber durch die Pfändung (das Verfügungsverbot an den Verpflichteten) in seiner eigenen Rechtsstellung grundsätzlich nicht für beschwert erachten (Oberhammer aaO § 331 Rz 70). Ein Rekursrecht gegen die Exekutionsbewilligung steht ihm nur zu, wenn er durch sie gesetzwidrig belastet wurde und insbesondere auch dann, wenn ihm ungerechtfertigte Aufträge erteilt werden (3 Ob 17/84 = SZ 57/74 mwN; Frauenberger aaO § 331 Rz 64).

2. Entgegen dem Revisionsrekursvorbringen greifen die vom Erstgericht verfügten Verbote, die weder für die Pfändung noch für die exekutive Verwertung des Unternehmens durch Zwangsverwaltung oder Zwangsverpachtung erforderlich sind, in die Rechtsstellung des Bestandgebers ein:

a) Grundsätzlich gilt, dass ein Dritter im Exekutionsverfahren nur rekurslegitimiert ist, wenn durch einen Beschluss des Exekutionsgerichts, insbesondere durch Überschreitung seiner Kompetenz, in die Rechte des Dritten eingegriffen wird (RIS‑Justiz RS0002150). Dass ein Leistungsverbot an den Bestandgeber im Exekutionsverfahren durch Pfändung und Verwertung von Mietrechten nach den §§ 331 ff EO gesetzlich unzulässig ist, wurde schon in der in ZBl 1928/149 veröffentlichten oberstgerichtlichen Entscheidung ausgesprochen und damit begründet, dass kein Fall des § 331 Abs 1 zweiter Satz EO vorliege, weil der Bestandgeber nicht iSd Gesetzesstelle als gegenüber dem Mieter leistungsverpflichtet anzusehen sei. Dieser Begründung ist mit den dazu im Schrifttum geäußerten Argumenten zu folgen:

Nach Oberhammer (in wobl 1999, 376 und in Angst aaO § 331 Rz 39) erübrigt sich ein Leistungsverbot an den Bestandgeber, weil gewöhnlich (in anderen Drittschuldnerfällen) mit der Leistung an den Verpflichteten das gepfändete Recht untergeht oder zumindest zum Teil wegen Erfüllung erlischt, sodass das Pfandrecht des Betreibenden erlöschen würde. Bei der Pfändung von Bestandrechten sei die Interessenlage aber gegenteilig. Die Pfändung soll ja hier ganz offensichtlich nicht zur Folge haben, dass der Bestandgeber als Drittschuldner keine Leistungen an den verpflichteten Bestandnehmer mehr erbringen dürfe. Es gebe hier gar nichts, was dem Drittschuldner „verboten" werden könne. Die Verwertung solcher Rechte setze im Gegenteil notwendig voraus, dass der Drittschuldner seiner Leistungspflicht gegenüber dem Verpflichteten weiterhin entspreche. Dieser Ansicht folgt auch Frauenberger (aaO § 331 Rz 65), der in einem Leistungsverbot an den Drittschuldner die Gefahr erblickt, dass die Exekution perplex werden könnte, weil die Exekution auf Bestandrechte ja gerade davon abhängig sei, dass der Drittschuldner seine Leistung an den Verpflichteten nicht einstelle.

Bei der auf die Verwertung durch Zwangsverwaltung oder Zwangsverpachtung eines Unternehmens gerichteten Exekution sind dessen Erträgnisse das Exekutionsobjekt, also ein von der Leistungsverpflichtung eines Drittschuldners in der Forderungsexekution völlig verschiedener Vermögenswert. Es ist daher zutreffend, dass § 331 Abs 1 zweiter Satz EO mit der dort angeführten Leistungsverpflichtung eines Dritten nur solche Verpflichtungen im Auge hat, mit denen der Anspruch des Betreibenden entweder unmittelbar oder mittelbar befriedigt werden kann und nicht solche vertraglichen Leistungen, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Exekutionsführung sind und dem Dritten daher auch nicht verboten werden können.

b) Gegen diese Ansicht kann der Revisionsrekurswerber auch nicht mit Erfolg die Entscheidung 8 Ob 118/63 = MietSlg 15.104 ins Treffen führen, weil dort nur ausgeführt wurde, dass aufgrund der Pfändung der Mietrechte der Vermieter nicht gehindert sei, das Bestandverhältnis aufzukündigen. Dies trifft sicherlich zu, allenfalls auch der weitere Schluss des Rekurswerbers, dass der Bestandgeber im vorliegenden Fall trotz des erlassenen Verbots dennoch zur Kündigung berechtigt sei. Dass dieses Verbot aber auch geeignet ist, den Dritten nach dem Inhalt des Bestandvertrags an der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten zu hindern (etwa zur Rückzahlung zuviel bezahlten Mietzinses), liegt ebenso auf der Hand wie der Umstand, dass das weit gefasste Verbot, Verfügungen des Mieters über das Bestandobjekt akzeptieren zu dürfen, auch einer einverständlichen Auflösung des Bestandverhältnisses entgegensteht. Der Eingriff in die Rechtsposition des Bestandgebers durch das umfassend formulierte Verbot ist nicht zu bezweifeln und wurde vom Rekursgericht daher zu Recht bejaht.

c) Für die Zulässigkeit des Verbots an den Dritten spricht schließlich auch nicht die vom Rekurswerber zitierte Entscheidung 3 Ob 33/84 = SZ 57/102, die zu einem „typischen Schrankfachvertrag" ergangen ist. Dort wurde als Leitsatz ausgesprochen, dass zur Vorbereitung der späteren Fahrnisexekution auf den Inhalt eines Banksafes die Exekution durch Pfändung und Verwertung der Rechte des Verpflichteten aus dem Schrankfachvertrag mit der Bank stattfinden könne. Der Oberste Gerichtshof bestätigte einen Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts zur Klärung der Rechtsnatur des Safevertrags und führte für den festzustellenden Fall, dass die Bank nicht als Verwahrer der Wertpapiere zu qualifizieren wäre, aus, dass die Pfändung der Ansprüche des Verpflichteten aus dem Safevertrag durch Verfügungsverbot an den Verpflichteten und durch Verbot an die Bank, nicht mehr an den Verpflichteten zu leisten, bewirkt werde, was vor allem die Mitwirkungspflicht der Bank bei der Öffnung und Schließung des Safes betreffe. Nach der Erteilung der Ermächtigung (des § 333 EO) sei der betreibende Gläubiger der Bank gegenüber zu all dem berechtigt, zu dem zuvor der Verpflichtete berechtigt gewesen sei. Mit dieser Entscheidung wird die Rechtsansicht des Revisionsrekurswerbers trotz des dort für die Pfändung für erforderlich angesehenen Leistungsverbots an den Dritten nicht nur nicht gestützt, sondern geradezu widerlegt, war doch über einen zu pfändenden, nach dem zweistufigen Verwertungsverfahren des § 333 EO zu verwertenden Ausfolgungsanspruch abzusprechen, bei dem nach den schon gegebenen Erläuterungen der Dritte (die Bank) geradezu naturgemäß als die zur Leistung verpflichtete Person iSd § 331 Abs 1 zweiter Satz EO zu qualifizieren ist, bei der das Leistungsverbot der erfolgreichen Exekutionsführung dienlich ist und nicht - wie im vorliegenden Fall - hinderlich.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Pfändung eines Unternehmens samt damit verbundener Bestand- und Nutzungsrechte durch das an den Verpflichteten gerichtete Verfügungsverbot bewirkt wird. Einem Bestandgeber des Verpflichteten ist kein Leistungsverbot zu erteilen, weil er nicht Dritter iSd § 331 Abs 1 zweiter Satz EO ist und ein solches Verbot der exekutiven Verwertung des Unternehmens durch Zwangsverwaltung (§ 334 EO) oder Zwangsverpachtung (§ 341 EO) im Wege stünde.

Im Wege der Berichtigung war schließlich noch der der Rechtslage nicht entsprechende Satz aus der Exekutionsbewilligung zu eliminieren, wonach die Pfändung durch Zustellung des an den Drittschuldner gerichteten Verbots bewirkt werde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 ZPO iVm § 78 EO.

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