Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden auch aufgehoen, soweit sie die Entscheidung über das Eigentum an der Liegenschaft EZ ***** (Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlussess) und den Auftrag zu einer Ausgleichszahlung (Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses) betreffen. Die Rechtssache wird auch in diesen Punkten zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die zwischen den Streitteilen am 3.5.1985 geschlossene Ehe wurde mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 12.1.1995 rechtskräftig aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die eheliche Gemeinschaft ist seit dem 19.7.1992 aufgehoben. Der Ehe entstammen zwei Kinder, von denen eines am 9.9.1985 und das andere am 4.7.1987 geboren wurden. Sie leben gemeinsam mit der Mutter in dem Haus, das früher als Ehewohnung gedient hat. Alleineigentümer des Grundstücks ist der Antragsgegner, der das Grundstück von seinen Eltern gekauft hatte. Zum Bau des Hauses trugen die Antragstellerin mit S 600.000 und der Antragsgegner mit S 150.000 bei. Die verbleibenden Kosten wurden mit Darlehen finanziert. Die Eltern des Antragsgegners stellten ihm für den Kauf des Grundstücks und die Errichtung des Wohnhauses in mehreren Teilbeträgen ein Darlehen von insgesamt S 630.500 zur Verfügung.
Neben dem den Gegenstand der Aufteilung bildenden Grundstück liegt ein Grundstück mit einem Haus, das von den Eltern des Antragsgegners bewohnt wird. Die beiden Grundstücke sind voneinander kaum abgetrennt. Sie sind von dem jeweils anderen Haus ohne Hindernisse begehbar und auch einsehbar. Beide Grundstücke sind mit je einem Wegerecht zugunsten der jeweiligen Eigentümer des anderen Grundstücks belastet.
Dem Antragsteller steht in dem von seinen Eltern bewohnten Haus ein Schlafzimmer zur Verfügung. Da diese Wohnmöglichkeit, bei der er die Küche und das Wohnzimmer nur mitbenützen kann, keine Alternative für ihn bildet, wohnt er hauptsächlich bei seiner Freundin, die über eine Dreizimmer-Eigentumswohnung verfügt. Manchmal wohnt er auch in der von seinem Dienstgeber bereitgestellten Dienstwohnung.
Die Streitteile begehrten in getrennten, vom Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Anträgen jeweils die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, wovon hier nur von Bedeutung ist, daß die Antragstellerin beantragte, ihr das Eigentum an der den Gegenstand der Aufteilung bildenden Liegenschaft zu übertragen, während der Antragsgegner begehrte, ihm sein Alleineigentum zu belassen.
Das Erstgericht entschied, daß die den Gegenstand der Aufteilung bildende Liegenschaft der Antragstellerin in ihr Alleineigentum übertragen wird und erkannte diese schuldig, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von S 900.000 zu leisten und die auf der Liegenschaft sichergestellten Darlehen zurückzuzahlen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den wiedergegebenen Sachverhalt dahin, daß die Streitteile etwa denselben materiellen Beitrag für die Errichtung des Wohnhauses geleistet hätten. Die Antragstellerin habe zwar mehr Eigenmittel aufgebracht, der Antragsgegner habe aber den Grund beigestellt, dessen Wert wesentlich höher als der Betrag von S 300.000 sei, mit dem das Grundtück bei der Gewährung des Darlehens durch die Eltern in Anschlag gebracht wurde. Wenn man berücksichtige, daß der Antragsgegner über die Bezahlung der Betriebskosten und die Rückzahlung der Darlehensraten hinaus keine weiteren Zahlungen leistete und der Antragstellerin insbesondere keinen Unterhalt bezahlte, so sei sogar davon auszugehen, daß die Antragstellerin einen - wenn auch nur geringfügig - größeren Beitrag im Sinne des § 83 EheG leistete. Entscheidendes Kriterium für die Übertragung des Eigentums an die Antragstellerin sei aber das Wohl der Kinder, die in einem Fall seit dem dritten Lebensjahr und im anderen Fall seit der Geburt in dem Haus gewohnt hätten und für die die Aufgabe ihres Wohnsitzes mit "Orientierungsproblemen" (Wechsel des Freundeskreises und der Schule, andere Interessen) verbunden wäre. Dazu komme noch, daß die Antragstellerin mit den beiden Kindern ein höheres Wohnbedürfnis in dem Haus des Antragsgegners habe, weil dieser neben einer privaten noch über eine berufliche Wohnmöglichkeit verfüge und außerdem flexibler als die Antragstellerin mit den beiden Kindern sei.
Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses beider Parteien diesen Beschluß des Erstgerichtes, soweit er die Liegenschaft und die Ausgleichszahlung zum Gegenstand hat sowie in einem hier nicht bedeutsamen Teil und hob ihn im übrigen zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen seinen Beschluß nicht zulässig sei. Ein von der Rechtsprechung entwickelter zentraler Grundsatz der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens sei, daß die Ehewohnung jenem Ehegatten zugewiesen werden müsse, in dessen Pflege und Erziehung sich die Kinder befinden. Die Beibehaltung der Wohnverhältnisse sei daher im Interesse der Kinder geboten, zumal der Antragsgegner schwerwiegende Gründe, die gegen diese Beibehaltung sprechen, nicht dargetan habe. Den in § 90 Abs 1 EheG für unbewegliches Vermögen normierten Bewahrungsgrundsatz komme bei einer den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragenden Billigkeitsentscheidung keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil es sich hier um ein während der Ehe angeschafftes Einfamilienhaus handle, zu dem beide Ehegatten in etwa gleichviel beigetragen hätten. Der Umstand, daß dem Antragsgegner das Alleineigentum zustehe, müsse hinter diesen Gegebenheiten zurücktreten. Dazu komme noch, daß der Antragsgegner nach seinen eigenen Angaben die Liegenschaft nicht zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses, sondern nur zur Aufrechterhaltung des ehelichen Besitzes nutzen wolle. Das Erstgericht habe daher die Rechtsfrage, welchem der geschiedenen Ehegatten das Alleineigentum an der vormaligen Ehewohnung zu übertragen sei, nach Billigkeitserwägungen zutreffend gelöst. Für die Zuerkennung einer höheren Ausgleichszahlung bestehe keine Veranlassung.
Den Beschluß des Rekursgerichtes bekämpft der Antragsgegner, soweit damit über das Eigentumsrecht an der den Gegenstand der Aufteilung bildenden Liegenschaft entschieden wurde, mit dem Antrag, ihm die Liegenschaft gegen eine Ausgleichszahlung von höchstens S 883.942 zu übertragen, in eventu, an dieser Liegenschaft ein höchstens zehnjähriges obligatorisches Bestandrecht für die Antragstellerin bei entsprechender Korrektur der Ausgleichszahlung zu begründen.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zwar - entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig, weil das Verhältnis zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 542/92 (= EF 69.353; die dort noch angeführte Entscheidung 3 Ob 581/91 enthält einen anderen Rechtssatz) klargestellt werden muß; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
In der Entscheidung 3 Ob 542/92 hat der Oberste Gerichtshof auf den Bewahrungsgrundsatz des § 90 Abs 1 EheG hingewiesen und hiezu ausgeführt, daß sich die "Erzielung" einer anderen billigen Lösung im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht auf die Willenssphäre, also etwa eine Zustimmung eines oder beider vormaligen Ehegatten, sondern auf die gerichtliche Anordnung der Übertragung oder Begründung anderer, allenfalls zeitlich beschränkter, Rechte für den anderen Ehegatten beziehe, die im Rahmen aller zu prüfenden und zu wahrenden Aufteilungsgrundsätze nach Billigkeit vorzunehmen sei, ohne daß einer der Ehegatten oder gar beide dieser Maßnahme zustimmen müßten. Erst wenn solcherart keine andere billige Regelung erzielt werden könne, dürfe die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung dinglicher Rechte daran (als "ultima ratio") angeordnet werden. Dies bedeute in dem zu entscheidenden Fall, daß ein obligatorisches Benützungsrecht (Wohnrecht, Mietrecht) auf bestimmte Zeit (etwa bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes) im Sinne des § 87 Abs 1 EheG an der im Alleineigentum der früheren Ehegattin stehenden Ehewohnung ohne Verletzung des Bewahrungsgrundsatzes angeordnet werden könnte. Das Wohl des minderjährigen Kindes bliebe für die Dauer seiner Entwicklung und fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit genauso wie durch eine Eigentumsübertragung gewahrt.
Der wiedergegebenen Entscheidung lag allerdings ein anderer Sachverhalt als hier zugrunde, weil die Liegenschaftsanteile, die den Gegenstand der Aufteilung bildeten und mit denen Wohnungseigentum an der Ehewohnung verbunden war, von der Eigentümerin zwar während der Ehe, aber zum überwiegenden Teil aufgrund einer Schenkung ihres Vaters erworben wurden und daher gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG insoweit nicht der Aufteilung unterlegen wären, wenn die Wohnung nicht als Ehewohnung gedient hätte und deshalb gemäß § 82 Abs 2 EheG in die Aufteilung einzubeziehen war. Hier wurde das den Gegenstand der Aufteilung bildende Grundstück hingegen gekauft und es wurden hiefür und für die Errichtung des Hauses Mitteln beider Ehegatten verwendet.
In zwei Fällen (EF 51.806, 41.411) hat der Oberste Gerichtshof ferner ausgesprochen, daß dem Umstand, welchem Eheteil bisher rechtlich das Eigentum an der Ehewohnung zustand, nur untergeordnete Bedeutung zukommt, wenn beide Ehegatten zum Erwerb der Wohnung materiell gleich viel beigetragen haben. Diese Entscheidungen haben allerdings die Eigentumswohnungen betroffen, die vor dem Inkrafttreten des WEG 1975 erworben wurden, weshalb im Zeitpunkt des Erwerbes die nunmehr in § 9 dieses Gesetzes vorgesehene Begründung von gemeinsamen Wohnungseigentum von Ehegatten noch nicht möglich war; darauf wird in den Entscheidungen auch Bezug genommen. Es wurde ferner schon gesagt, daß es bei der Entscheidung über die Benützungsrechte an der Ehewohnung auf die Befriedigung der jeweils subjektiven Wohnbedürfnisse der vormaligen Ehegatten ankommt (EvBl 1989/2). Nach ständiger Rechtsprechung spricht schließlich das Wohl der Kinder, auf das gemäß § 83 EheG Bedacht zu nehmen ist, dafür, die Ehewohnung demjenigen der geschiedenen Ehegatten zu belassen, in dessen Pflege und Erziehung sie sich befinden (EF 78.743; JBl 1991, 458; EF 46.371 ua). Aus all dem folgt nach Ansicht des erkennenden Senates folgendes:
Steht ein als Ehewohnung dienendes Haus oder eine solche Eigentumswohnung im grundbücherlichen Miteigentum der früheren Ehegatten, so erfordert es der im § 84 EheG festgelegte Grundsatz, daß durch die Aufteilung der zukünftige Lebensbereich der früheren Ehegatten möglichst getrennt werden soll, in der Regel, den Miteigentumsanteil des einen Ehegatten dem anderen zu übertragen. Der angeführte Grundsatz geht dann dem Bewahrungsgrundsatz des § 90 Abs 1 EheG vor (vgl für Eigentumswohnungen im übrigen § 90 Abs 2 EheG). Für die Entscheidung, welchem der früheren Ehegatten der Miteigentumsanteil des anderen zu übertragen ist, wird maßgebend sein, welcher von ihnen entscheidend mehr zum Erwerb beigetragen hat, wer ein größeres Wohnbedürfnis hat und wem die Obsorge für die noch minderjährigen ehelichen Kinder obliegt.
Nun sind aber Fälle denkbar, in denen im Hinblick auf die Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft nur dieselbe Vorgangsweise der Billigkeit entspricht, wenngleich nur ein Ehegatte im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Dies wird etwa der Fall sein, wenn das Haus oder die Eigentumswohnung während der Ehe erworben oder errichtet wurde, wenn die früheren Ehegatten hiezu etwa zu gleichen Teilen beigetragen haben und wenn sie im Innenverhältnis übereinstimmend der Auffassung waren, daß das Haus oder die Eigentumswohnung ihnen beiden "gehört", wenn sie also beide der Meinung waren, Miteigentümer zu sein, und die Eintragung dieses Miteigentums im Grundbuch nur unterblieb, weil sie, wie in den Fällen der Entscheidungen EF 51.806 und 41.411, im Gesetz nicht vorgesehen war oder weil besondere Gründe dafür sprachen. In einem solchen Fall wird die Aufteilung so vorzunehmen sei, wie wenn die Ehegatten im Grundbuch als Miteigentümer eingetragen wären. Liegen aber solche Verhältnisse nicht vor, so wird im Sinne der Entscheidung 3 Ob 542/92 zufolge § 90 Abs 1 EheG in der Regel dem im Grundbuch eingetragenen Ehegatten das Eigentumsrecht zu belassen sein. Die Interessen des anderen Ehegatten werden dann durch Auferlegung einer Ausgleichszahlung gemäß § 94 Abs 1 EheG, jene unterhaltsberechtigter Kinder durch Begründung eines Benützungsrechtes für den anderen Ehegatten (vgl auch hiezu 3 Ob 542/92) zu wahren sein.
Diese Überlegungen führen hier dazu, daß eine Ergänzung des Verfahrens notwendig ist. Sollte es sich aus dem Vorbringen, das die Parteien im fortgesetzten Verfahren erstatten, nichts anderes ergeben, so wird zu klären sein, warum die Antragstellerin nicht im Grundbuch als Eigentümerin der strittigen Liegenschaft eingetragen wurde und ob die Parteien im Innenverhältnis der Meinung waren, daß die Liegenschaft ihnen beiden gehört.
Der Ausspruch über die Kosten beruht auf dem sinngemäß anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.
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