Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende Eigentümerin einer Liegenschaft verhandelte mit der beklagten Partei über die Vermietung und den späteren Ankauf der Liegenschaft zur Errichtung eines Verbrauchermarkts. Es wurden verschiedene Vertragsentwürfe ausgetauscht und über den Abschluss eines Optionsvertrags über die Einräumung von Mietrechten verhandelt. In zwei Vorentwürfen der beklagten Partei war eine entgeltliche Optionseinräumung vorgesehen, nicht aber im letzten, am 6. Dezember 2002 übermittelten Entwurf, den die klagende Partei fertigte. Zu der mit 30. Juni 2004 befristeten Optionseinräumung vereinbarten die Streitteile:
„Für die Einräumung dieser Option bezahlt die Optionsnehmerin den Optionsgebern im Fall der Annahme bis 31. 12. 2003 kein Optionsgeld. Bei einer Annahme ab 1. 1. 2004 bis 30. 6. 2004 beträgt das Optionsgeld ATS 500.000 (entspricht EUR 36.336,42) inklusive USt, angegeben pro Monat. Das hier zur Anmietung eines Geschäftsobjektes im Ausmaß von 15.000 m² vereinbarte Optionsgeld wird auf die Miete voll angerechnet, sodass sich diese entsprechend der geleisteten Zahlungen vermindert. Das bis zur Annahme angefallene Optionsentgelt wird dabei mit der ersten Mietzahlung und sodann mit den folgenden Mietzahlungen voll gegenverrechnet."
Das Mietverhältnis sollte mit Juni 2005 beginnen. Als Anfang des Jahres 2004 keine Erklärung der beklagten Partei bei der klagenden Partei einlangte, stellte diese die Optionsgebühr für Jänner 2004 in Rechnung. Die beklagte Partei teilte der klagenden Partei am 14. Jänner 2004 mit, dass sie von der Anmietung aus wirtschaftlichen Gründen Abstand nehme und die Option nicht ausüben werde. Mit ihrer am 25. März 2004 beim Erstgericht eingelangten Klage begehre die klagende Partei die Bezahlung des Optionsentgelts für den Monat Jänner 2004.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der wesentlichen Begründung, dass ein Optionsentgelt vereinbarungsgemäß nur im Fall der Optionsausübung zu zahlen sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenteilbegehrens statt. Auch wenn der Wortlaut der unterfertigten Optionsvereinbarung im Ergebnis für eine unentgeltliche Option spreche, sei nach der Entstehungsgeschichte von einer Entgeltlichkeit auszugehen. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der Vereinbarung. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es ergänzte nach Verlesung eines Begleitschreibens der beklagten Partei zu ihrem letzten Vertragsentwurf die Feststellungen des Erstgerichts dahin, dass die beklagte Partei mit ihrer Übersendungsnote vom 6. November 2002 um Durchsicht und Freigabe (des neu formulierten Optionsvertrags) ersucht habe. In diesem Entwurf seien „die gegenüber dem Entwurf vom 21. 10. 2002 geänderten Passagen durch Unterstreichung und Rotschrift hervorgehoben" gewesen. Das Berufungsgericht behandelte mit seiner Entscheidung meritorisch nur die zweite am selben Tag innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Erstgericht eingelangte Berufung der beklagten Partei. Es ging dabei von folgendem aktenkundigen Sachverhalt aus:
Die beklagte Partei hatte zunächst die anwaltlich gefertigte Berufung ON 13 eingebracht, mit der weiteren Berufung ON 14 aber die Erklärung verbunden, dass „um geschäftsordnungsmäßige Behandlung ausschließlich dieser Ausfertigungen der Berufung" gebeten werde, „da vormittags irrtümlich ein ungeprüfter Vorentwurf überreicht" worden sei. Auf der letzten Seite der Berufung ON 14 findet sich der handschriftliche Vermerk des Rechtsvertreters der beklagten Partei: „Die vormittags überreichte Berufung wird hiemit ohne Anspruchsverzicht unter Verweis auf die gegenständliche Berufung zurückgezogen. Um Refundierung der PG (ein Viertel) wird ersucht!"
Das Berufungsgericht vertrat dazu die Auffassung, dass beide Schriftsätze formal einwandfreie, zur meritorischen Behandlung geeignete Berufungsschriften seien. Die Berufung ON 14 unterscheide sich von der Berufung ON 13 nur dadurch, dass der Berufungsgrund „Nichtigkeit/Mangelhaftigkeit des Verfahrens" um eine Seite ausführlicher ausgeführt und im Rahmen der Tatsachenrüge um zwei Absätze ergänzt worden sei. Ungeachtet des in der Rsp vertretenen Grundsatzes der Einmaligkeit eines Rechtsmittels sei hier von einer Einheit der Rechtsmittelschriftsätze auszugehen, weil beide am selben Tag beim Erstgericht eingelangt seien. In der Erklärung, die Berufungsschrift ON 13 zurückzuziehen, sei keine Zurücknahme der Berufung iSd § 484 ZPO zu erblicken. Es sei daher die Berufungsschrift ON 14 zu behandeln.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Mit ihrer „ordentlichen Revision" beantragt die klagende Partei die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Das als außerordentliche Revision zu behandelnde Rechtsmittel ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist auszuführen, dass die klagende Partei trotz des 20.000 EUR übersteigenden Werts des Entscheidungsgegenstands an das Berufungsgericht den Antrag stellt, seinen Rechtsmittelzulässigkeitsausspruch abzuändern und die ordentliche Revision für zulässig zu erklären. Dieser Antrag ist mangels Vorliegens des Zwischenbereichs des § 508 Abs 1 ZPO verfehlt. Die Revision ist daher als außerordentliche Revision zu behandeln.
1. Die Revisionswerberin steht auf dem Standpunkt, dass das Berufungsgericht nur die erste Berufung ON 13 zu behandeln gehabt hätte. Diese sei zurückgezogen worden, sodass nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels das erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen sei. Die Berufungsentscheidung sei daher nichtig. Dazu ist Folgendes auszuführen:
Die durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 geschaffenen erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten haben am Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels nichts geändert (RIS-Justiz RS0036673). Der Oberste Gerichtshof steht also in stRsp auf dem Standpunkt, dass jeder Partei gegen eine gerichtliche Entscheidung nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht. Weitere Rechtsmittelschriften sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht werden (RIS-Justiz RS0041666). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht aber nach stRsp für weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen dann, wenn diese am selben Tag wie der erste Rechtsmittelschriftsatz bei Gericht einlangen (10 Ob 57/04m mwN aus der älteren Judikatur; 3 Ob 78/99p; 7 Ob 27/00x; 1 Ob 276/03z uva; Zechner in Fasching, Zivilprozessgesetze², § 505 ZPO Rz 11; Kodek in Rechberger², vor § 461 ZPO Rz 12 mwN). Die Auffassung des Berufungsgerichts über die Einheit der Berufungsschriften steht mit dieser Judikatur im Einklang. Das Argument der Revisionswerberin, die beklagte Partei habe die zuerst eingebrachte Berufung zurückgezogen, sodass wegen Unzulässigkeit einer weiteren Rechtsmittelschrift die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils eingetreten sei, ist nicht stichhältig. Eine Rechtsmittelrücknahme muss ausdrücklich erklärt werden (RIS-Justiz RS0042041). Bei der Auslegung einer Prozesshandlung kommt es darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozesslage und Aktenlage objektiv verstanden werden muss (RIS-Justiz RS0037416). Nach diesen Grundsätzen kann hier kein Zweifel daran bestehen, dass die beklagte Partei keineswegs ihre als Einheit aufzufassenden Rechtsmittelschriften insgesamt zurücknehmen wollte, erklärte sie doch mit den zitierten Zusätzen zu der Berufung ON 14 ausdrücklich ihren Anfechtungswillen und beantragte eine Entscheidung des Berufungsgerichts über das Rechtsmittel. Mit der relevierten Nichtigkeit des Berufungsverfahrens aus dem Grund eingetretener Rechtskraft wird daher aus den dargelegten Gründen keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht.
2. Mit der auf § 473a ZPO gestützten Mängelrüge geht die Revisionswerberin fälschlich davon aus, das Berufungsgericht habe seine abändernde Entscheidung auf Feststellungen des Erstgerichts gegründet, die die in erster Instanz obsiegende klagende Partei bekämpfen hätte können, sodass eine Mitteilung nach § 473a ZPO erforderlich gewesen wäre. Entscheidungswesentlich sind hier jedoch die vom Berufungsgericht nach Verfahrensergänzung (durch Verlesung einer Urkunde) selbst getroffenen, ergänzenden Feststellungen über die Übersendungsnote der beklagten Partei zu ihrem neu formulierten Vorschlag eines Optionsvertrags (Ersuchen um Durchsicht des Vertragsentwurfs; Unterstreichen der geänderten Passagen). Die Mitteilungspflicht des § 473a ZPO betrifft nach seinem klaren Wortlaut nicht derartige vom Berufungsgericht nach eigener Beweisaufnahme gemäß § 488 ZPO getroffene Feststellungen (2 Ob 223/98m; Pimmer in Fasching, Zivilprozessgesetze², § 473a ZPO Rz 6 mwN). Ein allfälliger Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz infolge Beweisergänzung bloß durch Verlesung einer Urkunde war von der Klägerin aber nicht gerügt worden (§ 488 Abs 4 ZPO). Damit erweist sich die Mängelrüge im Revisionsverfahren als nicht berechtigt.
3. Mit der Rechtsrüge bekämpft die klagende Partei die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Willenserklärungen der Parteien, die nach den §§ 863 und 914 ABGB nach dem Empfängerhorizont und ausgehend von den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sind. Eine krasse rechtliche Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit auch über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgegriffen werden könnte, vermag die Revisionswerberin aber nicht aufzuzeigen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Abänderung gegenüber den Vorentwürfen in dem der klagenden Partei übermittelten und von dieser unterfertigten Optionsvertrag nach ihrem Wortlaut unmissverständlich, das wirtschaftliche Ergebnis der Unentgeltlichkeit der Option für die Klägerin also leicht erkennbar gewesen sei, ist vertretbar. Dem liegt der allgemeine Grundsatz zugrunde, dass von einem Unternehmer zu erwarten ist, dass er schriftliche Mitteilungen auch liest (so schon 4 Ob 588/78 = EvBl 1979/189) und dass derjenige, der eine Urkunde ungelesen unterschreibt, deren Inhalt grundsätzlich als seine Erklärung gegen sich gelten lassen muss (RIS-Justiz RS0017267). Eine mündliche volle Einigung iS eines schon erfolgten Abschlusses eines entgeltlichen Optionsvertrags wurde nicht festgestellt. Eine Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums oder Irreführung mit der Konsequenz von Schadenersatzansprüchen ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.
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