OGH 1Ob276/03z

OGH1Ob276/03z16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Erik M*****, vertreten durch Dr. Georg Diwok, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Zens & Schopf Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 2,596.817,23 EUR sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2003, GZ 4 R 127/03f-35, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung

1. 1. Der für den Kläger als Verfahrenshelfer bestellte Rechtsanwalt gab die außerordentliche Revision gegen das Berufungsurteil am 13. 11. 2003 rechtzeitig zur Post. Dieses Rechtsmittel langte am 17. 11. 2003 beim Erstgericht ein. Am gleichen Tag langte noch eine weitere, vom Kläger selbst verfasste und nur von ihm unterschriebene außerordentliche Revision beim Erstgericht ein. Dieser Schriftsatz war gleichfalls am 13. 11. 2003 zur Post gegeben worden. Ihm wurde folgendes, an den Obersten Gerichtshof adressiertes, mit 13. 11. 2003 datiertes und vom Kläger unterfertigtes Begleitschreiben beigefügt:

Sehr geehrter Oberster Gerichtshof,

ich bitte um Kenntnisnahme, dass entgegen meiner Anweisung, dieses Rechtsmittel für mich auszuführen, vom bestellten Verfahrenshelfer die begehrte Ausführung des Rechtsmittels nicht erfolgt ist. Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich mit ..."

Rechtliche Beurteilung

Die beiden Revisionsschritten sind nicht wortgleich. 1. 2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind am gleichen Tag eingelangte Rechtsmittelschriftsätze einer Partei gegen eine Entscheidung als Einheit aufzufassen (so zuletzt 7 Ob 27/00x; siehe ferner RIS-Justiz RS0041666 [T7]). Allerdings war aufgrund der vom Kläger selbst verfassten, nur von ihm unterschriebenen außerordentlichen Revision kein Verbesserungsverfahren zur allfälligen Nachholung der fehlenden Anwaltsfertigung einzuleiten, weil der Kläger mit seinem Begleitschreiben vom 13. 11. 2003 zum Ausdruck brachte, er habe selbst nur deshalb eine außerordentliche Revision erhoben, weil sich der Verfahrenshelfer geweigert habe, ein solches Rechtsmittel für ihn zu erheben. Der Kläger wollte somit den von ihm selbst verfassten Rechtsmittelschriftsatz ganz augenscheinlich nicht etwa neben einem von seinem Verfahrenshelfer eingebrachten, sondern als Ersatz des seiner Erwartung nach ausgebliebenen Rechtsmittels erheben, weil er - dem eingangs wiedergegebenen Begleitschreiben zufolge - am 13. 11. 2003 nicht gewusst haben dürfte, dass der Verfahrenshelfer am selben Tag ohnehin eine außerordentliche Revision zur Post gegeben hatte. Somit ist der vom Kläger selbst eingebrachte Rechtsmittelschriftsatz nicht weiter beachtlich.

2. Widerspruch gegen die Protokollierung

2. 1. Die Verhandlung wurde vom Erstgericht am 24. 2. 2003 geschlossen. Eine Abschrift der Übertragung des Tonbandprotokolls über die letzte Verhandlungstagsatzung wurde dem Verfahrenshelfer des Klägers am 25. 3. 2003 zugestellt. Am 27. 3. 2003 gab der Verfahrenshelfer einen "Protokollberichtigungsantrag" zur Post, mit dem eine Berichtigung des Protokolls über die letzte Verhandlungstagsatzung - ohne jedes Beweisanbot - "vorwiegend" wegen "Schreibfehlern", aber auch wegen "sinnstörender Irrtümer" in insgesamt 66 Punkten angestrebt wurde. Das Erstgericht berichtigte das Protokoll entsprechend den Punkten 2, 9, 20 und 28 des Antrags. Insofern hätten offenkundige Unrichtigkeiten bestanden, die gemäß § 212 Abs 5 ZPO auszuschalten gewesen seien. Sonst handle es sich beim Antrag "weitgehend um - solcherart nicht protokollierte - Erklärungen des klägerischen Beweisstandpunkts zum Resümee-Protokoll". Darüber sei nicht gesondert abzusprechen.

Das Berufungsgericht betonte, der Kläger habe keinen Widerspruch gegen das Protokoll nach § 212 Abs 1 ZPO erhoben, sondern dessen Berichtigung erst nach Zustellung einer Abschrift der Übertragung der Tonbandaufzeichnung beantragt. Da "nach § 212 Abs 5 iVm § 212a Abs 2 ZPO nur mehr Übertragungsfehler, nicht jedoch Unvollständigkeiten und Abweichungen vom tatsächlichen Geschehen (Unrichtigkeiten) geltend gemacht werden" könnten, sei "ein zu diesem Zeitpunkt eingebrachter Berichtigungs- oder Ergänzungsantrag als Widerspruch anzusehen". Die Rechtzeitigkeit eines solchen Widerspruchs sei "fraglich". Diese Rechtzeitigkeitsfrage bedürfe hier jedoch keiner Lösung, weil der Kläger - außer den vom Erstgericht ohnehin beschlossenen Richtigstellungen - "zum Teil Änderungen, zum Teil aber auch weitwendige Ergänzungen" seiner Parteiaussage wolle. Der Kläger behaupte indes gar nicht, eine solche Aussage in der Verhandlungstagsatzung vom 24. 2. 2003 tatsächlich abgelegt zu haben. Somit berufe er sich "nicht auf die Unrichtigkeit der Protokollierung". Zweck eines Widerspruchs gegen das Protokoll sei jedenfalls nicht, es einer Partei nachträglich zu ermöglichen, "ihre Aussage durch eine für ihren Prozessstandpunkt günstigere und schlüssigere zu ersetzen". Demnach sei "von der uneingeschränkten Richtigkeit und Vollständigkeit des Verhandlungsprotokolls" auszugehen.

2. 2. Das Berufungsgericht berief sich zur Rechtsnatur eines Antrags auf Berichtigung des Protokolls nach Zustellung einer Abschrift der Übertragung dessen Aufzeichnung auf einem Schallträger auch auf die Entscheidungen 8 Ob 1566/95 und 7 Ob 509/86. Diese sind allerdings für sich gesehen wenig aussagekräftig. Deren Gründe dürften jedoch dahin zu verstehen sein, dass ein Widerspruch gegen das Protokoll an sich auch noch nach Versäumung der Frist gemäß § 212 Abs 5 iVm § 212a Abs 2 ZPO möglich sei, jedoch die Partei, die eine Unrichtigkeit des Protokolls nach Fristablauf behaupte, dafür - nach einer anderen Entscheidungskette (10 ObS 47/89 = SZ 62/129; 3 Ob 104/79 = SZ 53/94; siehe ferner RIS-Justiz RS0037315) - beweispflichtig sei. Schragel (in Fasching² II /2 § 212 ZPO Rz 5) tritt dieser Ansicht entgegen und gelangt zum Ergebnis, § 292 Abs 2 ZPO sei - infolge der abschließenden Regelung der Protokollberichtigung in § 212 und § 498 Abs 2 ZPO - auf Verhandlungsprotokolle nicht anzuwenden. Die Erwägungen dieses Autors überzeugen. Die Rechtsprechung sollte daher an der Anwendbarkeit des § 292 Abs 2 ZPO auf Verhandlungsprotokolle nicht weiter festhalten. Diese Frage ist indes im Anlassfall deshalb nicht abschließend zu klären, weil der Kläger zu seinem Vorbringen im "Protokollberichtigungsantrag", selbst wenn man unterstellte, dass er damit (auch) eine teils unrichtige, teils unvollständige Protokollierung von Verhandlungsinhalten behauptet habe und ein solches Vorbringen gemäß § 292 Abs 2 ZPO hätte beweisen dürfen, keinerlei Beweise anbot. Unter solchen Voraussetzungen wäre aber das Berufungsgericht - auch nach der hier in Zweifel gezogenen Linie der Rechtsprechung - zur Durchführung von Erhebungen über den wahren Verhandlungsinhalt nicht verpflichtet gewesen (10 ObS 47/89 = SZ 62/129).

3. Ergebnis

Der Kläger verficht den - nach den unter 2. 2. angestellten Erwägungen - unzutreffenden Standpunkt, das Berufungsgericht hätte bei seiner Entscheidung die im "Protokollberichtigungsantrag ... vorgebrachten Punkte zu berücksichtigen gehabt" und wäre so - "bei richtiger Feststellung" des Sachverhalts - zu einer anderen Lösung der Verjährungsfrage gelangt. Insofern ist die außerordentliche Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, geht sie doch nicht von dem durch die Vorinstanzen festgestellten und daher für die rechtliche Beurteilung allein wesentlichen Sachverhalt aus. Die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs maßgebenden Grundsätze der Verjährung von Schadenersatzansprüchen wurden vom Berufungsgericht im Übrigen zutreffend wiedergegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass diese Leitlinien auf die Umstände dieses Falls gravierend unrichtig angewandt worden wären. Die Revision wäre jedoch nur dann zulässig, wenn dem Berufungsgericht ein derartiger Entscheidungsfehler unterlaufen wäre.

Die außerordentliche Revision ist somit gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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