European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00201.13Z.1219.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Im Bereich des Kündigungsschutzes des MRG ist für Räumungsklagen nach § 1118 2. Fall ABGB die Regelung des § 33 Abs 2 MRG vollinhaltlich anzuwenden (§ 33 Abs 3 MRG); an die Stelle der Aufhebung der berechtigten Kündigung tritt die Abweisung der Räumungsklage. Das ab 1. Juli 1986 an den Beklagten vermietete Einfamilienhaus unterliegt nach dem hier noch anzuwendenden § 1 Abs 4 Z 2 MRG in der Fassung vor der MRN 2001 den Kündigungsbestimmungen der §§ 29 ‑ 36 MRG (§ 49d Abs 2 MRG; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I22 § 1 MRG Rz 63).
Die Frage, ob den Mieter am Auflaufen des Mietzinsrückstands ein grobes Verschulden trifft, ist jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0042773 [T1]). Die Revision könnte nur dann zulässig sein, wenn das Berufungsgericht den ihm bei der Beurteilung des groben Verschuldens an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat (RIS‑Justiz RS0042773 [T3]).
Dies ist nicht der Fall.
Die Klägerin hat ihr am 25. April 2008 gestelltes Räumungsbegehren (§ 1118 2. Fall ABGB) darauf gestützt, dass der Beklagte seit Jahren die gleichbleibenden Hauptmietzinse in monatlicher Höhe von 218 EUR für das von ihm gemietete Einfamilienhaus unregelmäßig zahle; zum Klagezeitpunkt seien die Mietzinse für mehrere Monate aus dem Zeitraum von Mai 2005 bis Februar 2008 offen gewesen. Außerdem habe der Beklagte die monatlich pauschal vorgeschriebenen Betriebskosten nicht gezahlt. Eine Erklärung des Beklagten, mit den von ihm am Haus geleisteten Reparaturarbeiten gegen die Mietzinse aufzurechnen, sei der Klägerin nicht zugegangen.
Der Beklagte bestritt ein grobes Verschulden, weil er der im Mietvertrag festgelegten Wartungspflicht nachgekommen sei und darüber hinaus notwendige Reparaturarbeiten vorgenommen habe, die weit über die geschuldeten Mietzinse hinausgingen. Da diesbezüglich eine Kontaktaufnahme mit der Klägerin sehr schwierig gewesen sei, habe er die Mietzinse einbehalten. Im Übrigen habe er wegen eines familiären Todesfalls zusätzliche Aufwendungen gehabt; aufgrund von Rückenbeschwerden sei er arbeitslos und beziehe Notstandshilfe.
Nach den ‑ vom Berufungsgericht übernommenen ‑ Feststellungen des Erstgerichts erging gegen den Beklagten am 15. April 2008 ein Zahlungsbefehl wegen rückständiger Mietzinse aus dem Zeitraum von Mai 2005 bis Februar 2008, gegen den er Einspruch erhob. Am 4. Juli 2008 erklärte der Beklagte, den Rückstand in Raten à 100 EUR zu zahlen, worauf ein Vergleich über rückständige Hauptmietzinse für elf Monate à 218 EUR geschlossen wurde; diesen Vergleich hat der Beklagte erfüllt. Es ist nicht feststellbar, warum der Beklagte trotz seines Notstandshilfebezugs und der Geldleistungen des Sozialamts nicht in der Lage war, die den Gegenstand des Vergleichs bildenden Hauptmietzinse zu zahlen. Der Grund dafür lag jedenfalls nicht in der Durchführung irgendwelcher Arbeiten im oder am Haus. Der Beklagte hat die Klägerin nicht von einer „Einbehaltung“ der rückständigen Hauptmietzinse verständigt; die entsprechende Behauptung, er sei davon ausgegangen, dass die Klägerin im Hinblick auf die durchgeführten Arbeiten ohnedies damit einverstanden sei, sei als vorgeschobene Schutzbehauptung zu qualifizieren, um die Räumungsklage abzuwenden. Aktuell besteht kein Mietzinsrückstand. Weiters wurden Feststellungen zur Nichtzahlung von Betriebskosten getroffen.
Im dritten Rechtsgang kam das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass der behauptungs- und beweispflichtige Beklagte die Entschuldbarkeit des lang anhaltenden, qualifizierten Rückstands nicht unter Beweis gestellt habe. Der der Auflösungerklärung zugrunde gelegte Mietzinsrückstand und die im Anschluss gewährte Ratenzahlung habe sich über mehrere Monate und Jahre erstreckt; das Ergebnis, den Beklagten treffe grobes Verschulden am Entstehen des Rückstands, stehe im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung.
Der Argumentation in der außerordentlichen Revision, dem Beklagten werde der Abschluss und die Erfüllung der Ratenvereinbarung als grobes Verschulden angelastet, ist zwar zuzugestehen, dass sich das grobe Verschulden nicht auf das Abtragen, sondern auf das Auflaufen des Rückstands beziehen muss; dementsprechend hat das Berufungsgericht aber (auch) das Auflaufen des Zinsrückstandes über mehrere Monate und Jahre ohne rechtfertigenden Grund als grobes Verschulden beurteilt. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung kann im Allgemeinen nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender
Zahlungsschwierigkeiten toleriert werden; häufige Rückstände trotz Mahnung können nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausschließen (RIS‑Justiz RS0070310).
Die festgestellten Forderungen des Beklagten, mit denen er aufrechnen wollte, betragen nicht einmal die Hälfte des ausständigen Mietzinses. Zudem hat er keine Aufrechnungserklärungen abgegeben (siehe RIS‑Justiz RS0021118). Damit liegt in der Beurteilung der Vorinstanzen, es handle sich beim Irrtum über das Bestehen eines Rückstands nicht bloß um leichte Fahrlässigkeit, keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.
Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.
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