OGH 3Ob140/19p

OGH3Ob140/19p22.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.‑Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 566.206,79 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2019, GZ 5 R 169/18m‑60, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00140.19P.0122.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht wies die Schadenersatzklage der klagenden Kreditnehmerin (GmbH) im zweiten Rechtsgang unter anderem wegen fehlender Kausalität des der beklagten Bank vorgeworfenen Fehlverhaltens für den behaupteten Schaden (geringere Verkaufserlöse für „unter Zeitdruck“ veräußerte Liegenschaften wegen ungerechtfertigter Fälligstellung der Kredite) ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin dagegen zeigt keine unvertretbare Fehlbeurteilung auf, weshalb sie als unzulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die gerügten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor.

2. Selbst wenn man – im Sinn der Revision – unterstellt, dass die (angeblich rechtswidrige) Kündigung der Geschäftsbeziehung (angedroht am 28. Oktober 2009 und ausgesprochen am 2. November 2009) und Androhung der Klageerhebung (am 3. Februar 2011) ursächlich für den Abschluss der streitgegenständlichen Kaufverträge durch die Klägerin als Verkäuferin gewesen sein sollte, fehlt es an der Kausalität dieses Verhaltens der Beklagten für das Erzielen von Kaufpreisen unter den festgestellten Verkehrswerten und damit für den Eintritt des behaupteten Schadens, weil es sich dabei – entgegen der Argumentation der Klägerin – nicht um „Notverkäufe“ im Sinn von kurzfristig notwendigen Verkäufen unter Zeitdruck handelte, worauf schon das Erstgericht hingewiesen hat:

Dem Sachverhalt ist nämlich zu entnehmen, dass sich die Klägerin um den Verkauf aller verfahrensgegenständlichen Liegenschaften bereits seit Anfang Juni 2009 unter Beiziehung eines Maklers (also auch nach Ansicht der Klägerin in professioneller Weise) bemühte, wodurch ihre Verkaufsabsicht hinreichend dokumentiert ist. Das Argument der Revision, für die Liegenschaft in der Steiermark sei erstmals Ende Februar/Anfang März 2011 ein Makler beauftragt worden, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Auch die Behauptung der Klägerin, ihre Verkaufsbemühungen seien nur erfolgt, weil die Beklagte „Druck gemacht“ habe, finden im festgestellten Sachverhalt keine Deckung. Ihr standen somit dafür bis zum Verkauf der beiden Liegenschaften in Wien (am 1. und 23. Dezember 2009 um 1.700.000 EUR und 1.595.000 EUR) jeweils (mindestens) sechs Monate und für den Verkauf der Liegenschaft in der Steiermark (mit 3. März 2011 um 1.450.000 EUR) sogar 21 Monate zur Verfügung; selbst nach Ablehnung des einzig festgestellten Vergleichsangebots der Beklagten vom 9. März 2010 durch die Klägerin verblieb ihr noch rund ein Jahr. Es steht allerdings ebenso fest, dass „unter der Voraussetzung redlicher und professioneller Verkaufsbemühungen für die Wiener Liegenschaften innerhalb von drei bis maximal sechs Monaten, und für die Liegenschaft in der Steiermark innerhalb von sechs bis zwölf Monaten ein Kaufpreis in Höhe des Verkehrswertes“ zu erzielen war.

Damit ist der Klägerin aber der Nachweis, dass ihr wegen des (angeblich rechtswidrigen) Verhaltens der Beklagten zu wenig Zeit für einen (ohnehin schon länger beabsichtigten) Verkauf der Liegenschaften zum festgestellten Verkehrswert zur Verfügung gestanden wäre, nicht gelungen.

3. Abgesehen davon ist angesichts der Beweislast der Klägerin für die Höhe des Schadens die festgestellte Bandbreite des Verkehrswerts von bis zu 10 % nach unten oder oben derart zu berücksichtigen, dass im Zweifel ein geringerer erzielbarer Kaufpreis [zB der Wiener Liegenschaft mit der Hausnummer 28 von (nur) 1.561.500 EUR (statt 1.735.000 EUR)] zugrunde zu legen ist. Davon ging auch das Erstgericht aus, sodass die von der Klägerin erstmals in der Revision gerügte Unterlassung der Anwendung des § 273 ZPO zu spät erfolgte (RIS‑Justiz RS0040282; RS0074223). Dieser erzielbare Verkaufspreis wurde mit dem tatsächlich erzielten (1.700.000 EUR) ohnehin überschritten, sodass dazu schon deshalb der Eintritt eines Schadens bei der Klägerin zu verneinen ist.

Ebenso wenig ist der Klägerin zu den beiden weiteren Liegenschaften (in Wien mit der Hausnummer 10 und in der Steiermark) der Nachweis gelungen, dass sie bei einem späteren Verkauf höhere als die tatsächlich vereinbarten Kaufpreise erzielt hätte, denn es sind keine Umstände behauptet und bewiesen, die eine solche Schlussfolgerung trotz ausreichend langer Zeit für die Verkaufsbemühungen rechtfertigen ließen. Vielmehr sprechen die Feststellungen dagegen: Die Klägerin selbst stellte dazu – ohne Begründung – Kaufpreisforderungen (1.800.000 EUR bzw 1.650.000 EUR), die weit unter den von ihr erhobenen Verkehrswerten (2.066.000 EUR bzw 2.157.000 EUR) lagen, aber auch die im Prozess angenommenen Verkehrswerte (1.855.000 EUR bzw 1.740.000 EUR) nicht erreichten. Angesichts der festgestellten (und hier augenscheinlich bestätigten) Absicht von Interessenten an Liegenschaftskäufen, Angebotspreise um bis zu 10 bis 15 % nach unten zu verhandeln, ist bei realistischer Einschätzung nicht zu erwarten, dass die Klägerin für die beiden Liegenschaften auch bei noch längeren Verkaufsbemühungen jemals Kaufpreise erzielt hätte, die die Verkehrswerte erreicht hätten.

4. Überlegungen zur allfälligen Rechtswidrigkeit der Aufkündigung der Geschäftsbeziehung durch die Beklagte erübrigen sich daher.

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