Spruch:
Einer Zwangsversteigerung ist bei zweifelhaftem Eigentum nur dann nach dem Grundbuchstand "undurchführbar" (§ 136 Abs. 4 EO), wenn der Ersteher möglicherweise einen besseren Berechtigten weichen muß
Ähnlich wie eine Dienstbarkeit dadurch entstehen kann, daß der Eigentümer zweier Grundstücke das offenkundig dem anderen dienende Grundstück an einen anderen Eigentümer überträgt, dann bei ursprünglich demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken der Eigentümerwechsel auch eine Eigentumsveränderung im Sinne des § 418 Satz 3 ABGB zur Folge haben. Dieser kraft Gesetzes eintretende Eigentumserwerb wird durch ein vertragliches Veräußerungs- und Belastungsverbot nicht verhindert
OGH 2. März 1976, 3 Ob 13/76 (KG Leoben R 681/75; BG Schladming E 3025/75)
Text
In der gegenständlichen Exekutionssache wegen Zwangsversteigerung der vom Verpflichteten mit vollstreckbarem Notariatsakt vom 23. Juni 1973 für eine Darlehensforderung von 500 000 S samt Anhang verpfändeten Liegenschaft EZ 214 KG A stellte sich bei der Durchführung der Schätzung heraus, daß der vom Verpflichteten auf dieser Liegenschaft errichtete Hotelrohbau zu einem relativ geringen Teil (73 m2 bei 665 m2 verbauter Fläche) auf der gleichfalls dem Verpflichteten gehörenden Grundparzelle Nr. 31 der nicht verpfändeten und daher nicht in Zwangsversteigerung gezogenen Liegenschaft EZ 20 KG A steht, auf welcher ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Eleonore D einverleibt ist (S. 31- 33 und 57). Mit Punkt 2 des Beschlusses vom 13. November 1975 trug das Erstgericht deshalb der betreibenden Partei auf, binnen einer Frist von drei Monaten bei sonstiger Exekutionseinstellung gemäß § 200 Z. 3 EO die Abschreibung des vom Hotelrohbau des Verpflichteten bestandenen Teiles des Grundstückes Nr. 31 im Ausmaß von rund 73 m2 und die Zuschreibung dieses Trennstückes zur Liegenschaft EZ 214 KG A zu erwirken. Es vertrat die Auffassung, daß ohne die aufgetragene Beseitigung der Differenz zwischen dem "Grundbuchsstand und dem Stand in der Natur" die Zwangsversteigerung undurchführbar sei.
Das Rekursgericht hob diesen an die betreibende Partei erteilten Auftrag ersatzlos auf. Es führte aus, daß die aus dem Akt in Ansehung des Hotelrohbaues ersichtlichen Umstände die Erteilung gegenständlichen Auftrages, welchen die betreibende Partei gegen den Willen des Verpflichteten bzw. der aus dem Verbot Berechtigten vorerst gar nicht erfüllen könne, nicht rechtfertigen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes ihrem Inhalte nach eine abändernde Entscheidung darstellt (vgl. hiezu Fasching IV, 441/42; Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblaus Komm. zur EO[4], 663; SZ 45/76; EvBl. 1973/269 u. a.). Er ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Die Bestimmung des § 136 Abs. 4 EO behandelt den Fall, daß eine Zwangsversteigerung nach dem Grundbuchsstand undurchführbar ist. Bei zweifelhaftem Eigentum ist dies nur unter der Voraussetzung der Fall, daß der Ersteher möglicherweise einem besseren Berechtigten weichen müßte (ebenso Heller - Berger - Stix, 1086). Der Umstand, daß ein nicht als Überbau zu qualifizierendes Gebäude teilweise auf der in Exekution gezogenen Liegenschaft und teilweise auf einem Nachbargrundstück steht, fällt zunächst nicht unter die angeführte Gesetzesstelle, weil der Grundbuchsstand nicht zweifelhaft ist und auch eine Gefahr für den Ersteher, einem besseren Berechtigten weichen zu müssen, hier nicht in Frage kommt. Ob wegen der Unzulässigkeit der Veräußerung "materieller Gebäudeteile" (zufolge RGBl. 50/1879) eine Zwangsversteigerung unzulässig sein kann - dies war die rechtliche Grundlage für die in der GMA[10] bei § 136 EO abgedruckten Entscheidung des OGH vom 17. Feber 1914, deren Inhalt und Veröffentlichungsstelle Przeglad Prava 1914, 39, bei Eisinger, GZ 1917, 369 ersichtlich ist (ihre Richtigkeit wurde schon von Eisinger, 369 bezweifelt, sie steht auch im Widerspruch zur Entscheidung GlUNF 6472) -, ist nach Auffassung des OGH im vorliegenden Fall aus nachstehenden Gründen nicht zu erörtern:
Der hier nur mit einem Bruchteil auf einem gleichfalls im Eigentum des Verpflichteten stehenden Grundstück errichtete Hotelrohbau ist eindeutig der in Zwangsversteigerung gezogenen Liegenschaft EZ 214 KG A zuzuordnen (vgl. Ostheim, ÖJZ 1975, 202 f.), der Verpflichtete war daher in seiner Eigenschaft als Eigentümer dieser Liegenschaft Bauführer, der teilweise auch auf einem anderen Grundstück (Nr. 31 KG A) gebaut hat. Bei Eigentümerverschiedenheit läge je nach den sonstigen Voraussetzungen des § 418 ABGB entweder der Anspruch des Eigentümers der anderen Parzelle auf den darauf befindlichen Gebäudeteil im Sinn des § 418 Satz 1 ABGB (ebenso GlUNF 6472) oder Eigentumserwerb des Bauführers im Sinne des § 418 Satz 3 ABGB, hier mit dem Anspruch auf Abtretung der Teilfläche von etwa 73 m2 vom Grundstück 31 aus der EZ 20 KG A und Zuschreibung zur EZ 114 KG A vor (vgl. hiezu etwa SZ 20/131).
Ähnlich wie eine Dienstbarkeit dadurch entstehen kann, daß der Eigentümer zweier Grundstücke das offenkundig einem anderen dienende Grundstück an einen anderen Eigentümer überträgt (vgl. Klang in Klang[2]II, 551; SZ 34/128, 36/92 u. a.; zuletzt 7 Ob 49/74), kann der Eigentümerwechsel auch bei einem ursprünglich demselben Eigentümer gehörenden Grundstück eine Eigentumsveränderung im Sinn des § 418 Satz 3 ABGB zur Folge haben. Diese rechtliche Konsequenz - es wäre beispielsweise nicht zweifelhaft, daß ein rechtsgeschäftlicher Erwerber der EZ 214 KG A bei ausdrücklichem Kauf einschließlich Hotel auch ohne ausdrückliche Regelung über die Abschreibung der Teilfläche hier die Zuschreibung der Teilfläche von 73 m2 im Sinn des § 418 Satz 3 ABGB durchsetzen könnte - bietet sich nach der bisherigen Aktenlage an, nach welcher mutatis mutandis Wissen und Zustimmung des Verpflichteten in seiner Eigenschaft als Eigentümer des Grundstückes Nr. 31 KG A, redliche Bauführung in seiner Eigenschaft als Eigentümer der Liegenschaft EZ 14 KG A - alle Voraussetzungen im Sinn des § 418 Satz 3 ABGB vorliegen.
Sofern daher der durch den Inhalt des Sachverständigengutachtens und den Grundbuchsstand in Ansehung der Liegenschaft EZ 20 KG A laut Seite 57 umrissene Sachverhalt keine relevante Änderung erfährt, wird hier der Ersteher mit Zuschlag der Liegenschaft EZ 214 KG A zufolge § 418 Satz 3 ABGB auch Eigentum an der bereits beschriebenen Teilfläche des Grundstückes Nr. 31 KG A im Ausmaß von etwa 73 m2 erwerben, allerdings im Sinn der genannten Gesetzesbestimmung gegen zusätzliche Entrichtung ihres gemeinen Wertes an den ab diesem Zeitpunkt als "fremden" Gründeigentümer anzusehenden Verpflichteten. Dem Ersteher steht also, falls es nicht im Interesse der Beteiligten schon vorher zu einer freiwilligen Zuschreibung dieser Teilfläche zur EZ 214 KG A kommt, als mit dem Eigentumserwerb durch Zuschlag verbundenes Recht der Anspruch auf bücherliche Übertragung dieser Teilfläche gegen Bezahlung des gemeinen Wertes zu (vgl. SZ 23/347, 29/60; EvBl. 1961/244 u. a.), zumal auch die aus dem Belastungs- und Veräußerungsverbot berechtigte Eleonore D dem kraft Gesetzes eintretenden Eigentumserwerb gemäß § 418 Satz 3 ABGB (ebenso Klang[2] II, 291; SZ 23/347; EvBl. 1961/244) nicht entgegentreten könnte (vgl. SZ 30/13; EvBl. 1958/200 u. a.).
Gegen die Durchführung der Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 214 KG A besteht daher kein Hindernis.
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