European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00126.17A.1025.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird
gemäß (§ 78
EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Betreibende hat die Kosten seiner Äußerung zum Zulassungsantrag selbst zu tragen.
Begründung:
Der Verpflichtete betreibt am Standort W***** das Etablissement „C***** C*****“. Er verfügt über eine Berechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart „Bar“ gemäß § 124 Z 8 GewO 1994 (idF BGBl I 1997/63; in der Folge kurz: GewO) iVm § 142 Abs 1 Z 2 bis 4 GewO (idF BGBl 1994/194) und– erteilt von der Stadt ***** als Bau‑ und Anlagenbehörde mit Bescheid vom 2. Oktober 2006 – über die Bewilligung nach dem Steiermärkischen Prostitutionsgesetz zur Führung eines Bordells am genannten Standort.
Der Betreibende beantragte am 12. Mai 2016 die Exekution „durch Pfändung und Zwangsverwaltung bzw Zwangsverpachtung des Gewerbebetriebes“ des Verpflichteten am genannten Standort „sowie der Gewerbeberechtigung“ und dem Verpflichteten zu verbieten, über die Gewerbeberechtigung zu verfügen. Mit Beschluss vom 13. Mai 2016 bewilligte das Erstgericht die Exekution antragsgemäß und verbot dem Verpflichteten die Verfügung über die Gewerbeberechtigung. Dem dagegen vom Verpflichteten erhobenen Rekurs, mit dem die Exekutionsbeschränkung des § 341 Abs 1 Satz 2 EO ins Treffen geführt wurde, gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 8. September 2016 nicht Folge, wobei es das Vorbringen im Rahmen der Rechtsrüge, es handle sich (auch) um ein Bordell und es sei zudem die persönliche Anwesenheit des Verpflichteten während der Betriebsstunden erforderlich, als unbeachtliche Neuerung wertete.
Das Erstgericht stellte nach Durchführung von Ermittlungen mit Beschluss vom 7. Dezember 2016 von Amts wegen die Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 2 und 8 EO iVm § 341 Abs 1 EO ein. Es ging nunmehr ergänzend davon aus, dass es sich hier um ein Bordell handelt, das – wegen Abmeldungen von Dienstnehmern durch den Verpflichteten seit der Exekutionsbewilligung – im Zeitpunkt der Beschlussfassung nur mehr mit drei Angestellten geführt wird, dass die (von diesen Angestellten verschiedenen) „Erotikdienstleisterinnen“ ihre Dienstleistungen als Selbstständige erbringen und im Falle der Einsetzung eines Zwangsverwalters aufgrund ihres sehr guten Verhältnisses zum Verpflichteten nicht mehr fortführen würden, dass der „Verlust sämtlicher Erotikdienstleisterinnen […] sich automatisch auf den Kundenstock auswirken“ und diesfalls „der wirtschaftliche Ruin des Unternehmens vorprogrammiert sein [würde]“.
Das Rekursgericht behob mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss die Einstellung des Verfahrens ersatzlos und trug dem Erstgericht die gesetzmäßige Verfahrensfortsetzung auf. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Exekutionsbeschränkung nach § 341 Abs 1 Satz 2 GewO auf Gastgewerbe nicht anzuwenden sei. Das Unternehmen des Verpflichteten sei ebensowenig durch dessen persönliche Arbeitskraft geprägt, wobei auch im Lichte des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes nicht von einer „Höchstpersönlichkeit“ der Betriebsausübung ausgegangen werden könne. Das Fortbetriebsrecht eines vom Gericht bestellten Zwangsverwalters ergebe sich allgemein aus § 41 Abs 1 Z 5, § 45 GewO. Dass bei einer Zwangsverwaltung „der wirtschaftliche Ruin des Unternehmens vorprogrammiert wäre“ betrachtete das Rekursgericht als durch die Feststellungen nicht gedeckt; der erstgerichtliche Beschluss enthalte insofern nur Mutmaßungen, weshalb auch der Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 8 EO ausscheide. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mangels Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 78 EO) nicht zu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Als erhebliche Rechtsfrage wird geltend gemacht, dass zur Anwendung des § 341 Abs 1 Satz 2 EO auf Bordelle höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Gleiches gelte für die Frage, ob Bordelle durch die persönliche Arbeitskraft des dazu besonders befähigten Unternehmers geprägt seien, sodass deren Ersetzung durch einen Zwangsverwalter das Unternehmen zerstören würde.
Der
außerordentliche Revisionsrekurs ist aus folgenden Gründen zurückzuweisen:
Rechtliche Beurteilung
1. Auf gewerbliche Unternehmungen, Fabriksetablissements, Handelsbetriebe und ähnliche wirtschaftliche Unternehmungen kann gemäß § 341 Abs 1 Satz 1 EO die Exekution auf Antrag durch Zwangsverwaltung (§ 334 EO) oder durch Verpachtung (§ 340 EO) geführt werden.Nach Satz 2 leg cit findet bei handwerksmäßigen und bei solchen konzessionierten Gewerben, zu deren Antritt eine besondere Befähigung erforderlich ist, die Exekution durch Zwangsverwaltung oder Verpachtung aber nicht statt, wenn das Gewerbe vom Gewerbeinhaber allein oder mit höchstens vier Hilfsarbeitern ausgeübt wird.
1.1. Für die Auslegung der Verweisung auf die gewerberechtlichen Bestimmungen in § 341 Abs 1 Satz 2 EO sind die jeweiligen gewerberechtlichen Bestimmungen im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend (3 Ob 325/97h mwN; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 341 Rz 20). Der Oberste Gerichtshof hat – in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre (Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 [2011] § 1 Rz 8; Müller in Ennöckl/Raschauer/Wessely, Kommentar zur Gewerbeordnung 1994 I [2015] § 1 Rz 4; Gruber/Paliege-Barfuß, Die Gewerbeordnung-Kommentar7 [2016] § 1 Anm 5 und § 2 Anm 5; aA Pöschl, System der Gewerbeordnung [2016] Rz 47 f) und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (82/04/0274; 88/04/0045) – bereits in 3 Ob 126/09i ausgesprochen, dass die Ausübung der Prostitution keine unter die Begriffsmerkmale des § 1 GewO fallende gewerbliche Tätigkeit darstellt. Auf Bordelle ist § 341 Abs 1 Satz 2 EO somit jedenfalls nicht anzuwenden.
1.2. Ebensowenig ist § 341 Abs 1 Satz 2 EO nach gefestigter Rechtsprechung auf Gast- und Schankgewerbe anzuwenden (RIS-Justiz RS0109062), was im Übrigen vom Verpflichteten gar nicht in Zweifel gezogen wird.
1.3. Gleichgültig, ob man das Unternehmen des Verpflichteten als Gast- bzw Schankbetrieb oder als Bordellbetrieb betrachtet, scheidet also nach ständiger Rechtsprechung eine Heranziehung der Vorschrift des § 341 Abs 1 Satz 2 EO als Grundlage für eine Einstellung nach § 39 Abs 1 Z 2 EO aus.
2. Eine Pfändung bzw Zwangsverwaltung wäre– abseits der
Vorschrift des § 341 Abs 1 Satz 2 EO und soweit für den Zulassungsantrag von Interesse – außerdem dann ausgeschlossen, wenn das Vermögensrecht höchstpersönlich oder sonst nicht auf einen anderen übertragbar ist,
wobei aber für die Exekutionsführung genügt, dass das Recht wenigstens seiner Ausübung nach übertragen werden kann (RIS‑Justiz RS0004046; Oberhammer in Angst/Oberhammer, EO3 § 331 Rz 4).
2.1. Zum Kärntner Prostitutionsgesetz hat der Oberste Gerichtshof bereits in 3 Ob 126/09i aufgezeigt, dass danach – wie schon aus dem Gesetzeswortlaut und der Systematik ersichtlich – die Bordellbewilligung nicht höchstpersönlich ausgeübt werden muss, sondern ihrer Ausübung nach übertragbar und eine Zwangsverwaltung daher zulässig ist.
2.2. Nichts anderes gilt für das hier anzuwendende Steiermärkische Prostitutionsgesetz (LGBl 1998/16 idF LGBl 2013/87), das in § 6 zwar die persönlichen Voraussetzungen, die eine natürliche Person für die Erteilung einer Bordellbewilligung zu erfüllen hat, regelt, aber dem Inhaber einer solchen in § 9 Abs 1 gestattet, eine Person als verantwortlichen Vertreter zu bestellen (die nach § 9 Abs 2 Z 1 die persönlichen Voraussetzungen nach § 6 gleichfalls erfüllen muss). Dass die Bordellbewilligung nicht höchstpersönlich und jedenfalls der Ausübung nach übertragbar ist, ergibt sich zudem aus § 10 Abs 2 Z 1 leg cit, wonach der Inhaber der Bordellbewilligung zwar verpflichtet ist, während der Betriebszeiten persönlich anwesend zu sein, im Falle seiner Abwesenheit aber dafür zu sorgen hat, dass der verantwortliche Vertreter persönlich anwesend ist.
2.3. Da auch das Steiermärkische Prostitutionsgesetz selbst eine eindeutige Regelung in Bezug auf die Übertragbarkeit der Bordellbewilligung – zumindest der Ausübung nach – trifft, liegt insofern ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage vor (vgl RIS‑Justiz
3. Die ohne gerichtliche Aufforderung eingebrachte Äußerung des Betreibenden zum Zulassungsantrag ist zwar nicht unzulässig, sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (zur Rekurs- bzw Revisionsrekursbeantwortung: 3 Ob 145/09h mwH; RIS‑Justiz RS0118686 [T11 und T12]; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 65 Rz 30/2).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)