OGH 3Nc15/10a

OGH3Nc15/10a13.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Nathalie L*****, geboren am 16. Februar 1994, und Florian L*****, geboren am 21. Dezember 1995, anhängig beim Bezirksgericht Reutte zu AZ 1 P 37/02d, infolge Delegierungsantrags der Mutter Manuela P*****, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag, für diese Pflegschaftssache anstelle des Bezirksgerichts Reutte das Bezirksgericht St. Pölten als zur Verhandlung und Entscheidung zuständig zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Nach Abweisung ihres Delegierungsantrags vom 18. Mai 2008 mit Beschluss vom 3. September 2009 (AZ 3 Nc 37/09k) stellte die Mutter erneut einen, auch auf die Gründe des § 111 JN gestützten Antrag auf „Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht St. Pölten“.

Sowohl der Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter der Pflegebefohlenen (Obsorge zur Gänze übertragen durch Beschluss ON 708 des Pflegschaftsakts; rechtskräftig zufolge der Entscheidung 3 Ob 71/09a) als auch der zuständige Richter sprachen sich gegen eine Delegierung aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Zwar kann auch die Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte nach § 31 Abs 1 JN aus Zweckmäßigkeitsgründen an ein anderes Gericht übertragen werden (4 Nd 510/89). Entscheidend ist bei solchen Rechtssachen aber für die Frage der Bewilligung stets wie im Fall der Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN das Wohl des Kindes (SZ 42/86; RIS-Justiz RS0046319). Soweit die Mutter zum wiederholten Mal die - mittlerweile beendete - Unterbringung der Kinder in Deutschland, die Führung der Pflegschaftssache durch den zuständigen Richter sowie das Verhalten der Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers (letzteres soll nach der letzten Stellungnahme aber ohnehin nicht Gegenstand des vorliegenden Delegierungsverfahrens sein) kritisiert, ist ihr entgegenzuhalten, dass selbst allfällige unrichtige Entscheidungen und Verfahrensverstöße des zuständigen Gerichts keine Delegierungsgründe wären (Mayr in Rechberger³ § 31 JN Rz 4 mwN). Auch nach § 111 JN ist vor allem maßgebend, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Aufenthaltsort des Mündels und dem Pflegschaftsgericht als im Interesse jenes gelegen angesehen wird (Mayr aaO § 111 Rz 2 mwN). Schon dieser Umstand spricht gegen die Übertragung der Zuständigkeit an ein Gericht, das hunderte Kilometer vom Aufenthaltsort der Kinder im Sprengel des Bezirksgerichts Reutte *****

Der erneut, wiederum ohne aktenmäßige Grundlage, geäußerte Verdacht eines sexuellen Missbrauchs gegen den Vater bzw die Behauptung eines freizügigen sexuellen Verhaltens der nunmehr sechzehnjährigen Tochter sind ebenfalls nicht geeignet, die begehrte Delegierung an ein Bezirksgericht zu begründen, in dessen Sprengel allein die nicht obsorgeberechtigte Mutter wohnt. Das erforderliche Interesse der Pflegebefohlenen daran, für die vorliegende Pflegschaftssache ein anderes Gericht zu bestimmen, was ja nur im Ausnahmefall zu erfolgen hat und die gesetzliche Zuständigkeitsordnung nicht faktisch durchbrechen soll (4 Nd 510/89; Mayr aaO § 31 Rz 4 mwN), ist damit zu verneinen. Daran kann auch eine von der Mutter initiierte Unterstützungskampagne mittels E-Mails nichts ändern.

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