OGH 2Ob97/13y

OGH2Ob97/13y30.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. Matthias und 2. Ruth G*****, beide: *****, 3. Verlassenschaft nach Gerhard H***** und 4. Ingeborg H*****, alle vertreten durch Dr. Hans Widerin ua Rechtsanwälte in Bludenz, gegen die beklagten Parteien 1. Ruhsan und 2. Sermin G*****, beide vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, wegen Entfernung und Unterlassung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 12. Februar 2013, GZ 3 R 36/13m‑36, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 21. Dezember 2012, GZ 3 C 1251/11g‑31, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichts wird dahingehend abgeändert, dass das erstgerichtliche Urteil insoweit mit folgender Maßgabe wiederhergestellt wird:

„Die beklagten Parteien sind schuldig, die auf dem Grundstück EZ 2485, GB *****, bestehend aus GstNr 2439/2, vorhandene Hecke, soweit sie in die im Übergabe‑ und Dienstbarkeitsvertrag vom 18. 5. 2006 vereinbarte Wegtrasse hineinragt, zu entfernen.“

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Ihre Rechtsvorgänger haben in einem Übergabs‑ und Dienstbarkeitsvertrag vom 9./18. 5. 2006 die uneingeschränkte Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts in Bezug auf eine im Vertrag festgelegte, durch einen Plan konkretisierte Wegtrasse vereinbart. Die erst‑ und die zweitklagende Partei haben ihr Grundstück mit Kaufvertrag vom 19. 7. 2008 erworben, die dritt‑ und die viertklagende Partei mit Kaufvertrag vom 7. 8. 2006, die erst‑ und die zweitbeklagte Partei aufgrund eines Teilungs‑ und Kaufvertrags vom 4. 1. 2006.

Die Beklagten haben die im ursprünglichen Vertrag vereinbarte Wegtrasse zur Kenntnis genommen und den Trassenverlauf akzeptiert. Sie pflanzten im Jahr 2006/2007 eine Hecke und errichteten eine Mauer, die auf einer Länge von 4 bzw 3 m in den Mündungstrichter der Dienstbarkeitstrasse hineinragen. Spätestens im Jahre 2008 verlegten sie auch eine nicht bodenniveaugleiche Randsteinbegrenzung und Bepflasterung von der Randsteinbegrenzung zu ihrem Haus hin, die ebenfalls im Mündungstrichter in die Dienstbarkeitstrasse hineinreichen. Die Beklagten gingen bei Errichtung dieser Bauwerke bzw der Bepflanzung immer davon aus, die Maßnahmen nicht unter Inanspruchnahme der Dienstbarkeitstrasse zu realisieren. Sie hatten nicht die Absicht bzw das Bewusstsein sich der Ausübung der vereinbarten Dienstbarkeit zu widersetzen.

Die erst‑ und die zweitklagende Partei realisierten beim Ankauf ihrer Liegenschaft 2008 nicht, dass der damals vorhandene Weg nicht den Verabredungen entsprach. Ursprünglich (zumindest seit dem Jahr 2007 bis zur Gartenneugestaltung durch die erst‑ und die zweitklagende Partei 2011) war der Weg nämlich derart eingerichtet und wurde auch allgemein derart benutzt, dass er teilweise erheblich weiter auf dem Grundstück der erst‑ und der zweitklagenden Partei verlief. Erst im Zuge der Gartengestaltung durch diese verbunden mit der Einfriedung ihres Grundstücks 2011 wurde der Weg in seiner vorhandenen Form erheblich verschmälert und dadurch den klagenden Parteien bewusst, dass der vorhandene Weg nicht dem Übergabs‑ und Dienstbarkeitsvertrag bzw der darin enthaltenen Skizze entsprach und dass die Beklagten durch ihre Maßnahmen der Bepflanzung und Bepflasterung in die vertraglich festgelegte Dienstbarkeitsfläche hineingeraten waren. Sofern sie sich bereits beim Ankauf um die Gegebenheiten gekümmert und diese kontrolliert hätten (insb Überprüfung in vermessungstechnischer Hinsicht), wäre ihnen der Umstand, dass der damals vorhandene Weg tatsächlich nicht den Vereinbarungen entsprach, bereits vorab aufgefallen.

Die dritt‑ und die viertklagende Partei haben ihr Grundstück 2006 erworben und mit dem Hausbau begonnen. Auch sie hätten bei genauerer Überprüfung der damaligen Wegtrasse feststellen können, dass diese nicht den Verabredungen entsprach.

Mit der am 15. 11. 2011 eingebrachten Klage begehren die Kläger, die Beklagten schuldig zu erkennen, die Bepflanzung und Bepflasterung von der im Übergabe‑ und Dienstbarkeitsvertrag vom 18. 5. 2006 vereinbarten Wegtrasse zu entfernen und künftig jede Störung und Beeinträchtigung der Dienstbarkeitsfläche zu unterlassen. Die Bepflasterung und Bepflanzung mache die ungehinderte Nutzung der vereinbarten Wegtrasse unmöglich.

Die Beklagten bestritten, dass ihre Maßnahmen das Dienstbarkeitsrecht beeinträchtigten. Die Hecke rage nicht in die Dienstbarkeitstrasse hinein. Im Übrigen sei Freiheitsersitzung eingetreten, da die Bepflanzung und Bepflasterung bereits „vor fünf Jahren“ erfolgte und die Kläger keine Einwendungen erhoben hätten.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten dazu, die Bepflanzung und Bepflasterung, „sofern“ sie in die vom Übergabe‑ und Dienstbarkeitsvertrag vereinbarte Wegtrasse hineinrage, zu entfernen und künftige Störungen zu unterlassen.

Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und meinte rechtlich, dass die Widersetzung iSd § 1488 ABGB das Bewusstsein des Dienstbarkeitsverpflichteten voraussetze, sich der Ausübung der Servitut tatsächlich zu widersetzen. Hier seien die Beklagten immer davon ausgegangen, die Dienstbarkeitstrasse gar nicht zu tangieren. Es mangle daher an einer Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 1488 ABGB.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es das Klagebegehren hinsichtlich der Hecke abwies und im Übrigen zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung aufhob. Nach der neueren Judikatur genüge die manifeste Beeinträchtigung des Servitutsrechts, weshalb für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1488 ABGB nicht maßgeblich sei, ob die Kläger die Dienstbarkeit je ausgeübt hätten. Entscheidend sei die Möglichkeit der Rechtsausübung und, ob sie ein Hindernis wahrnahmen oder zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen konnten. Der Irrtum der Kläger in Bezug auf den Verlauf der Dienstbarkeitstrasse habe die Rechtsausübung nicht unmöglich gemacht. Dass die Beklagten nicht die Absicht gehabt hätten, die Rechtsausübung durch die Kläger unmöglich zu machen oder zu beeinträchtigen, sei irrelevant, weil für die Freiheitsersitzung nicht erforderlich sei, dass der Verpflichtete in der Absicht handle, die Rechtsausübung zu beeinträchtigen oder unmöglich zu machen. Es sei daher das Klagebegehren auf Entfernung der Hecke im klagsabweisenden Sinne abzuändern. Im Übrigen sei die Sache nicht entscheidungsreif, weil die Frage, welche Bepflanzung und Bepflasterung in die eingeschränkte Dienstbarkeitstrasse hineinrage, und der Zeitpunkt, wann diese Bepflanzung und Bepflasterung erfolgte, nicht ausreichend geklärt seien und daher nicht abschließend beurteilt werden könne, ob insoweit die dreijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision gegen das Teilurteil nachträglich unter Hinweis auf die Entscheidung 3 Ob 149/09x, in der der Oberste Gerichtshof von der vom Berufungsgericht zitierten neueren Rechtsprechung abgegangen sei, zu.

Die Kläger erheben gegen dieses Teilurteil Revision mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten streben in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, in eventu die Bestätigung des Teilurteils an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

1. Die Rechtsmittelwerber bringen vor, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts von 3 Ob 149/09x abweiche. Sämtliche Parteien hätten im Verfahren angegeben, nicht gewusst zu haben, dass die Dienstbarkeitsfläche bebaut bzw bepflanzt worden sei. Im Übrigen sei die Dienstbarkeit vor dem Jahre 2012 niemals ausgeübt worden, zumal der damals in natura vorhandene Weg deutlich breiter gewesen sei und außerdem teilweise über das Grundstück der Erst‑ und Zweitkläger geführt habe. Dies sei ohne entsprechende Vermessung mit freiem Auge nicht erkennbar gewesen, sondern erst im Zuge der Gartengestaltung der klagenden Parteien im Jahr 2011 bewusst geworden. Die Anforderungen an Liegenschaftserwerber dürften nicht überspannt werden. Der in der Beilage zum Dienstbarkeitsvertrag erwähnte Dienstbarkeitsweg samt Einmündungstrichter sei in der Natur ‑ unstrittig ‑ vorhanden gewesen. Ein Außerachtlassen der gehörigen Sorgfalt im Sinne von 1 Ob 2188/96p sei daher nicht erkennbar. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei das Bewusstsein der Widersetzung durch den Dienstbarkeitsverpflichteten Voraussetzung des § 1488 ABGB.

2. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für den Beginn des Fristenlaufs des § 1488 ABGB nicht darauf abzustellen ist, ob der Verpflichtete die Absicht hatte, die Rechtsausübung durch den Berechtigten unmöglich zu machen oder zu beeinträchtigen. Es genügt vielmehr, dass er das Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder beeinträchtigt. Es genügt eine manifeste Beeinträchtigung des Servitutsrechts (RIS‑Justiz RS0037141; RS0038722 [T7 und T9]). Dass sich der Verpflichtete der tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit widersetzen müsse (vgl RIS‑Justiz RS0034271; RS0034394), ist dagegen nach der neueren Judikatur nicht mehr erforderlich (vgl zur Judikaturänderung Dehn in KBB³ § 1488 ABGB Rz 1; Vollmeier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 1488 ABGB Rz 15). Insoweit in 3 Ob 149/09x anderes zum Ausdruck gebracht wird, kann der erkennende Senat dem nicht folgen.

3. Die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt für den Beginn des Fristenlaufs auch nicht darauf ab, ob der Berechtigte das Hindernis für die Ausübung der Dienstbarkeit wahrgenommen hat. Es genügt vielmehr, dass der Dienstbarkeitsberechtigte das Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit unmöglich macht oder doch beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte wahrnehmen können (10 Ob 8/12t mwN). Es wird auf jenen Zeitpunkt abgestellt, in dem der Belastete die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder manifest beeinträchtigt (10 Ob 8/12t; 4 Ob 84/05i; Dehn aaO; Vollmaier aaO; M. Bydlinski in Rummel ³ § 1488 Rz 2). Ausreichend ist etwa die Errichtung eines wahrnehmbaren Hindernisses zB eines Zaunes, Schrankens, Pfostens oder einer Mauer. Das Hindernis muss die Benutzung des Wegs auf gewöhnliche und allgemeine Art unmöglich machen und zumindest so beträchtlich sein, dass die Servitutsausübung erheblich erschwert wird. Die Anbringung eines leicht wegschiebbaren Faltgitters reicht zB nicht aus, um zum Erlöschen der Servitut zu führen. Auch das Setzen von Sträuchern genügt nicht, wenn es dadurch nur zu einer gewissen Verlegung des Wegs kommt; dies selbst dann nicht, wenn der Weg nunmehr zum Teil über ein anderes Grundstück desselben Eigentümers läuft (7 Ob 551/86 = SZ 59/50; Vollmaier aaO Rz 10).

4. Hier wurde der Servitutsweg zwar nicht durch die Maßnahmen der Beklagten verlegt, sondern befand sich bereits davor in einer nicht dem Vertrag entsprechenden Position. Wegedienstbarkeitsberechtigte sind zur Verhinderung des Fristenlaufs des § 1488 ABGB grundsätzlich aber nicht verpflichtet, in der Natur vorhandene Wege vermessungstechnisch überprüfen zu lassen, um deren Übereinstimmung mit vertraglich vereinbarten Wegerechten zu überprüfen.

Tatsächlich erfahren haben die Kläger von der Diskrepanz beim Servitutsweg nach den erstinstanzlichen Feststellungen erst 2011 im Zuge der Gartengestaltung und Einfriedung des Grundstücks der erst‑ und der zweitklagenden Partei. Dass sie davon davor aus anderen Gründen als einer ‑ die Sorgfaltspflicht überspannenden ‑ vermessungs-technischen Überprüfbarkeit hätten wissen müssen, ergibt sich aus den Feststellungen nicht.

Da die Beklagten somit die Freiheitsersitzung der von ihnen in Anspruch genommenen Fläche des Dienstbarkeitswegs nicht nachweisen konnten, war dem Klagebegehren im Umfang des bekämpften Teilurteils stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichts insoweit mit der Maßgabe der Änderung der konditionalen Formulierung im Spruch wiederherzustellen. Im Verfahren über das sonstige Klagebegehren ist das Erstgericht an die abweichende Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht gebunden (2 Ob 30/95 uva; E. Kodek in Rechberger ³ § 499 ZPO Rz 2).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

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