Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.695,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.115,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger und der Erstbeklagte, die in der Nacht vom 22. auf den 23.9.1994 mehrere Gastlokale besucht hatten und erheblich alkoholisiert waren, fuhren am 23.9.1994 gegen 3,00 Uhr früh mit einem vom Erstbeklagten gehaltenen PKW, der bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversichert war, im Gemeindegebiet von Fieberbrunn auf dem Burgalmweg talwärts. Der PKW kam von der Straße ab und stürzte ca 80 m tief ab. Dabei wurde der Kläger, der nicht angegurtet war, schwer verletzt. Er erlitt Frakturen der Stirnhöhlenvorderwand unter Beteiligung des Orbitadaches (= Augenhöhlendaches) rechts und des Siebbeins, eine ausgedehnte, ca 25 cm große Rißquetschwunde im Stirn-Scheitelbereich mit mittlerschwerer Gehirnerschütterung sowie Abbrüche an drei Zähnen, weiters einen Bruch des Querfortsatzes des vierten Lendenwirbelkörpers links sowie Schürfwunden und Prellungen am ganzen Körper. Der Erstbeklagte erlitt leichte Verletzungen.
Der Kläger war nach dem Unfall bis 13.11.1994 in stationärer Behandlung und bis 31.11.1994 arbeitsunfähig. Im Zuge des Unfallgeschehens und der Heilbehandlung erlitt er insgesamt 10 Tage starke, 10 Tage mittelstarke und 30 Tage leichte Schmerzen. Als Dauerfolge besteht eine kosmetisch auffällige Narbe im Bereich der rechten Stirn sowie der rechten Parietalregion. Die übrigen Verletzungen werden voraussichtlich keine Dauerfolgen verursachen. Allerdings ist damit zu rechnen, daß in Zukunft weitere Zahnbehandlungen notwendig werden, weil Überkronungen, abgesehen von zwischenzeitigen Problemen, eine beschränkte Lebensdauer von 10 bis 20 Jahren haben.
Es konnte nicht festgestellt werden, ob bei dem Unfall der Kläger oder der Erstbeklagte das Kraftfahrzeug gelenkt hat.
Der Kläger begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 25 % wegen der für ihn erkennbaren Alkoholisierung des Erstbeklagten und weil er nicht angegurtet war - letztlich die Zahlung von S 115.833,75 sA, in welchem Betrag ein anteiliges Schmerzengeld von S 90.000 enthalten ist. Weiters erhebt der Kläger im Hinblick auf unfallskausale Dauer- und Spätfolgen das Feststellungsbegehren, daß ihm die Beklagten für sämtliche Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 23.9.1994 im Ausmaß von 75 % haften, die zweitbeklagte Partei jedoch nur bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme. Der Erstbeklagte habe den Unfall als Lenker des bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Fahrzeuges allein verschuldet.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Nicht der Erstbeklagte, sondern der Kläger habe den PKW gelenkt. Wäre aber der Erstbeklagte Lenker gewesen, treffe den Kläger neben einem (nicht näher bezifferten) Mitverschulden wegen der Erkennbarkeit der Alkoholisierung des Lenkers und wegen des Nichtangurtens hinsichtlich des Schmerzengeldes ein weiteres Mitverschulden von einem Viertel.
Das Erstgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 56.296,67 samt 4 % Zinsen seit 5.12.1994 zu zahlen. Weiters sprach es mit Feststellungsurteil aus, daß die Beklagten dem Kläger für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem betreffenden Verkehrsunfall hafteten, und zwar hinsichtlich Schmerzengeld zu 5/12 und hinsichtlich sonstiger Schäden zu 2/3, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Höhe der Haftpflichtversicherungssumme begrenzt sei. Über das restliche Leistungsbegehren von S 59.537,08 sA und das restliche Feststellungsbegehren sprach das Erstgericht (unangefochten) nicht ausdrücklich ab; aus den Urteilsgründen ist jedoch zu entnehmen, daß es diese Ansprüche nicht für berechtigt ansah.
Eine Verschuldenshaftung komme nicht in Betracht, weil die Verursachung der Schäden durch den Erstbeklagten als Lenker nicht habe festgestellt werden können. Die Beklagten hafteten jedoch dem Kläger auch nach dem EKHG, wobei den Erstbeklagten die Haftung als Halter des Fahrzeuges treffe. Er wäre gemäß § 3 EKHG nur dann von der Haftung befreit, wenn er als Verletzer beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesen wäre. Das sei aber nicht feststellbar gewesen, weshalb den Beklagten der diesbezügliche Ausschlußbeweis mißlungen sei. Da somit im Zweifel davon auszugehen sei, daß der Kläger beim Unfall als Beifahrer geschädigt worden sei, was im Zweifel auch die Lenkereigenschaft des Erstbeklagten bedeute, müsse auch angenommen werden, daß der Kläger erkannt habe oder erkennen hätte können, daß der Erstbeklagte zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes infolge Alkoholisierung fahruntüchtig gewesen sei. Das Mitverschulden des Klägers sei mit einem Drittel zu bewerten. Ein weiteres - nur das Schmerzengeld betreffendes - Mitverschulden sei dem Kläger wegen des Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes in der Höhe von einem Viertel anzulasten. Das Schmerzengeld sei insgesamt mit S 80.000 auszumessen; unter Berücksichtigung des Mitverschuldensanteiles des Klägers ergebe sich ein Schmerzengeldanspruch von S 33.333,33. Bei den übrigen Ansprüchen des Klägers sei nur eine Kürzung von einem Drittel vorzunehmen gewesen. Das Feststellungsbegehren sei gerechtfertigt, weil zukünftige Schäden des Klägers in Form von Zahnbehandlungskosten zu erwarten seien.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 260.000 nicht übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Der in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 28/84 und ZVR 1989/114 vertretenen Auffassung, daß es Sache des bei einem Verkehrsunfall Geschädigten sei, die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des EKHG zu beweisen, wozu nicht nur der Nachweis des Schadens und des ursächlichen Zusammenhanges zwischen einem Betriebsvorgang und dem Schaden, sondern auch der Nachweis gehöre, daß das EKHG überhaupt auf den geschädigten Kläger anwendbar sei, er also auch beweisen müsse, daß er nicht im Sinne des § 3 Z 3 EKHG beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesen sei, könne nicht gefolgt werden. Die - bei im wesentlichen gleicher Rechtslage - in der Bundesrepublik Deutschland vertretene Auffassung, daß in einem solchen Fall den Halter die Beweislast dafür treffe, daß der geschädigte Kläger das Fahrzeug gelenkt habe, sei überzeugender, weil § 3 EKHG - ebenso wie § 8 dStVG - als Ausnahmevorschrift vom Grundsatz der Gefährdungshaftung im Eisen- und Kraftfahrzeughaftpflichtrecht ausgestaltet sei. § 3 EKHG begünstige daher den Halter, weshalb dieser nach dem Grundsatz der subjektiven Günstigkeit der Norm die Voraussetzungen für den Ausschluß der Gefährdungshaftung zu beweisen habe. Ein Abgehen von dieser Regel sei nur dann angezeigt, wenn die an sich nicht beweisbelastete Partei näher zum Beweis stehe. Die Beklagten hätten demnach den Beweis zu erbringen gehabt, daß der Kläger das Fahrzeug beim Unfall gelenkt habe. Daß ihnen dieser Beweis nicht gelungen sei, gehe zu ihren Lasten. Die Beklagten hätten daher für die unfallskausalen Schäden des Klägers einzustehen, weil auch nicht anzunehmen sei, daß der Kläger in der in § 3 Z 2 EKHG beschriebenen Weise vom Erstbeklagten befördert worden sei. Die Ausmessung des Schmerzengeldes mit S 80.000 begegne im Hinblick auf die gravierenden unfallkausalen Verletzugen des Klägers keinen Bedenken. Eine Errechnung des Schmerzengeldes nach einer "Schmerztabelle" komme nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von den Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 3 Z 3 EKHG ist dieses Gesetz im Falle der Tötung oder Verletzung eines durch die Eisenbahn oder das Kraftfahrzeug beförderten Menschen insofern nicht anzuwenden, als der Verletzte zur Zeit des Unfalls beim Betrieb der Eisenbahn oder beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. Auch für die Anwendbarkeit des EKHG auf Sachschäden, die ein Fahrgast als Handgepäck mit sich führte oder an sich trug, ist es Voraussetzung, daß diesem gegenüber die Anwendung des EKHG nicht nach § 3 EKHG ausgeschlossen ist (§ 4 EKHG). Der Oberste Gerichtshof hat in den schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen (2 Ob 28/84 und ZVR 1989/114) ausgesprochen, daß es Sache des bei einem Verkehrsunfall Geschädigten sei zu beweisen, daß die Bestimmungen des EKHG auf ihn anwendbar seien; Unklarheiten darüber, ob er Lenker oder Fahrgast des verunglückten Fahrzeuges war, gingen demnach zu Lasten des Geschädigten. Dieses Ergebnis wurde damit begründet, daß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen habe. Der Kläger müsse daher jene Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sein Anspruch nach dem materiellen Recht entstanden sei, der Beklagte hingegen rechtsvernichtende Tatsachen. Zu den vom Kläger zu behauptenden und zu beweisenden anspruchsbegründenden Tatsachen gehörten auch jene, aus denen die Anwendung des EKHG überhaupt abgeleitet werden könne. Der Kläger müsse also beweisen, daß er nicht im Sinne des § 3 Z 3 EKHG beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesen sei, weil das EKHG sonst auf ihn überhaupt nicht angewendet werden könne. Auch für die Anwendbarkeit des EKHG hinsichtlich des Sachschadens wäre es gemäß § 4 EKHG Voraussetzung, daß der Kläger Fahrgast und nicht Lenker gewesen sei.
Mangels gesetzlicher Spezialregeln über die Beweislast im materiellen Recht muß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Normen behaupten und beweisen (Rosenberg, Beweislast 98 f; Fasching, LB2 Rz 881 f; Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht4 Rz 585; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 16/6; ZVR 1989/114 ua). In den Fällen der Haftung ohne eigenes Verschulden des Ersatzpflichtigen muß der Geschädigte neben Schaden und Verursachung die weiteren Voraussetzungen beweisen, an die das Gesetz die Haftung knüpft; bei Ansprüchen nach dem EKHG muß der Geschädigte nachweisen, daß die Schädigung beim Betrieb des Fahrzeuges erfolgte (Koziol aaO Rz 16/18). Dem Beklagten obliegt es dagegen, die für ihn günstigen Tatsachen, die zu einem Entfall oder einer Einschränkung der Haftpflicht führen, zu beweisen (Koziol aaO Rz 16/19; EvBl 1993/192 = ZVR 1993/167). Das entspricht den anerkannten Behauptungs- und Beweislastregeln, daß die Regel vom Anspruchswerber, die Ausnahme aber vom Anspruchsgegner zu behaupten und zu beweisen ist (EvBl 1993/192 = ZVR 1993/167 mit Literaturhinweisen). Haftet der Belangte nach den Vorschriften des EKHG, so kann er sich ua davon befreien, wenn er beweist, daß ein unabwendbares Ereignis (§ 9 EKHG) vorliegt (Koziol aaO Rz 16/20; SZ 29/30; SZ 34/93; SZ 46/36 uva, zuletzt etwa ZVR 1993/111 und SZ 69/1).
Der Ausschluß von der Gefährdungshaftung des Unternehmers und Fahrzeughalters in § 3 Z 3 EKHG wurde zwar mit der Begründung eingeführt, daß die Haftung gegenüber diesen Personen im Sozialversicherungsrecht geregelt sei. Nach herrschender Ansicht (Apathy, EKHG Rz 15 zu § 3; derselbe, FS Schwarz 474; derselbe, Fragen der Haftung nach dem EKHG, JBl 1993, 69 ff [72]); Fucik, Die (objektive) Beweislast, besonders im Haftpflichtprozeß, RZ 1990, 54 ff [58]; Schauer in Schwimann, ABGB2 Rz 15 zu § 3 EKHG) gilt dieser Haftungsausschluß aber auch gegenüber einem Lenker eines Kraftfahrzeuges, der nicht Arbeitnehmer des Halters ist. Wenngleich § 3 EKHG die Frage entscheidet, inwieweit der Geschädigte selbst nicht schutzwürdig gegenüber dem Halter erscheint, § 9 EKHG hingegen das Problem zu lösen hat, wieweit sich der Halter dem Geschädigten gegenüber das Verhalten anderer Personen zurechnen lassen muß, es also um die Wertung ganz verschiedener Interessenlagen geht (Koziol, Haftpflichtrecht II2 525 f), bestimmen doch beide Vorschriften Ausnahmen vom Grundsatz der Gefährdungshaftung, weshalb beide Bestimmungen in Ansehung der Frage der Beweislast für das Vorliegen des dort enthaltenen jeweiligen Ausnahmetatbestandes von der Gefährdungshaftung gleichzubehandeln sind. Auch für das Vorliegen der in § 3 EKHG genannten Ausschlußtatbestände trifft die Beweislast daher Betriebsunternehmer oder Halter (Schauer aaO Rz 21 zu § 3 EKHG).
Fucik meint dagegen (aaO 58, 60), daß der jedenfalls im Fahrzeug befindliche Geschädigte näher zum Beweis sei als der abwesende Halter, weshalb nicht die Lenkereigenschaft des Klägers die rechtshindernde, sondern die Nichtlenkerschaft die rechtserzeugende Tatsache und daher vom Kläger zu beweisen sei, daß er selbst nicht Lenker war. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil der Halter beim Unfall ebenfalls im Fahrzeug saß, eine besondere Nähe des Klägers zum Beweis daher nicht zu erkennen ist. Ob der auf Schadenersatz klagende Insasse eines Kraftfahrzeuges gegenüber dem Halter, der beim Unfall nicht im Fahrzeug gesessen ist, zum Beweis seiner Nichtlenkereigenschaft näher ist als der Halter zum Beweis von dessen Lenkerschaft, weshalb dann der Kläger den Beweis der Nichtlenkerschaft antreten müßte (vgl Fasching aaO 883; 9 ObA 213/93), muß im vorliegenden Fall nicht geprüft werden.
Die in den bisher zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen vertretene Auffassung, daß es Sache des geschädigten Klägers sei zu beweisen, daß er nicht im Sinne des § 3 Z 3 EKHG beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig gewesen sei, kann daher zumindest für den hier zu entscheidenden Fall nicht aufrechterhalten werden. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist es zum vergleichbaren § 8 StVG (Ausschluß der Halter-Gefährdungshaftung, wenn der Verletzte beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig war) herrschende Auffassung, daß der Halter die Voraussetzungen dieses Haftungsausschlusses zu beweisen hat (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht34 Rz 1 zu § 8 StVG; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs3 Rz 9 zu § 8 StVG; Greger, Aktuelle Rechtsprechung zum österreichischen Verkehrshaftungsrecht, NZV 1990, 60). Daß nicht festgestellt werden konnte, ob der Kläger oder der erstbeklagte Halter das Kraftfahrzeug beim Unfall gelenkt hat, geht daher zu Lasten der Beklagten.
Die Revision macht weiters geltend, daß - ausgehend von den festgestellten Schmerzperioden - nur ein Schmerzengeldanspruch von S 73.000 bis S 74.000 angemessen sei. Das Berufungsgericht hat jedoch schon zutreffend dargetan, daß das Schmerzengeld nach der Rechtsprechung nicht nach Art eines Tarifs für einzelne Tage oder sonstige Zeiteinheiten zu berechnen ist. Insoweit kann auf diese Ausführungen verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO idF WGN 1997 BGBl I/140).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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