OGH 2Ob83/22b

OGH2Ob83/22b27.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Mag. Martina Weirer, Rechtsanwältin in Graz, wegen Auskunftserteilung (Streitwert: 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. März 2022, GZ 3 R 170/21a‑28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00083.22B.0627.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin macht als pflichtteilsberechtigte Tochter gegen die Beklagte Auskunftsansprüche geltend.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht auf.

1. Zum Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB

[4] 1.1. Der Senat hat zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB besteht, in der Entscheidung 2 Ob 227/19z (= RS0133354) ausführlich Stellung genommen. Danach muss der Anspruchswerber Umstände behaupten und beweisen, die auf pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers schließen lassen. Beim Anspruch gegen einen (möglichen) Geschenknehmer sind Indizien erforderlich, dass der Erblasser die betreffende Person beschenkt hat. Innerhalb des engeren Familienkreises sind an diese Indizien – insbesondere bei Pflichtteilsberechtigung der möglichen Geschenknehmer – keine hohen Anforderungen zu stellen. Wird etwa bewiesen, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits hinzuzurechnende Schenkungen erhalten hat, liegt schon darin ein ausreichendes Indiz, dass auch noch weitere solche Zuwendungen erfolgt sein könnten. In diesem Fall besteht ein Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB, der als zivilrechtliche Verpflichtung zur Angabe von Vermögen (hier von erhaltenen Schenkungen) iSv Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO zu werten ist.

[5] 1.2. Ob die festgestellten Umstände auf die Möglichkeit von (weiteren) Schenkungen schließen lassen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (2 Ob 211/20y Rz 3). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten:

[6] Nach den Feststellungen erklärte der Erblasser der Beklagten, dass sie „als Gegenleistung“ für die jahrelange Pflege ihrer Schwiegereltern, ihre finanzielle Hilfe (für das vom Erblasser betriebene Unternehmen) und die Übernahme von Bürgschaften für vom Erblasser aufgenommene Kredite „grundbücherliche Hälfteeigentümerin“ einer von ihm mit dem Erlös aus dem Verkauf einer anderen Liegenschaft angekauften Eigentumswohnung samt Abstellplatz werden solle. Mit einem weiteren Teil des Verkaufserlöses deckte der Erblasser einen „Teil seiner unternehmerischen Schulden“ ab. Wenn das Berufungsgericht auf dieser Grundlage davon ausging, dass der Klägerin der Beweis des Vorliegens einer Schenkung des Erblassers an die Beklagte misslungen sei, ist dies im Einzelfall jedenfalls vertretbar.

2. Zum Auskunftsanspruch nach Art XLII Abs 1 Fall 2 EGZPO

[7] 2.1. Die Klägerin stützte den Anspruch auf Auskunftserteilung „über sämtliche Aktiva und Vermögenswerte des Erblassers“ zum Todestag in erster Instanz ausschließlich darauf, dass die Beklagte in diesem Zusammenhang Vermögenswerte verheimlicht oder verschwiegen habe.

[8] 2.2. Voraussetzung für einen Anspruch nach dem zweiten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO ist, dass der Beklagte von der Verschweigung oder Verheimlichung des anzugebenden Vermögens vermutlich Kenntnis hat. Dabei ist kein strenger Maßstab anzulegen. Schon der bloße, durch objektive Anhaltspunkte gestützte und vom Kläger zu bescheinigende Verdacht einer entsprechenden Kenntnis reicht aus (RS0034823). Die Verschweigung oder Verheimlichung von Vermögen setzt zwar kein deliktisches, wohl aber ein aktives Verhalten voraus. Gefordert wird ein bewusstes absichtliches Verschweigen oder Verheimlichen und damit eine Tätigkeit, die diesen Erfolg bezweckt. Die bloße Verweigerung der Auskunft über ein Vermögen oder sonst passives Verhalten erfüllt dagegen den Tatbestand nicht (RS0034828, RS0034859, RS0034872).

[9] 2.3. Nach den getroffenen Feststellungen hatte die Beklagte keinen Einblick in die finanzielle Gebarung des Erblassers; sie hat im Verlassenschaftsverfahren sämtliche ihr bekannten Vermögenswerte des Erblassers angegeben. Wenn das Berufungsgericht ausgehend davon annahm, dass die Klägerin kein aktives, auf die Verheimlichung oder Verschweigung von Vermögen gerichtetes Verhalten der Beklagten bescheinigt habe, stellt dies keine im Einzelfall aufzugreifende Überschreitung des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums dar.

[10] 2.4. Da das Berufungsgericht einen – von der Klägerin im Hinblick auf Auskünfte über das Nachlassvermögen allein geltend gemachten – Anspruch nach Art XLII Abs 1 Fall 2 EGZPO vertretbar verneint hat, kommt eine (isolierte) Verurteilung der Beklagten zur eidlichen Bekräftigung der Richtigkeit und Vollständigkeit des im Verlassenschaftsverfahren errichteten Inventars im hier vorliegenden Fall jedenfalls nicht in Betracht.

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