Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte mit ihrer beim Bezirksgericht für Handelssachen eingebrachten Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 9.579,86 s.A. im wesentlichen mit der Begründung, daß ihr mit Exekutionsbewilligung des Exekutionsgerichtes Wien vom 28. August 1989, 9 E 9728/89, die Pfändung und Überweisung der Forderung der ***** Gesellschaft m.b.H. gegen den Beklagten auf Bezahlung der Stammeinlage von S 247.500,-- zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung an Kapital von S 7.120,-- und an Zinsen und Kosten von S 2.459,86 bewilligt worden sei. Der Beklagte habe bisher keine Zahlung geleistet.
Das Erstgericht wies die Klage a limine im wesentlichen mit der Begründung zurück, daß der Streitgegenstand
S 50.000,-- übersteige. Die Klage falle daher nicht in die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes.
Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs der Klägerin gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß keine Folge. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, gemäß § 55 Abs. 3 JN sei die ganze unberichtigte Klagsforderung für den Streitwert maßgeblich, selbst wenn sie teilweise wegen mangelnder persönlicher Berechtigung des Klägers oder mangelnder Fälligkeit nicht geltend gemacht werden könne. Daher sei auch im vorliegenden Fall für die Streitwertbemessung die Gesamtforderung an rückständiger Stammeinlage von S 247.500,-- heranzuziehen, obwohl lediglich ein Teilbetrag in einer
S 50.000,-- nicht übersteigenden Höhe gepfändet und der Klägerin überwiesen worden sei.
§ 55 Abs. 3 JN solle Verschiebungen der sachlichen Zuständigkeit durch willkürliche Teileinklagung verhindern. Daß die Klägerin lediglich im Umfang des überwiesenen Teilbetrages zur Geltendmachung der Stammeinlagenforderung legitimiert sei, ändere nichts daran, daß sie nur einen Teil einer Gesamtforderung begehre.
Der Überweisungsgläubiger erlange die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zur Geltendmachung und Einziehung der überwiesenen Forderung. Diese gesetzliche Vertretung unterscheide sich von der gewöhnlichen Vertretung nur dadurch, daß
der Überweisungsgläubiger lediglich auf dem beschränkten Gebiet der Geltendmachung eines überwiesenen Forderungsrechtes auftrete, und zwar nicht im Interesse des Verpflichteten, sondern im eigenen Interesse. Wenn sowohl der Verpflichtete als auch der Überweisungsgläubiger die Forderung geltend machten, sei in beiden Rechtsstreiten Parteienidentität gegeben. Klage der Überweisungsgläubiger nach dem Verpflichteten, liege Streitanhängigkeit vor. Ausgehend von dieser Rechtsstellung des Überweisungsgläubigers komme dem Hinweis, daß die Klägerin im Umfang ihrer Legitimation nur eine kleinere Forderung geltend mache, keine Bedeutung zu.
Die Richtigkeit der Anwendung des § 55 Abs. 3 JN auf den vorliegenden Fall zeige sich auch von der Warte des Beklagten. Mache dieser Zahlung geltend, dann treffe ihn die Behauptungs- und Beweislast, die gesamte Stammeinlage bezahlt zu haben, denn nur dann sei auch der gepfändete Teil getilgt.
Dem Streitwert komme in diesem Zusammenhang vor allem in Bezug auf die an ihn geknüpften Rechtsmittelbeschränkungen, insbesondere im Sinne der §§ 501, 502 Abs. 2, 517, 519 und 528 ZPO wesentliche Bedeutung zu. Es sei dem Gesetz kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß der Beklagte als Schuldner eines die bezirksgerichtliche Wertgrenze übersteigenden Geldbetrages in seiner Rechtsmittelbefugnis dadurch beschränkt werden könnte, daß gegen ihn bloß ein geringerer dem betreibenden Gläubiger zur Einziehung überwiesener Teilbetrag aus der gesamten Schuld eingeklagt werde. Es bestehe keine sachliche Rechtfertigung, in einem solchen Fall zwischen dem für die sachliche Zuständigkeit maßgeblichen Streitwertbegriff und dem für die Rechtsmittelzulässigkeit zu differenzieren. Der maßgebliche Streitwert sei hier vielmehr einheitlich im § 55 Abs. 3 JN definiert (§ 55 Abs. 5 JN).
Das Erstgericht habe seine sachliche Zuständigkeit mit Recht verneint.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der sachlichen Zuständigkeit im Fall einer Drittschuldnerklage, wenn der Gesamtwert der überwiesenen Forderung die Bezirksgerichtsgrenze übersteige, der überwiesene Teil aber darunter liege, nicht vorliege. Im Hinblick auf eine entgegengesetzte Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien würde eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit dienen.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, "den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes bejaht und ein Zahlungsbefehl erlassen werde"; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch sachlich berechtigt. Entscheidet das Rekursgericht bei einem ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand über den Betrag, der als Streitgegenstand anzusehen ist, so gilt der höchste in Betracht kommende Betrag als Entscheidungsgegenstand, weil dieser der Entscheidung des Rekursgerichtes zugrund lag. Auf den richtigen Wert des Streitgegenstandes kommt es somit in einem solchen Fall für die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit nicht an. Für diese Frage ist es nicht von Bedeutung, ob sich der Wert des Streitgegenstandes nach § 55 Abs. 3 JN richtet; entscheidend dafür ist vielmehr, daß sich der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichtes nach dem höchsten als Streitgegenstand in Betracht kommenden Betrag bestimmt (2 Ob 611/90; 2 Ob 635/90; 3 Ob 587/90; 5 Ob 605/90; anders 8 Ob 663/90).
Da dieser Wert des Entscheidungsgegenstandes des Rekursgerichtes im vorliegenden Fall den im § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO genannten Betrag von S 50.000,-- übersteigt und der in der nachfolgenden Z 2 festgelegte Ausnahmefall gegeben ist, ist der vorliegende Revisionsrekurs nicht nach diesen Bestimmungen jedenfalls unzulässig, sondern entsprechend dem Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 528 Abs. 1 ZPO zulässig.
Er ist auch sachlich berechtigt.
Entgegen der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes ist im Fall der Drittschuldnerklage § 55 Abs. 3 JN nicht anzuwenden. Nach dieser Bestimmung ist für den Wert des Streitgegenstandes der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalforderung maßgebend, wenn nur ein Teil einer Kapitalforderung begehrt wird. Es besteht im Schrifttum und in der Rechtsprechung Übereinstimmung darüber, daß durch diese Regelung die Möglichkeit ausgeschaltet werden soll, durch willkürliche Teileinklagung die Zuständigkeit des Gerichtshofes zu umgehen (Fasching, Kommentar I 347; SZ 17/97; EvBl. 1953/375; 5 Ob 541/80 ua). Die Möglichkeit zur willkürlichen Teileinklagung hat aber nur derjenige, dem die gesamte Forderung zusteht, weshalb § 55 Abs. 3 JN so zu verstehen ist, als ob er lauten würde: "Begehrt der Kläger nur einen Teil einer ihm zustehenden Kapitalforderung ..." (3 Ob 587/90).
Der Wert des Streitgegenstandes der Klage, die vom betreibenden Gläubiger gegen den Drittschuldner eingebracht wird, ist nur der überwiesene Teil, nicht aber gemäß § 55 Abs. 3 JN der Gesamtbetrag der noch unberichtigten gepfändeten Forderung. Der Klägerin wurde nicht die gesamte Forderung der ***** Gesellschaft m.b.H. gegen den Beklagten überwiesen, sondern nur ein unter der Gerichtshofgrenze liegender Betrag. Nur auf diesen hat die Klägerin Anspruch; sie kann keine weitere Forderung gegen den Beklagten stellen (vgl. JBl. 1988, 657). Es handelt sich daher nicht um die Geltendmachung nur eines Teiles einer Kapitalforderung.
Dem Rekursgericht ist, soweit es SZ 8/155 zitiert, zuzugeben, daß der Oberste Gerichtshof früher tatsächlich die Ansicht vertrat, bei der Vorschrift des § 55 JN komme es nicht darauf an, ob die klagende Partei in der Lage wäre, den gesamten noch unbefriedigten gegen die beklagte Partei behaupteten Anspruch mittels Klage geltend zu machen (so schon GlUNF 1527, wo ausgeführt wurde, bei der Klage des Zessionars, dem nur der Teil einer Forderung abgetreten wurde, sei die gesamte Forderung maßgebend). Von dieser Meinung ging der Oberste Gerichtshof aber bereits in SZ 17/97 ausdrücklich ab und führte dort aus, bei Übergang eines Teiles einer Forderung auf ein anderes Rechtssubjekt sei der Teil eine selbständige Forderung geworden und nicht mehr Teilbetrag einer größeren Forderung geblieben.
Ferner hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 12/267 die Ansicht vertreten, daß § 55 Abs. 3 JN dann nicht anzuwenden sei, wenn über einen Teil der Kapitalforderung schon gerichtlich entschieden wurde und dieser Teil daher bei Gericht nicht mehr geltend gemacht werden kann. Dem entspricht aber die Rechtsstellung des Überweisungsgläubigers, der ebenfalls nicht die Möglichkeit hat, den nicht überwiesenen Teil der Forderung einzuklagen.
Nicht zielführend ist der Hinweis des Rekursgerichtes auf die in EvBl. 1985/102 veröffentlichte Entscheidung, wonach dann, wenn der Verpflichtete die Forderung bereits geltend gemacht hat, hinsichtlich der späteren Klage des Überweisungsgläubigers Streitanhängigkeit vorliegt. Macht der Überweisungsgläubiger den ihm überwiesenen Teil der Forderung geltend und der Verpflichtete den ihm verbliebenen Rest, dann steht der später eingebrachten Klage auch dann, wenn man die Ansicht vertritt, es liege Parteienidentität vor, auf keinen Fall Streitanhängigkeit entgegen.
Der Umstand, daß der Beklagte für den Fall, daß er die Forderung bereits befriedigt haben sollte, die Bezahlung der gesamten Forderung behaupten und beweisen müßte, ist für die Frage des Streitwertes ohne Bedeutung. Auch bei Einklagung eines Restbetrages - in diesem Fall ist Streitwert nur der Restbetrag und nicht die ursprünglich bestehende, teilweise bereits befriedigte Forderung - müßte die beklagte Partei die Bezahlung des gesamten Betrages behaupten und beweisen.
Das weitere Argument des Rekursgerichtes, daß der betreibende Gläubiger nur der Vertreter des Verpflichteten sei, ist nicht zielführend, weil der betreibende Gläubiger nach herrschender Auffassung im Drittschuldnerprozeß selbst Partei ist (Heller-Berger-Stix III 2214 f und 2218; JBl. 1956, 343 ua). Da eine allfällige Verschlechterung der Rechtsstellung des beklagten Drittschuldners nicht vom Verhalten des klagenden betreibenden Gläubigers abhängt, kann daraus entgegen der Meinung des Rekursgerichtes für die hier zu lösende Frage nichts gewonnen werden.
Der der Klägerin überwiesene Teil der gepfändeten Forderung, nach dem sich demnach die sachliche Zuständigkeit richtet, übersteigt nicht den gemäß § 49 Abs. 1 JN für die Zuständigkeit des Erstgerichtes maßgeblichen Betrag von S 50.000,--, weshalb dieses seine sachliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat.
Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Klägerin wie im Spruch zu entscheiden.
Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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