Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von S 31.807,77 und brachte vor, daß ihr mit der Exekutionsbewilligung des Exekutionsgerichtes Wien vom 24.11.1989, GZ 13 E 14.500/89, die Pfändung und Überweisung der von der Beklagten bei der W*** W*** Handelsgesellschaft mbH nicht voll einbezahlten Stammeinlage von S 247.500 bis zur Höhe von S 30.125,21 samt 12 % Zinsen seit 3.10.1989 sowie 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen und der Kosten der Exekutionsbewilligung von S 1.682,56, sohin insgesamt in der Höhe von S 31.807,77, bewilligt worden sei.
Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Es vertrat die Ansicht, daß der Überweisungsgläubiger bei der Drittschuldnerklage wie der Verpflichtete anzusehen sei. Es liege demnach nur eine Teileinklagung hinsichtlich eines die Bezirksgerichtsgrenze insgesamt übersteigenden Anspruches vor. Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig.
Es führte unter Hinweis auf von ihm selbst gefaßte Vorentscheidungen aus, gemäß § 55 Abs 3 JN sei die ganze unberichtigte Klagsforderung für den Streitwert maßgeblich, selbst wenn sie teilweise wegen mangelnder persönlicher Berechtigung des Klägers, zum Beispiel infolge teilweiser Pfändung oder Verpfändung oder mangelnder Fälligkeit nicht geltend gemacht werden könne (SZ 8/155). Der Überweisungsgläubiger erlange die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zur Geltendmachung und Einziehung der überwiesenen Forderung. Diese gesetzliche Vertretung unterscheide sich von der gewöhnlichen Vertretung nur dadurch, daß der Überweisungsgläubiger nur auf dem beschränkten Gebiet der Geltendmachung eines überwiesenen Forderungsrechtes und nicht im Interesse des Verpflichteten, sondern im eigenen Interesse, auftrete. Wenn sowohl der Verpflichtet als auch der Überweisungsgläubiger die Forderung geltend machten, sei in beiden Rechtsstreitigkeiten Parteienidentität gegeben. Klage der Überweisungsgläubiger nach dem Verpflichteten, liege Streitanhängigkeit vor (EvBl 1985/102). Ausgehend von dieser Rechtsstellung des Überweisungsgläubigers komme daher dem Hinweis, daß die Klägerin nur eine kleinere Forderung geltend mache, keine Bedeutung zu. Die Richtigkeit der Anwendung des § 55 Abs 3 JN zeige sich wohl auch von der Warte des Beklagten: Mache er Zahlung geltend, dann treffe ihn die Behauptungs- und Beweislast, die gesamte Stammeinlage bezahlt zu haben, denn nur dann sei auch der gepfändete Teil getilgt.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß dem Erstgericht die Einleitung des ordentlichen Verfahrens aufgetragen werden möge.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch sachlich berechtigt. Entscheidet das Rekursgericht bei einem ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand über den Betrag, der als Streitgegenstand anzusehen ist, so gilt der höchste in Betracht kommende Betrag als Entscheidungsgegenstand, weil dieser der Entscheidung des Rekursgerichtes zugrunde lag. Auf den richtigen Wert des Streitgegenstandes kommt es somit in einem solchen Fall für die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit nicht an. Für diese Frage ist es nicht von Bedeutung, ob sich der Wert des Streitgegenstandes nach § 55 Abs 3 JN bestimmt; entscheidend dafür ist vielmehr, daß sich der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichtes nach dem höchsten als Streitgegenstand in Betracht kommenden Betrag bestimmt (3 Ob 587/90; 2 Ob 635/90; anders 8 Ob 663/90).
Da dieser Wert des Entscheidungsgegenstandes des Rekursgerichtes im vorliegenden Fall den im § 528 Abs 2 Z 1 ZPO genannten Betrag von S 50.000 übersteigt und der in der nachfolgenden Z 2 festgelegte Ausnahmefall gegeben ist, ist der vorliegende Revisionsrekurs nicht nach diesen Bestimmungen jedenfalls unzulässig, sondern entsprechend dem Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig. Er ist auch sachlich berechtigt.
Entgegen der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes ist im Fall der Drittschuldnerklage § 55 Abs 3 JN nicht anzuwenden. Nach dieser Bestimmung ist für den Wert des Streitgegenstandes der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalforderung maßgebend, wenn nur ein Teil einer Kapitalforderung begehrt wird. Es besteht im Schrifttum und in der Rechtsprechung Übereinstimmung darüber, daß durch diese Regelung die Möglichkeit ausgeschaltet werden soll, durch willkürliche Teileinklagung die Zuständigkeit des Gerichtshofes zu umgehen (Fasching, Kommentar I 347; SZ 17/97; EvBl 1953/375; 5 Ob 541/80 ua). Die Möglichkeit zur willkürlichen Teileinklagung hat aber nur derjenige, dem die gesamte Forderung zusteht, weshalb § 55 Abs 3 JN so zu verstehen ist, als ob er lauten würde: "Begehrt der Kläger nur einen Teil einer ihm zustehenden Kapitalforderung ..."
(3 Ob 587/90).
Der Wert des Streitgegenstandes der Klage, die vom betreibenden Gläubiger gegen den Drittschuldner eingebracht wird, ist nur der überwiesene Teil, nicht aber gemäß § 55 Abs 3 JN der Gesamtbetrag der noch unberichtigten gepfändeten Forderung. Den Klägern wurde nicht die gesamte Forderung überwiesen, sondern nur ein unter der Gerichtshofgrenze liegender Betrag. Nur auf diesen haben die Kläger Anspruch; sie können keine weitere Forderung gegen den Beklagten stellen (vgl JBl 1988, 657). Es handelt sich daher nicht um die Geltendmachung nur eines Teiles einer Kapitalforderung. Dem Rekursgericht ist, soweit es SZ 8/155 zitiert, zuzugeben, daß der Oberste Gerichtshof früher tatsächlich die Ansicht vertrat, bei der Vorschrift des § 55 JN komme es nicht darauf an, ob die klagende Partei in der Lage wäre, den gesamten noch unbefriedigten gegen die beklagte Partei behaupteten Anspruch mittels Klage geltend zu machen (so schon GlUNF 1527, wo ausgeführt wurde, bei der Klage des Zessionars, dem nur der Teil einer Forderung abgetreten wurde, sei die gesamte Forderung maßgebend). Von dieser Meinung ging der Oberste Gerichtshof aber bereits in SZ 17/97 ausdrücklich ab und führte dort aus, bei Übergang eines Teiles einer Forderung auf ein anderes Rechtssubjekt sei der Teil eine selbständige Forderung geworden und nicht mehr Teilbetrag einer größeren Forderung geblieben.
Ferner hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 12/267 die Ansicht vertreten, daß § 55 Abs 3 JN dann nicht anzuwenden sei, wenn über einen Teil der Kapitalforderung schon gerichtlich entschieden wurde und dieser Teil daher bei Gericht nicht mehr geltend gemacht werden kann. Dem entspricht aber die Rechtsstellung des Überweisungsgläubigers, der ebenfalls nicht die Möglichkeit hat, den nicht überwiesenen Teil der Forderung einzuklagen. Nicht zielführend ist der Hinweis des Rekursgerichtes auf die in EvBl 1985/102 veröffentlichte Entscheidung, wonach dann, wenn der Verpflichtete die Forderung bereits geltend gemacht hat, hinsichtlich der späteren Klage des Überweisungsgläubigers Streitanhängigkeit vorliegt. Macht der Überweisungsgläubiger den ihm überwiesenen Teil der Forderung geltend und der Verpflichtete den ihm verbliebenen Rest, dann steht der später eingebrachten Klage auch dann, wenn man die Ansicht vertritt, es liege Parteienidentität vor, auf keinen Fall Streitanhängigkeit entgegen.
Der Umstand, daß der Beklagte für den Fall, daß er die Forderung bereits befriedigt haben sollte, die Bezahlung der gesamten Forderung behaupten und beweisen müßte, ist für die Frage des Streitwertes ohne Bedeutung. Auch bei Einklagung eines Restbetrages - in diesem Fall ist Streitwert nur der Restbetrag und nicht die ursprünglich bestehende, teilweise bereits befriedigte Forderung - müßte die beklagte Partei die Bezahlung des gesamten Betrages behaupten und beweisen.
Das weitere Argument des Rekursgerichtes, daß der betreibende Gläubiger nur der Vertreter des Verpflichteten sei, ist nicht zielführend, weil der betreibende Gläubiger nach herrschender Auffassung im Drittschuldnerprozeß selbst Partei ist (Heller-Berger-Stix III 2214 f und 2218; JBl 1956, 343 ua). Da eine allfällige Verschlechterung der Rechtsstellung des beklagten Drittschuldners nicht vom Verhalten des klagenden betreibenden Gläubigers abhängt, kann daraus entgegen der Meinung des Rekursgerichtes für die hier zu lösende Frage nichts gewonnen werden. Der den Klägern überwiesene Teil der gepfändeten Forderung, nach dem sich demnach die sachliche Zuständigkeit richtet, übersteigt nicht den gemäß § 49 Abs 1 JN für die Zuständigkeit des Erstgerichtes maßgeblichen Betrag von S 50.000, weshalb dieses seine sachliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat.
Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Kläger wie im Spruch zu entscheiden.
Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)