Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.829,75 (darin keine Barauslagen und S 257,75 Umsatzsteuer) sowie die mit S 4.897,35 (darin S 1.500,-- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 11. November 1944 in Kasten geborene Kläger, zur Zeit der Eheschließung Hochschüler, nun Berufsoffizier (Oberst) und Meteorologe, und die am 21. Juli 1945 in Bad Schallerbach geborene Beklagte, zur Zeit der Eheschließung Volksschullehrerin, nun Volksschuldirektorin, haben miteinander am 4. März 1967 vor dem Standesamt Dürnstein zu Nr. 6/1967 ihre jeweils erste Ehe geschlossen. Beide Ehegatten sind österreichische Staatsbürger und römisch-katholischer Religion. Aus ihrer Ehe entstammen drei Kinder, Eva, geboren am 30. Juni 1978, Dorith, geboren am 23. Mai 1970, und Susanne, geboren am 25. August 1967. Die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten ist noch aufrecht; der gemeinsame Wohnsitz ist in Pöls in der Weststeiermark. Ehepakte wurden nicht errichtet. Mit der am 22. Jänner 1976 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten. Er macht als Scheidungsgründe unleidliches, zänkisches und streitsüchtiges Verhalten der Beklagten, Unmutsäußerungen der Beklagten mit Beschimpfungen seiner Person, Ablehnung der Beklagten, mit ihm und den Kindern die Freizeit zu verbringen, Verweigerung jeglicher Unterstützung seitens der Beklagten sowie eine am 15. November 1985 von dieser geäußerte Aufforderung an den Kläger, aus der Ehewohnung zu verschwinden, geltend. Durch dieses (besonders in seiner Gesamtheit gesehen) ehewidrige Verhalten sei die Ehe derart zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne; er wolle daher die Ehe nicht fortsetzen.
Die Beklagte bestritt die behaupteten Eheverfehlungen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die vom Kläger behaupteten Handlungen der Beklagten könnten nicht als schwere Eheverfehlungen angesehen werden und es bestehe nach wie vor eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft bzw. es sei die Wiederherstellung einer solchen möglich. Vorgekommene Unmutsäußerungen der Beklagten seien bloß Reaktionshandlungen auf das teilnahmslose Verhalten des Klägers gewesen. Für den Fall der Scheidung beantragte die Beklagte den Ausspruch der überwiegenden Mitschuld des Klägers, der "insbesondere tagelang abwesend" gewesen sei, ohne ihr von seinem Aufenthaltsort Nachricht zu geben. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden der Beklagten und sprach aus, daß den Kläger eine gleichteilige Mitschuld trifft.
Das Erstgericht traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Die Ehe der Streitteile verläuft seit acht bis zehn Jahren nicht mehr harmonisch. Die Beklagte ist eine sehr leicht erregbare, eifersüchtige Frau, die ihren Gefühlen lautstark Ausdruck verleiht und ihre Meinung auch entsprechend vertritt. Der Kläger ist sehr zurückhaltend, beherrscht und ruhig und seinem Beruf entsprechend standesbewußt. Diese krassen Persönlichkeitsunterschiede führten dazu, daß die Ehegatten bei Meinungsverschiedenheiten selten auf einen gemeinsamen Nenner kamen. Der Kläger entwickelte daher ein Verhalten, um derartigen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Entweder er gab nach, wodurch in ihm allmählich der Eindruck entstand, unterdrückt zu sein, oder er zog sich von der Beklagten überhaupt zurück. Letzteres äußerte sich in verschiedenen Formen. So darin, daß er beim Zusammensein mit der Beklagten einfach "geistig abschaltete", oder daß er ihr seit etwa sechs Jahren verbot, ihn in der Dienststelle anzurufen, weil sie ihm mit ihren Vorwürfen auf die Nerven ging und es ihm peinlich war, wenn seine Kollegen die Auseinandersetzung mitanhörten. Er teilte der Beklagten in den letzten Jahren auch nicht mehr mit, wohin er auf Kurse fuhr, weil die Beklagte daran wieder endlose Diskussionen über diese Vorhaben knüpfte. Der Kläger ging auf die Beklagte mit ihren Problemen nie ein. Er sagte ihr, sie sei nicht normal, sie gehöre zu einem Psychiater. Wenn sie weinte, sagte er, sie sei hysterisch, ob jetzt Vollmond sei oder ähnliches. Wenn sie einmal sagte, daß der Kläger sie falsch behandle, wenn sie miteinander fortgehen, ging der Kläger nicht darauf ein, sondern meinte nur, das sei ein Blödsinn, was die Beklagte sage. Die Beklagte ihrerseits pflegte sich bei Gesprächen so hineinzusteigern, daß jedes Gespräch mit einem Geschrei endete. Sie nörgelte ständig am Kläger und den Kindern herum. Dies auch in der Öffentlichkeit in einer Lautstärke, die dem Beklagten peinlich war. Verschärft wurde diese Situation des Gegenüberstehens derartig unterschiedlicher Persönlichkeiten dadurch, daß sie immer wieder versuchten, einander durch Belehrung und Kritik zu erziehen und der andere auf derartige Versuche überempfindlich reagierte, da jeder eigentlich auf Anerkennung und Lob wartete, das aber dabei zu kurz kam. So äußerte sich die Beklagte gegenüber dem Kläger auf einem Ball vor drei, vier Jahren, als die Ehegatten in einer Gesellschaft am Tisch saßen und sich unterhielten, daß er ihr die Tischnachbarn nicht vorgestellt habe und daß er zuviel getrunken habe. Auf Grund der Äußerungen der Beklagten mußten die Ehegatten dann aufstehen und heimgehen. Die Beklagte äußerte sich bei Vorschlägen des Klägers häufig negativ und so unmutig, daß der Kläger dann gar nichts mehr sagte. So getraute er sich, wenn sie gemeinsam in der Stadt unterwegs waren, nicht mehr zu sagen, daß er Lust hätte, etwas zu trinken, weil die Beklagte sicher wieder etwas anderes wollte. Bei gemeinsamen Einkäufen kam es deshalb vor, daß der Kläger die Beklagte die "Packerln" allein tragen ließ, weil sie seinem Rat, mit dem Auto dorthin zu fahren, nicht gefolgt war. Er stellte seiner Frau öfters die Frauen seiner Kollegen als Vorbilder hin. Er äußerte sich mehrfach der Beklagten gegenüber, daß er mit ihr nirgends hingehen könne, weil er sich mit ihr genieren müsse. Wenn es einmal vorkam, daß die Ehegatten gemeinsam auf Veranstaltungen der Dienststelle des Klägers gingen, spielte sich das so ab, daß der Kläger der Beklagten genaue Anweisungen über ihr Verhalten erteilte, wie "mach den Mund auf, steh nicht wie ein Stummerl, als ob du nicht bis drei zählen könntest, begrüße die Anwesenden in der Reihenfolge ihres Ranges, zieh dir was Anständiges an, frisier dich, schau nicht so drein" und Ähnliches. Er bezeichnete die Arbeiten, die sich die Beklagte als Volksschuldirektorin oft machte, als sinnlos. Sie arbeite Tag und Nacht und es komme nichts dabei heraus. Es hätte ihr schon längst gelingen müssen, ein neues Schulhaus zu erreichen. Er kritisierte auch die Arbeitseinteilung der Beklagten. Zu den beiderseitigen Lieblosigkeiten traf das Erstgericht im einzelnen noch folgende Feststellungen:
Die Beklagte gewann aus dem Verhalten des Klägers im Laufe der Ehe den Eindruck, daß er sie eigentlich nicht hatte heiraten wollen, sondern der Schwiegervater dahinter war, weil die Beklagte ein Kind erwartete. Der Kläger äußerte sich gegenüber der Beklagten im Laufe der Ehe mehrfach, daß er einen Fehler begangen habe, weil er unter seinem Stand geheiratet habe. Bei einem Verkehrsunfall vor sieben oder acht Jahren, als die Beklagte im Auto, das vom Vater des Klägers gelenkt wurde, schwere Verletzungen erlitt und sie eigentlich einen längeren Krankenstand hätte nehmen sollen, sagte der Kläger, sie dürfe nicht zu Hause bleiben, um seinen Vater nicht noch mehr in die Sache hineinzuziehen. Der Schwiegervater wurde aber trotzdem dann strafgerichtlich verurteilt. Im Gegensatz zur kritischen und kühlen Verhaltensweise des Klägers gegenüber der Beklagten, gab sich der Kläger in Gesellschaft immer sehr charmant und freundlich. Wenn die Ehegatten Gäste hatten, ging das so vor sich, daß der Kläger sagte, was die Beklagte kochen müsse. Die Beklagte mußte auch dazu die nötigen Sachen einkaufen, weil sie wußte, daß der Kläger in Uniform lieber kein "Sackerl" trägt. Die Beklagte trug dann die Speisen auf und räumte auch allein ab. Der Kläger äußerte schon vor Jahren mehrfach, daß er sich scheiden lassen wolle, wenn die größere Tochter die Matura habe. Hinsichtlich der Beistandspflicht stellte das Erstgericht fest, daß die Ehegatten einander im Beruf meist schon geholfen haben. So hat der Kläger der Beklagten bei ihren Arbeiten für die Schule immer geholfen, und zwar bis in die letzte Zeit. Er kümmerte sich in der Schule, in der die Streitteile wohnen und an der die Beklagte als Direktorin tätig ist, auch um Hofkehren, Fahne aufhängen, Gras mähen, Müllabfuhr, Reparaturen und Ähnliches. Auch bei den Schulstatistiken und Bücherbestellungen half er der Beklagten. Er ärgerte sich nur mehrfach über die Beklagte, weil sie schimpfte, wenn er das Schultelefon benützte, obwohl die Streitteile ohnedies für die Privatbenützung dazuzahlen. Auf der anderen Seite half auch die Beklagte dem Kläger, z.B. wenn er etwas Englisch übersetzen mußte oder bei der stilistischen Ausarbeitung von wissenschaftlichen Aufsätzen des Klägers. Wenn der Kläger das Auto der Beklagten benützte, störte ihn, daß die Beklagte häufig betonte, daß es ihr Auto ist. Die Beklagte mußte in Abwesenheit des Klägers auch öfters Lawinenberichte auf Band sprechen. Im Februar heurigen Jahres kam das wieder vor. Der Apparat hatte damals nicht funktioniert. Die Beklagte rief den Kläger, der sich auf Schiurlaub befand, an und teilte ihm das mit, worauf er sagte: "Wie du das draufbringst, ist mir egal, in einer Stunde muß es oben sein. Ich dachte, ich habe jetzt einmal drei Tage Ruhe von dir". Vor etwa 20 Jahren lehnte die Beklagte die Bitte des Klägers, etwas Englisch zu übersetzen, deshalb ab, weil die Beklagte damals gerade nach einer 8 bis 10-stündigen Reise zur Wetterstation des Klägers auf den Dachstein gekommen und sehr müde war, der Kläger ihr aber gleich diese Arbeit in die Hand gedrückt hatte, ohne sie zu begrüßen oder etwas zu fragen. Der Kläger hatte im Herbst 1985 die Absicht, sich als Gemeinderat in der Gemeinde Pöls zu bewerben. Da die Beklagte das nicht wollte, hat er dann davon Abstand genommen. Die Beklagte nahm an, er wolle sich als Gemeinderat bewerben, um sich um die Schule zu kümmern. Sie wollte aber nicht, daß sich der Beklagte da einmische. Zum Problem der Eifersucht der Beklagten stellte das Erstgericht im einzelnen fest, daß die Beklagte ihrem Wesen nach eifersüchtig ist und dazu neigte, in dieser Hinsicht mißtrauisch zu sein, was der Kläger auch zu spüren bekam. So ärgerte es sie schon, wenn der Kläger am Telefon mit einer Frau freundlich sprach. Sie konnte es auch nicht ertragen, daß der Kläger allein auf Unterhaltungen ging. Sie ertrug es deswegen auch schwer, wenn der Kläger ihr andere Frauen als Vorbild hinstellte. Im Mai 1986, an einem Sonntag, kam der Kläger im Kreis der Familie beim Essen auf eine Bekannte zu sprechen. Die Beklagte fragte gleich, wo er diese Frau kennen gelernt habe und warum er ihr nicht von dieser Frau erzählt habe. Der Kläger hat auf die gereizten Äußerungen seiner Frau gar nicht reagiert und abgeschaltet. Die Beklagte machte dem Kläger im Laufe ihrer Ehe häufig Eifersuchtsvorwürfe, die oft nächtelang dauerten. Die Konsequenz des Klägers war, daß er der Beklagten nichts mehr über derartige Kontakte erzählte. Die Arbeiten, die die Sekretärin der Offiziersgesellschaft für den Kläger erledigen muß, ziehen sich oft bis in die Nachtstunden hinein, bis etwa 23 Uhr. Der Kläger kommt dann oft auch anschließend in der Nacht überhaupt nicht mehr nach Hause, angeblich, weil irgendeine Nachtübung war. Auch bei einer Frau der Kleinen Zeitung diktierte der Kläger oft in den Abendstunden. Vor drei, vier Jahren bekam der Kläger einmal eine Urlaubskarte mit der Unterschrift "In Liebe, Deine Evelyn". Die Karte war an die Dienststelle des Klägers beim Thalerhof adressiert. Sexuelle Beziehungen bestanden zwischen den Streitteilen bis in letzte Zeit. So auch noch einige Tage vor der Verhandlung am 28. Mai 1986, ohne daß dabei von einer Verzeihung zwischen den Streitteilen die Rede war. Im Laufe der Ehe versuchten die Streitteile einige Male, über das Problem der Unbeherrschtheit der Beklagten zu reden. Sie einigten sich dann, daß sie es wieder versuchen wollen. Die Beklagte hat auch versprochen, sich zusammen zu nehmen. Es ist dann aber nur eine Woche oder maximal einen Monat gutgegangen und dann war es wieder wie vorher. Im letzten halben Jahr nimmt sich die Beklagte besonders zusammen und bemüht sich, dem Kläger jeden Wunsch zu erfüllen. Von den Fehlern des Klägers war bei diesen Gesprächen kaum die Rede. Hauptsächlich war von den Fehlern der Beklagten die Rede. Der Kläger schenkte der Beklagten zu ihrem Geburtstag im Juli des vorigen Jahres auch einen Blumenstrauß. Vorher hatte er ihr nie Blumen gebracht, weil er meinte, sie bekomme sie ohnehin in der Schule zur Genüge. Er hatte den Eindruck, daß Liebesbezeugungen ähnlicher Art bei der Beklagten nie angekommen seien, weil die Beklagte annimmt, daß er es ohnehin nicht ehrlich meint oder etwas damit vertuschen will. Es kam aber schon vor, daß er Süßigkeiten oder Getränke heimbrachte, die die Beklagte schätzt, und er machte der Beklagten natürlich auch Geschenke zu Weihnachten oder zum Geburtstag. Auslösend für die Einbringung der Scheidungsklage war eine Auseinandersetzung der Streitteile im November 1985. Die Beklagte hatte ihren Mann schon 14 Tage davor gebeten, sie zu einer örtlichen Parteiversammlung zu begleiten, bei der es um die Erhaltung der Schule ging. Der Kläger kam dann später zurück als geplant, worauf ihm die Beklagte Vorwürfe machte. Es entwickelte sich eine größere wörtliche Auseinandersetzung, die damit endete, daß der Kläger in die Stadt fuhr und die Beklagte auch nicht mehr zur Parteiversammlung ging. Bei der Auseinandersetzung äußerte sich die Beklagte gegenüber dem Kläger, warum er nicht angerufen habe, er könne ja gleich fortbleiben. Er habe hier nichts zu suchen, er brauche gar nicht mehr heimkommen, weil sie sich ohnedies scheiden lasse, etc. Als er zu seiner Frau sagte, daß er zum Klagsanwalt gehe, äußerte sie sich, daß sie sich dann das Leben nehmen wolle und dabei die Tochter Eva mitnehmen würde, wenn es zu einer Scheidung kommen sollte.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, eine gleichteilige Verschuldensteilung sei gerechtfertigt, da das Verhalten beider Teile zueinander korrespondierend ursächlich die Zerrüttung der Ehe bewirkt habe. Den von Seiten der Beklagten ausgesprochenen Lieblosigkeiten gegenüber dem Kläger stünden die meist unausgesprochenen Lieblosigkeiten des Klägers gleichwertig gegenüber. Jeder versuche auf lieblose Art, den anderen zu erziehen statt in Liebe auf seine Fehler einzugehen und ihm bei Überwindung dieser Fehler auch durch Lob und Anerkennung beizustehen. Keiner der Ehegatten berücksichtige, daß gerade der andere in seiner beruflichen Situation Anerkennung gebraucht hätte. Jeder der beiden habe sich natürlich auch seinem Stand und Beruf entsprechend zur Erziehung des anderen berufen gefühlt, selbst aber auf Kritik äußerst empfindlich reagiert. So sei bezeichnend, daß die Beklagte es als Lieblosigkeit des Klägers empfinde, daß sie auch in seinem Terminkalender eintragen müsse, wenn er auf die Kinder schauen solle. Diese Äußerung zeuge von mangelndem Verständnis für die beruflichen Anforderungen des Klägers. Andererseits zeige sich ein ausgesprochener Mangel an Einfühlungsvermögen des Klägers, wenn er selbst angebe, auf die Eigenarten seiner Frau mit "Abschalten" zu reagieren. Es sei auch völlig falsch gewesen, der eifersüchtigen Beklagten andere Frauen als Vorbilder hinzustellen. Bezeichnend sei auch bei der Schilderung der Gespräche der Streitteile über ihre Eheprobleme, daß dabei meistens nur von den Fehlern der Beklagten die Rede war ("Die Beklagte hat versprochen, sich zusammen zu nehmen"). Insofern scheine die Bemerkung der Beklagten richtig zu sein, daß der Kläger offenbar seine Fehler nicht erkannte und nie zugeben wollte, daß er Unrecht habe. Daher habe er auch so empfindlich auf die "Maßregelung durch die Beklagte" reagiert. Ein ehrliches Zugeben oder Eingeständnis von Fehlern durch einen der Ehegatten hätte in solchen Fällen dem anderen den Wind aus den Segeln genommen. Der Kläger habe auch noch nicht zur Kenntnis genommen, daß zumindest nach der Rechtslage beide berufstätige Ehegatten an der Haushaltsführung mitzuwirken haben (§ 95 ABGB). Auch ein Offizier habe daher keinen Rechtsanspruch darauf, von seiner Gattin bedient zu werden. Aus all diesen Überlegungen sei daher die Ehe gemäß § 49 EheG zu scheiden gewesen, da die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne. Infolge Berufung der Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Scheidungsbegehrens ab. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Weder sei die Ehe der Streitteile vollständig zerrüttet, noch ergäben sich aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, und zwar weder in einzelnen Punkten noch in ihrer Gesamtheit, schwere Eheverfehlungen der Beklagten, welche geeignet wären, eine Scheidung gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten zu rechtfertigen. Die festgestellten Äußerungen der Beklagten anläßlich der Auseinandersetzungen vom 15. November 1985 stellten zwar einen Verstoß gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung zwischen Ehegatten dar, seien aber im vorliegenden Fall von der Beklagten offenbar in heftiger und begründeter Erregung als Reaktion auf die verspätete Heimkehr des Klägers geäußert worden. Auch die festgestellten häufigen Eifersuchtsvorwürfe der Beklagten gegenüber dem Kläger könnten nicht als schwere Eheverfehlung gewertet werden, zumal nicht festgestellt wurde, daß die Beklagte den Kläger grundlos ehewidriger Beziehungen beschuldigt hätte. Streitigkeiten, Reibereien, gegenseitige Kränkungen und Pflichtversäumnisse geringen Grades, wie sie in vielen Ehen vorkommen mögen - und auch bezüglich der hier zu beurteilenden vom Erstgericht festgestellt wurden - , begründeten keine schwere Eheverfehlung. Das Erstgericht habe andererseits festgestellt, daß zwischen den Ehegatten noch bis in die letzte Zeit, so auch noch einige Tage vor der Verhandlung vom 28. Mai 1986, sexuelle Beziehungen bestanden hätten. Aus den Feststellungen könne zwar nicht abgeleitet werden, daß der Kläger selbst Verfehlungen der Beklagten nicht als ehezerstörend und die Ehe nicht als zerrüttet empfunden hätte bzw. empfände. Eine unheilbare Zerrüttung der Ehe sei aber nur dann anzunehmen, wenn objektiv die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe zu bestehen aufgehört habe, das sei hier nicht der Fall. Zusammenfassend sei der festgestellte Sachverhalt dahingehend zu beurteilen, daß die Beklagte in der Zeit von sechs Monaten vor der Klageerhebung (§ 57 Abs 1 EheG) bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz am 15. September 1986 weder schwere Eheverfehlungen gesetzt habe, die eine Scheidung aus ihrem Verschulden gemäß § 49 EheG rechtfertigen könnten, noch die weitere Voraussetzung des § 49 EheG vorliege, daß die Ehe so tief zerrüttet sei, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden könne. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge führt der Kläger aus, das Beweisverfahren habe ergeben, daß auch die Beklagte zum Kläger keine innere Beziehung mehr habe, sondern es ihr nur um eine formelle Aufrechterhaltung der Ehe gehe; sie wolle keine Änderung im ehelichen Verhältnis herbeiführen, sondern lediglich eine Scheidung der Ehe verhindern. Es komme bei den zwischenmenschlichen Beziehungen einer Ehe nicht auf einzelne krasse Vorfälle an, sondern auf die Gesamtsituation und die gesamte Entwicklung. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten jede Harmonie in der Ehe und in der Familie zerstört, sie habe sich bei Gesprächen mit dem Kläger so in eine Aufregung hineingesteigert, daß jedes Gespräch mit einem Geschrei der Beklagten geendet habe. Sie habe ständig am Kläger und an den Kindern herumgenörgelt, der Kläger habe nur mehr neben der Beklagten ohne jede Gemeinsamkeit existieren können. Die Ehe der Streitteile sei aus dem Verschulden der Beklagten unheilbar zerrüttet.
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Gemäß § 49 EheG kann ein Ehegatte Scheidung begehren, wenn der andere durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Eheverfehlungen sind Handlungen und Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten (EFSlg 33.398, 46.148 ua.)
Eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG hat ein Verhalten zur Voraussetzung, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist (EFSlg 29.494, 38.683, 46.149 ua.). Die Pflicht zur anständigen Begegnung, also zu einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Respektierung der Person des Ehepartners, war im § 90 ABGB vor Inkrafttreten des Eherechtswirkungsgesetzes ebenso normiert wie sie es seither ist. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß es bei der Beurteilung, ob ein Ehepartner schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG setzte, immer auf das Gesamtverhalten unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände ankommt. Mögen auch einzelne Handlungen und Unterlassungen für sich allein betrachtet nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung haben, ist immer zu beurteilen, ob nicht Dauer, Wiederholung und dadurch gegebene Belastung das Gesamtverhalten zu einer schweren Eheverfehlung machen (EFSlg 31.636, 36.299, 46.152 ua.). Dies ist im vorliegenden Fall hinsichtlich des festgestellten Verhaltens der Beklagten zu bejahen. Nach den Feststellungen hat die Beklagte dem Kläger im Laufe ihrer Ehe häufig Eifersuchtsvorwürfe, die oft nächtelang dauerten, gemacht und für die sich nach den Feststellungen keinerlei Berechtigung ergibt. Das Erstgericht hat auch festgestellt, daß die Ehe der Streitteile seit acht bis zehn Jahren nicht mehr harmonisch verlaufe, zumal die krassen Persönlichkeitsunterschiede der Ehegatten dazu geführt hätten, daß sie bei Meinungsverschiedenheiten selten auf einen gemeinsamen Nenner gekommen seien. Die Beklagte sei eine sehr leicht erregbare, eifersüchtige Frau, die ihren Gefühlen lautstark Ausdruck verleihe und ihre Meinung auch entsprechend vertrete, der Kläger hingegen sehr zurückhaltend, beherrscht und ruhig und, seinem Beruf entsprechend, standesbewußt. Die Beklagte habe sich bei Gesprächen gewöhnlich so "hineingesteigert", daß jedes Gespräch mit einem Geschrei geendet habe; auch habe sie ständig am Kläger und den Kindern herumgenörgelt, dies auch in der Öffentlichkeit in einer Lautstärke, die dem Beklagten peinlich gewesen sei. Zum Vorfall vom 15. November 1985 hat das Erstgericht festgestellt, daß eine damals stattgefundene Auseinandersetzung der Streitteile auslösend für die Einbringung der Scheidungsklage gewesen sei. Weil der Kläger trotz der Bitte der Beklagten, sie zu einer örtlichen Parteiversammlung, bei der es um die Erhaltung ihrer Schule ging, zu begleiten, nicht rechtzeitig nach Hause gekommen sei, habe sich "eine gröbere wörtliche Auseinandersetzung entwickelt", die damit geendet habe, daß der Kläger in die Stadt gefahren und die Beklagte auch nicht mehr zur Parteiversammlung gegangen sei. Bei dieser Auseinandersetzung habe die Beklagte sich gegenüber dem Kläger geäußert, warum er nicht angerufen habe, er könne ja gleich fortbleiben; er habe hier nichts zu suchen, er brauche gar nicht mehr heimkommen, weil sie sich ohnedies scheiden lasse. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Erstgericht dem Gesamtverhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände der Streitteile das Gewicht einer schweren Eheverfehlung beigemessen, mag dies auch bei einzelnen Handlungen und Unterlassungen der Beklagten für sich allein betrachtet, nicht der Fall gewesen sein. Dafür, daß das ehewidrige Gesamtverhalten der Beklagten ausschließlich als Reaktion auf das Verhalten des Klägers (§ 49 zweiter Satz EheG) zu werten wäre, bieten die Feststellungen keine Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes liegt aber auch eine unheilbare Zerrüttung der Ehe der Streitteile vor. Nach der Rechtsprechung ist eine unheilbare Ehezerrüttung dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben; es genügt also, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (7 Ob 152/75; EF 33.958, JBl 1981, 36; EF 41.241; 2 Ob 615/86 ua.). Wesentlich ist, ob das Verhalten des schuldigen Gatten geeignet war, dem anderen Gatten die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen, und ob es diese Wirkung gehabt hat (EvBl 1959/34; EF 10.283; EF 11.904 ua.). Diese Wirkung kann allerdings auch erst allmählich und im Zusammenhang mit neuen Eheverfehlungen eintreten (6 Ob 276/63; 8 Ob 36/64; 8 Ob 211/75). Dafür, daß die als Scheidungsgrund geltend gemachten Eheverfehlungen auch tatsächlich als ehezerstörend empfunden wurden, spricht in der Regel schon die Erhebung der Scheidungsklage (EF 27.438; EF 34.624; 8 Ob 531/82 ua.). Für die Beurteilung der Ehezerrüttung ist die Bereitwilligkeit des schuldigen Gatten zur Fortsetzung der Ehe unerheblich (EvBl 1959/34; EF 8533; 2 Ob 615/86 ua.). Schließlich liegt in der Fortsetzung des gemeinsamen Geschlechtsverkehrs allein grundsätzlich noch keine Verzeihung des ehewidrigen Verhaltens des Ehepartners (JBl 1962, 259; RZ 1978/51; 2 Ob 617/85). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt hat das Erstgericht zutreffend das Vorliegen einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe angenommen. Nach den Feststellungen wurde die Klage auch innerhalb der Frist des § 57 Abs 1 EheG erhoben, da im November 1985 noch eine heftige wörtliche Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen stattfand, die auslösend für die Einbringung der Scheidungsklage (am 22. Jänner 1986) war. Die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe liegen daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes vor. Der Verschuldensausspruch des Erstgerichtes wird in der Revision nicht bekämpft, vielmehr wird vom Revisionswerber die Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes und damit auch der gleichteiligen Mitschuldzuweisung beantragt.
Der Revision war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Mit Rücksicht auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnten dem Kläger für die Erstattung der Berufungsbeantwortung keine Kosten zugesprochen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)