OGH 2Ob617/85

OGH2Ob617/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roswitha Johanna A, geborene B, Sekretärin, 6020 Innsbruck, Dr.Glatz-Straße 16/2, vertreten durch Dr.Friedrich Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Günther A, derzeit unbekannten Aufenthaltes, vertreten durch den bestellten Abwesenheitskurator Dr.Markus Baldauf, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1985, GZ 1 R 159/85-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23.April 1985, GZ 18 Cg 129/85-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der Klägerin die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 USt.) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 10.12.1955 geborene Klägerin und der am 9.2.1957 geborene Beklagte haben am 1.7.1978 die beiderseits erste Ehe geschlossen, welcher der am 21.7.1979 geborene Sohn Martin entstammt. Die Klägerin stützt ihre Scheidungsklage auf § 49 EheG und macht geltend, der Beklagte sei im Februar 1984 ins Ausland verschwunden, um sich einer strafgerichtlichen Verfolgung zu entziehen. Mit Ausnahme einiger Grußkarten habe er keinen Kontakt zur Familie aufgenommen, leiste keinen Unterhalt und komme auch gemeinsamen Kreditverbindlichkeiten der Ehegatten nicht nach, sodaß die Klägerin von den Gläubigern bedrängt werde. Durch sein Verhalten erscheine die Ehe der Streitteile unheilbar zerrüttet.

Der Beklagte hat das Klagebegehren durch den für ihn bestellten Abwesenheitskurator bestritten und Klagsabweisung beantragt. Das Erstgericht gab der Scheidungsklage statt; sein Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Beklagte durch seinen Abwesenheitskurator eine auf

§ 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Den unterinstanzlichen Entscheidungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte war bereits vor der Eheschließung mehrfach, erstmals im Jahre 1972, also im Alter von 15 Jahren, u.a. wegen Verbrechens des Diebstahles strafgerichtlich verurteilt worden. Nach Widerruf bedingter Strafen von neun Monaten strengem Arrest und einem Jahr strengem Arrest verbüßte er bis zum 31.1.1975 diese beiden und sodann eine weitere Strafe von einem Jahr strengem Arrest. Im Jahre 1975 erfolgte wegen Verbrechens des Einbruchsdiebstahles u.a. Delikte wiederum eine Verurteilung und zwar zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die er bis zum 20.9.1977 verbüßte. Nach der Eheschließung mit der Klägerin wurde der Beklagte im Jahre 1980 neuerlich zunächst wegen Vergehens nach dem Suchtgiftgesetz zu fünf Monaten Freiheitsstrafe (verbüßt mit 22.10.1980) und sodann wegen gewerbsmäßigen schweren Diebstahles, Vergehens nach dem Waffengesetz sowie anderer Delikte zu einer Zusatzstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßte er bis zum 20.5.1983. Nach seiner Haftentlassung ging der Beklagte lediglich bis zum 18.9.1983 einer geregelten Beschäftigung nach, in der Folge war er ohne Beschäftigung. Am 20.10.1983 wurde zu 28 Vr 1819/84 des Landesgerichtes Innsbruck gegen ihn ein weiteres Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls, begangen am 8.9.1983 und 20.9.1983, eingeleitet, am 8.6.1984 jedoch gemäß § 422 StPO abgebrochen und der Beklagte wegen Fluchtgefahr zur Verhaftung im Inland ausgeschrieben. Tatsächlich hatte er sich bereits im Februar 1984 ins Ausland begeben. Zwischen dem 16.2.1984 und 17.6.1984 schrieb der Beklagte sodann der Klägerin zahlreiche Grußkarten aus Spanien, Portugal, Marokko, Senegal, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland, in welchen er sie und das Kind seiner innigen Zuneigung versicherte. Etwa im Herbst 1984 meldete er sich einmal telefonisch bei der Schwester der Klägerin, konnte letztere aber nicht erreichen. Dem Strafgericht teilte er am 23.2.1984 schriftlich mit, daß er die dem abgebrochenen Strafverfahren zugrundeliegenden Verfehlungen bedaure, seine Flucht begründete er damit, daß er für sich und seine Familie eine neue Existenzgrundlage schaffen wolle. Den Entschluß zu seiner Flucht hatte der Beklagte der Klägerin im Februar 1984 kundgetan, wobei er als Beweggrund die drohende neuerliche Verurteilung nannte. Ihre Bemühungen, ihn hievon abzuhalten und sich der Strafverfolgung zu stellen, hatten keinen Erfolg. Aus gemeinsam mit der Klägerin aufgenommenen Krediten nahm der Beklagte einen Betrag von S 70.000,-- ins Ausland mit. Seit seiner Flucht hat er der Klägerin keinerlei Mittel zur Abdeckung der gemeinsamen Schulden oder als Unterhaltsleistung für sie und das Kind zur Verfügung gestellt. Die Klägerin hatte als Aufräumerin eigenes Einkommen für ihren Unterhalt zur Verfügung. Während der Zeit vom Mai 1983 bis Februar 1984 hatten die Streitteile regelmäßig miteinander geschlechtlich verkehrt. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Ehe der Streitteile sei durch das festgestellte ehewidrige Verhalten des Beklagten unheilbar zerrüttet. Eine derartige Zerrüttung liege schon dann vor, wenn die eheliche Gesinnung auch nur bei einem der Ehegatten, hier der Klägerin, zerstört worden sei.

Das Berufungsgericht hielt die Rüge unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger Beweiswürdigung nicht für stichhältig und billigte auch die erstgerichtliche Rechtsansicht. Darauf, ob die Klägerin dem Beklagten die früher begangenen Straftaten allenfalls verziehen habe, komme es nicht an, zumal keinesfalls gesagt werden könne, daß sie von den neuerlichen Straftaten des Beklagten gewußt und diese gebilligt oder nicht als ehezerstörend empfunden habe. Diese Straftaten stellten schwere Eheverfehlungen dar. Auch habe die Klägerin versucht, den Beklagten von der durch die Flucht ins Ausland gegebenen Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes abzuhalten. Die bereits monatelang dauernde Abwesenheit des Beklagten ohne nähere Angabe über seinen jeweiligen Aufenthaltsort und die mangelnde Unterhaltsleistung für das gemeinsame Kind seien als weitere schwere Eheverfehlungen zu werten. Insgesamt könne nicht bezweifelt werden, daß die Ehe der Streitteile durch das ehewidrige Verhalten des Beklagten unheilbar zerrüttet sei, zumal hiefür der Verlust der ehelichen Gesinnung bei einem der Partner genüge.

In der Revision wird eine unheilbare Zerrüttung der Ehe der Streitteile bestritten. Die Klägerin habe durch die Fortsetzung der Ehe mit dem Beklagten nach Bekanntwerden seiner letzten Straftaten gezeigt, daß sie sein Verhalten nicht als ehezerstörend empfinde und durch den bis zu seiner Abreise ins Ausland regelmäßig mit ihm vollzogenen Geschlechtsverkehr seine Straftaten auch verziehen. Der Inhalt der vom Beklagten aus dem Ausland an die Klägerin gerichteten Ansichtskarten zeige, daß die geistig-seelisch-körperliche Gemeinschaft der Streitteile nicht zerstört, sondern nur die körperliche Gemeinschaft derzeit aufgehoben sei. Der Beklagte versuche für seine Familie eine neue Existenzgrundlage zu schaffen. Weder eine Unterhaltsschuld des Beklagten für das Kind noch eine Bedrängung der Klägerin durch Gläubiger sei erwiesen. Somit lägen keine schweren Eheverfehlungen des Beklagten im Sinne des § 49 EheG vor.

Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Unterinstanzen haben sich zutreffend auf die Judikatur bezogen, nach welcher eine unheilbare Ehezerrüttung dann anzunehmen ist, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben; es genügt also, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (7 Ob 152/75; EF 33.958, JBl 1981,36; EF 41.241; 1 Ob 526/84 u.a.). Wesentlich ist, ob das Verhalten des schuldigen Gatten geeignet war, dem anderen Gatten die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen und ob es diese Wirkung gehabt hat (EvBl 1959/34; EF 10.283; EF 11.904 u.a.). Diese Wirkung kann allerdings auch erst allmählich und in Zusammenhang mit neuen Eheverfehlungen, z.B.neuerlicher Straffälligkeit (ÖJZ 1947,241;

RZ 1978,51; 3 Ob 655/82 u.a.), eintreten (6 Ob 276/63; 8 Ob 36/64;

8 Ob 211/75). Dafür, daß die als Scheidungsgrund geltend gemachten Eheverfehlungen auch tatsächlich als ehezerstörend empfunden wurden spricht in der Regel schon die Erhebung der Scheidungsklage (2 Ob 244/74; EF 27.438; EF 34.624; 8 Ob 531/82 u.a.). Für die Beurteilung der Ehezerrüttung ist die Bereitwilligkeit des schuldigen Gatten zur Fortsetzung der Ehe unerheblich (EvBl 1959/34;

EF 8533; 6 Ob 598/79 u.a.). Schließlich liegt in der Fortsetzung des gemeinsamen Geschlechtsverkehrs allein grundsätzlich auch noch keine Verzeihung des ehewidrigen Verhaltens des Ehepartners (JBl 1962,259;

RZ 1978/51; 8 Ob 646/84 u.a.).

Auf der Grundlage dieser Judikatur und der für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsfeststellungen versagen somit von vornherein alle Argumente des Revisionswerbers über eine mangelnde Zerrüttung der Ehe der Streitteile und eine Verzeihung seiner Eheverfehlungen durch die Klägerin. Im übrigen weicht er in seinem Vorbringen, die Klägerin habe nach Bekanntwerden seiner letzten Straftaten auch gezeigt, daß sie diese nicht als ehestörend empfinde und habe ihm verziehen, von den unterinstanzlichen Feststellungen überhaupt ab, sodaß die Revision insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt erscheint. Das gleiche gilt für die Revisionsausführung, er versuche im Ausland eine neue Existenzgrundlage für die Familie zu schaffen. Unerheblich ist es schließlich, ob die Klägerin im Scheidungsverfahren eine Unterhaltsforderung hinsichtlich des Kindes konkretisiert hat und von Gläubigern tatsächlich bedrängt wird, denn es kommt insoweit für die Beurteilung als schwere Eheverfehlungen lediglich darauf an, ob der Beklagte die Klägerin durch seine Flucht ins Ausland tatsächlich gezwungen hat, aus ihrem Einkommen als Aufräumerin auch seine Anteile an den gemeinsamen Verbindlichkeiten zu tragen (2 Ob 506/76; vgl. auch EF 33.953). Daß die vom Beklagten zugestandenen, neuerlichen schweren Straftaten, in welchen zweifellos ein ehrloses und unsittliches Verhalten liegt (vgl. RZ 1954,14; RZ 1978/51 u.a.), und eine entgegen dem Willen der Ehefrau durch Flucht ins Ausland gegebene andauernde Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (vgl. EF 33.903) grundsätzlich schwere Eheverfehlungen darstellen, wird in der Revision selbst nicht bezweifelt. In der rechtlichen Beurteilung der Unterinstanzen, daß dem Beklagten schwere Eheverfehlungen gemäß § 49 EheG zuzurechnen sind, welche das Scheidungsbegehren rechtfertigen, kann somit kein Rechtsirrtum erkannt werden.

Demgemäß mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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