Spruch:
Wenn die Handlung nicht allein vom Willen des Verpflichteten, sondern auch vom Willen Dritter abhängig ist, muß die Frage der Unmöglichkeit von Amts wegen berücksichtigt werden. Der Verpflichtete muß sie nicht mittels Einwendungen geltend machen.
Entscheidung vom 28. Mai 1952, 2 Ob 407/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Die Verpflichtete war mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Arbeitsgerichtes vom 8. August 1950 schuldig erkannt worden, der betreibenden Partei sofort die ihr zugesicherte Hausmeisterwohnung im Haus ... , bestehend aus Zimmer, Küche und Kabinett, zur freien Verfügung zu stellen und die Räumung des von Juliane S., der früheren Hausbesorgerin, in dieser Wohnung benützten Zimmers zu veranlassen. Die betreibende Partei beantragte Exekution gemäß § 354 EO. Die Verpflichtete machte dagegen geltend, daß sie der Juliane S. die weitere Benützung des Zimmers bis zur Erlangung einer gleichwertigen Ersatzunterkunft zugesagt und außerdem die ihr gehörig gewesenen Häuser verkauft und übergeben habe.
Das Erstgericht hat den Exekutionsantrag abgewiesen. Das Rekursgericht hat die beantragte Exekution bewilligt.
Der Oberste Gerichtshof hat den erstgerichtlichen Beschluß wiederhergestellt.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der dritte Abschnitt der Exekutionsordnung regelt die Exekution zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen. Zur Erwirkung der Überlassung oder Räumung von unbeweglichen Sachen oder Teilen von solchen ist die Exekution nach § 349 EO. zu führen. Eine Exekutionsführung nach §§ 353 - 354 EO. kommt nur zur Erwirkung von "anderen Handlungen" in Betracht. Eine Handlung im Sinne des § 354 EO. liegt vor, wenn sie nicht von einem Dritten, sondern nur vom Verpflichteten persönlich vorgenommen werden kann, somit die Anwendung des § 353 EO. ausgeschlossen ist und wenn sie zur Zeit des Exekutionsaktes ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt, was dann der Fall ist, wenn der Verpflichtete tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die Handlung vorzunehmen (Entsch. vom 22. September 1904, GlUNF. 2782). Die Handlung hängt nicht mehr ausschließlich vom Willen des Verpflichteten ab, wenn noch andere Umstände hinzutreten müßten, um die Ausführung zu ermöglichen. § 354 EO. kann auch nicht angewendet werden, obwohl die Notwendigkeit des Hinzukommens anderer Umstände durch Verschulden des Verpflichteten herbeigeführt wurde. Die Unmöglichkeit der Handlung im Sinne des § 354 EO. muß von Amts wegen berücksichtigt werden, so daß der Verpflichtete sie nicht mittels Einwendung nach § 35 EO. geltend zu machen braucht. Die Exekution darf nicht stattfinden, wenn dem Gerichte der Mangel der Voraussetzungen für dieselbe bekannt ist, und die Exekution ist einzustellen, sobald sich herausstellt, daß dieselbe mangels der Voraussetzungen unzulässig ist (Neumann - Lichtblau, S. 1102 ff.).
Im gegenständlichen Falle hat die verpflichtete Partei u. a. eingewendet, daß sie ihre beiden Häuser verkauft habe und darüber nicht mehr verfügungsberechtigt sei. Demgegenüber hat die betreibende Partei in ihrer Äußerung vom 16. Jänner 1952 zwar zugegeben, daß Dr. Anton H. mit der Verpflichteten einen den Ankauf ihrer beiden Häuser betreffenden Vorvertrag abgeschlossen, jedoch noch keine verbücherungsfähige Urkunde habe. Der vom Erstgerichte als Auskunftsperson vernommene Dr. Anton H. hat die Einwendungen der Verpflichteten über den Ankauf der beiden Häuser mit dem Beifügen bestätigt, daß er einen Betrag von 12.000 S auf Rechnung des Kaufpreises bereits bezahlt habe, ihm auch das Kaufobjekt schon übergeben und lediglich die grundbücherliche Übertragung des Kaufes noch nicht durchgeführt sei. Abschließend hat der Genannte angegeben, daß die Verpflichtete über das Kaufobjekt nicht mehr verfügungsberechtigt sei, weil er den Besitz zu Nutzen und Vorteil ab 1. September 1951 übernommen habe.
Die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Vereinbarung zwischen der Verpflichteten und Dr. Anton H. nur zum Scheine getroffen wurde und in Wirklichkeit etwas anderes gewollt war. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß die verpflichtete Partei ihre Häuser verkauft und dem Käufer außerbücherlich bereits übergeben hat. Ist aber dem so, dann fehlt jeder Beweis, daß die Verpflichtete über den von Juliane S. bewohnten Wohnraum oder über andere Räume der verkauften Häuser außer ihrer eigenen Wohnung noch verfügungsberechtigt ist. Der angefochtene Beschluß irrt, wenn er die Auffassung vertritt, daß es auf den außerbücherlichen Erwerb nicht ankomme; denn im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber bewirkt die Tradition ohne Bucheintrag eine dem Eigentume stark angenäherte Stellung des Erwerbers, welche sich von jener des Eigentums nur dadurch unterscheidet, daß ihm die Möglichkeit bücherlicher Verfügungen genommen ist und daß sie durch bücherliche Verfügungen des Veräußerers infolge Eingreifens des Publizitätsprinzips untergraben werden kann (Klang, 2. Aufl., zu § 431 ABGB., S. 358). Unerheblich ist, ob die Verpflichtete in der Vergangenheit Gelegenheiten zur Unterbringung der Juliane S. in einem Ersatzquartier der eigenen Häuser ungenützt ließ, ausschlaggebend ist vielmehr, ob im Zeitpunkt der Durchführung der Exekution (nicht der Stellung des Antrages) tatsächlich und rechtlich der Verpflichteten die Macht zukommt, Juliane S. zur Räumung des Zimmers zu veranlassen. Hat sich die verpflichtete Partei durch Vereinbarungen mit dritten Personen (Dr. Anton H. und Juliane S.) der Verfügungsmöglichkeit über den zu räumenden Raum begeben, so bleibt dem betreibenden Gläubiger die Klage nach § 368 EO.
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